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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 12.03.1901
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1901-03-12
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19010312029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1901031202
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1901031202
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1901
- Monat1901-03
- Tag1901-03-12
- Monat1901-03
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Ämtsvlatt -es Königlichen Land- and Amtsgerichtes Leipzig, -es Ratljes un- Nolizei-Amtes -er Lta-t Leipzig. M. Dienstag den 12. Marz 1901. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzelle 25 H. Reklamen unter dem RedactionSstrich (-gespalten) 75 H, vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Zisfernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 85 H (excl. Porto). (Srtra Verlagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ü0.—, mit Postbesörderung 70.—. Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-Ausgabe: Bormittag- 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je ein« halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. 95. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Friedensvcrhandlungen. Aus den vielen über die Fricdensvcrhandlunzen zwischen Botha und Lord Kitchener umlaufenden Gerüchten — irgendwie bestimmte und beglaubigte Nachrichten liegen darüber nicht vor — scheint hervorzugehen, daß der englische Oberbefehls haber, der an Ort und Stelle die wahre Lage der Dinge am besten beurtheilen kann, eher geneigt ist, den Boeren einige Con- cessionen zu machen als die maßgebenden Persönlichkeiten in London. Wie man dem „Berl. Loc.-Anz." von dort telegraphier, hat zwischen Kitchener und der englischen Regierung in der letzten Woche ein reger Depeschenwechscl stattgefundcn. „Daily Erpreß" berichtet über verschiedene längere Unterredungen zwischen Präsi dent Krüger und Or. LcydS über die Möglichkeit einer Unter werfung der Boeren. Ein Mitglied aus der Umgebung Krüger's soll versichert haben, die Uebergabe dürfte unmittelbar bevor stehen. Damit stimmt schlecht die Nachricht aus d:m Haag: „Präsident Krüger verlangte von Botha telegraphisch Aufklärung über dessen Verhandlungen mit Kitchener. Die Antwort Botha's steht noch aus. Krüger bleibt bei der Ansicht, daß ohne weit gehendste Autonomie ein Friedensschluß unmöglich sei." De Wet bildet anscheinend das Haupthinderniß für den Frieden; er ist der Unversöhnliche, der den Briten blutige Rache geschworen hat. Man berichtet uns: ?. London, 12. März. Eine Privatdepesche aus Jo hannesburg besagt: Tewet sei bereits westlich von Kroonstad unterwegs, um nordwärts zu Botha und Schalk Burger zu gelangen behufs Thcilnahme an den Friedens verhandlungen. Sein Wort wird jedenfalls schwer in die Waagschale fallen. Wie man sich erinnert, hat er sich seiner Zeit von Steijn aus bedungen, wenn ernstlich Friedens-Verhandlungen eingeleitet wür den, persönlich gehört zu werden. Die „Tägliche Rundschau" faßt dir Lage, wie folgt, auf: Die Friedens-Verhandlungen zwischen Botha und Kitchener for dern zu einer Betrachtung der Lage geradezu heraus. Daß di: Londoner Angabe, es handle sich nur um Feststellung dec Be dingungen für die Uebergabe der Boeren an die Engländer, nicht richtig sein konnte, mußte man sich nach der regen Thätigkeit der Boeren bis in die letzte Zeit von vornherein