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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-191111251
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19111125
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19111125
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1911
- Monat1911-11
- Tag1911-11-25
- Monat1911-11
- Jahr1911
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 25.11.1911
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in meiner Erinnerung aus, wenn jene traumhafte, dämmernde Märchenstimmung über mich kam. Madeleine hat auf mich gewartet mit der Geduld und der Liebe einer Solveig. Davon spricht jede Seite ihres Tagebuchs. Sechs Jahre hat sie gewartet, und dann bin ich gekommen. In dieser Zeit waren Madeleines Eltern gestorben, und ohne jeden Anhang hat sie in Berlin durch Erteilung von Privatstuuden um ihren Lebensunterhalt gekämpft. Sie kam gut durch bis die Luugenkrankheit ausbrach und ihre Ar beitskraft vernichtete. Mit sehenden Augen ist sie dem SchwindsuchtStode entgegengegangen. Ms sechs Jahre um waren, hat Madeleine er fahren, daß ich mich in Berlin niedergelassen hatte. „Nun ist er da, »rein Peer," klingt cS jauchzend aus ihrem Tagebuche, „und er wird mir mit seiner Liebe den Tod erleichtern und mir in meinem Elend helfen." Eines Tages sah ich bei meiner Vorlesung Made leine mit tief gesenktem Kopf auf einer der hintersten Bänke des Auditoriums sitzen. Ich erkannte sie an ihrem Flachshaar; denn ihr Gesicht hatte sich schreck lich verändert. Als ich sie nach Schluß der Vorlesung anredete, hoffte sie, daß ich ihr von unserer Liebe reden würde, sie wollte mir dann von ihrem Elend erzählen. > Aber ich habe nicht von unserer Liebs geredet, und Madeleine hat die Lippen fest zusammengekniffen und hat von ihrem Elend geschwiegen. Sie hat es gewußt, daß der ihr nicht beistehen könne, der ihre Solveigliebe vergessen konnte. Ich war zurückgekehrt, aber der Peer, auf den Made leine gewartet hatte all die Fahre hindurch, war nicht wiedergekommen. Und das hat der kleinen Madeleine den Todesstoß gegeben. III. Heut morgen war der kleine Fungs mit dem Zettel gekommen, dec mich an MaoeleineS Sterbebette rief. Ich hatte nur einen Gedanken: da stirbt jemand, der dich mit der ganzen Seele geliebt hat, der jetzt den Dank foroert für eine unbewohnte Liebe. Und Madeleines Liebe steht wie eine furchtbare Anklage vor meiner Seele: Wärst du früher gekommen, dies Mägdlein wäre nicht gestorben. — Und wenn Made leine schon tot ist? Dich hat sie gerufen als den Trost ihrer letzten Stunde. Kommst dir zu spät, so ist Made leines letzter, furchtbarer Todeskampf deine Schuld. So jagen die Gedanken durch mein Hirn, während wir Madeleines Wohnung cntgegenrascn. Wenn ich Madeleine noch etwas recht, recht Liebes antun könnte! Veilchen sino ihre Licblingsblumen. Vor einem Blumen geschäft lasse ich halten nno kaufe an Veilchen, soviel ich bekommen kann. Tann geht die rasende Fahrt weiter. Vier Treppen eines Hinterhauses steigen wir hin an. Eine alte Frau öffnet. Ich will nach Madeleine fragen. Kein Wort bringe ich heraus,- aber der vor wurfsvoll-mitleidige Blick der Alten sagt nur, daß Madeleine nicht mehr lebt! Ein Summen und Brausen ist in meinem Kopse, und dazwischen tönt immer wieder eine Melodie: Wärst du hier gewesen, oicS Mägdlein