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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.11.1892
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1892-11-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18921119014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1892111901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1892111901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1892
- Monat1892-11
- Tag1892-11-19
- Monat1892-11
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81§>Auukme>1Ssnkt1D tu der Hanptexpeditioa oder den im Stadt bezirk und den Vororten errichteten AuS. oadestelle» abqeholt: viirteljal>rl,ch>l4.S0, bei zweimaliger täglicher Zustellung inj HauS 5.50. Durch die Pos» bezogen für Deutschland und Lesterreich: viertel,ährlich S.—. Direkte tägliche Kreuzbondsendung ins Ausland: monatlich 9 — Die Morgen-AuSgabe erscheint täglich'/,7 Uhr. die Abead-AuSgade Wochentags b Uhr. Redaktion und Lrpeditiou: Iohaun»«>affr 8. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochea geüffnel »an früh 8 bis Abeud» 7 Uhr. Filialen: Ltt» klemm » Lortim. (AlsreV Hahn), Uuiversitätsstraß« 1» LoniS Lösche. SaHarinenstr. 14, Part, und König-Platz ?. Morgen-Ausgabe. Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- vnd Geschäftsverkehr. JusertionSpreiS Die 6 gespaltene Petitzeile 20 Psg.' Reklamen «ater dem Redactionsstrich (sge« spalten) 50 »1, vor den Famitleanachrichte» (6 gespalten) 40^,. Gröbere Schriften laut unserem PreiS- verietchllib Tabellarischer und Zlffernsatz »ach höherem Tarif. Extra«veilaae» (gefalzt), nur mit der Morgen»Ausgabe, ohne Postbeförderuag 00.—, wlt Postbesörderung » 70.—. IinuahMschluß für Inserate: Abeud-Ausgabe: Bormittag» 10 Uhr. Marge »»Ausgabe: Nachmittag» »Uhr. Soun» und Festtags früh '/«9 Uhr. L«l den Filialen und Annahmestellen je eia« halbe Stunde früher. Inserat, sind stet« an di« Erhrvitian zu richten. Druck «ud Verlag von S. Pol» kt Leipzig« 5!»l. Sounabenb den 19. November 1892. 86. Jahrgang Zur gefälligen Beachtung. Unsere Erpcdition ist morgen Sonntag, den 20. November, Vormittags nur bis /»O Uhr gevssnet. Expedition de» I-eip/dKier 'l'nxvbtnttek. Amtliche Bekanntmachungen. Bekanntmachung. Aus Grund der Verordnung des Königl. Ministeriums des Innern von» 8. l. M wird gestattet, da» die Märtner und Vlumciltzättdler Topspflanze», Kränze, Bluincu und Sträuße am Todtensestfoiintage von 11 Uhr bis 4 Uhr Nachmittags ver kaufen. auch zu diesem Zwecke ihre Berkaussläden öffne». Leipzig, den 17. November 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Die mit 3000 >4 Ansangsgehalt und Pensionsberechtigung aus- gestattete Stelle eine- Buchhalters bet unserer Stadicasse ist baldigst zu besetzen. Bewerber, welche die doppelte kaufmännische Buchsührung voll ständig beherrschen und selbstständig darin arbeiten können, wollen bez. Gesuche bis SS. diese» Monats bei uns einreichen. Leipzig, den 17. November 1892. Ter Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Schulze. Lirchenvorstelier-Wahl in dem Kirchspiel ät. Thomae. Nach Ablauf ihrer AmtSdaucr scheiden aus dem Kirchenvorstande der Thomasgemeinde demnächst auS: Hofbaumeister Vrückwaid, Bankdirccior I)r. Aiebiger, Kaufmann und Stadtrath tzsruner, Lehrer