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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188707206
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18870720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18870720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1887
- Monat1887-07
- Tag1887-07-20
- Monat1887-07
- Jahr1887
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1887
- Autor
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Erscheint täglich früh ü'/, Uhr. iikdartion und Lrprdition JohanneSgasse 8. Sprechstunden der Kedartiou: Bormittag« 10—12 Uhr. Nachmittags 5—k Uhr. -vk v NUckli-S« e,ng»I»»tlcr Manuicrtrt, «,cht sich t>« Netartion nicht »rrbtudUch, >«nah»e der für die «Schftsolgende Nummer bestimmte» Inserate an Wochentagen bis 3 Uhr Nachmittags» an Tonn- und Festtagen früh bta'/,8Uhr. 3n den Filialen für Ins.-Annahme: Ltto Klemm, UniversitätSstraße 1. Louis Lüsche. Katharinsnftr. 23 parl. u. KönigSplatz 7, nur bis V,S Uhr. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. Auflage ^vonnrinentsprels Viertels. 4'/, Mit incl. Bringerlohn 5 Mk., durch die Post bezogen V Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf Belegexemplar 10 Ps. Gebühren sür Extrabeilagen (in Tageblatt-Format gesalzt) ohne Postbesörderung 60 Mk. mit Postbrsürderung 70 Mk. Inserate «gespaltene Petitzeile 20 Pf. Größere Schnsten laut uns. Preisverzeichnis. Tabellarischer u. Zissernsatz nach höherm Taris. llrclamrn »uter dem RedactionSstrich die Saefpalt. Zeile SOPf., vor denFamitieanachrlchtea die 6gespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind stets an die t-rprditto« zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praonumorunäo oder durch Post- uachnahme. 20l. Mittwoch de» 20. Juli 1887. 8l. Jahrgang Amtlicher Theil. Die Frist für Convertirung der gekündigten Llo igelt Leipziger Stadt-Anleihen vom I. 1850, 1856 und 1864 läuft am LS. Juli L. o., Abends v Uhr, ab. Convertirungsstellen in Leipzig: »vulsvliv Iselp-lser «ev>L«i7 «L Oo., ^ , ILttULinei» aL 8eliu»iat, H. S. in Dreöden: 8L«k»l»v1rv L»nlr, I'IHr-lv «lei» ^II^Omelnvn VvutsvIZvil SrvLLtun«L Ävi7 IL»nlL. Vckanntmllchmg, -te katholtfche Kirchen» »nd Schulanlage betr. Zur Deckung de» Bedarf» für die römisch-katholischen Kirchen der Erblande und für die katholische Schulgemeinde hier ist für da» laufende Jahr nach Maßgabe der vom Königlichen Ministerium de» CultuS und öffentlichen Unter» richt» erlassenen Bekanntmachung vom 3. vor. Mt», eine Parochialanlage in Höbe von Sechzehn Pfennigen von jeder Mar? deS norinalnräßigen Staat- » Einkomincu- steuersatzes als Kirchensteuer und Zehn Pfennigen von jeder Mark deS norn,almaffigen Einkommensteuersatzes als Schulsteuer am ZS. Juli d. IS. zu erhebe«. Die hierzu beitragspflichtigen katholischen Glaubensgenossen werden hierdurch aufgesorbert, ihre dicSsallsige Zahlung-Pflicht binnen drei Wochen vom 15. d. Mt», ab gerechnet bei unserer Sladt-Slcuer-Einnahme, Stadthaus, Obstmarkt Nr. 3, Erdgeschoß, zu erfüllen, widrigenfalls nach Ablaus dieser Frist gegen die Säumigen daß borgefchricbene Beitreibung-verfahren cuigeleilet werden wird. Leipzig, am 14. Juli 1887. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Koch. Vrkaiiiltmlilliilng, Versteigerung einer Anzahl RathS-Mestbuden betreffend. In dem Grundstück deS Herrn Zimmermeister Hand- tverck, Earolinenftraße Nr. 22 hier, sollen DienStaq, den 2U. dieses MonatS, von BormittagS ZO Uhr ab eine Anzahl Nathöbudcn, welche bisher während der Messen auf dem Markte mit zur Aufstellung gelangten, öffentlich versteigert werden. Wir machen die Herren Budenverleiber und sonstige Interessenten darauf aufmerksam, und bemerken, daß sich diese Buden auch zur Verwendung bei Bauten, als Lagerräume re. zweckmäßig benutzen lassen. Die VerstcigerungSbeVingungen werden bei Eröffnung de» Termins bekannt gegeben werden. Leipzig, den 15. Juli 1887. Der Rath der Stadt Leipzig. Ib. 2790. vr. Tründlin. Hennig. Vekannlmachung. Wir beabsichtigen, die AuSsührung verschiedener PflasterungS- arbeitc» an einen Unternehmer zu vergebe». Die daraus bezüglichen Bedingungen liegen im hiesigen Gemeinde- amte znr Einsichtnahme an- und wolle man Offerten ebendaselbst versiegelt mit der Ausjchrist „PflasterunaSarbeiten" bis zum 32. Juli -S. IS. tinreichen. Gohlis, am 18. Juli 1837. Der cvemeinderattz. Singer. il-ttkrifffch Die Herstellung der Maurerarbeiten am Neubau OillllNsUj» deS RathhauseS hier sollen an den Mindestsordernden unter Auswahl der Submiitentcn vergeben werde» und sind A schlüge im Gcmeindeamle Hierselbst zu haben. Ois.'iten sind verschlossen unter der Aufschrift: ..Maurerarbeiten für Nathliausbau Eutritzsch" bis zu», 24. dss. Man. Mittag 12 Uhr ui unserem Gemeüideamle abzugebe». Eutritzsch, am 17. Juli 1887. Ter Grmeinverath. Thomas, Gem.-Barstand. Vrliänntmachung. Die zu Herstellung der bcidrrscitigri» zuiammen 1333 m langen Jusahnolvcgk zu einer Muideiibrülke bei Küstern auSzusührendcn Erd-, Fels- u»v Manrcrarbcttcn. sowie die damit im Zu- sammcnhang stehende thenweiic Äcrleguug VeS HochstuthdammcS aus 6l0 m Länge, welche Arbeiten eine Boden- und Felsbewegung von ungefähr 13,900 ,ch»i umfassen, sollen in Gemäßheit der Ber- ordniing deS Königliche» Finanz-MinisteriumS vom 27. Juni 1887, Nr. 863 Sirastenb.-Negl.. im Wege der Submission unter Vorbehalt der Auswahl unter den Bewerbern vergeben werden. Tie bezüglichen Bauzeichnungen liegen im Bureau der mituntcr- zeichmlen Königlichen Siraßen- und Wasserbau-Inspektion, Frauen straße Nr. 22l. zur Einsichtnahme aus. BlankettS zu Preislisten, sonne die AussührungSbediiigungen können gegen Erstattung der Selbstkosten daselbst entnommen werden. Tic Wiedereinreichung der gehörig auszusüllenden AuschlagblankettS und der unterschriebenen Bedingungen hat spätestens den 27. Juli 1887. Nachmittag» st Uhr, verschlossen und postgebührenirei mit der Ansichrist: ,.B>nckenj»faIntS>vege »nd Hochstuthdanim bet Küstern" im Bureau der miluntcrzeichncten Königlichen Bauverwalterei zu ersolge». De» Bewerbern steht es frei, zur angegebenen Zeit der Eröffn,ing der eingegangenen Angebote beizuwohnen. Die B-Werber bleiben bis zum 10. August ». o. an ihre An gebote gebunden und baben dieselben als abgelehnt zu betrachten, wenn bis zum nnrgedachten Zetlpuncte eine Aniwoit mchl ersolgt ist. Grimma, de» 18, Juli 1887. KSutgt. Straize»- und Wastcrbau- Künigliche Ausprrtt«». Vauverwalterei Köhler. Schmidt. Vekanntmachnng. Der Gurkenmarkt wird von Sonnabend, den 23. Juli d. I. an. auf dem Löpferplatze abgchaltea. Leipzig, am 15. Juli 1887. Der Rath der Stadt Leipzig. Id 2682. I)r. Trvndlin. Hennig. -Maniltmachung»^ Die GaS» und WafferleitungSarbetten für den Neubau der V. BezirkSschule an der alten Elster sollen vergeben werden. Die Anschlagssormulare und Bedingungen sind bei Herrn Hosbaumeister Brückwald, Nürnberger Straße 44, 11^ gegen Erlegung der Gebühren zu erhalten. Die Gebote sind bis zum 2tt. Juli Nachmittag» S Uhr versiegelt und mit der Aufschrift „9. Bezirksschule" aus dem Bauamte, Zimmer Nr. 5, in dem 2. Stocke VeS Rathhauses, abzugeben. Üeber die