sagen. Da gegen wird jetzt auch von England aus gemeldet, daß Botha als Vorbedingung für die Boeren Autonomie verlangt habe. Da durch wird deutlich kundgegeben, daß England ermattet ist. Zu gleicher Zeit melden 'auch Londoner Berichte, daß Lord Kitchener, um dem kostspieligen Kriege gewünschter Weise ein Ende machen zu können, noch 50 000 Mann und 100 000 Pferde verlangt habe. Diese Mittheilung klingt recht wahrscheinlich, in dessen ist die britische Regierung nicht im Entferntesten im Stande, dieser Forderung nachzukommen. Daher hat man sich nothgedrungen dazu bequemen müssen, möglicher Weise den Krieg auf eine andere Weise zu beenden. Schon das Anknüpfcv non Verhandlungen mit den Boeren ist ein Beweis, daß das kritische Programm der südafrikanischen Politik Schiffbruch er litten hat. Bisher bildete die völlig« Unterwerfung und Ver nichtung der Boeren und ihrer Republiken den obersten Grund satz der Engländer. Sie machten sogar eine Zeit lang den Versuch, die Boeren als Rebellen hinzustellen. Jetzt sieht man sich gezwungen, Frieden mit ihnen zu schließen, also ihre Existenz und gewissermaßen ihre Gleichberechtigung anzuer- tennen, und zwar in demselben Augenblicke, in welchem der neue Gouverneur Sir A. Milner in Pretoria eingetroffen ist, um die Eivilverwaltung dort einzurichten und die Fiction von der Er oberung der Republiken augenscheinlicher zu machen. Hat man sich erst auf Verhandlungen eingelassen, so muß man den Boeren auch eine gewisse Selbstständigkeit zugesteh-n. Sonach ist die britische Politik, di« nicht nur Südafrika, sondern ganz Afrika für sich beanspruchte, zusammengebrochen. Geht man in seinen Schlüssen bis ans Ende, so kann man sagen, England hat durch den frivolen Krieg Südafrika ver loren. Denn der vor Kurzem noch unglaubliche Erfolg der Boeren wird auf die Afrikaner mächtig einwirken. Die anti englische Strömung auch im Eaplande wird bald zunehmen und ihre Wirkung deutlich zeigen. Der Zusammenschluß der Boeren und der übrigen Afrikaner wird sich rasch vollziehen. England kann den empfangenen Stoß niemals wieder überwinden. Tie Pest * Kapstadt, II. März. (Reuters Bureau.) Tie Pest dehnt sich in gefährlicher Weise auS. Heute sind 15 neue Erkrankungen gemeldet worden und 87 unter Beobachtung stehende Fälle. Tie Krankheit ergreift auch die wohlhabende» BevölkerungSichichien. 8>n Europäer und seine Familie sind nach dem Hospitale geschafft worden. Unter den Europäer» sind noch mehr (»rtrantniiaen zn verzeichnen Die Wirren in China. Weitere Strafen. Dec „Morning Post" wird aus Peking gemeldet: Die neue, von den Gesandten ausgestellte Liste der zu bestrafenden Be amten enthält über hundert Namen. Als Strafen wer den verlangt: Degradirung, Verbannung, Einkerkerung, und in acht Fällen Enthauptung. Zwei der Beamten, deren Ent hauptung verlangt wird, waren an der Nieoermehelung in Chu- chau, Eentralchina, betheiligt, vier andere an verschiedenen Niedermetzelungen in Schansi und einer an der Niedermetzelung in der Mongolei. Einer dieser Beamten ist der Militärgonverneur von Mulden, der die Nieaermctzelung in der katholischen Kathe drale in jener Stadt leitete. Die Gesandten verlangen auch die posthume Degradation von Uulu, des verstorbenen Vicekönigs, von Tschili. Die Gesanvten werden wahrscheinlich große Mühe? haben, die Chinesen zu bestimmen, diese Forderungen zu erfüllen. Haltung der Bereinigten Staaten. Die internationale Polizeicommission be schloß, die Boxer, welche an