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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.04.1907
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1907-04-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19070416019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1907041601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1907041601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1907
- Monat1907-04
- Tag1907-04-16
- Monat1907-04
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Umgebung die Sgespaltene Petitzeile25Pf> finanziell« An zeigen 30 Pf., Reklamen 7LPs.z von auswärts 30 Pf., Reklamen 1 M; vom AuSlaad KO Pi., finanz Anzeigen75 Pf., Reklamen 1.50 M. Inserate ».Behörden im amtlichen Teil 40 Pi. Beilagegrbühr 4 M. p. Tausend rxkl. Poft« gebühr. Gejchäftsanzeigen an bevorzugter Stelle im Preise erhöht. Rabatt nach Tori' Festerteilte Aufträge können nicht zurück gezogen werden. Für das Erichrinen an deilimmten Tagen und Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen »Annahme: ÄugustuSplatz k, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoneen- ExpedUionen des In- und Auslandes. Haupt-Filiale Berlin: CarlDunck e r, Herzgl.Bayr.Hofb uchhandlg-, Lützowstraße 10 (Tel. Vl, 4603?. Dienstag 16. April 1907. Nr. M. 1ÜI. Jahrgang. Var AiÄtigrte vsm rage. * Der Kaiser hat sich gestern von Meppen aus, wo er Schießversuchen Kruppscher Geschütze beiwohnte, nach Bückeburg begeben, um der heute stattfindenden Feier der Silberhochzeit des fürstlichen Paares beizuwohnen. sS. DtschS. R.) * Der Bedarf an neuen Reichs st euer» wird in Bundesratskreisen auf reichlich 80 Millionen geschätzt, wobei noch nicht einmal an den Ersatz für den 1912 aufgezehrten Jnvalideufonds gedacht worden ist. Eine neue Tabaksteuervorlage gilt als sicher be vorstehend. Von liberaler Seite wird schon jetzt die fest« Absicht ausgesprochen, auf einer Ausdehnung der Erbschaftssteuer auf Deszendenten und Ehe gatten bei großen Vermögen zu bestehen. * Der Reichstag setzte in der bisherigen Weise die Debatte über Sozialpolitik fort. Dabei ergriff Dr. Junck in bemerkenswerter Weise daS Dort. sS. Art. und Ber. 2. Beil.) * Im preußischen Abgeordnetenhaus« wurde über höhere Lehran st alten debattiert. sS. Dtschs. R.) * Dr. ClauS hat die nationalliberale Kan didatur für di« Ersatzwahl im Wahlkreis Glauchau- Meerane angenommen. * Der 24. Kongreß für innere Medizin ist gestern in Wiesbaden eröffnet worden. sS. Dtschs. R.) * Der nationale Schiedsgerichts, und Frie denskongreß ist gestern nachmittag in New Avrk eröffnet worden. (S. Letzte Dep.) * Geheimer Hofrat Prof. Dr. Stern ist gestern in- folge eines Herzschlags in Dresden gestorben. sS. Fenill.) * Von den Instrumente« des Kgl, Geodätischen In stituts Lu Potsdam wurde gestern morgen ein Erd beben verzeichnet. sS. Neues a. a. W.) - Der Papst hielt gestern in einem geheimen Kon sistorium eine Allocution über den franzö sischen Kirchen st reit. lS. Ausl.) * Der dänische Auslandsminister hat im Landsthing das Recht aller Völker auf freie Benutzung der dänischen Gewässer für alle Schiffe nachdrück lich anerkannt. lS. Ausl.) * Die englische Reichs-Kolonialkonferenz ist gestern durch Campbell-Bannerman eröffnet worden. lS. Ausl.) Aie erschliessen wir vrtaMlrs? Sorgenden Herzens sieben heute alle denkenden Kolonial freunde, die gottlob im Verlaus des letzten Jahres recht zahlreich geworden sind, vor dieser Frage. Sind doch all die großzügigen Pläne, von denen der Kolonialpolitiker schon seit Jahren träumte, durch einen energischen Mann aus dem praktischen Leben, den neuen Leiter unseres Kolonialwesens, in greifbare Nähe gerückt. Wer aber über Zukunstshoff nungen nicht die reale Gegenwart vergißt, neben der