Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 23.06.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-06-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060623020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906062302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906062302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-06
- Tag1906-06-23
- Monat1906-06
- Jahr1906
- Links
-
Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Bezugs* Prei- k der tzauptexpeditio« oder der« Ausgabe stellen obgeholt: vierteljährlich L.40, bei täglich zweimaliger Zustellung tu» Hau vierteljährlich S.—. Durch unsere aus ¬ wärtigen Ausgabestellen und durch die Post bezogen für Deutschland und Oesterreich vierteljährlich 4^50, für die übrigen Länder laut Zeitung-Preisliste. Diese Nummer kostet auf /I tN? allen Bahnhöfen und bei I II ^I(^ den Zeitung«-Berkäufern Redaktion und Expedition: JohanniSgafse 8. Telephon Str. 153, Str. 222, Nr. 1173. Berliner RedaMonS-vurean: Berlin IVV 7, Dorotheenstraße 83. Tel. I, Nr. 9275. Dresdner RedaktionS-Burcau: Münchner Str. 6< Abend-Ausgabe. Handelszeitung. ÄmtsvW des Nates und -es Nolizeiamtes der Lladt Leipzig. Anzeigen-PreiS die ügespaUra« Petitzeil« für Leipzig nnß Umgebung 25 Pf^ sü, auSwLrt« 80 Psg, Familien- Wohnung«- und Stelle»- Anzeigen 20 Pf. Finanziell« Anzeigen, SrschäftSanzeigen untre Text oder an besonderer Stelle nach Tarif. Für das Erscheinen an bestimmten Lagen u. Plätzen wird keine Garantie übernommen. Anzeigen und Extrabeilagen nur tu der Morgen-Ausgade Schluß der Annahme nachmittag» 4 Uhr. Anzeigen-Annahme: RuguftuSplatz 8, Ecke JohanniSgafse. Haapt-Atliale Berlin: TarlDuncke r,Herzgl.Bayr.Hofbuchhandlg^ Lützowstraße 10 lFernsprecher Amt Vl Nr. 4603). Stltrl-Erpedtttou:DreSden.Marienstr.34. Nr. 31L Sonnabend 23. Juni 1906. 10V. Jahrgang. var Wichtigste vsm rage. * König Friedrich Augu st von Sachsen traf heute mittag zum Besuch beim großher zoglichen Hofe inWeimar ein. (S. Letzte Dep.) * Die Einladung der deutschen Redak teure nach England wird durch eine Einladung englischer Pressevertreter von deutscher Seite erwidert. (S. des. Artikel.) * Im Hüger-Prozeß ist von feiten des Staats anwalts ein Revisionsantrag nicht eingereicht worden. (S. Deutsches Reich.), , . f aber von der freisinnigen Parteileitung zugunsten des nationalliberalcn Kandidaten bestimmt wurden. Jeden falls hat die nationalliberale Partei allen Grund, auf die Zunahme ihrer Stimmen stolz zu sein. Noch nie mals seit Bestehen des Reichstages sind so viel national liberale Stimmen im Wahlkreis Hannover-Linden abge- geben worden. Gegen 1903 handelt es sich um eine Zu- nähme von 5799 Stimmen, d. h. um über 50 vom Hundert! Dem gegenüber bedeutet die Zunahme der sozialdemokratischen Stimmen, die 2271 Stinimen be-1 trägt, nur gegen 8 Prozent. Und diese Zunahme ist an gesichts der Wahlagitation eigentlich gering, wenn man bedenkt, daß in dem Wahlkreise die Erregung des großen Mctallarbeiterkampfes und anderer Streikbewegungen noch nachzitterte, während die Nationalliberalen die schwere Aufgabe hatten, die durchaus unpopuläre Reichs finanzreform zu verteidigen. — Sehr bedauerlich bleibt ksiitirche csgerrcba«. . Leipzig, 23. Juni. Hannover-Linden. Die erste der drei größeren Wahlschlachten, auf die in diesen Sommerwochen mit Ausbietung aller agita torischen Kraft der in Betracht kommenden Parteien ge rüstet wird, ist geschlagen. In Hannover-Linden wurde der sozialdemokratische Kandidat Redakteur Brey mit einer Mehrheit von etwa 1500 Stimmen im ersten Wahl- gange gewählt. Er erhielt 31 642 Stimmen. Der natio nalliberale Kandidat Fink brachte es auf 16 736, der Welfe von Dannenberg auf 10 978, der Zcntrumsmann Erzberger auf 2402, der Kandidat des Bundes der Land wirte, Holzgreve, auf 193 (!) und der Pole Spoltizenski auf 150 Stimmen. Vergleicht man die Zahlen des gestrigen Tages mit denen der Hauptwahl im Jahre 1903, so ergibt sich folgendes Bild. 1906 1903 also Nationalliberale . , . 