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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.08.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-08-08
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020808029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902080802
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902080802
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-08
- Tag1902-08-08
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Nur selten wurde in den letzten Jahren sein Name genannt; aber wie tief dieser Name in daS Gedächtniß der Zeitgenossen sich ein gegraben und mit welcher Verehrung er von Allen aus gesprochen wurde, die den Werdegang des deutschen Reiches verfolgt und einen vorurtheilslosen Blick für die Verdienste Aller sich bewahrt haben, die als Mitarbeiter BiSmarck'S am Reichsbau bezeichnet werden können, daS zeigte sich so recht bei der Nachricht von dem tragischen Geschicke, dem ein Sohn des greisen Politikers zum Opfer gefallen war. Selbst in den Reihen seiner ehemaligen poli tischen Gegner wurde nur tiefes Bedauern über die Heim suchung laut, die den verdienstvollen Mann in vorgerückten Zähren betroffen, und an die Ausdrücke des Mitgefühls knüpften sich ausschließlich Worte der Anerkennung sür daS langjährige selbstlose Wirken Rudolfs von Bennigsen znm Wohle des Reiches und des führenden deutschen Staates. Zn der That hat nicht leicht ein Politiker, dem es nicht ver gönnt war, an der Spitze eines Staates die Tiefe seiner Einsicht und seiner Gestaltungskraft zu bewähren, dem großen Gründer des Reiches so vorgearbcitet und fördernd zur Seite gestanden, wie der Gründer des deutschen Nationalvereins und Führer der nationalliberalen Partei während ihrer fruchtbarsten und rühmlichsten Zeit. Dies im Einzelnen nach zuweisen, müssen wir uns Vorbehalten; unter dem ersten, ties schmerzlichen Eindrücke der Meldung von seinem Tode sei nur hervorgehoben, daß dieses selbstlose und fördernde Wirken an der Spitze der nationalliberalen Partei nicht unwesentlich erschwert wurde durch eine gewisse Abneigung, der Bennigsen bis kurz vor dem Tode Kaiser Wilhelm'S I. bei dem sonst so wohlwollenden Monarchen begegnete. Er, der 1866 mit aller Kraft versucht hatte, die Neutralität Hannovers durch zusetzen, dann aber nach dem Scheitern dieses Versuches für die Verschmelzung seines Heimathlandes mit Preußen seinen weittragenden Einfluß eingesetzt hatte, erschien dem Lenker dieses Staates als ein von seinem eignen König Abgefallener, dem deshalb volles Vertrauen nicht zu schenken sei. An diesem Vorurtheile, das zuweilen in scharfer Form znm Aus drucke kam, scheiterte 1878 der von Bismarck gewünschte Ein tritt Bennigsen'S in daS preußische Ministerium mehr, als an der Abneigung des Letzteren gegen daS Tabaksmonopol und gegen eine isolirte Stellung im Eabinet. Daß Bennigsen innerlich unter diesem Vorurtheile litt, ist begreiflich; nicht minder begreiflich, daß dem „ab gefallenen Hannoveraner" manche redliche Absicht mißdeutet und deshalb vereitelt wurde. Nie aber hat das Bewußtsein dieser Verkennung sein Handeln beeinflußt, uie ihn davon abgehaltcn, mit der ganzen Wucht seiner Persönlichkeit Alles zu unterstützen, was dem führenden deutschen Staate und seinem Träger, waS dem Reiche und seinem Oberhaupte zum Segen gereichen konnte. Eine durch und durch vornehme und edle Natur, kannte er für sein Handeln nur eine Richt schnur: daS allgemeine Wohl. Selbstverständlich war diese Richtschnur auch allein maß gebend für ihn in seinen Beziehungen zu Bismarck. Es konnte, namentlich nach dem Scheitern