Maligner, Professor vr. Lohn«, Uhrmacher Weise und Kaufmann Zweiniger. Es sind demnach siebe» Lirchcnvorftcher aus 6 Jahre durch die ThomaSgemeinde zu wählen. Die Ausjcheidendea sind wieder wählbar. Die Wahl ist von uns auf Toniierstag, den 24. November d. I, angesetzt und wird in der Sakristei der Thoiuaskirche von Bor» mittags 10 llhr bis Nachmittags 4 Uhr »ohne Unterbrechung in den Mittagsstunden) slattfindcn. Dabei ist Folgendes zu beachten: 1) Stimmberechtigt sind Diejenigen, welche auf Grund recht zeitiger Anmeldung in die Wählerliste ausgenommen sind. 2) Die Wahl hat zu erfolgen Lurch persönlich zu bewirkende Abgabe eines Lkiminzcitrlü; ,eder Wähler kann sein Wahl recht nur in eigener Person ausiiben. L) Jeder Wähler hat siebe» Viemetiideglteder, welche dem Psarrsprengel der Thomaskirche angehöreu und mindestens 30 Jahre alt sind, nach Taus- und Familiennamen, Stand und Beruf genau zu bezeichnen. Wir fordern hiermit die stimmberechtigten Gemeindeglieder aus, ToniierStag, de» 24. November, innerhalb der obengenannten Stunden ihr kirchliches Wahlrecht auszuüben und ihr Augenmerk auf Männer von gutem Ruse, bewährtem christlichen Sinn, kirch licher Einsicht und Erfahrung (Kirchenvorstands - Ordnung 8- 8) zu richte». Leipzig, den 12. November 1892. Ter Wahl-AuSschntz für die Kirchenvorstanvswahl der Thomaskirchgemeinbe. v. Pank. Bestellung -er Geldbriefe und Postanweisungen. Vom 21. November ab kommt die um 5 Uhr Nachmittags be- ginnende Bestellung der Arldbriefc und Postanweisungen bei dem Unterzeichneten Postamie i» Wegsall. Von demselben Zeitpuncte ab erfolgt der Beginn der zweiten Geldbestellung statt um 2 erst u>n 3 Uhr Nachmittags. Leipzig, den 16. November 1892. kaiserliches Postamt 1 (am AuguftuSPlatz). Bodel. „Er sucht Händel!" Am 12. Juli 1870, einen Tag vor dem Datum, an welchem der eiserne Kanzler den Krieg durch die Re daction einer officiösen Zeitungsnotiz leichtsinniger Weise herbeigcfiihrt habe» soll — wie dumm! — da schrieb ein alter deutscher Burschenschafter und Freiheitskämpfer, Arnold Rüge, aus seinem englischen Asyl eine Epistel an seine biederen Deutschen, die wir der Beachtung gewisser Patrioten recht angelegentlich cmpscblen. Diese Epistel trägt die Ueberschrist „Er sucht Händel" und schließt folgender maßen : „WaS die Franzosen wollen, haben sie 1866 gezeigt. Sie verlangten den Rheni. Daß sie durchaus etwas in der Rich tung leisten mußten, zeigte sich in der Luxemburger Angelegen beit. Diese beiden Forderungen, das Predigen, selbst der Republikaner, gegen Sadowa und das neueste Betragen des Herzogs von Gramont und OllivierS zeigen, daß „die große Nation" sich nicht darüber beruhigen kann. Deutschland sich ebenbürtig zu sehen; sic will, weil wir unS so weit ver einigt Halen, als es geschehen ist, den Rhein und natürlich auch Belgien haben; kenn der König von Belgien soll ja ebenfalls das Verbrechen begangen haben, die Eandidatur des Prinzen von Hohenzollern zu billigen. „Die Rüstungen sind vollendet, wir können loSschlagen; die Preußen haben erobert, nun wollen wir auch erobern", sagen die Zeitungen. Wir baden also — selbst wenn eS diesmal noch so abgeben sollte — den Krieg mit Frankreich zu er warten. Ich sage einfach also: denn ich weiß, daß der Gedanke, unsere