Ueber- seepolitik nicht die innere außer acht läßt, der wird bereits darüber klar geworden sein, daß für die Verwirklichung einer großzügigen Kolonialpolitik zu Hause erst die Grundlage ge schaffen werden muß. Niemand wird bestreiten können, daß unsere heimische Finanzwirtschaft bisher darauf nicht ein gerichtet ist. Es genügt, diese Tatsache hier festzustellen. Daß die Reichsfinanzen im Hinblick auf unsere überseeischen Pläne über kurz oder lang auf eine andere Basis gestellt werden müssen, kann nickt bestritten werden. Das Wie zu erörtern, geht über den Rabmen dieser Betrachtung hinaus. Jedenfalls will eine solche Reform reiflich überlegt sein und ist nickt über Nackt zu schaffen. Wir haben also jetzt bei der Verwirklichung unserer kolonialen Pläne mit den zurzeit ge gebenen Verhältnissen zu rechnen, wenn wir auch die Gren zen nicht allzu ängstlich zu ziehen brauchen. Es ist wohl allmählich jedem denkenden Manne aus dem Volke, wenn er nicht die Notwendigkeit einer kolonialen Expansion für einen Industriestaat grundsätzlich negiert, klar geworden, daß unsere Kolonien an dem Mangel an Ver kehrsmitteln kranken. Für S ü d w e st a f r i k a ist man sich über das Verkehrsvrogramm, soweit sich die Entwicklung des Landes jetzt schon übersehen läßt, in großen Zügen klar. Die Hauptlinien deS Eisenbahnnetzes sind vorhanden oder im Werden begriffen, und dessen Ausbau wird sich aus der all gemeine» Entwicklung des Landes von selbst ergeben. Das selbe kann von Kamerun und Togo angenommen wer den. Allein Ostafrika ist noch im Rückstand. Ueber die Generalidee, die Verbindung des zentralafri kanischen Seengebietes mit der Küste, ist man auch hier einig. Aber mit der Klarheit über das taktische Vorgehen zur Erreichung dieses Zieles, daS sich auf die Reichsfinanzen als Operationsbasis zu stützen hat, ist es noch schlecht bestellt. Wie allerlei Auslassungen in der Presse zeigen, erwartet man aus vielen Seiten von der dieser Tage erscheinenden Dernburgschen Denkichrist eine ganz bestimmte Stellung, nähme. Wir glauben nickt, daß Dernburg sich in den Ein zelheiten sestlegeil wird. Was er mit seiner Denkschrift be zweckt, ist zweifellos nur, daS bekannte großzügige Programm durch eine eingehende Darlegung der wirtschaftlichen Grund- lagen zu begründen und damit aus feste Füße zu stellen, um den Gedanken in der öffentlichen Meinung zur Reife kom men zu lasten, bis eine Verwirklichung in vollem Umfange möglich ist. Statt in Erwartung dieses Zeitpunktes die Hände in den Schoß zu legen, gilt eS da zu beginnen, wo etwas Ganze? mit den vorhandenen Mitteln geschaffen werden kann, das der öffentlichen Meinung den Beweis für die guten Aussichten rnrserer kolonialen Bestrebungen erbringt, also empfehlend wirkt und bissen ei» für allemal den Weg ebnet. Wer die wirtschaftlichen Verhältnisse objektiv betrachtet, wird nicht zweifelhaft sein können, wo wir einzusetzen haben. Wir müssen uns vor Augen halten, daß für uns im Hin terland in der Hauptsache drei Verkehrs» und Wirtschafts zentren zu erschließen sind: der Norden, das Viktoriasee- gebiet, dann das Tanganjikagebiet und endlich der Süden, das Nyassagebiet. Das Viktoriaseegebiet ist bis zu einem gewissen Grade schon durch die englische Ugandabahn erschlossen. Wir könnten mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Erfolg durch den Bau der Nordbahn lVerlängerung der Usambarabahn bis zum Viktoriasees den Wettkampf, minde- stens für das deutsche Gebiet, mit den Engländern auf. nehmen. Da aber bei dem gegenwärtigen Status unser Gebiet ebenfalls profitiert, so ist dies nicht die dringendste Ausgabe. — Die Erschließung des Tanganjikagebie- teS ist erschwert durch dessen Entfernung von der Küste. Der Bau der „Z « stralbab »" würde