der Verhandlungen über den Eintritt Bennigsen'S in daö preußische Ministerium, nicht ausbleiben, daß zwischen beiden Staatsmännern Ver stimmungen eintraten, die bei der jähen Natur deö Kanzlers einen gereizten Charakter anzunehmen drohten. Daß solche Verstimmungen aber rasch vorüber gingen und dem alten principiellen Einvernehmen wichen, war fast allein das Ver dienst Bennigsen'S, dem denn auch Bismarck bis an daö Ende seiner Tage eine Hochschätzung widmete, die der mehr und mehr zum Menschenverächler gewordene Einsiedler von Friedrichsruhe, der an Miquel von jeher die „pupillarische Sicherheit" vermißt hatte, keinem anderen Politiker, ja vielleicht keinem anderen Menschen bewahrt hat. Daß ein Mann von solcher selbstlosen Hingabe an das Ganze den Mitgliedern aller staatserhaltendcn Parteien Hoch achtung abnöthizte, konnte nicht ausbleiben. Sein Wort, durch eine hinreißende Beredsamkeit ohnehin unterstützt, fand denn auch, wie ehemals in der hannoverschen Kammer, so später im preußischen Abgeordnetenhause und im Reichstage auf merksamste Beachtung und wirkte vorbildlich durch absolute Sachlichkeit. Nimmer hat im Reichstage ein wohlthuenderer Ton geherrscht als in den Zähren, da Bennigsen seine mit Spannung erwarteten Reden hielt oder den Vorsitz führte. Sie wirkten um so tiefer, jene Reden, je reicher die Kenntnisse waren, über die Bennigsen gebot. Kaum ein Gebiet war ihm fremd, und mit einer Arbeitskraft, die unerschöpflich schien, war er bis in die letzten Zahre seines Lebens bemüht, den Umfang seines Wissens zu erweitern, die Treffsicher heit seines Urtbeils zu erhöhen. Wer ihn gekannt als Provinzialdirector von Hannover, der neben den umfangreichen Arbeiten seiner Verwaltung im Plenum dcS Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses wie in den Commissionen eine nicht zu übertreffende Thätigkeit entfaltete und doch noch Zeit fand, auf allen wissenschaftlichen Gebieten den For schungen der besten Geister der Culturländer zu folgen, der konnte nur über diese Arbeitskraft und -Lust, nicht aber über die Macht staunen, die ein so geschmückter Politiker selbst auf politische Gegner ausübte. Daß eine so selbstlose, mit umfassender Bildung aus gestattete und vornehme Natur nicht einer extremen Partei richtung huldigen konnte, braucht kaum gesagt zu werden. Ei» Bennigsen mußte auch dem Gegner gerecht werden können und deshalb vor Einseitigkeit bewahrt bleiben. UeberdieS war sein nationaler Zug viel zu tief und zu breit, als daß er ihn nicht zu der Einsicht hätte führen müssen, daß die beste Festigung eines Reiches in der gleichmäßigen Berücksichtigung aller berechtigten Forderungen, in der mög lichsten Bewahrung vor der wechselnden Herrschaft einseitiger politischer und wirthschastlicher Doctrinen besteht. So war denn sein parlamentarisches Wirken, wie sein Walten als Oberpräsident fast vorwiegend ein auSgleichendeS und ver mittelndes, abgesehen natürlich von Fällen, in denen eS sich um die Abwehr antinationaler, sei eS ultramontaner oder socialistischer, Forderungen und Uebergriffe handelte, die an ihm stets einen scharfen und schlagfertigen Gegner fanden. Mit so seltenen Vorzügen in eine große Zeit gestellt, durste er Antheil nehmen an den wichtigsten Maßnahmen, die das Reich begründen, im Znnern ausbauen und nach außen befestigen halfen. Allen den großen grundlegenden Ge setzen, die den Reichstag in dem ersten Jahrzehnte seines Bestehens beschäftigten, durfte er rathend, vermittelnd und be feuernd zur Fertigstellung verhelfen und seines Geistes eine un vergängliche Spur einprägen. Und so wird sein Andenken fort