Unisicirung seikeineRevolution, sondern eine Eroberung (gerade wie die Eroberung Algier« oder Mexiko«) allgemein französische Ansicht ist, und daß die Ansicht, di« Franzosen seien vor un- in Gefahr, so lange sie nicht Belgien und den Nbein hätten, ebenso allgemein fran zösisch ist. Wenn sie gac Militairs sind, so beweisen sic cS Dir mit der Landkarte in der Hand. Ich füge noch binzu, was auch die Dümmsten und Neactionairsten bei uns wissen sollten, daß e« viel schlimmer für nnS wäre, wenn dieser französische Geist nach dem Sturz des Bastard BonapartiSinus, als wenn er vor dem Verenden desselben lvSbräche. Der Sturz dieser Maskerade ist nur eine Frage der Zeit. Dann muß die freie Staatssorm, und zwar die Republik, auch dem Namen nach, wieder auf- treten, und eS wäre dann ein Krieg der politischen gegen unsere nur nationale und nur commandirte Revolution. Es ist daher — so schwer mir das Wort auch ankommt — für nnö das Beste, wenn wir mit diesem Bastard Bona- partismns und zwar jetzt gleich, zum Schlagen kommen; den» jetzt sind wir, bei alledem und alledem, doch als Volk im Recht und in der nationalen Revolution be iz rissen, die der wacklige Imperialismus stürzen will — warum? Um sich dadurch wieder zu befestigen. Lasse sich doch Keiner Sand in die Augen streuen! Wäre Louis Napoleon, der edle Holländer, bei dem Con- stilutionaliSinus saus zülvaso und 8aus plebiscito geblieben, so Kälte er sich ohne Zweifel innerlich befestigt, soweit das nach seiner Vergangenheit überhaupt möglich ist. Seil dem Plcbiöcit ist aber diese innerliche Bewegung gestört, und zu gleich bat ihm, dem Planmacher ohne politischen Verstand, das Volum der Städte die Republik und das Volum der Armee die Empörung vor Augen gehalten. Also er fühlt sich seit diesem lhörichtcn Experiment wackliger als je; und dem Plebiscite haben wir diese EScapadcn zu verdanken, die er uns jetzt aufsührt. Es soll der Armee eine Beschäftigung gegeben und den Republikanern das Brod aus dein Munke genommen werken. Die große Nation soll ihre Vergrößerung (die Rbeingrenze und Belgien) dem hinfälligen sogenannten Bonaparte verdanken, und da durch die Dynastie ehren und die Freiheit drangeben lernen. Der Plan ist ebenso verrückt, als eS der mexikanische war; aber eben darum ist seine Existenz gewiß. Ob sich der Muth zur Ausführung findet, wird sich bald zeigen. Wenn er sich aber findet, so ist es an uns, einem anderen Usur pator sein Queretaro zu bereiten und dem Hokuspokus der Wcltbeberrschung mit so gemeinen Zwecken ein Ziel zu setzen. Jeder Deutsche aber, wer er auch sei, ist ein Verräther, der jetzt nicht zu seinem Volke steht! Brighton, 12. Juli 1870. Arnold Rüge." Den^atlcn Rüge — er war damals, als er Obiges schrieb, nahezu Siebziger, denn er hatte als Knabe die Befreiungs kriege mit erlebt, — ihn deckt nun schon seit zehn Jahren die englische Erde. Daß er dereinst als Entlastungs zeuge für den Heerrnser Otto v. BiSmarck cilirl werden würde, das hal der Alle sich wohl nicht träumen lassen in seiner Grabesruhe. Wie hieß es doch l8l3 und 1870? Frisch auf, mein Voll! Tie Flaminenzeichen rauche», Tic Saat ist reif; ihr Schnitter zaudert nicht! Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte! Den Glauben an die Heiligkeit dieses großen Krieges und an die deutschen Thaten unseres Altreichskanzlers kann unS kein Teufel rauben. Amen! (Münch. Neueste Nachr.) politische Tagesschau. * Leipzig, 18. November. Der Herr Reichskanzler Gras Caprivi scheint ent schlossen zu sein, jene von König Wilhelm am l3. Juli 1870 von Ems aus an den damaligen Grafen BiSmarck gesendete Depesche, die der letztere nach der fortgesetzten Be hauptung seiner Feinde „gefälscht" hat. um Deutschland in den Krieg mit Frankreich zu treiben nicht zu veröffent lichen. Wenigstens erklärt beute die „Nordd. Allgem. Z lg.", sie glaube, „daß mit Rücksicht daraus, daß die Zeit, um welche eS sich handelt, noch nicht weit genug zurück liegt, um der gegenwärtigen Generation eine genügende Unbefangenheit des Urlheils zu sichern, der bercgte Paßstrcit der Berechtigung ermangele". Da« Leiborgan des jetzige» Kanzlers meint also, dag noch kein Bedürfniß vor- liege. Kaffer Wilhelm I. und seine Paladine von dem Vor würfe zu reinigen, den deutsch-französischen Krieg vom Zaune gebrochen zu haben. Vielleicht wirb das Blatt und mit il»n der Herr Reichskanzler anderer Meinung, wen» Beide lesen, wie in Frankreich jener von deutschere.) Seite erhobene Vorwurf ansgebculet wird. ES will allerdings nicht viel be sagen. daß der Hanswurst Saint-Eiire im „Figaro" jene Behauptungen der socialdemokratischen, klerikalen und einiger deutsch-freisinnige» Blätter als Beweis dafür verwendet, wie viel bei nnö „faul im Staate Dänemark" sei. Aber wenn auch ein so ernsthaftes Blatt wie das „Journal des DebatS" die von deutscher Seite gegen den Fürsten BiSmarck geschleuderte Be schuldigung als einen Beweis dafür aufsübrl. daß dem un schuldigen Frankreich bitteres Unrecht geschehen sei, indem man eS seit 1870 eine- Angriffs gegen Deutschland, für den cS verdientermaßen bestraft worden, beschuldigt habe, — wenn, sagen wir, sogar ein solches Blatt Eapital auö den frivolen Angriffen deutscher Blätter gegen den „Emscr Dcpeschen- fälscher" schlägt und den Franzosen einreket, cS sei jetzt von deutscher Seite die Berechtigung Frankreichs zu einer Revanche »achgcwicsen, so dürste selbst dem Grafen Caprivi und der „Nordd. Allgem. Ztg." die „Zeit" weit genug fort geschritten erscheinen, um eine Veröffentlichung des ursprüng lichen Wortlautes der vom Fürsten BiSmarck rcdigirlen Depesche angezcigt erscheinen zu lassen. Und wenn der Herr Reichskanzler trotzdem noch zögern zu müssen glaubt, auch in diesem, eine Ebrenrettung seines Vorgängers erheischendem Falle, in das Archiv de« Auswärtigen Amtes zu greisen, so findet sich vielleicht ein deutscher Fürst, der ihn eine« Anderen und Besseren belehrt. Ueber die Anwesenheit Sr. Majestät des König« Albert in Berlin wird dem „Hann. Cour." von dort unter dem 12. d. geschrieben: „Als der Kaiser sich am Freitag Abend bei der Rückkehr von kSnigS-Wusterhausen von seinen Gasten, dem König Albert und Prinz Georg von Sachsen, aus Bahnhof Friedrichstraße verab schiedet hatte, bracht« derselbe die kurze Zeit des Aufenthalts bi- zur Weitersahrt nach Potsdam in seinem Salonwagen zu. Personen, die den Kaiser zu jener Zeit zu beobachten die Gelegenheit hotten, ist der tiefe Ernst im Gesicht Sausdruck des Kaiser- aus- gefallen, der seltsam gegen das kaum beeiideleJagLveranügen conlrasline. Mau wird mit der Annahme nicht sehlgehen, daß zwischen den beiden Monarchen Erörterungen sehr bedeutsamer Natur gepflogen worden sind, die auch am heutigen Tage wohl »och eine Fortsetzung erfahren haben. Der ursprünglich auf den Jagdausslug nach KönigS-Wusterhausen be rechnete und dann verlängerte Besuch des Königs Albert läßt daraus schließen, daß seine Aeußcrungen zu wichtigen Erwägungen Anlaß gegeben baden," Die Milita irvorlage hat jedenfalls daS Thema dieser Erörterungen nicht gebildet, trotz der Behauptung einer Dresdener Sibylle, die Besprechungen Sr. Majestät mit dem Kaiser würden „aus die Entschließungen, namentlich bin- sicbtlich der Militairvorlage, von maßgebendem Ein fluß sein". Tenn der Bunkcsrath bat diese Vortage genehmigt, und bevor der Reichstag seine Stellung genommen hat, über die eine auch nur halbwegs sichere Rechnung sich nicht aufstellcn läßt, liegt auch sür die verbündeten deutschen Fürsten kein Anlaß zu weiiern Berathungen überdie Vorlage undAllcS.waS sich an sie knüpft, vor. Aber eSgiebtauch andere wichtigcDinge zu besprechen, in manche andere wichtige Frage Klarheit zu bringen, die durch den gewöhnlichen diplomatischen Verkehr nicht herbei- gesübrt werken kann. Uns stehen darüber, was „den tiefen Ernst im GesichtSanSdrucke des Kaiser«" hcrvorgerusen bade, keine Sibyllen zu Gebote; bei unserem gerechtfertigten Miß trauen gegen Alleck, was sich officio- geoerdet, würden wir auch mit officiösen oder osficiös scheinen wollenden Nach richten uns nicht aufzuspielcn suchen. Bestätigt sich, WaS der „^>ann. Cour." sich melden läßt, so wird auch die Auf klärung durch Thatsachen nicht ausbleiben. Und daß kiese Tbatsachen im ganzen Reiche, soweit man da noch deutsch fühlt., mit Freuden werden begrüßt werden können, dafür bürgt unS die hohe Einsicht Sr. Majestät unsere- Königs. Die sächsischen Nationalliberalen erscheinen der „Krcuzzciliing" aus dem Grunde „rathloS", weil im Dresdner nationalliberalen Verein vor den vom UltramontaniS- muS drohenden Gefahren gewarnt worden ist. Dem Organ der conservaliven Partei, welche nicht einmal weiß, wie sie ihr Programm gestalten soll, steht diese Anmerkung besonders zu Gesicht. Doch dies nebenbei. Was die ,,Kreuzzeitung" an den sächsischen Nationalliberalen ärgert, ist keineswegs deren „Ralhlosigkeit", sondern die Erkenntniß, daß sie taS nach den Zcilnmständen Richtige getroffen haben, als sie zum Widerstand gegen den ultramontanen Ansturm ans die Parität und zur Vorsicht gegen die reichSunter- wnhlende Politik dieser Partei auffordcrten. Der „Kreuz- zcilnng" paßt dies deshalb um so weniger, als sic nicht zu verkennen vermag, daß hier eine Saite berührt ist, die auch in conservaliven Herzen stärker anschlägt, als dem auf ultra montane Förderung seiner Pläne lauernden Junkerthume lieb ist. Dabei kan» die „Kreuzzeilung" selbst nicht leugnen, daß von nltramcntaner Seite „Gcgenbemühungen" (gegen die Gründung und Festigung des Reiche-) stattgefunden habe», nur meint daS Blatt, man könne nicht „beweisen", daß daS Centrum in Deutschland diesen Gegenbemühungen in dem Maße dienstbar gewesen, wie die National- tideralen behaupten. Die „Kreuzzeitung" will also den gemäßigteren Parteigenossen an einen Gegensatz zwischen dem „Cenlrum in Deutschland" und dem internationalen Ultra- montanismuS glauben machen. Für daS Bestehen von Gegen sätzen zwischen dem Centrum einerseits und staalsfreundlichen Bischöfen, sowie einer Deutschland nickt direct feindlichen päpstlichen Politik andererseits ließen sich wohl Beispiele auS dem letzten Bierteljahrhundert ansübren, kein einziges aber sür die Nicbtidentitäl von Centrumspolitik und ultranion- tanen „Gcgcnbemübungen". Die paar Artikel in einem Theit der CentrumSpresse gegen die Dreibundhetze der vaticanischcn Zeitungen scheinen aber der .Fkreuzzeitung" zu genügen, obwohl sie doch sehr gut weiß, daß die päpstliche Presse nur vertritt, was die officielle Politik der Curie in Pari« und Petersburg betreibt. Die ^Kreuzzeilung" tritt eben mehr und mebr zu dem Centrum in cm Verhältnis;, wie eS zu Windtkorst'S Zeiten zwischen Eugen Richter und dieser Partei bestanden bat und übrigen- noch nicht völlig gelöst ist — in daS Verdältniß de- um des Lohnes willen duldenden Diener« zum Herrn. Vor Jahresfrist noch glaubte sie mit dem Ccntrum als eine Gleiche mit Gleichem pactiren zu können und stellte Bedingungen. So fand sic — es war am 22. September 1891 — trotz einem National- liberalen „bewiesen", daß im Ccntrum reich-feindliche Elemente vorhanden seien, und forderte, daß der zu diesen gehörige Landtagsabgeordnelc Hauplmann (der Verleger der ultra- montane» Bonner „Deutschen ReichSzeilung") auS der CentruinSfraclio» ausgeschlossen werde. „Die Fraction", so schrieb die „Kreuzzeilung", „ist daS ihrer eigenen Ehre schuldig, sie kann kein Mitglied in ihren Reihen dulden, das im Gegensätze zum Baterlande steht." Nun, da« Ccntrum duldet den Reich-feind nach wie vor und die „Kreuzzeilung" schweigt demülhig still und findet eS sogar anachronistisch, wenn, wie in Dresden geschehen, national- gesinnte Deutsche Mißtrauen gegen daS Cenlrum äußern! Papst Leo XIII., dessen Leibgarde unsere Centrums männer in Deutschland zu sein sich rühmen, hat neuerdings Gelcgenbeit genommen, seine rückhaltlose Hinneigung zu Frankreich abermals zu bekunden. Er hat, wie bereit- in unserem gestrigen Morgenblatte berichtet wurde, den fran zösischen Botschafter in Konstantinopel, Cambon, in längerer Audienz empsange» und zu ihm gesagt: „Trotz aller Schwierig keiten, welche die Gegner der VersöhnungSpolitik (?) erhöben, bade er den entschiedenen Willen, für Frank reichs Heil und Größe zu arbeiten". Mit diesem ent schiedenen Willen verbindet sich naturgemäß eine Hinneigung de« Papste« zu Rußland, von der die „Köln. Ztg." einen neuen Beweis dnrch folgende Mittheilung bringt: „In vaticanische» Kreisen spricht man unverhohlen seine Be friedigung über den jüngsten Besuch de- russischen Großfürsten Sergru« und seiner Gemahlin beim Papste au«. Da« großfürstliche Paar hat in der taktvollsten Weise seine große Verehrung sür Papst Leo kundgegeben; beide hoben dem heiligen Vater den Ring geküßt, und beim Besuch der PeteeSkirch« und der vaticanische» Grotten hat der Großfürst Sergiu« sich am Grab« de« heiligen Priru« aus die Knie geworfen und de» Fußboden geküßt. Auch di« groß fürstlichen Herrschaft«,, haben i» Nom mehrfach Anlaß genommen, di« liebenswürdige Ausnahme anzuerkenneu, di« sie beim heiligen Vater gesunden haben." Daß diese Doppelliebe des Papste- sich auch bewähren wird, wenn Deutschland zu einem Kriege gegen die beiden sick, immer enger aneinander schließenden Machte gezwungen werden sollte, unterliegt wohl auch bei der „Krcuzzlg." und den ihr gesinnungSverwandten Blättern keinem Zweifel. Um so eigen artiger muß es berühren, daß diese konservativen Organe nicht- Weiseres thun zu können glauben, als wenn sie die „deutsche Leibgarde" Leo'S XIII. umschmeicheln und gegen die Warnungen der Nationallibcralen vertheidigen. Tie infolge de-freundlichen Empfange- de- russischen Großfürsten Thronfolgers am Wiener Hofe plötzlich hcrvorgctretcne Freundlichkeit der russischen Presse für Oester reich begegnet dort einem größeren Mißtrauen, als in den osficiellen Kreisen Berlins, wo man trotz der neuen Militair vorlage und ihrer Begründung sich wenigstens denAnschein giebt, als traue man Rußland nur daS Beste zu. In Oesterreich ist man weniger optimistisch. Mit voller Entschiedenheit aber lehnt man den schon gestern erwähnten „freundlichen" Vorschlag ab, Rußland in Bulgarien gewähren zu lassen, Bosnien und die Herzegowina dafür zu bekaltcn und die Bruderhand Rußland- zu fassen, das zur Verständigung über alle Fragen bereit sei, wenn man ihm nur nicht die Zumuthung einer Annäherung an Deutschland mache, gegen das nian in Peters burg von nicht zu beseitigendem Mißtrauen erfüllt sei. Die „N. Fr. Pr." kleidet ihre Absage in folgende Form, die an Deutlichkeit nicht- zu wünschen übrig läßt: „Ta Oesterreich ganz und gar keine Einmischung in Bulgarien versucht, so kann die Bedingung, die Rußland für seine Freundschaft stellt, nur in übertragenem Sinne auszusassen sein. Oesterreich soll seine Hand von Bulgarien abziehen! Das ist offenbar dahin zu verstehen, daß wir Rußlands Freundschaft erkausen können, wenn wir ihm Bulgarien ausliesern. Was man von uns fordert, ist die stillschweigende Zustimmung zu allen Schritten, die Rußland unternehmen mag, um sich die frühere Lberherrlichkeit in Sofia zu sicher». Man verlangt unsere Mitwirkung bei der Erdrosselung der jungen bulgarischen Freiheit, allerdings keine active — Gott bewahre, die könnte Rußland gar nicht brauchen, aber di« passive durch gleichgiltige« Zusehen. In einem Augen blicke, in welchem der russische Einfluß in Serbien, wo die echtesten Russenfreunde am Steuer sitzen, beständig steigt, Rußland die frei« Durchfahrt des Bosporus und der Dardanellen anstrebt, die Türkei an eine neue Befestigung der Meerengen schreitet und wir unsanft an die Existenz der orientalischen Frage gemahnt werden, in einem solchen Augenblicke ist es eine etwas starke Zumulhung, daß Oesterreich auf der Balkan-Halbinscl obdanken und auf sein Pro gramm, die Selbstständigkeit ihrer Völker zu fördern, zu Gunsten Rußland« verzichten solle. Wir verkennen keineswegs den Werth guter Beziehungen mit dem Zarenreiche, und wir sind stet« erfreut, Betheuerungcn der Friedensliebe von Petersburg zu vernehmen. Aber wenn mau uns die russische Freundschaft «meinen Preis anträgt, der so hoch ist, so werden mir höflich, aber fest erwidern, sie sei uns zu thcuer. Oesterreich, das keinen Mangel an Freunden und Berbündcten Hot, begnügt sich mit den gegenwärtige» Beziehungen zu Rußland, die nach dem Aus drucke unseres Minister- des Auswärtigen zwilchen den beiden Regierungen correct sind. Eine Separat-Verständigung würde di« Gefahren für den Frieden nicht beseitigen, sondern verdoppeln." In Frankreich wird die Entwickeln»;) der Dinge immer bedenllicher für den Bestand de« Ministeriums Loubet. Die Berathuna der Deputirtenkammer über die Preßaesetz- novcllc hat allerdings dadurch, daß Graf Mun die Wieder herstellung eines überwiegenden Einflusses dcS ClcruS als Universal-Heilmittel für alle Schäden der Zeit pries, eine für daö Cabinet nicht ungünstige Wendung genommen; aber selbst wenn Herr Loubet in dieser Frage ein Vertrauens votum erhalten sollte, würve sofort eine neue Frage bedrohlich vor ihm auftaucken. Sehr zur Unzeit ist die französische Action gegen Dahomey zum Stillstand gekommen. General Dodd« hat beschlossen, seinen Leuten „Ruhe zu gönnen", die sich wobl jedenfalls bis zum Eintreffen der von Frankreich abgegangenen Truppennachschübe auSdehnen kann. Inzwischen ist taS ExpedilionScorpS den Unbilden eine- gesundhcitmerden- den KlimaS preisgegeben, welche in den Reihen desselben schlimmer aufräumen dürften, als die grsammte Streitmacht des Königs Behanzin. Letzterer soll übrigens, nach Berichten Pariser Älätter, entschlossen sein, bis aus« Acußersie zu wider stehen. Sein Palladium ist die „heilige Fahne", von deren abergläubischer Verehrung bei den Dabomehcrn und allen be nachbarten Negcrstämmcn der „Figaro" Wunderdinge zu erzählen weiß. Die Fetischpricster sollen den Fanatismus der Dahomeber zu einem solchen Höhcgrad gesteigert baden, daß sie Alle entschlossen find, sich bis auf den letzten Mann tobten zu lassen Damit will es freilich nicht recht stimmen, daß nach einer anderen Version König Behanzin dem General DoddS FriedenSanerbietungen gemacht hätte auf der Grundlage der Abtretung des Küstenstriches zwischen Kotonu und Porto-Novo, sowie einer KricgSkosten- entschädigung von 15 Millionen Francs. In Bebanzin'S jetziger Lage ist bei ihm Versprechen und Halten in noch höherem Maße als sonst, zweierlei, und deshalb scheint General DoddS die erwähnten Vergleichsvorschläge, wenn sie überhaupt gemacht worden sind, keiner Antwort gewürdigt zu haben. Zur Erleichterung der Stellung de« Cabinet« Loubet trägt die Versumpfung des Zuges gegen Dabomey jedenfalls nicht bei; die Opposition kargt nickt mit scharfer Kritisirung der unzulänglichen Vorbereitungen, mit denen der Vormarsch gegen Dahomey in- Werk gesetzt wurde, und bekundet Neigung, das heimische Regime sür alle Fehlschläge dieses Colonial abcnteuer« verantwortlich zu machen. Mit den übrigen Bcr- legenbritcn des Cabinet« zusammen, könnte die Dabomey- Affaire gerade binreichen, den sckon an den Rand gefüllten Becher de« Ministerium- Loubet überlaufen zu machen. Deutsches Reich. /I Berlin, 18. November. Es steht, wie wir kören, noch nicht fest, ob der Kaiser in Person den Reichstag er öffnen wird. Die durch verschiedene Blätter lausende Nach richt, daß die nationalliberalc Fraction in ihre» jüngsten Verhandlungen beschlossen habe, die Vermögens steuer abzulehnen und dafür eine Erbschaftssteuer vorzuschlagen, ist unrichtig. Beschlüsse sind überhaupt nicht gefaßt worden. Di« Vermögenssteuer wird bei
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