viele Jahre in An spruch nehmen und die Rentabilität in Anbetracht ihrer Länge s1400 Kilometer!) nach afrikanischen Erfahrungen lehr zweifelhaft. Kombinationen, wie sie neuerdings aufgetaucht sind, nämlich Abzweigungen nach Norden und Süden, än dern hieran nichts. Nach der übereinstimmenden Ansicht derjenigen alten Afrikaner, die gewohnt und befähigt sind, wirtschaftlich zu denken, ist der Süden, das Nyastagebiet, am leichtesten und sichersten zu erschließen, und in diesen Kreisen wird der Bau der nur 670 Kilometer langen „Südbah n" alS unsere dringendste Ausgabe betrachtet. Es steht zahlenmäßig un zweifelhaft fest, daß sie die kürzeste und billigste Verbindung nach dem Nyastagebiet, auch dem englischen und portugiesi schen, bildet, und daß ohne weiteres der gesamte Nyassa- handel, der bis jetzt den teuren, nachgerade fast unbrauch baren Sckire-Sambesi-Wasserweg benützte, auf sie übergehen würde. Tie Südbahn durchfährt auf ihrer ganzen Länge Kulturland, hauptsächlich das bedeutendste Baumwollgebiet Ostafrikas, und findet am Nyassa in den dortigen Kohlen lagern ein billiges Betriebsmittel. Wenn wir uns beeilen, so schaffen wir uns im Süden Ostafrikas ein so gut wie konkurrenzloses Wirtschafts zentrum. Gefahr ist im Verzug, denn nach den neuesten Nachrichten arbeiten die Engländer neuerdings wieder mit Hochdruck auf der Bau einer längst projektierten K" 'knrrenz- liuie hin, die es zwar nicht ernsthaft mit der deutschen Süd bahn aufnebme«p^b«»i»cherbin, wenn sie dieser zuvorkäme, einen Teil des NyastaverkebrS an sich ziehen und uns einen schweren Konkurrenzkampf aufnötigen würde. Wenn es uns mit der Erschließung unserer Kolonien ernst ist, so dürfen wir unS nicht von jenen unproduktiven Bestrebungen gewisser Zentralbahnfreunde, Dar es Salam L tont prix durch den Bau der großen Zentralbahn zur ost afrikanischen Metropole zu machen, beeinflussen lassen, son dern müssen zu allererst dahin gehen, wo mit deu geringsten Mitteln am meisten zu holen ist, und dies ist der Süden. Alles andre wird sich dann unter den eingangs angedeuteten Voraussetzungen von selbst finden. Aber Zeit ist Geld! kine sorislpsIitircdessellevs.Zunckr; Ans einer sehr langweilig begonnenen Sitzung entwickelte sich gestern im Reichstag zu guter Letzt der Beratung über bas Gehalt deS SlaalS,ekretärS des Jauern noch eine hoch politische Debatte. Zunächst sprachen zwei Antipoden. Der Sozialdemolrat Horn und der Abgeordnete von Dircks en (Rerchsp.). Wenn man die Manie mancher Genossen beklagt, zu generalisieren und Pcrwnlichkeits- politik zu treiben, so wird man schon aus ParltätSrücksichten auch gegen Redner L la Dircksen sein müssen. Jedenfalls dienen die Seiteusprüage dieser Kampihähne aus beiden Lagern nicht dem sozialen Frieden, sondern dem Unfrieden, ganz abgesehen von dem per'önlichen Ge'cbmack, der sich in ihren Kundgebungen auS- sprichl. Em Gute« hatte die Dncksensche Rede aber doch: Sie veranlaßte den Staatssekretär PosadowSky zu einer grundlegenden Aeußcrung über die Gestaltung des gesetzlichen ArbeitSwllligentchutzeS im Deutschen Reiche, und als wichilgsteS Ergebnis dieier autoruativea Aeußerung ist anzusehen, daß alle Gedanken an eine AuSuahmegesetzgebung L la ZuchthauSoorlage endgültig aufgegeben worden sind. Graf PosadowSky sagte: Wenn Mißstände zu Tage getreten sind, so liegt das nicht an den Gesetzen, die vollständig auSreichen, um riachgewiesene Ausschreitungen zu bestrafen, sondern daran, daß in den einzelnen Fällen so häufig weder Kläger noch Zeugen zu baden sinv. Bei der vorbereiteten Reiorm deS Strafgesetzbuch» könnte immerhin noch Rück sicht auf juristisch schärfere Formulierung einzelner Delikte, wie Bedrohung, Erpressung usw. genommen werden. Hilfe könnte nur von deu