16 736 10 937 Z- 5799 Welfen 10 978 9 650 -i- 1328 Zentrum 2402 2 897 — 495 Bund der Landwirte, « 193 —— — > — Pole s r v r , « » 150 — —— Sozialdemokratie . - - 31 642 29 371 4- 2271 Freisinnige Volkspartei - ' 728 — Im ganzen wurden 1903 53 793, im Jahre 1906 aber 62101 Stimmen abgegeben, also 8308 Stimmen mehr. Im Jahre 1903 waren 18 000 Wähler der Wahlurne fern geblieben. Auf diese Tatsache baute sich die namentlich vom Reichsverband zur Bekämpfung der Sozialdemo kratie genährte Hoffnung auf, es könne gelingen, durch die Heranziehung dieser säumigen Wähler so viele Stimmen mehr auf die Kandidaten bürgerlicher Parteien zu vereinigen, daß einer dieser Kandidaten, der National liberale oder der Welfe, mit dem Sozialdemokraten in die Stichwahl kommen und dann in dieser siegen werde. Daß diese Hoffnung für eine etwaige Stichwahl trügen werde, war in der Natur der politischen Gegensätze zwischen Nationalliberalen und Welfen begründet, und so auch schon durch gegenseitige Erklärungen dieser beiden Par teien in der letzten Zeit des Wahlkampfes offen zugegeben worden. Das kann in etwas darüber hinweg trösten, daß cs nicht erst zu einer Stichwahl kam. Es bleibt aber doch hoch erfreulich, daß es gelungen ist, durch eine kräftige Agitation über 8000 Wähler mehr zur Erfüllung ihrer Pflicht gebracht zir haben. Von ihnen hat die erdrückende Mehrheit für den nationalliberalen Kandidaten gestimmt. Denn man darf wohl anuehmen, daß die 1328 Stimmen, die auch der Welfe dieses Mal mehr erhielt, zum Teil aus den Zentrumsstimmen stammen, die das Zentrum seit 1903 verloren hat. Andererseits fielen dem Nationalliberalen wohl die 728 freisinnigen Stimmen zu, die 1903 abgegeben, dieses Mal eS freilich noch, daß die Weifenpartei ebenfalls eine Zu nahme von Stimmen zu verzeichnen hat. Sind es auch nur 1328, so ist doch die Gesamt^iffcr von 10 978 höher als in allen Hauptwahlen seit 1884, und bei ihnen bestand zumeist keine gesonderte Zentrumskandidatur. Rechnet man die Zentrumsstimmen dazu, was man tun muß, wenn man mit den früheren Jahren vergleichen will, wo diese den Welfen von vornherein zufielen, so zeigt sich, daß das Wclfentum dieses Mal stärker als fast je zuvor aufgetreten ist. Und auch, wenn man die Bevölkerungs zunahme in Betracht zieht, bleibt immer noch das Resul- tat, daß auf absehbare Zeit hinaus in diesem Wahlkreis für den nationalliberalen Sieg die Chancen dadurch so schlecht stehen, daß das Wclfentum der Sozialdemokratie das Mandat sichert. Das braucht aber die nationallibe rale Partei nicht mutlos zu machen. Die stolze Zunahme an Stimmen, die sie dieses Mal zu verzeichnen hat, darf und muß ein Ansporn sein, auch in Hannover-Linden weiter um die Palme des Sieges zu ringen. Ein Privattelegramm aus Hannover meldet uns: Gegen die gestrige Wahl des Sozialdemokraten Brey werden die Vereinigten Ordnungsparteien Protest einlegen, weil die Wählerlisten so unglaublich mangelhaft aufgestellt waren, daß in einzelnen Wahl bureaus bis über hundert