leben in der deutschen Nation wie das jener Größten jener großen Zeit, denen Denkmäler schon errichtet sind oder noch werden errichtet werden. Auch die kommende Generation wird seinen Namen zu den besten von allen zählen, welche die Bücher der deutschen Geschichte schmücken. Tie aber, die mit ihm gelebt, sein edleS, selbstloses, treues patriotisches Wirken mitschauend verfolgt, seines Rathes, seiner fördernden Theilnahme oder gar seiner Freundschaft sich erfreut, werden eine Lücke in ihrem Dasein fühlen, die nie sich schließt. Sie haben mehr verloren als einen großzügigen, an den höchsten nationalen Errungen schaften bctheiligten Politiker: einen der edelsten Menschen, denen sie jemals begegnet. politische Tagesschau. * Leipzig, 8. August. Unter der Aufschrift „Tas ncncste Dogma" veröffentlicht die Berliner „Volkszeitung" eine Miltheilung, die wahrschein lich Wahrheit und Dichtung mischt; wir lassen sie im Wort laut folgen, da sie vermuthlich zu Erörterungen in der Centrumspresse provociren wird. „Laut geheimer Weisung der Gesellschaft Zesu", so versichert daS genannte demokratische Blatt geheimnißvoll, habe ein „Congreß zu Ehren der Allerheiligsten Jungfrau und Gottesgebärerin Maria", welcher vom 18. bis 21. August in Freiburg in der Schweiz abgehalten wird, die Aufgabe, die Christenheit langsam aber eindrücklich auf die Verkündung eines neuen Dogmas rorzubcrciten. Es geht dann weiter: Jene Verjaninilung soll als einhelligen Wunsch aller Verehrer Mariens den folgenden Beschluß fassen: „Es ist Glaubenslehre der heiligen katholischen Kirche, daß die Jungfrau Maria in ihrer menschlichen Kürperhülle zum Himmel aufgefahren ist. Zu Füßen dcS - Heiligen Vaters flehen seine treuesten Söhne, St. Petri Nachfolger wolle dieses Dogma kraft seines unfehlbaren Lehramtes feierlich verkünden." Dem Congreß werden fämmtliche Untergebene der Gesellschaft Jesu beiwohnen. Für das Comitö Deutschlands hat Prinz Max von Sachsen zu sorgen. Als Charakterfigur wird vr. Heiner von Freiburg i. Br. erscheinen. Aus Rom kommen Pater Gaetano Zocchi S. I., Pater A. Lepicier von den Serviten Mariae, Monsgr. Fabcri vom Römischen Seminar, von Balle di Pompei der Wallfahrtsgründcr Bartolo Lungo, ALvocat, von Mailand Pater Guido Mattiussi S. I., von Palermo päpstlicher Hausprälat Don Catalonotto, Generalunternchmer aller Wall- sahrten von und nach Sicilien. Auf Befehl der Oberen übersandte der Ehrenkanonikus vr. Clino Crosta übereinstimmend mit den Weisungen des ehrwürdigen Bischofs von Genf und Lausanne an sämmtliche Pfarrer der italienischen Sprache Las nachfolgende Circular zur Unterschrift und Absendung an den Congreß: „In meinem Namen und demjenigen der von mir ver tretenen Gläubigen erkläre ich auS vollem Herzen meine volle Zustimmung zu Len Beschlüssen des Marinanischen Con- gresses von Freiburg, welche zu Ehre Gottes und größerer Verherrlichung der Allerheiligsten Jungfrau gefaßt werden sollen. Ich mache das lebhafte Bittgesuch, daß die große Wahr heit von der glorreichen körperlichen Ausfahrt der Mutter Gottes und unserer Aller alsbald feierlich verkündet werde vom unfehl baren Stellvertreter Jesu Christi. Ehre sei Gott! Hoch lebe Maria!" Für die Unterkunft der vielen Hundert Theilnehmer an diesem internationalen Congreß hat Herr Schuldirector Python zu sorgen, sür die Karten an der Congreßtheilnahme zu allen Ver handlungen sind 10 Fr. an den apostolischen Notar Kleiser in Frei burg zu bezahlen. So wird es geschehen zu Freiburg im zwanzigsten Jahr hundert.... So schließt die Mittheilung der „Volkszeitung", zu der die „Allgem. Ztg." bemerkt: daß die