Geichädigten selbst kommen, Vie sich zusammentun sollten und den Mut haben müßten, Anzeige zu erstatten. Die Behörden würden ihre Pflicht dann schon tun. Ja ipäter Stund« ergriff daun noch der Leipziger Ab geordnete Dr. Jnnck daS Wort zu einer einstündigen Rede. Sie gestaltete sich zu einer schwerwiegende« sozial politischen Kundgebung, die noch scharf umstritten werden wird. Nach Ueberwinvung der ersten Unruhe machte sich bald starke Spannung auf allen Selten des Hauses b-merkbar. Der Rechten waren die vom Redner ausgesprochenen Ansichten sehr bald zu fortschrittlich, die Linke aber ging mit dem Redner, dessen Worte von dem sicheren Gefühl für sozial politische Gerechtigkeit und Parität getragen waren, diesem Gefühl, dem die Zukunft gehört, wenn man längst über die Heißsporne von recht» und link» zur Tagesordnung über gegangen sein wird. Dr. Junck begann mit einigen Bemerkungen über da» Gesetz gegen den unlautere» Wettbewerb, forderte al» Hauptsache eine Rechtsprechung nach dem Geiste, wie sie da» Reich-gericht übe und sprach die Geneigt heit der Nationalliberalen au», an deu Verschärfungen einiger Bestimmungen de» Gesetze» miiznarbeiten. Daun aber kam der Redner sofort auf die Notwendigkeit zu sprechen, ein liberale» Verein»- und Versamm lung-recht zu schaffen, ein freiheitliche» Gesetz ohne klein liche« Polizeigeist. E» müsse überhaupt die Auffassung schwinde», al» sei da» Verein»- und Versammlung»- recht ein günstiger Boden für BetätigungSgelüsie ber Polizei. Nun folgte eine gründliche Beiprechnng der Grundzüge eines Koalitionsreckis. Redner stellt eine unbestreitbar sachliche Imparität fest. Während die bloße Drohung gegenüber eurem Arbeiter, ber sich nicht organisieren wolle, strafrechtlich faßbar fei, könne eine Drodunz wegen einer Organilatwnoangedörigkeit nicht bestraft wer den. Der Arbeitgeber löane also straffrei Entlassung androben, wenn seine Arbeiter einer Organisation beitieten oder ihr nicht den Rucken kebren. Aber so lehr er, Rcdner, auch persönlich diele Imparität bellage, müsse doch wegen der tief einschneidenden Beceutung einer diese Lücke auSfüllenden gesetz ichen Bestimmung erst die An sicht der Arbeiigeber gehört werden, ob sie sich dann imstande füulten, >hie Betriebe weiierzusübren. Im übrigen stimme er dem Slaatssekreiac darin zu, daß keine AuSaahmegesetzgebnng geschaffen werden solle, sondern allgemeine nrasrechtliche Bestimmungen zu er lassen seien. Es müsse aber mit Naumann daran iestarhalten werden, daß das KoalltionSrecht die Grundlage unseres gesamten LozialrechiS bilden mülie. Den Schluß der Rede bildeie eine sebr energilche Verwahrung vom deuttcken VcrfassungSsiaudpunkt ans gegenüber Pienßen in der Flußschifiabrlsabgaben- Aagelcgendeit. Die Nachrichten über den Stand der Ver handlungen, die doch in erster Reihe dem Bundes rat und dem Reichstag «»gehörten, läsen sich wie ÄriegsbuUeiins. Einmal Werve gemeldet: Noch sieben Sachsen, Baven und Württemberg fest, bann wieder: Württemdcrg iit gestürzt. Das alles nehme sich nicht bundes- siaallich, londern staatenbündlenlch aus. Redner lchloß mit deu einfachen aber vielsagenden Worten, Bismarck babe ein feines Gesübl lür die Reckte der kleineren Bundesstaaten gegenüber dem Reiche und Preußen gehabt. Mrt dem ganzen Hause hatten sowohl Graf PosadowSky als auch der sächsiiche Bundesraisbeooll- mächtigte Geb. Rai Fr scher, wohl der eifrigste Besucher der BundeSratsttlbüne, eifrig der Rede zugehört. Man wird ihr Echo bald vernehmen. ES wurde noch bis gegen 8 Uhr weiter beraten, weil man am Dienstag mrt dem Reichsaml des Innern absolut fertig werden will. knglanüz craitrl. , lVon unserem Londoner ^.