Verbrechen theilnehmen, hinzu richten. General Chaffee will jedoch die Enthauptung ge wisser bekannter Boxer-Anführer, die viel Morde begangen haben und von einem chinesischen Richter verurtheilt worden sind, nicht gestatten. Die Amerikaner sind die einzigen Ausländer, welche keine Hinrichtungen in Peking ausgeführt haben, sie haben aber viele Verbrecher verhaftet. Erneuter Widerstand? Aus Schansi wird gemeldet, daß die Chinesen dabei sind, aus gedehnte Befestigungen zu errichten und große Abtheilungen Truppen zu mobilisiren, um einem Vorrücken der aus ländischen Truppen Widerstand zu leisten. Häufig wird ge meldet, daß sich Massen von Gesindel und chinesischen Soldaten an verschiedenen Orten um Peking ansammeln, um in Peking zu erscheinen, sobald die ausländischen Truppen abgezogen sind. (Sine Auszeichnung. Der deutsche Gesandte am Pekinger Hofe, Mumm von Schwarzenstein, hat dem Chef der chinesischen Zollverwaltung Robert Hart den ihm im Frühjahr vorrigen Jahres vom deutschen Kaiser verliehenen Kronenorden 1. Classte nunmehr überreicht. Sir R. Hart steht, so schreibt die „Beil. Post , seit langen Jahren an der Spitze des chinesischen Zollwesens und hat sich'durch sein- umsichtige Verwaltung nicht nur um China i-Ibn, sondern auch um die fremden Mächte beachtenswerthe Verdienste erworben; bildet er doch gewissermaßen den Vermittler zwischen der westlichen Cultur und dem Reich der Mitte, der vurch sein- rastlose Thätigkeit zur Hebung des fremden Handels und der Schifffahrt an Len Küsten und auf Len Flüssen Chinas wesent.ich beigetragen hat. Auch während der Pekinger Schreckenstage hat Sic R. Hart muthig Seit- an Seite mit den anderen Europäern ausgeharrt und so mehr denn 900 Fremde vor dem grausamen Tode durch das Schwert der Boxer bewahrt. Die Ordens auszeichnung von deutscher Seite bekundet daher die hohe An erkennung, welche man an maßgebender Stelle dem verdienstvollen Wirken Sir Robert Hart's entgegenbringt. Politische Tagesschau. * Leipzig, 12. März. Der Reichstag nahm beute die zweite Lesung deS Colonial etats vor auf Grund deS B-richlS der Budgetcommission. Diesen erstattete Prinz Arenberg(C.) mit der Sachlichkeit, die man an ibm gewöhnt ist. Ter Colonialdirector Or. Stübel war zum ersten Male in der Lage, sein Amt vor dem Plenum des Reichstags zu vertreten. Die nächste Gelegen- heit hierzu boten ihm die Klagen des Abg. Bebel (Soc.) wegen der Zustände in Ostasrika. Vor dem Colonialdirector wies Abg.'vi-. H a s s e (natl.) daS Uebertriebene in Len Kritiken Bebel'S und seiner Gewährsmänner zurück; Ör. Stübel meinte, eö sei zu boffen, daß, sobald ein Anfang gemacht werde mit dem Ausbau von Eisen bahnen, auch die Handelsverhältnisse des Schutzgebiets einen Aufschwung nehmen werden. Die Angriffe gegen den General von Lielert, die darin gipfelten, daß 2000 Menschen wegen der Nichtbezahlung ter Hüttensteuer gctödtet worden seien, stellten sich nach der ibm vorliegenden Berichterstattung als eine phautastiscke Unwahrheit dar. Erheblicher als die Debatten über Sciaverei und Hüttensteuer siel die Besprechung deS Antrags der Budgetcommission ins Gewicht, zur Fortführung der Eisenbahn Tanga—Muhesa bis Korogwa als dritte und letzte Rate nur 950 000 zu be willigen. Die Forderung einer ersten Nate zur Herstellung einer Eisenbahn von Dar-eS-Salaam nach Mrogoro wird von der Commission zu streichen beantragt, gleichzeitig aber in einer Resolution vorgeschlagen, den Reichskanzler zu ersuchen, bebufS