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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.08.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060817027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906081702
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906081702
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-08
- Tag1906-08-17
- Monat1906-08
- Jahr1906
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(S. Ausl.) * Der russische Finanzminister hat den Semstwvs dieStaatssubventionen entzogen. lS. Ausl.) * Das französisch« Torpedoboot „E y c l o n e" hat bei Kap St. -Marti» eine schwere Havarie erlitten. politische cagesschau. Leipzig, 17. August. Neue Ueberraschnngen. Die Ueberraschnngen im Kolonial!kandal nehmen kein Ende- Das Neueste ist die von der „Freis. Ztg." gebrachte Nachricht von einem wegen Verletzung der Amtsverschwiegen heit von der Staatsanwaltschaft gegen den früheren Ko lonialdirektor Dr. Stübel und den Geh. Legationsrat von König eingeleiteten Ermittelungsverfahren. Wie näm lich das genannte Blatt hört, war unter dem 7. Juli d. I. — nachdem mehrere Versuche, den Reichskanzler zu einem Einschreiten zu veranlassen, erfolglos gewesen waren — an die Staatsanwaltschaft beim Berliner Landgericht I unter Vorlage des betreffenden Materials Anzeige davon gemacht worden, daß Kolonialdirektor Dr. Stübel am 15. März dem Zentrumsabgeordneten Rveren eine von dem Geh. Lega ttonsrat von König verfaßte Auszeichnung aus den Akten des Auswärtigen Amts übergeben habe. Weiterhin war unter dem 20. Juli an den Juftizminister Bcseler eine Ein- gäbe des Inhalts gerichtet worden, daß Abg. Erzberger bei «einer eidlichen Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter Landgerichtsrat Schmidt am 10. Juli höhere Beamte der Kolonialabteilung und anderer Reichsbchörden genannt habe, die ihm wiederholt privatim über dienstliche Angelegen heiten des Auswärtigen Amts Mitteilungen gemacht haben. Der Untersuchungsrichter habe aber abgclehnt, die speziellen Angaben des Abg. Erzberger hierüber zu Protokoll zu neh men, und zwar mit der Begründung, daß er nur festzustellcn habe, ob „untere und Subalternbcamte" des Auswärtigen Amtes den tz 353» des Strafgesetzbuches verletzt haben: gegen höhere Beamte richte sich das Verfahren nicht. Diese ablehnende Haltung des Untcriuchungsrichtcrs gegen die an gebotenen Aussagen des Abg. Erzberger wurden in der Ein gabe an den Justizminister kritisiert, und cs wurde die Not- Wendigkeit nachgewiesen, das Verfahren auch aus die höheren Beamten auszudchncn. Hierauf haben der Präsident und der Erste Staatsanwalt des Berliner Landgerichts I unter dem 11. August eine Antwort erteilt, in der es heißt: „Was die von Ihnen begehrte strafrechtliche Verfolgung höherer Beamten der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes betrifft, so sind aus Ihre Anzeige vom 7. Juli d. I. bereits Ermittelungen von der Staatsanwaltschaft des Landgerichts I hierselbft in den Akten Gen. I. 3. 06 ein- aeleitet, nach deren Abschluß Sie, wofern es nicht zur Er hebung der öffentlichen Anklage kommen sollte, gemäß 8 169 St. P. O. Bescheid erhalten werden. Desgleichen wird die Staatsanwaltschaft, sobald die Akten gegen Götz und Genossen aus der Voruntersuchung zurückgelangen, prüfen, ob die Aussage des Abg. Erzberger oder der son stige Inhalt der Untersuchungsakten Anlaß zu einem straf rechtlichen Einschreiten in der von Ihnen begehrten Rich tung bietet. Dahingegen findet sic vorläufig keinen An. laß. den Abg. Roeren von Amtswegen als Zeugen zu ver nehmen, solange nicht, abgesehen von dkm Inhalt Ihrer Anzeige vom 