Encyklopädie der katholischen Theologie von Wetzer und Welte sich dahin äußert: „Die in der Kirche geltende Anschauung ist nach Benedikt XIV. folgende: „Die leibliche Aufnahme der sei. Jungfrau in den Himmel ist zwar kein Glaubensartikel, Wohl aber eine xia. et xrobalM8 vpiuio, von welchem abzuweichen nicht blos gottlos und lästerlich, sondern auch thöricht und unvernünftig ist." Daraus ergiebt sich, daß eS vollständig unnöthig ist, die körperliche ussumptio Llaiiav zu einem Dogma zu machen; es ist in der katholischen Kirche Niemand verwehrt, an die leibliche Mariä Himmelfahrt zu glauben, so wenig, wie etwa an die Aachener Heiligthümer. So viel hat man aber wohl beim letzten Concil gelernt, daß man mit neuen Dogmen recht vorsichtig sein muß." Während der bevorstehenden Londoner KrönungS- tage wird, nach der Annahme russischer Blätter, eine Ent scheidung fallen, die füv die Gestaltung der poli tischen und wirthschaftlich cn Zukunft Persiens und für die ferneren Beziehungen des von Ruß land und England stark umworbenen Landes zn diesen beiden Staaten ausschlaggebend sein dürfte. In voller Würdigung der bedeutenden Erfolge, welche die russische Politik in dein benachbarten, für die Verbindung seiner asiatischen Territorien mit dem Meere io außerordentlich wichtigen Lande bereits erzielt hat, ist die britische Regie rung sei Jahren bemüht gewesen, englischen Handels- und Verkehrunternchmungcn in Persien die Wege zu ebnen und dadurch dem russischen Einflüsse ein wirksames Gegen gewicht zu bieten, ohne daß cs jedoch, da das britische F-iiilletsn. Das Fräulein von Haint-Zauveur. sj Roman von GrLville. (Nachdruck verboten.) Die junge Dame durchlebte einige sehr grausame Minuten, während ihr diese Gedanken durch deu Kopf schossen und sie von der Bereitung des FamilicnthccS ganz in Anspruch genommen zu sein schien. Doch in ihrem Alter macht man den peinlichen Gedanken sehr schnell ein Ende; denn die feste Zuversicht auf eiuc bessere, schönere Zukunft hilft alle Schwierigkeiten zu überwinden. Sie schüttelte die unangenehmen Gedanken ab, näherte sich aber instinctiv ihrem Vater, als hätte sie das Bedürfniß empfunden, ihm so nahe als möglich zu sein. „Papa", sprach sic mit schmeichelnder Stimme, „wie wäre cs, wenn wir an Frau Regnier telcgraphircn und sie bitten würden, einige Tage früher zu kommen ? Sie würde als Beschützerin ernst genommen werden." Herr von Saint-Sauvcur warf einen schelmischen Blick aus seine Schwester, die sich durchaus den Anschein geben wollte, als schliefe sic nicht. „Ernster als Deine Tante? Glaubst Du etwa, sie wäre so entzückt darüber?" „Meiner Base ist cs ja nicht darum zu thun in erster Reihe, daß meine Pathin entzückt sei", warf Landri) glcichmüthig hin, ohne die gereizte Miene der jungen Dame bemerken zu wollen. „Auch besucht sic keine Gesellschaften mehr, seitdem sie Wittwe geworden", fügte der Marquis hinzu. „Ist denn das auch eine Gesellschaft ?" fragte Antoinette ein wenig aufgebracht. „Ja, wenn die Sache in unseren Kreisen stattfändc . . „Diese Worte werde ich mir merken", sagte ihr Bater. „Bitten kann man sic immerhin, etwas früher zn kommen; dcrVvrthcil wäre jedenfalls auf uusercr Seite; denn sie bringt Ruhe und Behagen ins HauS." „Sie hat sich bedeutend verändert", sagte Landry. „Als ich sic im vergangenen Herbst verließ, war sie sehr gefaßt und stark; doch seit einigen Monaten sind ihre Briefe sehr kurz und wenig, erbaulich geworden. Sic hat gewiß Un annehmlichkeiten aller Art . . „In diesem Falle wollen wir sic ihren Unannehmlich keiten entreißen. Willst Du telcgraphircn, Landry ?" „Sehr gern, Onkel. Bitte, aber