Wähler als nicht eingetragen zurückgewiesen werden mußten. In einem einzigen Hause sind z. B. von sechs Wählern fünf nicht einge tragen gewesen. Selbst jahrzehntelang ansässige Bürger sind dadurch von der Wahl ausgeschlossen worden. Gegen diese von der Polizei besorgte Ausstellung der Wähler listen wird Beschwerde beim Reichskanzler und beim Minister des Innern eingelegt werden. Antideutsche Hetzereien in Brasilien. Aus Rio de Janeiro erhalten wir den nachstehenden Bericht: Es gab eine Zeit, da hörte man in Brasilien gar nichts mehr von der „deutschen Gefahr". Die in ununterbrochener Reihenfolge von Nordamerika herüber schallenden Alarmrufe verhallten ungehört. Man hatte sich daran gewöhnt und ließ sich nicht irre machen. .Heute ist 'das leider nicht mehr so, und das ist kein Wunder: denn von allen Seiten wird gehetzt, verdächtigt und verleumdet. Kürzlich ist ein neuer Prophet auferstanden, der die Absichten Deutschlands und der Dcutschbrasilianer durchschaut hat, und warnend seine Stimme erhebt. Es ist dies der Dr. Svlvio Romk-ro, einer der bekanntesten Gelehrten und Literaten. Er hat herausgefunden, daß die Deutschen, seit Nordamerika so energisch die Aufrechterhaltung der Monrvedoktrtn fordert, die Taktik zur Eroberung der brasilianischen Südstaaten geändert habe. Da eine einfache Besetzung des verlockenden Gebiets, von wegen der amerika nischen Kanonen nicht rötlich sei, habe man fetzt den Plan, die d eu t s ch e B e v ö l k e r u n g in den drei Südstaaten un- aufsälligerweise nach und nach so zu ve r m e h r e n, bis sie stark genug wäre, sich zu erheben und sichvonBrasilien loszusagen. Um nun aber ganz sicher zu sein vor einer Intervention der Bereinigten Staaten, würde man dann einfach eine deutsche Republik bilden, die äußer lich nichts von Deutschland wissen wolle, auch nicht von dort aus unterstützt würde, die sich aber in Wirklichkeit tatkräf tigster Unterstützung des Reiches zu erfreuen habe, und end lich, wenn erst einmal Gras über die Geschichte gewachsen wäre, sich offen an Deutschland anschließen würde. Sylvio Romöro gibt in seinem Artikel gleich an, was zu tun sei, um die Pläne Deutschlands zu durchkreuzen. Er fordert u. a. ein Gesetz, das den Ankauf großer Landkomplexe durch deutsche Syndikate verbietet; Maßregeln, die es verhindern, daß die deutschen Kolonien untereinander in enge Fühlung treten; zwangsweise Erlernung der portugiesischen Sprache; Unter stützung des nationalen Handels im Koloniegebiet; wirklich nationale Schiffahrt, sowohl an der Küste, als auch auf den Flüssen; Stationierung von Kriegsschiffen in den Südhäfen; Gründung von starken Militärkolonien im Westen der Süd staaten, um die Ausbreitung der Deutschen im Innern zu verhindern. Hierzu sollen nur ausgewählte und ganz zu verlässige Offiziere und Mannschaften verwandt werden. Mit diesen Vorschlägen Hoist S. Nomöro die Gründung einer deutschen Republik im Süden zu verhindern. Erfreulicher weise hat er damit wenig Gegenliebe gefunden. Wenigstens können wir sicher sein, daß die fetzige Negierung nichts gegen die Deutschbrasilianer unternehmen wird. Erst kürzlich hat der Minister des Aeußern Baron do Rio Branco eine Lanze für sie gebrochen, indem er als Antwort auf einen Artikel des französischen Exministers Mali ne, der die Deutschbrasilianer des Landesverrates beschuldigte, an die in Paris erscheinende Zeitung „Le Brasil" tele graphierte. In feiner Depesche erklärt der Minister, daß die Verdächtigungen Mölines vollständig unbe