7. Juli d. I., bestimmte und strafrechtlich erhebliche Tatsachen angegeben werden, welche derselbe bekundep soll." Es wäre voreilig, wollte man über diese Antwort des Berliner Landgerichts hinaus ein Urteil darüber fällen, ob und inwieweit die gegen Stübel und König erhobenen An- klagen begründet sind. Diese neuen Enthüllungen zeigen aber in jedem Fall, welche immer weiteren Kreise der Ko lonialskandal zieht und wie notwendig es ist, daß durch rück- sichtslose Verfolgung aller Verfehlungen im .Kolonialamt reine Lust geschaffen wird. Der Kamps um die Jugend. Im „wissenschaftlichen" Wochenblatt der Sozialdemo kratie setzt „Genosse" Backhaus auseinander, wie die Jugend von seiner Partei gewonnen werden könne. Backhrus' .Hauptgrundsatz ist dabei, daß der Jugend von der Sozial demokratie dasselbe oder besseres geboten werden müsse im Vergleich mit dem. was ihr von bürgerlicher Seite geboten wird. Backhaus denkt zunächst an die evangelischen Jüng lingsvereine und an die katholischen Gesellenvereine: von ihnen schreibt er: „Selbstverständlich haben wir das größte Jntevcsse daran, so viel wie möglich den Pfaffen die fungen Männer zu entreißen: denn wenn auch die Religion für uns Privatsache ist, Tatsache bleibt doch, daß die Jüng lings- und Gesellenvereine dumm und stumpf machen." Diesen Vereinen will Backhaus dadurch Abbruch tun, daß die Sozialdemokratie gleich ihnen für gesellige Unterhaltung in geeigneten Lokalen sorgt; denn nicht aus Religiosität, sondern der Unterhaltung wegen tritt ein erheblicher Teil der jungen Leute — meint Backhaus — jenen Vereinen bei. Di« zweite Klasse von Vereinen, mit deren Hilfe Backhaus die Jugend für die Sozialdemokratie gewinnen möchte, sind die Bildungsvereinc. Sie werden nach seiner Ansicht von den „Genossen" viel zu wenig unterstützt. Weit mehr jedoch verspricht sich Backhaus vom Arbeiter-Turnerbund, weil die Jugend, für körperliche Hebungen eine größere Vorliebe Ixlbc als für geistige Fortbildung. Ihre „neutrale" Flagge sollen aber die Ärbeiterturnvereine behalten, weil dl« Ge setze in verschiedenen Staaten die Beteiligung von Minder jährigen an Politischen Vereinen verbieten. „Damit", fügt „Genosse" Backhaus bemerkenswerterweise hinzu, „ist auch dei Gründung von Jugendorganisationen zu rechnen, und hieran wird sie vielerorts scheitern." — In Baden ist vie Sozialdemokratie auf diesem Gebiete günstiger gestellt: das jungsozialdemokratische Organ „Die junge Garde" bekennt ganz offen, daß die heutigen „Genossen" die Vorteile einer freieren Gesetzgebung für sich ausnützen. Ta andere Bundesstaaten, wie erwähnt, die politische Vereinsbilduna für die Jugend gesetzlich verbieten, empfiehlt Backhaus d'e Beibehaltung des neutralen Schildes auch für Lehrlings und Jugendvereinc, die trotzdem im Sinne der „Jungen Garde" eingerichtet werden könnten. Behufs Durchführung dieses Gedankens hält „Genosse" Backhaus es für erwägens wert, ob nicht die „Junge Garde" an die Mitglieder solcher Vereine frei verteilt werden könnte. „Tie Parteiorgani sation hätte hierfür die Kosten zu übernehmen." — Es dürfte nicht überflüssig sein, durch diese Betrachtung der Backhclusschen Ratschläge aus den Kampf aufmerksam zu machen, der hier von der Sozialdemokratie mehr und mehr vorhcreitet wird, sich die Jugend zu sichern, der bekanntlich die „Zukunft" gehört. Die persische Krisis. Aus Teheran. 