nicht zu vergesse», daß ich Euch meine Pathin nur leihweise überlasse; denn sie muß die Sommermonate in Villvrä verbringen." „Gut, gut, wir werde» uns schon verständigen können und im Rothfalle sogar ein salomonisches Urtheil fällen lassen, indem wir sie in zwei Stücke schneiden: bei Dir wird sic das Frühstück cinnchmen, das Diner werdet Ihr bei uns verzehren, und schlafen wird sie unter meinem Dache. Hab' ich Recht, Antoinette ? Armer Regnier, ein so verdienstvoller Mann! Sein einziger Fehler war ein Ucbermaß an Bescheidenheit." „Wie konnte er dann Mitglied der Akademie werden ?" fragte Antoinette naiv. „Seine Freunde haben ihn gedrängt, geschoben, so daß er unwillkürlich vorwärts kommen mußte. Verstehst Du nun?" „Ja, ich verstehe", erwiderte sic, „und ich wundere mich darüber. Vetter Landry, ich verlasse mich auf Sie, daß Sie uns sozusagen als Führer dienen werden; denn ich glaube, daß Sic in Tonrnclles ein gern gesehener Gast sind." „Das will ich meinen, Väschen ', entgegnete Landry nicht ohne Spott, „und da man nicht alle Tage Feste feiern kann, so finde ich, daß die Acsthetischcn eine durch aus zweckmäßige Gattung sind." Der Marquis schenkte dem Geplänkel keine Aufmerk samkeit mehr; er schritt in dem Salon langsam auf und nieder und blieb jetzt vor seiner Tochter stehen. „Höre mich an, Antoinette", sagte er zn ihr. „Du hast eS Dir in Dein eigensinniges Köpfchen gesetzt, dieser Gartcnpartie bcizuwohncn. Ich bin durchaus nicht er freut darüber, wie Du weißt; doch ich will Dich nicht daran hindern, um nicht als Tyrann verschrien zu werden . . „Aber, Papa!" sprach Antoinette. „Ja, ja, jetzt sagst Du: „Aber, Papa!" nnd wenn ich eS Dir verbieten wollte, so würdest Du Dir allerlei nicht eben freundliche Gedanken über mich machen. Ich kcnne Dich sehr gut: Du bist ein treffliches Mädchen, das aber keinen Widerspruch verträgt. Da Tu cs Dir in den Kopf gesetzt hast, der Gartcnunterhaltung beiznwohncn, so gehe denn in Gottes Namen hin. Ich stelle indessen die Be dingung, daß Deine Toilette nnd Dein ganzes Vcrbalten uiuadclhaft seien, untadelhastcr denn je! Was die Equipage anbctrifft, so werde ich für dieselbe sorgen. Wenn Fräulein von Saint-Sauvcur bei Frau von Tour- nclleö einen Besuch abstattet, so muß das in einer Weise geschehen, als stattete eine Königin einer Vasallin einen Besinn ab. Anders wäre die Sache ganz unausführbar." „Bravo, Onkel!" rief Landry aus. „Ter gute König Ludwig XI. liebte die Feudalherren nicht, und Dich hülle er gewiß nm einen Kopf kürzer machen lassen, aber ich liebe Dich gerade so, wie Du bist!" Ter Vater Antoinettens richtete seine hohe Gestalt empor und blickte mit zufriedener Miene um sich. „Ich bin der Marquis von Saint-Sauvcur", sprach er langsam, „doch ich führe meinen Titel nicht und erwähne ihn niemals. Deshalb soll aber Niemand vergessen, welche Rechte mir znstehcn, und ich thcile, offen gestanden, ganz Deine Ansicht, Landry, daß ein rechtschaffener Tage löhner der auf meinem Grund und Boden arbeitet, einen weit größeren Werth hat, als ein anmaßender Tagedieb, der bei seinen Verwandten schmarotzt!" Am nächsten Tage um die Mittagszeit langte die Ant wort der Frau Regnier auf die Depesche Landry'S an; sie war geradezu trostlos zu neunen; denn sie lautete: „Un möglich. Ungeheuere Verlegenheit. Brief folgt." Der am nächsten Tage anlangende Brief erklärte auch, weshalb Frau Regnier ihre Svmmerresidcnz nicht ver lassen konnte. Doch Antoinette war beim Lesen desselben vor Unmnth bald rvth, bald blaß geworden, so daß ihr Vater, der von einem einmal gefaßten Entschlüsse niemals abwich, so