gründet seien, und daß die Brasilianer deutscher Abkunft ebenso gute Patrioten seien, wie die Nachkommen von Por tugiesen, Spaniern oder Italienern. In deutschen Kreisen hat man das dem Baron do Rio Branco hoch angerechnet. Die „Deutsche Zeitung" in Port Alegre hat die Idee an geregt, daß demielben im Namen aller Deutschbrasilianer eine Dank- und Zustimmungsadresse überreicht werde. Die Adresse soll auch einen Protest enthalten gegen die in- famen Verdächtigungen, wie sie von Nord amerika, England und Frankreich gegen die Deutschen ausgesprengt werden, und sie soll in den bedeutend sten Zeitungen Brasiliens und der in Frage kommenden Länder veröffentlicht werden. veutsGes kriG. Leipzig, 23. Juni. * Tie Puttkamer-Affärc hat durch die heute früh von uns wiedergegebenen Erklärungen der offiziösen „Nordd. Allg. Zeitung" nach zwei Seiten hin eine Klärung er fahren. Zunächst wurde durch sie bestätigt, daß ein Dis ziplinarverfahren gegen den Gouverneur v. Puttkarncr bisher nicht eingeleitet worden war, und daß einer der Gründe hierfür gewesen ist, daß Puttkamcr selbst cs nich' für nötig hielt. Eine höchst sonderbare Situation, die auch dadurch nicht gebessert wird, daß Puttkamer selbst jetzt so gütig war, eine solche Untersuchung zu beantragen, wo der Druck der öffentlichen Meinung so stark auf ihm lastet. — Zum anderen hat die Veröffentlichung der , Nordd. Allg. Zeitung" gezeigt — und das ist erfreu lich —, daß die Negierung gesonnen ist, mit aller Schärfe gegen die Leute vorzugchen, die schwere amtliche Indis kretionen mit dem Bericht des Personalreferenten in der Kolonialabteilung begangen zu haben scheinen. Daß diese hockst bedauerlichen und auf das schärfste zu ver urteilenden Verfehlungen aber durchaus noch nicht geklärt sind, zeigt die ohne allen Vorbehalt abgegebene Erklärung der „Freisinnigen Zeitung", daß sic, die den Roseschen Bericht brachte, mit Beamten der Kolonialabteilung in Sachen Puttkamers nichts zu tun gehabt habe. Ebenso erklärt dasselbe Blatt, daß es noch niemals Staatsbeamte zu Dienstverbrechen verleitet habe, und daß ihm die Unterlagen zu dem Puttkamcr-Artikel nicht von einem Staatsbeamten zugcgangen sind. — Zugleich wird be kannt, daß nicht nur bei der „Freisinnigen Zeitung", andern auch bei der „Germania" Haussuchungen statt- ;efunden haben, daß man aber auch dort „nichts gefunden habe". Nach unseren gestrigen Mitteilungen sind es die beiden Beamten Götz und Schneider, die im Verdacht tehen, irgendwie mit in die schweren Indiskretionen ver- vickelt zu sein. Von diesen ist Schneider Geh. expedieren der Sekretär und Kalkulator und Götz Geh. Registratur assistent in der Geh. Registratur der Kolonialabteilung. Mögen sie nun oder andere die Schuldigen sein, jedenfalls haben sie politische Hintermänner, und diese an den Pranger zu bringen, scheint uns ebenso wichtig zu sein, wie gesetzmäßige Bestrafung unterer Beamten. Möge dies der Kolonialabteilung baldigst gelingen! * Zum Hüger-Prozeß schreibt die „Neue politische Korrespondenz", augenscheinlich offiziös: Die Nachricht, die Staatsanwaltschaft habe Revision eingelegt gegen das Urteil der Dortmunder Strafkammer, durch das der Oberst a. D. Hüger wegen Geisteskrankheit von der An schuldigung der öffentlichen Beleidigung freigesprochen wurde, ist unrichtig. Für die Staatsanwaltschaft dürfte auch wohl kaum Veranlassung vorliegen, ein Rechtsmittel einzulegen. Die Strafantragsteller, deren Interessen die Staatsanwaltschaft in erster Linie zu vertreten berufen