4., August, sendet uns unser Herr Mit- arbeiter einen Bericht, der, wenige Tage vor dem Ver fassungs-Versprechen verfaßt, äußerst interessant ist, weil er einmal zeigt, warum der Schah die Verfassung veriprechen mußte, zweitens, wie die Verfassung wirken wird, und drittens, inwieweit England und Rußland an der Krills aktiv und passiv beteiligt sind. Der Bericht lautet: Seil voriger Woche hat sich die Lage in Teheran immer mehr zuaespitzl. Die Zahl der in der englischen Gesandt schaft befindlichen Kaufleute und Gewerbetreibenvcn ist in kurzer Zeit von einigen Hunderten auf Zehntausend ge stiegen, und es hat den Anschein, als ob hiermit der Höhe punkt noch nicht erreicht wäre. Die Gefahr des Ausbrechens einer Epidemie liegt also ziemlich nahe. Der Schah, der oifenbar ganz unvollkommen über den Ernst der Lage unter richtet war, hat den allgemein verhaßten Großwesir, der die Hauptschuld an den Ereignissen trägt, am 30. Juli entlassen, zur großen Freude der gesamten Bevölkerung. Man sagt, er sei in die Grenzfestung Kelat in der Provinz Chorassan verbannt worden. Zu seinem Nachfolger ist der bisherige Minister des Auswärtigen, Mu'chir-ed-dauleh, ernannt, dessen Wahl allgemeine Befriedigung bei Persern und Euro päern hervorgerusen hat. Ihm geht das gewalttätige Wesen und die Strenge seines Vorgängers vollständig ab, er wird versuchen, durch Lavieren nach allen Seilen die Geister zu beruhigen. Dazu ist es aber offenbar schon zu spät; der Schah braucht letzt einen Ratgeber, der ihn dazu vermag, die verlangten Reformen einschließlich der sogenannten Kon. stitution (d. h. einer Art von Notabeln-Versammlung) zu.be- willigen, damit zunächst der Geistlichkeit ihr Agitationsstofl genommen wird, und das Land endlich zur Ruhe kommt. Tie Uneinigkeit und die Eifersüchteleien der Notabeln unter einander, und das Mißtrauen, welches der Perser stets gegen den Perser hegt, werden einer verständigen Regierung stets das Nebergewicht sichern. Wenn chann durch Einführung einer, wenn auch beschränkten, Oeffentlichkeit die aller schreiendsten Mißbräuche in der Staatsverwaltung abge- schafst werden, so kann das unglücklichste Land auch ohne allzugroßc Erschütterungen einer besseren Zukunft entgegen- geführt werden. Es ist nicht anzunehmen, daß das persische Parlament in die Fußlapsen der verflossenen russischen 'Duma tritt. Augenblicklich ist die Lage die,Haß die Kaufleute usw. sich auch jetzt nach der Entlassung des Großwesirs weigern, die englische Gesandtschaft zu verlassen, bis nicht zunächst alle verbannten und ausyewanderten Muschtehids und Mollahs zurückberufen. und die verlangten Reformen bewilligt sind. Tie erstere Forderung ist bereits zugestanden, indem der Schah die Betreffenden hat ausfordern lassen, schleunigst nach Teheran zurückzukehren. Noch immer ist der ganze Basar geschlossen mit Ausnahme der LebenSmittelläden; eS ist kein Meter Stoff, kein Schuh, kein Teppich zu bekommen. Auch die Handwerker haben die Arbeit niedergelegt, kurz, cs herrscht hier der regelrechte, in Europa so beliebt ge wordene politische Massenausstand, und es wird mir ver- sichert, daß der oberste Priester von Teheran sehr ungehal. ten ist, von Herrn Bebel noch kein Zustimmungstelegramm erhalten zu haben. Das Unangenehmste bei der Sache ist, daß sich die Gesamtheit der Mollahs diesem Generalstreik angeschlossen hat, was soviel sagen will, als ob bei uns alle Geistlichen. Richter, Rechtsanwälte und Standesbeamten die Arbeit eingestellt hätten, denn kein Mollah predigt in der Moschee, keine Heirat kann stattfindcn, kein Kontrakt kann abgeschlossen werden. Daß solche Verhältnisse ungeheuren Lichaden verursachen und auf die Dauer unhaltbar sind, liegt auf der Hand, und es wird der Regierung nichts anderes übrig bleiben, als durch rechtzeitige Zugeständnisse diesen Zuständen ein Ende zu machen und möglichst viel für die Selbstherrschaft des Schah zu retten. Man