-Korrespondenten.) Mit Lord Cromer, dessen plötzlichen Rücktritt das „Leipz. Tageblatt" bereits besprochen hat, ist jetzt der dritte der grotzen Reichsarchitekten in den Ruhestand gerieten. Lord Curzon betrauert noch immer in der Zurückgezogenheit von Walmer Castle den Verlust seiner bildschönen Gattin; Lord Milner teilt seine Zeit zwischen platonischem Oberhaus- besuch und den Aufstchtsratssitzungen einiger großer Ver sicherungsgesellschaften, und je länger dies dauert, desto un wahrscheinlicher wird es, daß sie je wieder aktiven Anteil an der Verwaltung des Imperiums nehmen. Milner ist nie wirklich populär geworden. Curzons großartiges Lebens werk ist, wie das aller indischen Vizekönige, in seiner vollen Bedeutung nur von einem engeren Kreife Sachverständiger ganz zu würdigen. Aber Crowers Abgang wird ohne Unter schied der Partei betrauert, wird als ein nationaler Schlag empfunden, zumal es eben ein endgültiger Abschied ist. Und darein mischte sich das Gefühl, daß dem großen alten Herrn von Aegypten die nationale Erkenntlichkeit bisher noch nicht genügend ausgeorückt ist. Es ist einer der schönsten Züge des englischen politischen Lebens, dieser stürmische nationale Tankeseifer. Die „Pall Mall Gazette" drückt das öffentliche Empfinden sehr zutreffend aus. wenn sie verlangt, daß Lord Cromer bei seiner Rückkehr nach England ein groß artigerer Empfang bereitet werden müsse, als irgend einem siegreichen Feldherrn seit Nelson und Wellington. Die Tränen, die Sir Edward Grey bei der Ankündigung von Cromers Rücktritt im Unterhause nicht unterdrücken konnte, sind aber vielleicht der schönste Tribut, da sie die positive Liebe bekunden, welche dieser „stärkste Mann Englands" trotz seiner autokratischen Natur sich bei der jüngeren Gene ration von Staatsmännern, selbst im liberalen Lager, zu er werben verstanden hat. In diese Trauer aber mischt sich auch ein unzweifelhaftes Gefühl der Bestürzung. Aegypten, das moderne Aegypten, Cromers Aegypten ist in der Tat „ans inan's sbov". Mit Lord Cromers Prestige verliert England einen gewaltigen, vielleicht den stärksten Teil seines Einflusses im Niltal, den Eingeborenen gegenüber nicht nur, sondern auch im Verhält- nis zu den fremden Mächten. Cromers klassischer Ver waltung skunst, seiner statuarischen Gelassenheit und im ponierenden Festigkeit, vor allem aber auch seiner kaii-ness gegenüber verstummte die Opposition des Auslandes gegen die Penetration paoikions des Khedivenreiches mit englischem Geist und englischem Willen. Sein letzter klassischer Bericht, das Blaubuch über Aegypten für 1905/06, „Cromers Testa ment", war durchaus von dem alten Geiste britischer Ueber- seestaatsmänner erfüllt, ist ganz frei vom Eifermut modernen Jingoismus und völlig auf den Grundsatz gestellt, daß die britische Herrschaft am besten gesichert wird, wenn alle Na tionen zu ihrem Rechte kommen und gemeinsam die Er ziehungsarbeit an dem Eingeborenenelement als dessen ver bündete Meister in die Hand nehmen. Cromer, der in In dien, der großen Kolonialschule Großbritanniens, gereift war, ist der letzte große „Meister der Eingeborenen" unter den führenden englischen Staatsmännern gewesen und ist in Aegyptens stürmischen Zeitm mit eigentlich einer Hand voll Leute der Meister des Landes geblieben; erst in den beiden letzten Jahren hat ihn die phantastische Ermutigung der Natwnalrstenbewegung durch den extrem-radikalen Flügel des englischen Parlaments zur Ueberschwemmung des Niltales mit den „roten Heuschrecken" genötigt, wie der Fellah die Tommies der Strasgarnisonen nennt. Dem Geiste, wenn auch nicht der Form nach, vertrat Cromer. international be trachtet, in Aegypten eine Politik, die sich dem Begriffe der „offenen Tür" so weit, wie mit dem britischen Protektorat vereinbar, anschloß und andererseits jeder abenteuerlichen