Erbauung einer Eisenbahn von Dar-es- Salaam nach Mrogoro entweder auf Grund eines mit einem Privatunternehmer abgeschlossenen Vertrages oder mit Hilfe deS PrivatcapitalS auf annehmbarer Grundlage dem Reichstage eine Vorlage zu machen. — ColonialdirectorSt übel erklärte,daß ein Gesetzentwurf wegen Uebernahme einerZinSgaranlie deS Reiches für diesen Babnbau (Dar-eS-Salaam—Mrogoro) den gesetz gebenden Körperschaften unverzüglich zugeben werde. — Nacktem bei der geschäftlichen Behandlung dem Vice präsidenten v. Fr ege noch eine kleine Entgleisung passirt war, wurde die Position sür abgelehnt erklärt. Wie bei dem Etat für Ostafrika entschied sich der Reichstag auch bei dem für Kamerun, Südwestafrika u. s. w. wesentlich im Sinne der CommissionSanträge. Colonialdirector vr. Stübel ver sprach bis zur 3. Lesung eine Uebersicht über die Bcsitzverbält- nisse in Südwestasrika vorzulegen. — Ein Versuch drS Abg. Bebel, das Begnadigungsrecht der Krone an einem speciellen Falle in die Debatte zu ziehen, wurde von dem Präsidenten zurückgewiesen. — Als Hauptresultat der gestrigen Sitzung ces prcustlschen Abgeordnetenhauses ist die völlige Klärung der Stellung deS preußischen CultuSministerS znr Frage der geistlichen Kreisschulinspectionen anzusehen. Man wußte ja von Herrn Vv. Studt, daß er die Be strebungen seines Vorgängers auf Beseitigung der geist lichen Schulaufsicht im Nebenamte nicht billigt, trotzdem mußte seine Erklärung überraschen. Der Unter- richtSminister sagte, daß der christliche und confessionelle Charakter der Volksschule von den im Hauptamt waltenden KreiSinspectoren genau so gut gewahrt werbe, wie von den im Nebenamt wirkenden Geistlichen, daß er aber grund sätzlich daran festhalte, die Geistlichen im Neben amte zur KreiSinspection soweit heranzuziehen, soweit dies irgend das Interesse der Schule gestatte. Man muß diese Erklärung als prin- cipiellcn Verzicht auf den Grund ged anken deS Falk'schen SchulaufsichtSgesetzeS ausfassen; Kreissckulinspectorate im Hauptamt sind für Herrn Studt nur „AuSn ahmefälle"! Daß damit das Centrum und die eng befreundeten Conservativen höchst zufrieden waren, kann man sich denken, eröffnet diese Erklärung doch für sie noch weit erfreulichere Ausblicke, die dadurch für andere Leute nicht angenehmer werden, daß über haupt ein bedenkliches Abflauen im Widerstande gegen die „modernen" preußischen Culturbestrebungen nicht mehr zu leugnen ist. Tie Ministerrede befriedigte die Con servativen derart, daß Herr v. Heydebrand freudig erklärte, sie sei entgegenkommender, als die in der Commission, und daß die conservativ-klerikale Mehrheit in eifrige Berathung über eine Belohnung solchen Entgegenkommens eintrat; bas Ergebniß war, daß noch zwei Kreisschulinspectorate im Hauptamt „zugelegt", daß nicht fünf verweigert und drei bewilligt, sondern im Gegentheil nur drei verweigert und fünf bewilligt wurden! An der grundsätzlichen Bedeutung res gestrigen Tages ändert das natürlich gar nichts. So zutreffend und sachlich auch die Entgegnungen von freieonservativer, nationalliberaler und freisinniger Seite und so anerkennenswerth insbesondere die sackkundigen Worte des Abg. Hacken berg waren, so wenig Eindruck machten sie auf vie Regierung und ihre Freunde in dieser Schulfrage. Die Zeit ist trübe. DaS osficielle Organ der bayerischen CentrumSpartei giebt auS dem Pester „EgyeterteS" die Nackricht wieder, daß der Dreibund eine Umgestaltung erfahren werde: Italien werbe- dem russisch - französischen jZweibunde beilretett, an Stelle Italiens werde England in den Dreibund eintreten. Diese Umgestaltung führt daS ungarische Blatt auf den Einfluß des italienischen Königspaares zurück, daS bekanntlich zu dem russenfreundlichen Fürsten von Montenegro in der nächsten verwandtschaftlichen Beziehung steht. Weiß man auch längst, wie eifrig gewisse französische Kreise daran arbeiten, Italien vermittelst der Verwandtschaft seines Königspaares mit dem Fürsten von Montenegro dem Drei bunde abspenstig zu machen, so liegt bisher kein Grund vor, anzunehmen, daß derartige Bestrebungen bei König Viktor Emanuel III. Erfolg haben. ES ist vielmehr, als jüngst eine dreibundfeinbliche Rede des neuernannten italieni schen Ministers deS Auswärtigen Prinetti auSgegraben wurde, von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, daß, selbst wenn jetzt noch Prinetti auf seinem damaligen Standpuncte stehen sollte, der Einfluß des LerrNletsir. s) Zwei Lrüder. Roman von Franz Rosen. t>!«<ttruck -irSon». Nur so war es möglich, daß ihr brüderliches Verhältniß ein inniges und vertrauliches blieb; daß Manfred die Ueberlegen« heit deS Aelteren anerkannte, ohne sich durch sie bedrückt zu fühlen und mit unbedingter, dankbarer Verehrung zu ihm aufsah; daß er alle sein« kleinen Leiden und Freuden mit diesem treusten Freunde theilt«, ihm all« seine kleinen Nöthe onvertraute, in allen Kleinigkeiten seinen Rath verlangte — und dann schließlich doch lhat, waS er wollte. Denn Manfred war in seinen persönlichen Angelegenheiten trotz der liebenswürdigen Vertraulichkeit seinem Bruder gegen über sehr selbstständig geworden, und Peter begann eines Tages zu ahnen, daß eS dennoch Dinge geben müsse, di: Manfred ihm verbarg. Mit der ganzen Unersättlichkeit und Frische unverdorbener, schäumender Jugend hatte sich Manfred in den Strom heiterer Lebensfreude gestürzt und nahm Alles mit, was sich ihm an Freuden und Zerstreuungen bot. Seine Frische schien unermüd lich, sein Frohsinn unverwüstlich — sein Geldbeutel unerschöpf lich. Während die beiden ersten Puncte Peter erfreuten und gelegentlich unwiderstehlich rnitrissen, konnte der letzte nicht ver fehlen, ihm mit der Zeit ernste Bedenken zu wecken. Er kam zu der Ueberzeugung, daß Manfred seine Ausgaben unmöglich mit seinen regelmäßigen Einnahmen decken könne. Nach langem Zögern und vielem Ueberlegen faßte er sich eines Abends in der traulichen Stunoe vor dem Schlafengehen ein Herz und sagte: „Freddi, ick muß Dich einmal etwas fragen, worüber Du mir nicht böse sein darfst. — Hast Du Schulden?" Die Frag« war in so freundlichem, beinahe zaghaftem Tone gestellt, daß sie unmöglich verletzen konnte. Dennoch war Manfred peinlich berührt. Er warf seinem Bruder einen heimlich forschenden Blick zu. „Wie kommst Du darauf? Sehr ich aus, wie ein gehetzter Schuldner?" fügte er, plötzlich in einen ganz andern Ton ver fallend, übermüthig hinzu. Peter sah in das frische Gesicht, in die lachenden Augen und gab zu: „Nein — daS kann Niemand behaupten. Aber Dein Leben mutz Dir mehr kosten, als Du auSzugeben hast.