erwartet für die nächsten Tage, vielleicht schon für den morgigen Geburts- tag des Schah, eine besondere wichtige Kundgebung der Re gierung. In weiten Kreisen wird der Verlauf der Dinge als ein Triumph der englischen Politik angesehen. Sicher ist, daß diese schon seit längerer Zeit dem entlassenen Großwesir feindlich gesinnt war und daß die englische Gesandtschaft vom Volke als die Verteidigerin seiner Rechte angesehen wird und infolgedessen sehr populär ist, während Rußlands Ansehen auf seinem tiefsten Stande angekommen ist. Unter diesen Umständen scheint die Fata Morgana einer russisch- englischen Verständigung in Persien mehr als je in der Ferne zu verschwinden. Hervorzuheben wäre noch, daß trotz der äußerst gespann ten politischen Lage schon seit Wochen nicht di« geringste Ausschreitung vorgekommen ist. Deutsches Keich. Leipzig, 17. August. * Nachklänge zur Monarcheu-Zusammeukuust in Fried- richshof. Während wir die englischen Pveßstimmen zur Monarchen-Zujammenkunft uurer der Rubrik der auswär- tigen Polittk gebracht haben, seien an dieser Stelle sonstige be merkenswerte Urteile wiedergegeben. Der englische Bot schafter Lascelles bezeichnete, wie der „L.-A." meldet, daS Resultat der Monarchenbegegnung als einen bedeutenden Er folg im Sinne eines guten Einvernehmens zwischen den beiden Völkern. Diese Auffassung teilten, so meldet dasselbe Blatt, alle Persönlichkeiten, die in di« Einzelheiten der Enireoue eingeweiht seien. — Die italienische Press« gibt der Meinung Ausdruck, daß die Eutrevue in Cronberg «in«n Akkord zwischen Deutschland und England nach sich /flehen werde. Der gestrige Tag bedeute eine neue Garantie für den Weltfrieden. * Geht er oder geht er nicht? Das Schicksal Podbielskis ist noch nicht entschieden. Obwohl das „Reich bestimmt ver sichert, Podbielski habe, als ihm eine Aufforderung des Kaisers, leinen Abschied einzureichen, übermittelt wurde, resigniert geantwortet „Diele Hunde sind des Hasen Tod", obwohl er, wie uns ein eck.-Prwattelegramm aus Hannover meldet, in auffälliger Weise seine in Bad Nenndorf bis Mitte September gemietete Wohnung ganz plötzlich für den 20. August zur Verfügung gestellt hat, wird fein Rücktritt wieder dementiert. Und zwar von ihm selbst. Er hat den „Berl. L.-A." in bezug auf bie Meldung von einer durch den Kaiser gewünschten Eingabe um seine Entlastung zu der Er klärung ermächtigt, „daß ihm bis zur Stunde weder von einer ivlchen Aufforderung Seiner Majestät etwas bekannt sei, noch daß er sein Abschiedsgesuch eingereicht habe". Der „L.-A." bemerkt hierzu freilich vorsichtig: „Danach wäre die erwähnte Nachricht vorläufig als eine der Entwickelung der Dinge vorauseilende Kombination zu betrachten, die in der Gespanntheit der Lage ihre Erklärung findet." Tas besagt genug, und dürfte auch das Richtige treffen Doch damit ist eben nicht gesagt, daß der Minister bleiben wird. Die „Gespanntyeii der Lage" kann — Bülow weil: ja jetzt beim Kaiser aus Schloß Wilhelmshöhe — sehr bald Tatsache werden lassen, was jetzt noch als „vorauseilendc Kombination" zu betrachten ist. Die „Deutsche Tages zeitung" freilich schöpft wieder Hoffnung. Sie erklärt heute, daß sie den Gerüchten über den Rücktritt zweifelnd gcgcnübcrstehe und motiviert dies wieder „weil wir, soweit die Verhältnisse bis jetzt bekannt geworden sind, tatsächlich keinen stichhaltigen Grund zu erkennen vermögen, der den Minister veranlassen könnte, aus dem Amte, in dem er ohne Frage viel Gutes gewirkt und Treffliches geleistet hat, zu scheiden " Wir wollen hier nicht die Frage aufwerfcn, ob dieses „weil" nicht in einem direkteren Zusammenhang siebt mit dem agrarischen