schwer eS ihm auch fallen mochte, einverstanden damit war, daß sic sich mit ihrer Tante Laurence bei der Gardcn-Party der Frau von Tournelles einfinde. Siebentes Capitel. Die Mutter Laudry'S, die Antoinettens und Frau Regnier waren im vornehmsten Kloster zu Bourges er zogen worden, nnd nur der Tod hatte ihrer innigen Freundschaft ein Ende zu machen vermocht. Tic zukünftige Frau Regnier wurde durch den Unter schied der materiellen Verhältnisse von ihren Gefährtinnen getrennt; diese waren bereits verheirathct, als sic noch Mädchen war. Ter innigen Liebe der Fran von Villore hatte sic es zu danken, daß sie die Pathin Laudry'S wurde. Weit weniger reich und ihrem Vater, einem passivnirten Büchcrlicbhabcr, dessen Neigungen und Vorliebe sic theiltc, ganz unentbehrlich, hcirathcte sic nach seinem Tode einen bescheidenen, schüchternen Gelehrten, der ibr be hilflich gewesen war, den Katalog der väterlichen Biblio thek anznfcrtigcn. Sie hegte volles Vertrauen in die Zu kunft dieses äußerlich so ruhigen, gelassenen Mannes, der ein warmes, gcfühlsrciches Herz und einen ausnehmend hohen Geist besaß; sie war ihm bei seinen Arbeiten be hilflich, indem sie jene Nachforschungen für ihn besorgte, die so viel Geduld erfordern, und die eigentlich für in telligente Frauen geschaffen zu sein schienen. Thatsüchlich benöthigt man ebenso viel oder noch mehr Geduld, um die Bruchstücke ciueS alten Papyrus zusanunenzuslellcn oder, wenn man der classischen lateinischen Sprache mächtig ist, ein Palimpsest auf seinen ursprünglichen Inhalt zu unter suchen, als ein Knäuel Stickseide zu entwirren, der von einem kleinen Kätzchen al'S Spielball benutzt worden ist, ohne aber den Faden abzurcißcn! Frau Regnier wurde also die Freundin und Mit arbeiterin ihres Gatten. Ohne die hochtönenden Er- zichungsdiplvmc zu besitzen, die heutzutage von jedem Institut ausgestellt werden, in ihrer Jugendzeit aber noch nicht bekannt waren, war sic wissenschaftlich sehr gebildet, und so lernte sie die altegyptischcn Schriftzcichen lesen und verstehen, ebenso erlernte sie die Sprache der Kopten. Sic schrieb nach dem Tictat ihres Gatten; ja, sic fertigte sogar einen nicht unbeträchtlichen Tbcil der Arbeiten an, die Regnier, der noch jung war und die Aussicht aus eine glänzcudc Zukunft hatte, zum Mitglied der Akademie machten. Doch der Gelehrte hatte zu viel und zu angestrengt ge arbeitet, und seine Gesundheit hatte daruter gelitten. Das Erbe eines Verwandten, der fest entschlossen war, als Hundertjähriger zu sterben, gewährte dem Ehepaare verspätet die mit Bequemlichkeit verbundene Freiheit. Auf den Rath der Acrztc ließ sich der neue Akademiker, statt sich einen mit grünen Palmzwcigcn geschmückten Rock anfertigeu zu lassen, in einem unweit von Blois herrlich gelegenen Landhausc nieder. Das Ehepaar hatte Blois seiner prachtvollen Um gebung, seines milden Klimas, seiner verhültnißmäßig geringen Entfernung von Paris und der sich ans der Stelle bewahrheitenden Hoffnung wegen gewühlt, daß man in dieser liebenswürdigen, freundlichen Stadt entsprechenden Verkehr haben werde. Das Schloß daselbst würde an sich allein genügen, nm einen Gcschichts- oder sonstigen Forscher für sein ganzes Leben mit Arbeit zn versehen, während die dasselbe umgebenden Wälder selbst an den heißesten Sommcrtagcn erquickenden Aufenthalt ge währen. Ta die Ehegatten vor allen Dingen ihre Freiheit I wahren wollten, so hatten sie das Landhaus nicht an- I gekauft, sondcru nur gcmiethet, allerdings aber für eine I Reihe von Jahren voraus, nm nicht jedes Jahr ihr Zelt
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