Eingeborenenwirtschast grundsätzlich abhold war. Daß der Abgang eines solchen Regenten — daS war der „Agent und Generalkonsul in der Tat — im Augenblicke der marokka nischen Abenteuer für die Politik Englands und seiner Ver bündeten nicht nur im gesamten Afrika, sondern auch im ganzen Mittelmeerbecken und darüber hinaus, soweit das mohammedanische Element eine Rolle spielt, einen ernsten Schlag bedeutet, darüber ist sich nicht nur der ganze englische Civil Service, sondern, was in der internationalen Politik weit schwerer wiegt, auch die Diplomatie deS französischen Bundesgenosse» klar. DaS gegenwärtige Kabinett bat in Cromer mehr als eine ägyptische Armee und eine Mittel- meerflotte eingebüßt. Zwar bat Cromer in Sir Eldon Gorst seinen intimsten Mitarbeiter bei der Reorganisation Aegyptens, den zweit» besten Kenner des modernen Pharaonenlandes, einen der ersten Arabisten Englands, zu seinem Nachfolger bestellen lassen. Nicht nur in Aegypten, sondern auch daheim gehl Gorst die Größe des Prestiges und der Respekt vor der fast bismarckisch anmutenden Größe des Charakters ab. Gorst wird nicht nur selbst in der Kapitulationenfrage ein rascheres Tempo einschlagen, was möglicherweise die politische Mit arbeit der übrigen europäischen Mächte ungünstig beein» flussen und den Respekt vor den Europäern überhaupt ver» mindern wird. Er wird auch heimischem Drucke nachgeben und den Selbstverwaltungsaspirationen des ägyptischen Nu» tronalismus entgegenkommen müssen, sicher mehr als Cromer; dem Mann, der „Aegypten gemacht" hatte, wagie man in Downing Street wenig drein zu reden. Nichts fürchtet aber der französische Bundesgenosse mehr, als ein Ueberspringen des Nationalismus nach Tunis, ein Wieder» aufleben der mobammedanischen Selbstverwaltungsbewegung in diesem mißregierten Protektorat, das für die nordasrika- nische Expansionspolitik Frankreichs bei weitem nicht der gesicherte Stützpunkt ist, als wie es nach den Verträgen von Algeciras scheinen könnte. Für den Unterschied zwischen der jetzt anbrechenden neuen und der alten Aera in Aegypten ist schon das Aeußere der beiden Männer an der Spitze bezeichnend. Gorsts ner vöses, bebrilltes Jntellektuellengesicht und seine schlanke Ge- lehrtenfigur kontrastieren heftig mit dem massiven Knochen gestell und dem breitenNiedersachsenschädel, dem tiefen, melan» cholischen Auge Cromers. Selbst in Cromers stark deutsch akzentuierter Sprechweise mit ihren ruckweisen Ausbrüchen und Geistesblitzen findet sich der leise Anklang an Bismarck. Er sowohl wie sein Bruder Lord Revelstoke, der Chef des Hauses Baring Bros, sind in ihrem ganzen Habitus noch immer dieselben typischen Bremenser, wie der lutheranische Pastorssohn Johann Baring, der sich 1697 in Larkbeer in Devonshire als Tuchfabrikant niederließ und dem britischen Staate in seinen Nachkommen nicht nur die größten Bankiers neben den Rothschilds, sondern auch vier hervor» ragende Staatsmänner und drei Peers geschenkt bat. Lord Revelstoke, der demnächst seinen 59. Geburtstag feiert, er innert trotz der Gebeugtheit seiner Schultern, vielleicht noch mehr als lein „großer Bruder", an die nach innen gewandte Klugheit der massigen Hanseatengesichter, wie man sic in Bremen findet. Wenn er in seinem unscheinbaren grauen Röckchen, das abgeschabte Mützchen auf dem Haupte, durch die Bureaus seines großen HauseS in Bishopsgate Within humpelt, aber mit Herrenauae und kurzen, schneidenden Be- 'eblen die zahlreiche Schar leiner sonst völlig selbständigen Mitarbeiter dirigierend, wird man nicht nur lebhaft an die großen Bremer Kolonialkaufleute erinnert, sondern wird auch mit einem Blicke bewußt, was der Bedeutung der Barings überhaupt, insbesondere aber Lord Cromers, zu grunde liegt: Tie zähe, unermüdliche