Urteil von dem Guten und Trefflichen, das Pod geleistet haben soll, als mit der Beurteilung der Affäre Tippclskirch. Die Entscheidung muß ja bald fällen, ob das Podsche Automobil geheizt werden wird. s. e. Tic Ersatzwahl in Döbeln. Aus Döbeln (10. säch sischer Reichstagswahlkreis) schreibt man uns unterm 16. August: Der Wahlausschuß der bürgerlichen Parteien versendet folgende Mitteilung: Die mit der Aufstellung des Feuilleton. Den Luhm großer ääünner soll man immer noch cken Mitteln bemessen, mit welchen sie sich ihn erworben haben. Kg kockelouesulil. IVss ist cier kkuhm? Lin Legen bogenlicht, Lin Sonnenstrahl, cker sich in Tränen bricht! velüti. Lin Lorbeerkranr ist eine mit LILttern bekleictete Dornenkrone. ff. Lctiopenlisuec. IVenn clich cier Dübel ehrt, befürchte, was ckir ckroht! Zuerst bewirft er ckich mit Lorbeern, ckann mit Lot. üückert. Heitere Erinnerungen au» -er Röniglichen Bibliothek zu Berlin. Von Gotthilf Weis st ein (Berlin). Nicht lange mehr, und die alte Bücherkommodc am Opern platz, die nächste Nachbarin am „historischen Eckfenster" des alten Kaisers, wird nicht mehr die Königliche Bibliothek be herbergen, sondern die Heimstätte eines kleinen Bücher schatzes werden, der Königlichen Universitätsbibliothek. Und da mit diesem Zeitpunkte ein wichtiger historischer Wende punkt in der Geschichte dieser Büchersannnlung eintritt, so kann man wohl daran gehen, einige heitere Erinnerungen an das Innenleben dieses eigenartigen mikrokosmifchcn Wesens zu fixieren, Erinnerungen vielfach persönlicher Art, di« aber auch anderen nicht ganz unnütz erscheinen dürsten. Mitten in den betäubenden Trubel des französischen Krieges, auf den 18. Oktober 1870, fiel mein Abiturienten examen, bald darauf die Immatrikulation an der Alma Mater Berolinensis, und nach dem Empfang der Studenten karte galt der erste Gang des wissensdurstioen Scholaren der Königlichen Bibliothek — und in den stillen Bücher hain trat ich mit frommem Schauder ein." Der nötige Kautionsschein seitens eines Professors war schnell erlangt, und ein rasendes Verlangen nach allen möglichen Büchern, seltenen Ausgaben, ost nächtlich erträumten Bücherschätzen, di« mit den »u Gebote stehend«« Mitteln nicht zu erkaufen waren, erwacht« b«r dem Anblick dieser nun zur Verfügung stehenden endlosen Bücherregale, dieser Säle und ganzen Stockwerke voller Bücher, wie sic durch die Fenster des alten Banes schimmerten und lockten. Tas erste Päckchen Zettel wurde gekauft, damals kleine weiße Papierstreisen, so groß etwa, wie ein und ein halber Fünfmarkschein. Die Bücher ausgabe befand sich in dem länglich schmalen, halbdunklcn Raume zu ebener Evde, wo jetzt der alphabetische Katalog aufgestellt ist. Dieselbe Glaswand, die heute den Korridor mit der Garderobe abschließt, hatte einige Fcnsterklappen, wie in den Restaurationsküchen, von denen die Kellner die Gerichte abholen, um sic den Gästen zu bringen. Hinter diesem gläsernen Fensterschieber erschien ein altes Unterosfiziers- gesicht über einer blauen Uniform mit silbernen Knöpfen — ein Typus etwa, wie die Figur Blüchers an der Neuen Wache. Schlau leuchtende Aeuglein blinzelten aus einem sanft ge röteten Antlitz heraus, das mit seiner starren, eisgrauen, kurzgeschnittenen Haartolle immer noch den militärijchcn Zuschnitt markierte. Ein paar derbe runzlige Hände lugten und langten unter dem Schieber hervor. „Haben Sie eine Kaaarrte?" schnarrte eine scharfe Stimme, die das R ganz besonders dramatisch-rollend be tonte. Erst nach längerem Besinnen und der noch einmal, noch schärfer geschnarrten Frage besann sich der Ankömm ling, daß die schwer verständliche