ist, können mit dem Ausgange des Prozesses nach jeder Richtung hin zufrieden sein. In ausführlichster Weise ist bei der Urteilsverkündung von dem Gerichtshöfe nach gewiesen, daß sämtliche von Oberst Hüger in seinen Schriften erhobenen Vorwürfe und Beschuldigungen völlig unwahr und unbegründet sind. Auf keinem der angegriffenen Offiziere oder Militärbeamten ist auch nur der Schatten einer Pflichtverletzung haften geblieben, sie sind vielmehr glänzend gerechtfertigt aus der mehr als vierwöchigen Verhandlung hervorgegangen. Das ist vom Gericht ausdrücklich festgestellt worden. Ferner hat das Gericht ausdrücklich festgestellt, daß Oberst Hüger die Vorwürfe und Beschuldigungen nicht zur Wahrnehmung berechtigter Interessen gemacht hat, und hat daher dem Angeklagten den Schutz des 8 193 Str.-G.-B. versagt. Endlich hat das Gericht auf Grund der Feststellung, daß objektiv schwere Beleidigungen vorliegen, gemäß den ge- setzlicksn Bestimmungen auf Einziehung der beleidigen den Schrift erkannt. Damit ist den Interessenten und Wünschen der Beleidigten nach jeder Richtung hin Genüge geschehen. Daran, daß der Angeklagte auch noch zu einer Strafe verurteilt wird, kann ihnen nach der aus drücklichen gerichtlichen Feststellung, daß Oberst Hüger nicht nur zur Zeit der Abfassung der in Rede stehenden Schrift geisteskrank war, sondern eS auch jetzt noch ist, nichts mehr liegen. * Schulgesetz und Herrenhaus. Die Schulgesetz kommission des Herrenhauses führte gestern die erste Lesung der Vorlage zu Ende. In der Frage der Lehrer und Rektorenberufung wurde ein Antrag des Grafen von Eulenburg angenommen, wonach in Gemeinden mit weniger als 25 Schulstellen der Staat alle Lehrer er nennen soll. Ein Antrag des Oberbürgermeisters Becker, wonach in Gemeinden mit 25 und mehr Schul stellen die Rektoren von der Gemeinde gewählt werden sollen, wurde mit 11 gegen 9 Stimmen abgelehnt. Von feiten der Oberbürgermeister wurde die Hoffnung aus gesprochen, daß bis zur Beratung im Plenum noch eine Verständigung erzielt wird, da sonst die Oberbürger meister gegen das ganze Gesetz stimmen müßten. * Zum Kongreß der Banmwoll-Spinner und Weberei vereinigungen. Graf Posadowsky empfing gestern das Komitee des dritten internationalen Kongresses der Baumwoll-Spinner und Webereivereinigungen, der vom 25. bis 27. Juni in Bremen tagt. Er erkundigte sich bei den Komitccmitglicdern nach der Art der Fabrikation, nach dem Angebot an Arbeitskräften, den Lohnverhält- Feuilleton. 0 jugenck, ungeschmllckt unck ungeöffnet, Verciienstlos, seelenlos: 8chmuclr ckir unck llksffe, Verdienst unck 8eele Ist ckie jugenck selbst. Dich wiegt cker Llem dslck In gleichem Takt Hinauf, HInunler, trügt auf klügeln ckich Vie schmale wahre Lahn ckes vedens hin, vle Zwischen Dock unck Dock geckrüngt ist. Morite klelmsnn. Vel einem rLniischen Nabsb. Von Curt Müller (Leipzig. Er hat es gar weit gebracht. Aus altem, gesammeltem Papier hatte er Gold gemacht. Eine „Lumpenfabrik" hatte er gehabt. Und dann wieder hatte er das Gold zu Papier gemacht, zu Staats- und Jndustriepapieren, die, sobald er ne in Händen batte, stiegen bis inS Unglaublichste und erst dann wieder fielen, als er sie wieder verkauft batte. Er hat immer fabelhaftes Glück gehabt. Das Wort Unglück kannte er überhaupt nicht. Unglück hatte er genau so viel wie Ver- stand. Und nun sitzt er in einer prächtigen Villa, taten- und sorgenlos. Er lebt ganz seinem Magen, den er hoch und heilig hält, wie seine alte Köchin, denn beide sind ihm