Vergebung der Arbeiten behält sich der Rath die völlig freie Entschließung vor. Leipzig, am 15. Juli 1887. Id. 2817. Die Baudeputation deS Raths» Velialmtnmchuikg. Verloren gegangen sind folgende Arbeitsbücher: 1) für den am 26. März 1867 hier geborenen Hand arbeiter Paul Hugo Seidel, von unS im Jahre 1886 unter 751 ausgestellt; 2) sür die am 11. Mai 1868 zu Garsebach bei Meißen geborene Jda Lina Richter, vom Gemeindevorstand zu Connewitz im Jahre 1885 uiiler 6 ausgestellt; 3) sür den ani 4. Tecember 1867 zu Pausa geborenen Schlosser Richard August MattheS, zu Plauen im Jahre 1885 auögcstcllt; 4) sür den am 30. Mai 1868 zu Briicl in Mecklenburg geborenen Klempner Paul Carl Heinrich Theodor Kopplow, dortselbst im Jahre 1882 ausgestellt, und 5) für den am 13. Juni 1867 zu Cracau bei Magdeburg geborenen Zimmcrmanu Hermann Häusel, dortselbst im Jahre 1881 ausgestellt. Wir bitten, diese Arbeitsbücher im AussindungSfalle anher, Obstinarkl 3, 2. Etage, Zimmer 115. abzulicscrn. DaS für den am 28. Ncvember 1867 hier geborenen Kürschnergehilse» Friedrich August Otto Neumann von unS im Jahre 1882 unter 373 ausgestellte, angeblich in Amerika verloren gegangene Arbeitsbuch wird für ungiltig erklärt. Leipzig, am 15. Juli 1887. V, 2703, 2800, 2837, Der Rath der Stadt Leipzig. "'2936,2956,2998. 1)r. Tründlin. Reichel. Nichtamtlicher Theil. ver Lrief Loulanger's. General Boulanger kann sich noch nicht an den Gedanken gewöhnen, daß er nicht mehr KriegSministcr ist. Er hat zwar in Clermont-Fcrrand versichert, daß die Zeit, in welcher er sich mit Politik beschäftigte, hinter ihm liege, er werde sich fortan nur seinen militairischen Pflichten widmen, aber solch Entschluß ist leichter gefaßt, als auLgcsührt. Und so hat denn General Bcnlangcr in einer schwachen Stunde am 14. Juli an seinen Freund Laar einen Brief geschrieben, in welchem er seinem gepreßten Herzen über das Ergebnis; der Erörterung über die allgemeine Politik in der Kammersitzung vom ll. Juli Lust gemacht hat. Die Art und Weise, wie sich Clemcnceau über Bvulanacr'S Eifer, VolkSlbsimlichkcit zu erwerben, ausgesprochen bat, mußle sein Mißfallen besonders errege». und aus diesen Abgeordneten zielt denn auch ossenbar der Hauptinhalt seine- Briefes. Er beklagt sich über den Mangel an Treue bei seinen Freunden und spricht von Partciränkcn und persönlichen Interessen, unter welchen die Vaterlandsliebe leide. Die Art von Vaterlandsliebe, welche Boulanger i» sich fühlt, ist aber von seinen persönlichen Interessen nicht zu trennen, und als er noch Kriegsminister war, legte er gerade auf die Freundschaft solcher Abgeordneten Werlh, welche mit ihm aus dasselbe Ziel lvSgingen. Clemenceau und Boulanger fanden es in ihrem beiderseitigen Interesse, mit einander Hand in Hanv zu gehe», dieses gemeinsame Strebe» hatte aber zur Voraussetzung, baß Boulanger an der Macht blieb, als er aus dem Ministerium ausgeschlossen war und die Versuche, daS neue Cabinck zu beseitigen, miß- glückte», da ging die Frcuuvschast Clemenceau'» sür Boulanger in die Brüche und Clemenceau fand eS geratheu, seine Zu kunst alS Politiker nichl mit der Boulaiiger'S zu verknüpfen. Boulanger war über diesen Vcrralh an seiner Freunbschest erbittert und suchte Trost bei de» Freunden, welche ihm »och geblieben waren und die imnierhiu »och eine stattliche Zibt barstelic». Vielleicht halte Bonlauger ben Brief an Laur iviik- lick nur sür diese» allein bestimmt, daun war e- aber sehr unvorsichtig. dieseAbsicht nicht anSvrücklich zu erkennen zu gebe», Venn auS Form und Inhalt deS Briefe- konnte