Anrede sich vielleicht auf die vor kurzem erhaltene Studentenkarte beziehen könnte, diesen Talisman für alle akademischen Freiheiten, Rechte und Wonnen. Und wenn man den kleinen numerierten Pappkarton mit dem offiziell geschriebenen Stud. phil. hinter dem Xiamen hervorholte und in die braunen runzeligen Finger des alten Soldaten gleiten ließ, dann wanderte dicse in die Hand eines in fast unsichtbarem Hintergründe schreibenden eleganten Herrn mit goldenem Pincencz, vielen Ringen und wohlgeschwungener Frisur. Endlich hatte man Studenten- und Bibliothekskarte wieder zurück und nun konnte das Bücherholen angehen. Was habe ich von jenem Oktober vor zirka dreißig Jahren an im Schweiße meines Angesichts für dicke Büchcrpaketc, ost in einen Plaidriemen cingeschnallt, nach Hause geschleppt! Meiner lieben^ seligen Mutter wunde angst und bange in meinem kleinen Stübchen vor dem nötigen Aufräumen und Staubwischen dieser Bücher berge neben meinem eigenen Büchervorrat. Besonders in den ersten Semestern, da der junge Juchs noch alle belegten Collegia zu Hause nachzuarbeiten bmlissen ist flals diktiere ihm der heilige Geist"), batte ich bei mir eine kleine Biblio- thek von der königlichen zu Hause ausgestapclt. Zehn und mehr verschiedene Ausgaben von Catull, den i.k bei Moritz Haupt hörte, Tanskrit-Grammatiken und desgleichen Texre, besonders von der Sakuntala und dem „Tonwäael- chen" des Kalidasa, altsranzösische Lehrbücher und Chresto mathien, griechische Antiquitäten sollten die Vorlesungen von Albrecht Weber, dem genialen Sanskritisten, von Adolf Toblcr, dem großen Romanisten, von Adolf Kirch- Hofs, dem scharfsinnigen Homcrzcrgliedcrer und -Erklärer, ergänzen. Und mit stoischer Ruhe gab die alte blaue Uni form, mit deren Träger ich mich durch Vermittelung einiger Zigarrenspcnvcn bald angefreundet hatte, die dicken, in gleichfarbiges, bcllbrauncs Leder mit marmoriertem Teckel papier gebundenen Bände im königlichen Bibliotheksgebäudc durch seinen Glasschicber hinaus. Ter alte Krause war mit seinem bärbeißigen Kurzanoebundcnscin eigentlich ein ganz guter Kerl, der nur seinen königlichen Dienst kannte und in den nachmittäglichen Feierstunden in seiner in der Bibliotbek gelegenen Wohnung (ganz dicht neben dem Palais des alten Käfters) mit den Seinigen ein stilles patriarch'.alisches Ta- scin führte. Wenn man an Sommerabendcn am Opernplatze vorbeiging, saß der alte Krause in dem laubenartigcn Ein gang zu seiner Wohnung hinter dem schmalen, mit dünnen Sträuchern besetzten Vorgarten bei einer altmodischen Oel- lampc, die noch aus der Zeit der Freiheitskriege stammen konnte, und las ein Zeitungsblatt. Mit dem Samtkäppchen auf dem weißhaarigen Kopf, dem langschößigcn Schlafrock und den roten Schlafschuhen, hotte der alte Soldat einen ganz anderen Menschen angczogcn, der ganz hübsche Er innerungen aus dem alten Berlin über das Gitter hinweg zum Besten gab. Es war sehr anmutend zu hören, wenn er erzählte, wie Alexander von Humboldt in einer alten Hof kalesche an di« Königliche Bibliothek herangesahren kam, um den Professor Buschmann, seinen sprachgewaltigen Amanuensis oufzusuchen, der mexikanische, indianische und afrikanische Sprachforschung betrieb; der zuerst, als Deutsch land noch keine Kolonien besaß, handschriftliche Wörterver zeichnisse von Missionaren sammelte, die bei irgend einem afrikanischen Ncgervolke hausten und für ihn Sprachliches sowohl, wie Lebens- und Todesgebräuche der Schwarzen niederschriebcn. Dann berichtete Krause auch wohl, daß er Jacob und Wilhelm Grimm habe in die Bibliothek kommen sehen, wie der erstere so besonders feine Finger ge botst habe — „wie die feinste Dame", sagte er, und ein wie freundliches und gar nicht proscssormnßiaes Wesen die beiden großen Gelehrten auch gegen die Bibliotheksdiener gehabt bättcn. Jcb kann eS nicht Nachweisen, ob diese Erzählungen des alten Krause chronologisch richtia sind, vielleicht bat er manches auch von einem Aclteren gekört, denn „Bibliotheks- Latein" — dieses von den Pkilologcn noch nicht genau klassi fizierte Idiom — sprach der alte Beamte nicht. Punkt ein Nbr mittags wurde damals in der Ausleikstelle die „Klappe geschlossen", und wer bann noch Bücher haben oder die alten nbgeben wollte wurde im allgemeinen abaewiesen. Krau'e batte sich kierbei eine besondere Nuance ,urcckstgelegt Tie Collegia dauerten doch gewöhnlich bis «in Uhr, und kam man dann mit den abzuoebenden Büchern einige Minuten nach der offiziellen Dienstzeit an den GlaSschaltrr. dann machte Krause dem bücherbringcnden Studiosen eine lange Ncflc. So auch einmal mir. „Aber, Herr Krause, was soll denn das?" fragte ich etwas verwundert. „Sie machen mir eine Icknqe Nase?" „Nee, um Jotteswillen nicht, Herr Doktor" — jeder Student war bei ihm gleich „Doktor" — „wie wer' ich mir denn so 'was erlauben mit Ihnen . . Nach einer Pause rückte er mit seiner Erklärung heraus. „Sehn Sic mal, jetzt is es nu schon zehn Minuten über cens'n — meine Nase is schon laug genug, und ich möchte nich. daß sie noch länger würde durch eene von oben von'n Direktor, um eens'n is doch der Dienst alle." . . . Ter gute alte Krause, der noch Humboldt und die Grimms kannte — man mag sich vorstellen, welch weide voller Nimbus den Graukvpf durch diese Bekanntschaft für den andächtigen Studiosus umgab — ist vor einigen Jahren in würdiger preußischer Pensionierung gestorben. Ein liebenswürdiges Berliner Original, das seine Woh nung gleichfalls in der Bibliothek hatte, war der Geheimrat Kunstmann, der zu dem Stabe der Verivallunzsbeamrcv gehörte. Er sprach den unverfälschten Berliner Dialekt geradezu mit Virtuosität, jenen Berliner Dialekt der ge bildeteren Kreise, die nicht mit „ick", „bet" und „wat" um sich Wersen, aber deren Sprachtimbrc in Tonfall und Wort bildung mit dem immer vokalisch verschlissenen (Bata, Mutta für Vater, Mutter usw.) unverkennbar ist. Kunstmann dewohnte die Hochparterre-Wohnung oder die „Bel-Etage" in der Behrcnstraße und beherrschte aus seinen Fenstern den Blick über die ganze Markgrafenstraße hinunter bis zur Lindenstraßc. Er war eingefleischter Theaterfreund — das hieß damals ein unbedingter Bewunderer und Stamm gast des Königlickwn Schauspielhauses, wo er einen Dienst platz inne batte. Mit dem Theater mußte er auch in irzenv einer literarischen Beziehung Verbindungen haben, die mir nicht deutlich geworden sind Jedenfalls kannte er alle Schauiviclkausnovftätcn immer schon lange vor der Aus führung, besaß auch aus eigenem lnicist aus B-bftothels- besitz) die betreffenden Bücher und wußte in der internen und intimen Berliner Theatcrgejchichte glänzend Bescheid. Dazu ivar er ein seiner Kenner der Theater leute und ihrer Leistungen und feine stets mit humoristischer Schärft abgegebenen, im Zwisckrenakt bingeworsenen Urteile machten schnell ine Runde durch das königliche HauS, bei dessen Premier en abends« sich damals alles gegenseitig kannte. Mit 'einem biblicsthe- larft'ck)cn Wissen war cs allerdings ein bißchen schwach be stellt. Als ihn einmal ein bekannter Goethe-Forscher frag!«, ob noch Inedita von Goethe aus der königlichen Bibliothek vorhanden seien, antwortete er einfach kurz berlinisch: „Nich 'ne Fussel", und «inige Monat« spät« veröffentlichte
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