wäre nicht gestorben. Und nun stehe ich in Madeleines Zimmer. Einige Stühle, ein Tisch, ein Schrank, iveiter ist nichts in dem Stübchen. i Und dort das Bett . .. und Madeleine, die kleine, tote Madeleine, noch blciä>er als sie im Leben war, um den Mund ein Zug, etnms energisch, etwas bitter und trotzig. Nur die zusammcngekrampften Finger deu ten den Dodeskrampf an. Und während ich mit starren Augen und brennen den Herzens am Bett stehe, höre ich kaum, wie die Alte von Madeleines letzter Stunde erzählt; nur das eine verstehe ich: die Gewißheit, daß ich zu iHv unter wegs sei, hat ihr den Tod erleichtert. Endlich bin ich allein mit Madeleine. Ich wasche ihr Gesicht und Hände, ich löse ihr prachtvolles Blond haar und lege es in zwei breiten Bändern über die weiße Decke. -- — Wärst du hier gewesen, dies Mägdlein wäre nicht gestorben, tönt mir's wieder in den Ohren mit einer eigentümlich traumhaften Melodie. Und nun löse ich die Veilchensträußchen Bund auf Bund, und ich lasse die losen Blaublüten über Made leines Sterbebett niederfallen. Aus ihrem Blondhaar lugen sie hervor, in das weiße Nachtgcwand kriechen sie hinein, und über die Decke strecken sie sich hin. Wie sie sich recken, wie fte ihre Köpfchen erheben, als freuten sie sich, mit der blonden Madeleine zu sterben! Wie sie sich ihrem bleichen Mund entgegen strecken, als wollten sie mit ihrem Dufte der kleinen Madeleine Len Dodesfrieden aus den herben Mund küssen: Und plötzlich tönt's durch den engen Raum: -.Made leine, Madeleine," wie aus einer anderen Welt herüber zitternd. Ich weiß cs nicht, ob ich den Namen ausgesprochen habe. Aber es ist ein Singen und Klingen in diesem Namen, so suchend, so flehend, so um Verzeihung bittend, lind dieser zitternde Ton vermählt sich mit dem einen Worte: Wärst dir hier gewesen, dies Mägd lein wäre nicht gestorben, und dieses Wort klingt weiter und weiter, und ich bringe cs in hundert Melo dien. Du mußt sie gehört haben, meine kleine, tote Madeleine; denn in dieser Stunde bestand meine ganze Seele nur aus diesem melodienreichen Liede. Leb' wohl, meine Madeleine. Nun weiß ich, daß ich mein Gluck an deinem Sterbebette zurück gelassen habe. Zum Totenfeste. Längst ward der Erde schon genomll""» Ihr buntes, farbensattes Kleid, Und jener Tag ist nnn gekommen; Der teuren Toten ganz geweiht. Kein frisches Grün ist mehr zu sehn,-' Nur Sterben ringsum und Vergehn! Loch gibt es einen stillen Garten? Ler heut im Schmuck der Blumen prangt!- Und wo um Steine aller Arten Sich treu und fest der Epheu rankt? In dessen dunklem Blättergrün Noch späte rote Astern glühm Kennst du den Ort? Ten Ort der Stille? Ler Friedhof ists! — Tas Nachtasyl! Wo sanft und friedlich schlafen viele, Die schon erreicht der Tage Ziel!, —i Für sie, die hier gebettet sind. Singt nun ein Schlummerlied der Wind. - Und jene, die zurückgeblieben, i!ft völlig einsam und allein,, Sie zieht es heut zu ihren Lieben, Um ihnen möglichst nah' zu sein, —! Mit denen in vergangener Zeit , Sie treulich teilten Lust und Leid. Ob draußen herrscht auch feuchte Kälte, Lenkt man zum Friedhof doch den Schritt, Und Blumen, die man sinnig tvählte. Nimmt man den teuren Schläfern mit. -Wohl niemand dies versäumen mag Jst's doch der Toten Feiertag! -- Nachdruck vcrb. Martha Grundmann, Lommatzsch.- Mruck nutz Bert«, »,n Langer L Winterlich, Riesa. — Mir die Redaktion Verantwortlich: Arthur Hähnel, Mesa. Erzähler an der Llbe. Belletr. Gratisveilage zum „Riesaer Tageblatt". R». 47. «es«, Leu 25 November 1SU 34. z«tzr«. Schicksalsfügung. Noman von Ida Großmann. Nachdruck verboten. -„Plochingen, Wagenwechsel!" Werner Schulze erhebt sich halb im Traum. Er war die ganze Nacht durchgereist, und nur in Stuttgart hatte er eilig eine Tasse Kaffee zu sich genommen. Sein Hand gepäck ergreifend, dehnt und streckt er sich nach Herzens lust, die Fahrgäste sind schon ausgestiegen; so braucht er sich keinen Zwang anzutun. Wie wohl das tut, wie das die müden Glieder erfrischt! Und nun noch die Gläser des Kneifers geputzt, und er ist bereit, sich dem Genüsse der Plochinger „Saitenwürstl" hinzugeben, von denen ihm seine Freunde so viel vorgeschwärmt. Freilich begibt er sich in die Restauration, wo cs lebhaft zugeht. Plochingen ist 'eine wichtige Kreuz station nach Ulm und Tübingen. Endlich hat er sich das Gewünschte samt einem Glase Bier erobert und läßt cs sich herrlich schmecken; die Würstel machen ihrem Ruse alle Ehre. Um ihn herum wogt es von Menschen; schwäbische Laute, die ihm so vertraut, schlagen an sein Ohr. Ihn überkommt ein wehmütiges Gefühl beim Gedenken an sein totes Mütterchen, das der Later sich cinst aus dem schönen Schtvabeulande hinauf in den kalten Norden geholt hatte. Doch trotz aller Wehmut erfüllt tiefe Dankbarkeit sein Herz, endlich die schöne Heimat derselben kennen lernen zu dürfen, von der auch sein Vater soviel erzählt, hauptsächlich in den letzten Jahren, als er krank lag und in Ermangelung neuer Erlebnisse iin Geiste wieder zu seiner unvergeßlichen Studentenzeit zuri'urkehrte. Und dabei spielte Tübingen eine große Rolle: Drei Semester hatte er dort verbracht und schließlich sein Herz zurück gelassen, bis er nach erfolgreichstem Examen sich das x,Schwaüenmädle" als sein geliebtes Weib hcimholen durfte. Und welche gute Gattin und Mutter war sie gewesen! Tas bißchen Sentimentale,- Romantische stand ihr gut und glich das Pedantische, in das Vater leicht verfiel- stets wieder aus. Sie war heiter und konnte sich über das Kleinste freuen! Wie herrlich ver stand sie zu kochen und zu backen und mit dem nicht allzugroßcn Einkommen Vaters den Ihrigen das Leben zu verschönen! Vater überlebte sic nicht lauge, er Ivar schon längst leidend, und der Tod der geliebten Lebcnsgefäyrtin löschte das schwache Lebenslicht all mählich aus. Werner, das einzige Kind, empfand hart die Lücke. Er beendigte seine Studien in Berlin und war eben im Begriffe, sich als Assistenzarzt in einer Klinik für Herz kranke, welcher Spezialität er sich besonders Ividmen wollte, zu melden, als ein kleines Erbe eines ihm gänz lich unbekannten Onkels ihm zufiel. Nun sollte auch ihn nichts mehr halten- nach Tübingen zu fahren, wo er noch Studien machen und zugleich ein Buch cheraus- geben wollte- das ihn in der Gelehrtenwelt bekannt machen sollte. Nun fährt der Zug nach Tübingen ein. Mles drängt sich an seine Plätze, und trotz der be sungenen Gemütlichkeit auf den schwäbischen Eisen bahnen fährt der Zug zur bestimmten Minute ab. Nürtingen? Metzingen,- Reutlingen? alles bekannte Namen für ihn. Wie lieblich ist die Gegend, überall Wald und herrliche Wiesen! Tie vielen Obstbäume stehen zum Dril in Blüte, die herrlichen