sie nicht ohne Weitere« gefolgert werden. Der Ton deS Briefes ist der eines Ausrufs an die Franzosen, daß sie den Hauptzweck ihre» Thun und Denken» kernen Augenblick auS den Austen verlieren sollen. Privatangelegenheiten kommen in dem Briese gar nicht zur Sprache, jeder Satz ist ein Programmpunct. Zunächst wendet sich Boulanger an die Anhänger, welche ihm noch geblieben sind und erllärt ihnen, daß er seine Pflicht thun werde, unbeirrt durch lhörickte Verdächtigungen, welche durch feine Haltung nicht gerechtfertigt würden. AlS Ziel aller seiner Bestrebungen stellt er sich, Frankreich geachtet zu macken und um eS zu erreichen, sackt er da» Selbstvertrauen der Franzosen an. Es ist klar, daß ein solche» Schreiben nicht die Bestimmung haben konnte, ungekannt und unbeachtet in dem Fach eines'Schreibtische» zu ruhen, der Empfänger mußte vielmehr sich dadurch aufgesordert fühlen, dem Briese die möglichste Verbreitung zu sichern, den Anhängern Boulanger'S und den Franzosen zu sagen, wa» Boulanger beabsichtigt und daß er seine Rolle noch keineswegs al» aüSqespielt betrachtet. Am Schluß des Brieses spricht Boulanger seinen Dank dafür au-, daß der Abgeordnete Laur seine Absichten verstanden habe, und auch darin konnte er nur wieder ein neue» Zeichen sür den Wunsch de< Briefschreiber- erkennen, den Brief zu veröffentlichen. An Ein» scheint aber weder Boulanger noch sein Freund Laur gedacht zu haben, und da» ist die Pflicht eine» CorpS- commandeurs, nicht politische Pläne zu verfolgen. Als Ches eine- Corps hat Boulanger lediglich die Aufgabe, diese« CorpS in schlagfertigen Zustand zu bringen und darin zu erhalten, gute ManneSzucht zu halten und dafür Sorge zu tragen, daß Osficiere und Mannschaften politischen Agitationen fern bleiben, also genau daö Gcgentheil von dem, was in dem Briefe steht. Nachdem der Brief der Oeffentlichkeit übergeben ist und seine Wirkung gethan hat, ist es zu spät, darüber Klagen anzustimmen, daß er nicht geheim gehalten wurde. Boulanger. der stet» bestrebt war, in der Oeffentlichkeit möglichst stark hervorzutreken, kann nicht den Vorwurf erheben, daß man seine Geheimnisse preiSgegcben Hab«. Soll ber Brief über haupt eine» Sinn haben, dann mußte rr veröffentlicht werden, denn zu den vertraulichen Mittheilungen gehören die Pflichte» nicht, welch« die Franzosen nach der Meinung Boulanger'- gegen ihr Vaterland haben. In dem Briese ist kein Name genannt, e» ist nur von Parteien die Rede und von einer bestimmten Art Leute, welche in der französischen Kammer wie auch in anderen Parlamenten zahlreich vertreten sind, von Strebern und Ränkeschmieden. Daß diese sich durch die Ber- vsfentlichung de» Briefes getroffen suhlen, ist sehr erklärlich, aber das mußte Laur für die Absicht Boulanger'S halten, denn von Anhängern, die ihn aufgegeben haben, kann er für die Zukunft doch nicht- erwarten. Es fragt sich nun, wa- jetzt geschehen soll. Die Anhänger der Negierung haben ein naheliegende- Interesse daran, den Br.es m der Kammer zur Sprache zu bringen als einen Beweis, daß Boulanger nicht innerhalb der Grenzen bleibt, welche ihm seine soldatischen Pflichten ziehe», und daS ist zugleich der Punct, welcher ihm von der Armceteitung mit Reckt zum Vorwurf gemacht werden kann. ES ist schon so Manche» geschehen, ivaS gereckten Anlaß darbietet, den General auS der Armee zu entfernen. Zunächst ist eS sehr wahrscheinlich, daß er seine Freunde insgeheim ermuntert hat, ihm bet der letzten Pariser Wahl ihre Stimme zu geben, dann kommt der Scanval bei seiner Abreise nach Clcrinont unzweifelhaft