* Manfred kniff dir Augenbrauen zusammen und holte aus seinen Taschen die Trophäen des lustigen Abend-, den er eben verlebt hatte; welke Blumen, Knallbonbonverse, bunte Schleifen. Er warf Alles nachlässig auf den Nachttisch. „Ich versichere Dir, ich habe keinen Schulden", sagte er dabei. „So hast Du sie Dir von Deinem Großvater bezahlen lassen." Der unverhohlene Schreck, mit dem Manfred herum fuhr und den Bruder ansah, war beredte Antwort. Aber er faßte sich eben so schnell wieder, und der erschrocken« Ausdruck verwandelte sich in einen schelmischen. „Nein, Peter, die Schulden nicht. Nur die Rechnungen." Peter mußte wider Willen laut und herzlich lachen. „Als ob daS nicht dasselbe wäre!" Und nun war Manfrev wieder obenauf. „Ganz und gar nicht", beharrte er. „Schulden sind sehr häß liche Dinge. Rechnungen aber ganz natürliche. Jever Mensch hat Rechnungen." „Ich kann diesen Unterschied nicht verstehen", sagte Peter ernster. „Es tommt in beide» Fällen auf dasselbe hinaus: Daß Du Dir vom Großvater bezahlen läßt, was Du nicht selbst be zahlen kannst. Und das gebt doch nicht, Manfred. Du darfst seine Güte nicht so ausnutzen." „Er hat es mir ja angeboten", fuhr Manfred auf. „Er hat mir gesagt, ich solle mir nichts abgehen lassen; ich solle standes gemäß lebn. Er werde für Alles auftommen." „Warum treibst Du das Alles hinter meinem Rücken!" seufzte Peter. „Ich brauche Dir doch nicht Rechenschaft abzulegen über mein Ausgabebuch!" schmollte Manfred und warf mit un- nöthigem Kraftaufwand den bunten Uniformrock auf den nächsten Stuhl. Peter lächelte gutmüthig. „Ich bin überzeugt, daß Du gar keinS führst. Und das wäre auch nicht nöthig, wenn Du auskämst. Warum aber kommst Du nicht aus.' Mit dem, was Du hast, reichen die meisten Deiner Kameraden. Warum mußt Du es ihnen Allen zuvorthnn? Du hast ganz Recht", fuhr er fort, da Manfred verstimmt schwieg, „Du bist nickt verpflichtet, mir Rechenschaft abzulegen. Aber darum mußt Du es doch nicht mißverstehen, wenn ich mich in Deine Angelegenheiten mische. Du weißt, daß ich rS nur ans Liebe thue — und ich habe mir doch ein kleines Anrecht aus Dein Vertrauen erworben, nicht wahr, Freddi? Und ich will Dir auch weiter nichts darüber sagen, als daß es mir nxh thut, wenn Du mit solchen Angelegenheiten zu Deinem Großvater gehst, den Du erst seit wenig«» Jahren kennst, während Du doch einen Bruder hast — — —" „Aber Peter", rief Manfred dazwischen, „Du wärst doch der Letzte, der mir meine Schulden bezahlte!" „Woher weißt Du das?" Diese in ruhig ernstem Tone ge sprochenen Worte und der warme Blick oer dunklen Augen, der sie begleitete, machten Manfred verwirrt und verlegen. Schweigsam suchte ein Jeder sein Lager auf. Eine Stunde verging, in der Keiner von Beiden schlief. Da rief Manfred leise Peter's Namen. „Was willst Du.'" „Ich kann nicht einschlasen, wenn Du mir böse bist, Peter", klang es halb bittend, halb trotzig durch das Dunkel „Aber, lieber Junge, ich bin ja gar nicht böse." „Doch; und Du h<?st auch alle Ursache. — Peter, ich möchte Dir doch gern sagen, wofür ich soviel verbraucht habe. Da heißt, ich weiß cs eigentlich selber nicht." Und ohne eine weitere Ermunterung aozuwarten, begann er sein Herz auszuschütten. Die halbe Nacht hindurch dauerten die Beratungen, wie man Manfred'- kostspieliges Leben einfacher einrichten könne. Es gab darin nichts Schlimmes zu ver zeichnen — nur leichtsinnige Tändeleien — gedankenlos be friedigte Launen; lauter unbedeutende Kleinigkeiten, die endlich doch zu einem bedeutenden Resultat führen. Peter war zu gerührt über Manfrrd's Offenheit und Ver trauen, um ihm noch weiter zürnen zu können. Er hoffte das Beste von seinen heroisch gefaßten Besserungsvorsätzen uird von dem eignen unermüdlich und unmerklich ausgeübten Einfluß, bis er im Verlauf der nächsten Monate cinsehm mußte, daß die ganze