Arbeit des fallen» augigen, oesitzliebenden norddeutschen Bauernschlages, des großartigsten Kolonisten» und Abenteurerstammes, den die Erde tragt. Alexander Baring, später Lord Ashburton, der den bedrohlichen „Maine"-Streit mit der Union beilegte, war ein „Amerikaner" im Sinne des deutschen Kaiserwortes. Außer Cromer und Goschen haben sich die Engländer Lord Milner aus unserem Holze geschnitten, eine seltsame Ironie auf den britischen Glauben an den Kolonialberuf ihrer Rasse und unsere angebliche kolonisatorische Unfähigkeit, aber auch eine traurige Illustration zu dem Satze, daß die deutsche Tüchtigkeit das Größte leisten kann und darf, in der englisch redenden Welt — und wenn es aufhört, deutsch zu sein. von cittttrin über Sie Zcblachttelüer Oer Maittrcburei. Reisebriefe eines deutschen Offiziers. V. Von einer erquickenden Nachtruhe in unserem Hotel „Mandschuria" war keine Rede. Für die 2 stunden, die uns hierzu noch zur Verfügung standen, lohnte es gar nicht erst, die Koffer auszupacken. Um 3 Uhr war das Frühstück serviert. Alsbald erschien wieder der Oberboy und brachte „auf 10 Ziegelstein dem Gast die Rechnung dar". Trotzdem für jeden Herrn, lediglich für Nachtquartier und Frühstück, als Preis 5 Dollar gleich ca. 11 verabredet waren, forderte der Boy unter allen möglichen Borwänden 9 Dollar pro Kopf und kam auch sofort mit der gedruckten Taxe ongc» lausen. Da ich die Kasse zu führen Halle, wurde mir die Ge schichte zu bunt und ick verlangte sofort den Hotelinhaber zu sprechen. Das war jedoch ein vergebliches Verlangen. Denn sämtliche Boys erklärten einstimmig, daß der Herr „Switiau" mache, d. b. schlafe, und absolut nicht geweckr werden dürfe. Ich erklärte dagegen, daß ich nicht mehr als verabredet bezahlen, höchstens für die beiden Herren, die aus dem Bahnhof gewesen waren und nachträglich im Hotel zu Abend gegessen hatten, den vollen Preis entrichten würde. Dex Ooerboy lamentierte und setzte seine Einwände in unaufhörlichem Redeschwall bis zu unierer Abfahrt fori, immer mii der beleidigten Miene des vergewaltigten und über vorteilten armen Mannes. Sein Herr würde ihn für einen Bc» trüger halten, wenn er nicht 9 Dollar ablieferte, war seinem Kauderwelsch zu entnehmen. Ich bändigte ihm daraus eine Bescheinigung aus. die er seinem Herrn zeigen sollte. Aus ihr war die bezahlte Summe angegeben, etwaige Forde rungen solle sein Herr an unsere Adresse richten. Er war hierauf ziemlich enttäuscht und brachte immer neue Ein wendungen vor. Es half ihm aber nichts. Nachträgliche Forderungen sind auch nie an uns gelangt. Demnach kostete das erste Quartier für 9 Herren, ohne die Auslagen für Ge päckbeförderung und nur für die Zeit von 7 Uhr abends bis 3 Ubr früh 53 Dollar gleich ca. 115 Ich konnte also un gefähr berechnen, wie lange wir mit unserer Kasse reichen würden, wenn das so wciterginge. Wir waren froh, als wir auf dem kleinen Dampfer waren und den Liaoho stromauf fuhren. Es war eine für diese Jahreszeit bitterkalte, sternenklare Nachl. Ab und zu zogen wie gefvenstische Schütten große Dschunken im Nebel, der auf dem Flusse lag, vorüber. Als die Sonne nach ganz kurzer Dämmerung blutrot in die Höhe stieg, setzte ein scharfer Wind ein, der uns in den dünnen Sachen, die sür die Tagesbitze berechnet waren, empfindlich anfaßte. Am Bahnhof Aingkou erwartete uns unser Japaner, den wir als Dolmetscher zum Tagespreise von 6 Dollar s13.20.tss gemietet hatten. Er war während des Feldzuges Agent, aus deutsch Spion, gewesen und lebte nun von Augenblicks» Anmerkung: Es handelt sich augenscheinlich um amerikanisch« SilberoollrrS, die in China stark verbreitet sind. Ihr Wert wird jetzt auf 2 bis 2L6 ^l berechnet.
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