weißen Blüten büschel der Kirschen winken von den Höhen. Und nun kommt Kirchentellingsfurt, hieß einst „Kirch, und älleS is furt." Der Name stammt tvahrscheinlich von einer großen Ueberschwemmung des Neckars her, an dcin da- Dorf liegt. Eine Biegung — und nun sieht man die Höhen des Oesterberges, von welchem vereinzelte Ge- sellschaftshäuser grüßen. Die alte Stiftskirche, welche in ihrem Chore die Grabmälec verschiedener württem- bergischer Fürsten, darunter auch des Grafen Eberhard im Barte, der im Jahre 1477 die Universität Tübingen gegründet? birgt, steht wie eine Gluckhenne mitten unter den Häusern, welche übereinander aufgebaut sind, als hätte die ein Riefe an den Berg geschleudert. Unten zu deren Füßen, umgeben von herrlichen Alleen, welche ihre knospenden Wipfel im Winde hin und her bewegen, glitzert und blinkt der Neckar. Ein friedliches Bild — lvahrhaftig, hier muß gut träumen sein. Der Zug hält. Auf dem Bahnsteig ist cs lebhaft. Viele Studenten mit ihren Dienern und Hunden drängen sich um die Ankommenden. Werner kennt den Zauber — eilig schiebt er sich durch die Menge. Der nicht will, daß ihm heute abend eine rote, blaue oder sonstige bunte Mütze aufs Hauvt gedrückt werde und er damit füv irgendeine Verbindung als „Gekeilter" gelte, darf weder nach rechts, noch links blicken und weder den ttcbenDvürdigcn Einladungen der Herren folgen, noch von deren Dienern sich das Gepäck besorgen lassen. Lachend geht Werner seiner Wege? er kennt da geradezu komische Bild, das sich zu Anfang eines jeden Semesters au» den Bahnhöfen der Universitätsstädte abspielt. Da er sein Gepäck auf dem Bahnhof gelassen hindert ihn nichts, sich mit aller Muße eine Wohnung zu suchen. Durch «Altehrwürdige Kastanionallcen kommt er an die alte Neckarbrückc? an deren Ende das Haus des Dichters Uhland, in welchem er gelebt und gestorben ist, steht, während sein Geburtshaus in der alten Münz gasse zu sehen ist. Und nun geht es die enge Neckargasse, die sich nie gerade durch Eleganz und Sauberkeit aus gezeichnet, hinauf in das Annexe der Stadt, deren Häuser weder Stil noch Eigenart aufweiscn. Enttäuscht sicht sich Werner um — ivic ist's möglich, sich in diesen engen, dumpfen Gassen wohlzufühlen — wo ist der Zauber, der all die vielen, die hier der alma mater gehuldigt, gefangen nahm? Er bleibt stehcn. Sollte er sich im Wege geirrt haben, tväre es möglich, daß Vater hier in dieser Gegend gclvohnt Hütte, da er doch stets so entzückt von seiner Neckarhaldc, wo Werner selbst auch wohnen möchte, erzählt hatte? Ein altes Weibchen biegt eben von der Borussen gasse ein, um die Neckargasse ^hinunterzugehcn. Berner fragt sie nach dem Weg irk die Neckarhalde. „So, so, en d' Neckarhaldc nwlla Se? Ta gehn Se no a Schtickl da nuff ond an der Kirch' vorbei, dann kommt's Schtist, und do sangt d Neckarhald an. Soll i mit Ehna geha?" ' „Nein, nein, gute Fraulich danke Ihnen, ich finde ' schon den Weg, und dazu müßten Sie den Berg hinauf steigen." « „Des ischt doch; sei Berg'. herjesscS, den geh i cm Tag zwanzigmal, mir Tübinger sind- nct ander- g'wohnt. Aber do kommt a Mädeke, die soll Ehna da Weg zeig«. Rösle, führ' den Herr» en d Neckarhald« k" Herzlich lachend nimmt Werner Rösles Begleitung a», die ihn in echtestem Schwäbisch auSfragt, ivoher er
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