Unterredung vergeblich getvesen war. — Im Frühling wurde Manfred aus seiner Sorglosigkeit jäh aufgerüttelt durch den unerwarteten Tod seines Großvaters Walvburg. Er betrauerte ihn ehrlich, in Uebereinstimmung mit der schwärmerischen Verehrung, die er für den ritterlichen, alten Herrn beibehalten hatte. Aber in seine Trauer mischte sich die lebhafte Sorge, wie es nun mil gewissen Dingen weiter werden würde. Nach Vein Vegräbniß, dem sie Beide beiwohnten, und das sehr glänzend begangen wurde, klärte ihn eine Unterredung, die er mit seiner Großmutter unlec vier Augen hatte, darüber auf. Sie sagte ihm darin, daß sie ihm aus ihre- seligen Mannes aus drücklichen Wunsch die gewohnte Zulage weiter geben werde — das; sie indrß nicht Willens sei, in irgend ciner Weise darüber hinaus,zugehen. Manfred empfand mit Ser ganzen Verletzbarkeit seines Junkerstolzes das Demiithigenve an dieser Erklärung, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig ließ, murmelte rin paar unverständlich« Worte, küßte seiner Großmutter ehrerbietig die schlanke, weiche Hand und verließ mit bedeutend herabgestimmten Gefühlen das Haus, in dem er so ideale Stunden verlebt hatte. Erst lange nachher gewann er es über sich, seinem Bruder den Inhalt dieser Unterredung mitzutheilen. „Das hättest Du Dir ersparen können", dachte Peter; aber laut sagte er nur: „Ich habe es kaum anders erwartet; und für Dich wird es viel besser sein, wenn Du Dich daran gewöhnen mußt, mit einem Bestimmten auszukommen." Manfred schwieg eine Weile. Dann sagte er in einer seiner großherzigen Anwandlungen: „Weißt Du, Peter, was mich doch oft bedrückt, weil ich es als Ungerechtigkeit empfinde — daß ich von den Großeltern immer so viel bekommen habe und noch bekomme, und Du, seit Du er wachsen bist, gar nichts mehr." Peter sah ihn gerührt an und lächelte. „Laß Dich das nicht bedrücken, Freddi. Das liegt nicht an den Großeltern. Ich hätte es ebensogut haben können. Aber ich habe es nicht gewollt." „Tas ist es ja gerade " murmelte Manfred und dachte abgewandten Gesichtes über diesen Fall weiter nach: „Das ist es ja gerade, was mich bedrückt, daß Du so viel tüchtiger und selbstständiger bist, als ich. Aber es lebt sich so sehr viel be quemer anders — — VIII. Auf dem Theeabend, mit welchem der Oberst von Rosen die diesjährige Wintcrgeselligkeit eröffnete, trugen sich verschiedene unbedeutende, folgenschwere Ding« zu. Es tauchten an diesem Abend mehrer« neu« Elemente auf. Das wichtigste derselben, mit Ungeduld erwartete, mit Neugier begrüßte war des Obersten eigene Tochter. Maria war siebzehn Jahre alt; zu Ostern aus dem fran zösischen Pensionat entlassen, den Sommer hindurch auf Reisen gebildet worden. Nun sollte sie der Welt als rin besonders glänzendes Erziehungsresultat vocgeführt werden. All« väter lichen Erziehungsprincipien, für deren Anwendung ihm leider vie Söhne fehlten, waren nun an ihr versucht worden. All« mütter liche Zärtlichkeit und Eitelkeit knüpfte an ihr Erscheinen in der Welt die stolzesten Hoffnungen. Maria hatte sich als gehorsame Tochter jenen Principien gefügt und war als bescheidenes Mädchen übrr diese Hoffnungen errötbet. Innerlich hatte sie sich Beiden gegenüber eine lächelnde Ueberlegenhrit angeeignet. Als Manfred die hellerleuchteten Empfangsräume seines Obersten betrat, stand Maria ihm gerade gegenüber unter dem dunklen Vorhang, der den Eingang zum Nebenzimmer umrahmte^
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