bis jetzt immer treu geblieben und haben noch nicht ein mal eine Stunde gestreikt. Ich besuche ihn gern, meinen Freund, der nichts weiter ckt als ein wandelnder Magen. Er hat die feinsten Weine. Sein Lpeisctisch Hot nicht umsonst dicke Elesantenbcine. Denn er muß viel aushalten. Man beg-eift es gar nicht, wie ein Mehsch das alles in seinem Magen spazieren tragen kann, was «inen leichter gebauten Lisch erdrücken würde. Neulich war ich wieder bei ihm zu Gaste. Wir beide waren ganz allein. Kaviar gab es. Dann venetianüchen Salat. Hüynersuppe. Kleines Fleisch in Muscheln. Stein butt mit Erdschwämmen. Schinken in Madeira. Fasanen und Sauerkraut. — Erst muß ich einen Kognak zu mir nehmen, ehe ich weiter schreibe. — Kleine Erbsen mit Zunge und geräuchertem Lachs. Gänseleber mit Trüffeln. Getrüfselte Kapaunen. Rehziemer. — Verzeihung, wenn ich nochmals meinen Bericht unterbreche! Aber nur eine kleine Chartreuse will ich erst trinken. So, nun kann's weiter gehen: Eingemachtes Obst. Salat. Seekrebse. Eis, Früchte und Nachtisch. Zuletzt — Gott sei Dank! — einen Kaffee! Nach dem Mahle lehnte sich mein Freund im Schaukel stuhl zurück. „Nichts Neues?" fragte er. „Was macht Francisco?" „O danke, immer noch sehr schlecht." „Arme Leute, die! Wie leicht hätte einem das auch passieren können, wenn man zufällig dort drüben wohnte. Und der Vesuv?" „Danke für gütige Nachfrage! Es geht ihm etwas besser. Sein verdorbener Magen scheint sich wieder zu machen. Der alte Herr speit nicht mehr. Nicht alle haben eine so gute Verdauungsmaschine wie du und Trimalchio." Mein Freund stutzte. Er fuhr sich mit der dicken Hand nach der niedrigen Stirn und sagte dann langsam: „Den kenne ich ja gar nicht. Wo wohnt denn der?" „Im Hotel Tartarus. — Doch Scherz beiseite. Der Herr ist längst gestorben. Und doch lebt er noch und wird auch noch lange, lange weiter leben; das, waS wir Menschen vorlaut „ewig" nennen. — Hier lebt er." Ich zog ein altes zerfledertes Buch aus der Seitentasch« und hielt eS meinem Freunde vor die Nase. Er buchstabierte: .,6«—na Dri—mal—odi—onis." Dann schüttelt« er den Kopf und murmelte: „Sonderbar!" „Ja," sagte ich, „ein berühmter Herr. Der eine wird durch seinen Kopf der andere durch seinen Magen berühmt. Der eine lebt im Aied durch seine Helden-, der andere in Be richten durch se,n« Eßtaten. Des einen Ruhm besang Homer, des anderen Petronius Arbiter, der selbst «in Feinschmecker par exeellsnoo war. Deine Tafel, lieber Freund, war heut« wieder einmal reich und ausgezeichnet. Wie immer! Aber höre mal, von unserem Trimalchio kannst du doch noch lernen. Da ÜeS nur einmal die Spcisenkarte. Was da alles gegessen wurde: „Usdnimri-i tarnen in prirno porenrn hotnio ooronatnna — verstehst du? Ein delikat zubereitetes Schwein ist das." „Kein Wort verstehe ich," unterbrach mich mein Freund ärgerlich. Seine Augen leuchteten lebhaft wie selten sonst. Seine Neugier war angeregt. „Uebersehe mir doch das Zeug auf gut deutsch," sagte er etwas ungeduldig. „Ich möchte doch sehen, ob die Kerle früher ebenso gut gegessen haben wie wir." Ich war stolz, den Geist meines Freundes lebendig ge macht zu Haden. Es ist nicht leicht, einen glimmenden Funken wenn auch nur zu einem Flämmchcn anzufachen. Ich blätterte im Buche herum, suchte rasch die lateini'chcn Worte — ein plebejisches Latein! — zu verdeutschen und be gann: * Herr Trimalchio, lieber Freund, war ein reich, gewordener Röm-r. Glückliche, oft recht unsaubere Spekulationen hatten ihn zum Millionär