auf seine Rechnung. Während seiner AmtSsührung hat er in einer Weise agitirt, welche auch Bedenken wach ruft. Ob seine Haltung während der MinisterkrisiS richtig war, unterliegt auch starken Zweifeln, und so schwillt sein Sckuldregistcr täglich um wichtige Posten a». Mit der Behauptung, daß der Brief an Laur nicht sür die Oefsenllichkcit bestimmt war, verliert sein Inhalt nicht seine Strafbarkeit, und eS wäre nur eine richtige Schlußfolgerung, wenn die Negierung einen so eifrigen politischen Agitator seine- CommandoS enthöbe und ihn zur Verfügung stellte. Bleibt er an der Spitze seines ArmcccorpS, so liegt darin «ine mittelbare Aufforderung an andere ehrgeizige Generale, seinem Beispiel zu folgen. Bonlanger selbst war unerbittlich, als eS sich darum hantelte, die Prinzen auS der Armee zu entfernen, jetzt nimmt er die Rolle an, welche ihm Tony Revillon in der Kammer zu- aefchvben hat, die de» Prälendcnlen auf die Diktatur. Rouvier sagte an jenem Tage in der Kammer: Wenn die Regierung nur um einen Fuß breit zurückqewichen wäre, so wäre es um die Civilgewalt geschehe» gewesen. DaS allein genügte, um Boulanger als sür jedes milikairische Commando untauglich zu erklären. Dennoch war die Regierung schwach genug, ihn nach Clermont alS CorpScommanVrur zu senden, weil sic selbst nicht der nächsten Stunde sicher war. Heute ist die Lage wesentlich verändert. Zwischen der Ernennung Bou langer'S und heute liegt daS Eracbniß ber Abstimmung vom 11. Juli, durch welche die Stellung deS Ministerium» sehr befestigt ist, und der Brief Boulanger'S an Laur. Man könnte einwenden, daß Boulanger ja jetzt ohnehin unschädlich gemacht ist. DaS genügt aber nicht. Wer in einer Republik nach der Diktatur strebt, ist ein Hochverräthcr und muß als solcher behandelt werden, die Regierung würde nur ihre Pflicht thun, wenn sie ihn vom Commando suSpendirtc und ihn unter Anklage stellte. Ob sie DaS aber thun wird, bezweifeln wir stark. * Leipzig, 20. Juli 1887. * Die Nachricht, daß auch der deutsche Kronprinz sich aus der Fahrt nach Cowe» am 13. d. M. an Bord der „Victoria and Albert" befunden habe, al- diese« Schiss mit dem TrupprntranSportdampfer „OronteS" zusammen« stieß, war irrig. Der Kronprinz war vielmehr auch am 13. d. M. in Windsor Castle und frühstückte gegen Mittag mit dem König von Griechenland und der Prinzessin von Wale» in Marlborough House, während die deutsche Kron prinzessin mit ihren Töchtern an diesem Tage schon um halb 9 Uhr die Fahrt nach East Cowe» angetreten und sich in PortSinouth kurz nach l2 Uhr an Bord der „Victoria and Albert" eingeschisst halte, wo sich bald daraus der Zusammen stoß mit dem „OronteS" au» einer bisher »och nicht aufge klärten Ursache ereignete. * Zu dem jüngsten Leipziger LandeSverrathS- processe wird der Münchner „Allgemeinen Zeitung- aul Leipzig geschrieben: Bei Beivrechuug der beiden vom NeichSgericht in den letzte» Wochen verhandelten Hoch- und Lande-verrathSprocesse ist eine Seite nicht immer genügend hervorgehoben worden. Meist wurde die Spionage, welch« Frankreich in deutschen Landen betreiben läßt, aus die in neuerer Zeit mehr und mehr hervor- tretende Erstarkung de» Revonchegedanken« zurückgesührt, die feind- elige Stimmung der letzten französischen Ministerien bastle verant wortlich gemacht und insbesondere Boulanger, dem man überhaupt tn Deutschland zu viel zuschreibt und zutraut, als der eigriitliche Eptonenvater bezeichnet. Dabei ist übersehen, daß die Quellen, auS welchen die jüngst processirten LandeSverräthereiea ihren Ursprung ableiten, der Zeit nach viel weiter zurückreichen. Ein kurzer Rückblick auf die reich-gerichtlichen Processc wirb die- zur Genüge Nachweisen. Der erste derselben war der gegen den Pole» KraszewSkq und gegen den deutschen Hauptmano Hentsch verbandest«: er bezog sich auf verbrecherische «cie, die bis zum Jahre 1875 oder 1876 zurückgehcn. In diesem Proteste war eS, wo zum ersten Male, wenn auch noch in dunklen Umrissen, daS famose Pariser Nachrichienbureau auf die Bildfläche trat. Der folgende Proceb legen den Agenten Sarauw lüstete diese« Dunkel und ließ erkennen, >aß daS Bureau und durch dasselbe da- französische Kriegsministerium pätestenS seit 1878 systematisch und in großem Umsange unter Bermittelnng de- Sarauw theilS durch Bestechung von Civil- personen, thcils aber auch durch Verlockung von Angehörigen deS MilitairstandeS die Spionage in Deutschland organisirt und betrieben hatte. Gegen Klein und Grcbert war die Anklage erhoben worden, daß sie ln den letzte» zehn Jahren militatrische Geheimnisse an dle französische Regierung verrathen haben: diese Anklage ließ sich »war vollständig nicht ausrecht erhalten, aber e« steht doch fest, daß Klein schon von Ende 1880 au als srauzöstscher Spion angestellt war. Dazu kommt aber der bis jetzt noch »tcht verhandelte Proccß gegen LabanaeS, Brückner und Gltssauer, von welchen Ersterer beschuldigt wird, schon wenige Jahre nach dem deuilch.sranzösischen Friedensschlüsse zu Spioaendiensteu für Frauk- reich um den üblichen monatlichen Gehalt von 200 Mark geworbe» worden zu sei» und seit dieser Zeit auS dem Straßburger Bezirk-Präsidium alle irgend erheblichen Nachrichten dem Pariser Bureau mitgeiheilt zu haben. Die Organisation der französischen Spionage in deulschemGrblrte und mit Benutzung deolscher LandeSangehürigcr datirt also nicht erst seit Bildung der Patrioten-Liga oder seit dem offenen Hervorlrrtru der Revanche-Idee, sie wurde möglicherweise noch unter der Prä sidentschaft voa Thier- eingerichtet, überdauerte die Präsidentschaft von Mac Mahoa und verstärkte sich in erheblichstem Maße uutrr Ärcvy'« Präsidium. Eine Menge srauzöstscher Ministerien stud seit dem gekommen und gegangen, darunter Gambelia'S „große« Ministerium", aber auch da« von Ferry geleitete, unter welchem eine verhästnißmäßig freundliche Annäherung zwischen Deutschland uud Frankreich sich angcbahnt hatte. Unbeirrt von all diesem Wechsel hat daS Pariser Spionen-Bureau sich erhalten und sein nnsaoberrS Amt verrichtet; er hat mit den reichen Mitteln, die ihm zu Gebote stehen, deutsche Landeskinder z»m Treubruch verleitet und diese »»» glückliche» Opfer entweder in- Zuchthaus geliefert oder zum Selbst mord getrieben. Mau sieht, die verschiedensten politischen Systeme Frankreich- sind wenigsten» darin einig, daß dem deutschen Nachbar gegenüber auch eine allen Grundsätzen des Völkerrechts zuwider- lausende Spionage nicht unerlaubt sei. Der Unterschied zwischen heute »ud vor Jahre» ist nur der, daß vor zehn Jahren mit größerer Beflissenheit vertuscht oder abgeleugnrt worden wäre, wa« heutzuta>e säst unverblümt Ssfentllch gutgeheißen wird. ES muß sich aber bach fragen, ob Deutschland da« seine Interessen schädigende und sein» Lande-angehörigru depravirende Treiben de- Nachbarstaatr« t» alle Zukunst hinnehineu soll. Auch die größte Laogmuth hat einmal ihr Ende, und so könnte eS nicht unwahrscheinlich sein, daß, wenn erst die Resultate de- LabanueS'schen ProcesseS vorliegeu, wa« bald »ach den GerichiSserien der Fall sein wird, Schritte zur Abwehr »»» deutscher Seite eiugeleitet werden. * Di« Absicht deS Deutschen Kriegerbunde-, sich mit den Mitteln de- Bundes an der Germa nisirung ver ehedem polnischen LandcStbeite zu betheiligen durch Uebernahme von Parcellen sür Mitglieder der Kriegervereia«, scheint sich verwirklichen zu wollen. Wenigsten» wird die Angelegenheit seitens de» Bunde» weiter betrieben und im Auge behalten. Zwei Mitglieder deS BundcSvorstande- weilen auf Einladung des Vorsitzenden der Ansiedelung-» commission auaenblickltch in Posen, um sich dort persönlich nach den Verhältnissen zu erkundigen. KcmeSsattS wird die Absicht des Kriegerbunve» in dem Maße verwirklicht werden» wie cS von dieser Seite gedacht worden ist, da die An« siedclungScoinmission eine» starken Zufluß von Cotoniste« be« kannltich vorläufig nichl wünscht. Ob übrigens eine solche immerhin zweisethaste Anlage eines TheilS de» Berrin-- vermögens mit den Zwecken VeS Kriegerbunve» in Einklang steht, ist minkestcns fraglich. * Die Nachricht der „National.Zeitung" von der Hast« »ahme de» angeblichen CentralcomitL» der Berliner Socialv emökraten wird von der „Norddeutschen Allge meinen Zeitung" bestälint. Da» „Berliner VolkSblatt", da» Organ der Berliner Arbeiterpartei, berichtet über de» Vor gang in folgender Weise: „Eine größere Anzahl hiesiger Socialdemokraten soll am Freitag Abend in der Schönhauser Vorstadt verhaftet worden sein. Die Verhafteten halten, wie cS scheint, einem gemcinsainen Bekannten einen Besuch abge- slattet, beim Heraustreten auS dem Haus wurde» sie bereit» von mehreren Geheimpolizisten erwartet. Der Vorfall blieb ohne Augenzeuge», so daß bisher etwa» Beslimmlc» nicht fest- zustcllc» war. Man spricht von acht Betroffenen, darunter der Tischler Scclia und der Schneider Winter. Der Näh- inaschiiicnschlosser Apelt soll nachträglich noch gestern (Sonntag) bei Tagesanbruch iu seiner Wohnung verhaftet worden sein." * AuS dem Fürstenthum Lippe-Detmold wird berichtet, daß da» Landgericht in Lemgo durch den Prä sidenten de- OberlandeSgericht» zu Celle, Bardclebcn, und di« Staatsanwaltschaft durch den Oberstaatsanwalt Stell macher in Celle revidirt worden und das Ergebniß vollständig befriedigend auSgesallen ist. In der .Lippischcn Post- widmet der Landtagsabgeordncte Recht-anmalt Asemissen dieser Neuerung, für di« er schon seit Jahren eingetreten war, eine längere Betrachtung, worin er unter den Vortheilen derselben besonder» ansührt, daß in so kleinen Verhältnissen, wie di« lipptschen nun einmal sind, die Thätigkeit der Beamten gar zu leicht verkümmere und sich zu oft eine große Eiiiscitigkeit, Engherzigkeit und Abhängigkeit von allerlei anscheinend wich tigen Umständen zeige. ' Eine Anregung von Außen sei schon deSbalb ein dringende« Bedürsniß. Jetzt aber werd« den lippischcn Beamten durch persönlichen Verkehr mit erfahrenen, tüchtigen preußischen Beamten neben vielseitiger Anregung Gelegenheit gegeben, gute Vorbilder in der Praxi- kennen zu lernen. Der Anssatz schließt mit dem Ausdruck ver Erwartung, „daß der gemachte Anfang weiter zu einer vollbefrie» bigeiide» Lösung führt und daß namentlich mit Rücksicht aus die Woblsahrt der Etaat«»ntertba»kn ber Sinn sür national« Entwicklung unsere» Vaterlandes über engherzigen Partieu- tarisiniiS siegt. Se. Durchlaucht der LandeSsürst kan» durch Zuziehung preußischer Beamten a»s dem Gebiete der Justiz pflege nicht a» Einfluß »nd Bedeutung vertieren, sondern da durch nur ebenso gewinnen, wie seit der Berufung de< früher preußischen Landraths v. Richtbosen zum CabinetSmiaister die
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