gemacht. Und da baute er sich denn in Cuma im Golfe von Neapel eine prächtige Villa und lebte dort ganz seinem Magen. Die früheren Gelehrten nahmen als Wohnort Trimalchios Misenum oder Puteoli an. Aber sie irrten sich. Mommsen hat es klipv und klar nach- gewiesen, daß Trimalchio in Cumä schlemmte, badete und starb. Komm, lieber Freund, steh von deinem Lehnstuhl auf und bummle mit mir nach Cumä! Wir sind also jetzt Römer zu Tibers oder zu Claudius' oder meinetwegen auch zu Neros Zeiten. Mensch, wie drollig du in deiner Toga aus- ^setzt stehen wir vor TrimalchioS Villa. Er spielt eben mit seinem Lieblingsknaben Ball. Diese Bewegung macht er sich stets vor dem Mahle. Komm unterdessen mit mir in den Speifesaal! Nicht wahr? Das ist eine Pracht? Und die geheimnisvolle zauberhafte Musik! Nimm nur ungeniert Platz. Hier herrscht grenzenlose Gastfreundschaft. Setze, paroon, lege dich. _ . . , . , Und nun hör', was für Visionen das Buch, das ich jetzt durchblättere, hervorruft. . . Alexandrinische Sklaven bringen schneeaekübsteS Wasser und waschen uns die Hände. Ändere stellen sich uns zu Füßen und beschneiden uns die Nägel. Jetzt beginnt das Diner. Auf den Herrn des Hauses läßt man uns nicht warten. Das wurde zu lange dauern. Der hat sich von seinem Tennisplatz in das Badezimmer begeben. Diener bringen ein Speisebrett. Auf dem steht ein bronzener Esel mit zwei Säcken. In dem einen bennden sich grüne, in dem andern schwarze Oliven. Ach, und sieh! Da trägt das geduldige Tier noch einen Behälter: warme Würstchen, Damascener Pflaumen und Granatäpfel sind darin. Lange nur tüchtig ^u, lieber Freund! Was das da sind? Das sind gebackene Haselmäuse mit Honig und Mohn bestreut. Was flüsterst du entsetzt? Mause? Törichter Kerl, du bist kein Gourmand! Schnepfendreck, Weinbergs schnecken, ist daS etwa was Saubereres? Ah, letzt kommt der Herr noch rechtzeitig zum Mahle! Auf einer Sänfte bringt man ihn getragen. Ganz in Purpurtücher ist er gewickelt. Er muß nachschwitzen. Jetzt wird er ausgebunden wie ein Sälmling. BegrüßungSzere- monien. DaS Mahl nimmt seinen Fortgang. Diener eilen herein. Sie tragen ein riesiges Speisebrett. Auf dem sitzt eine brütende Henne. Imitation natürlich! Greift nur ohne Zaudern unter ihren Leib! Nicht wahr, die hat Ei'r in Hülle und Fülle gelegt? Und der Herr des HauseS holt selbst ein El hervor. Ein Psauenei. Er schlägt es aus. Was zeigt sich? Eine fette Feigenschnepfe, umgeben von gepfeffertem Eidotter. Delikatest-, sage ich dir! Nur tüch'»g zuge'angt und gegessen! Der Falerner — „hundertjähriger" steht an den Amphoren — schmeckt dann besser. Und wieder räumt man ab. Jetzt bringen di« Diener ein rundes Speisebrett. Darauf ruht der ganz« Stern himmel. Oder weniqstenS die Sternbilder. Da steht ein Widder, der trägt aus einer Schale Widdererbsen' da ein Stier mit Ochsenfleisch; da ein Mann, der Wassermann, mit einer Gans; da ein Mädchen, die Jungfrau, mit — ein Glück, daß keine Damen da sind! — mit dem Fleische einer Sau. Alle Sternbilder tragen leckere Speisen. Nun mach' dir dein Menu selber zurecht. Lange Zeit zum Esten gibt eS aber nicht. Denn eine Ueberraschuna jagt die andere. Jetzt geht erst da» wirkliche Mahl los. Tas war bisher nur die Ouvertüre zur end losen Eßopcr. Pier Diener treten im Tanz'chritt, von Flötenmusik begleitet, herein. Sie heben den oberen Teil
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
- Doppelseitenansicht
- Vorschaubilder
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite