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WrM Uchen, Mrnlchil und die Umgegenden. —— Imtsbtull für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pfg. — Einzelne Nummern 10 Pfg, Inserate werden Nontags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittag 12 Uhr angenommen. — Jnser tionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H. A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. No. 8». Donnerstag, de« 4. Oktober 1894. Bekanntmachung. Der diesjährige hiesige Herbstmarkt wird Donnerstag, den 18. und Freitag, den 19. dieses Monats abgehalten. Wilsdruff, am 2. Oktober 1894. Der Stadtrat h. Ficker, Brgmstr. Das neue Waarrnschutz-Gesetz. Am ersten Oktober ist das vom Reichstage in seiner vorigen Session beschlossene Gesetz über den Schutz von Waaren- zeichen in Kraft getreten, angesichts der Wichtigkeit des neuen Gesetzes für alle Handel- und Gewerbetreibenden dürfte es aber angezeigt erscheinen, nochmals dessen Kernpunkte hervorzuheben. Zunächst muß daran erinnert werden, daß das alte Waaren- schutzgesetz lediglich die eigentlichen Marken oder Waarenzeichen gegen betrügerische Nachahmung oder Ausbeutung von dritter Seite in Schutz nahm, während das jetzt in Kraft getretene Gesetz sich auf alle sonstigen gebräuchlichen Kennzeichen von Waaren, als Etiketten, Phantastenamen, eigenartige Ver packungen u. s. w. bezieht, so daß es schon hierdurch einen ganz wesentlichen Fortschritt gegen die bisherigen Verhältnisse auf dem Gebiete des gesetzlichen Waarenschutzes bedeutet. Doch auch sein eigentlicher Inhalt weist eine ganze Reihe hervorragender Neuerungen auf. Unter ihnen ist wiederum eine der be deutsamsten die, daß sich die Wirksamkeit des neuen Gesetzes laut 8 1 desselben selbst auf solche Gewerbetreibenden erstreckt, welche keine im Handelsregister eingetragene Firma besitzen, es werden sich also von nun an auch solche Kauf- und Geschäfts leute des Schutzes ihrer Waarenmarken erfreuen. Bemerkenöwerth ist ferner, daß Waarenzeichen künftig nicht mehr bei den Amtsgerichten, sondern bei dem kaiserlichen Pa tentamte in Berlin anzumelden sind, welches demnach für das ganze Reich als Waarenzeichen-Centralstelle zu gelten hat; über die Anmeldung und weitere Behandlung entscheidet das schon für Patentangelegenheiten eingeführte Verfahren. Im weiteren ist als eine speziell erwähnenswerthe Bestimmung des neuen Gesetzes jene hervorzuheben, wonach — wie oben schon an gedeutet — auch Phantasicworte als Marken schutzfähig sein sollen, vorausgesetzt, daß sie nicht ausschließlich Angaben über Zeit und Ort der Herstellung, über Beschaffenheit, Bestimmung, über Preismengen und Gewichtsverhältniß der Waare enthalten. Eine fernere wesentliche Bestimmung des neuen Waarenschutz- gesetzes ist diejenige, welche dem Berechtigten das ausschließliche Recht einräumt, das geschützte Zeichen auch auf Ankündigungen, Rechnungen, Preislisten, Geschäftsbriefen u. dergl. anzubringen, während dies bislang blos bezüglich der Waare selbst und dann der Verpackung gestattet war. Verpackung und Ausstattung schützt daö neue Gesetz eben falls insofern, als es einen Geschäftstreibenden, der feine Waaren u. s. w. mit einer Ausstattung versieht, die innerhalb be- theiligter Verkehrökreise als Kennzeichen gleichartiger Waaren eines Anderen gilt, mit Schadenersatzpflicht und außerdem noch mit Strafe bedroht. Weiter verbietet das jetzige Waarenschutz- gesetz unrichtige Angaben über den Ursprungsort, soweit es sich hier um eine absichtliche Täuschung über Werth und Be schaffenheit der Waare handelt. Doch sind solche Bezeichnungen, wie Berliner Blau, Wiener Würste, St. Julien, Havanna u. s. w. bei der Begrenzung der strafbar-n Handlungen ausge schlossen, weil derartige Bezeichnungen gewissermaßen zu Gattungs namen geworben sind und keine ganz spezielle Waare mehr be zeichnen. Ländernamen sind ebenfalls von dem Einbezug unter das neue Gesetz ausgeschlossen, weil ihre Verwendung säst stets nur zur Kennzeichnung der Waare dient. Auch gegen die vom Ausland drohenden Verletzungen des Markenrechtes gewährt das neue Gesetz einen wesentlichen Schutz, doch würde eine Er örterung der einschlägigen Bestimmungen an dieser Stelle zu weit führen. Im Allgemeinen weist das am ersten Oktober in Kraft gelretene Gesetz über den Schutz von Waarenbezeichnungcn eine ganze Reihe mehr oder weniger einschneidende Veränderungen und Neuerungen gegenüber dem bisherigen Gesetz auf. Sie sind aber sämmtlich darauf berechnet, den reellen Producenten und Geschäftsmann wie das consumirende Publikum gegen die bislang gerade ans d'esem Gebiete so „schwunghaft" be triebenen betrügerischen Nachahmungen und Täuschungen zu schützen, und man kann deshalb nur dringend wünschen, daß das neue Gesetz seinen Zweck voll erfüllen möge. Freilich weist es andererseits noch gar manche Unklarheit und Wider sprüche auf, woran seine überhastete Berathung im Reichstage die Schuld daran trägt; hoffentlich werden indessen diese Schwächen bei längerer Wirksamkeit des Gesetzes von selbst verschwinden. Tagesgeschichte. Berlin, 1. Oktober. Die Massen-Verhaftung. Zu der Meldung der „Post" wird noch mitgetheilt: Es handelt sich in der Angelegenheit um ein schweres Vergehen gegen die Disziplin, und zwar einem Offizier gegenüber, der sich in der Anstalt befindet. Dem Vernehmen nach wurden gegen den selben sehr häßliche Rufe ausgestoßen, als einige Unteroffiziere bei einem Trinkgelage in der Caserne von dem Vorgesetzten zurechtgewiesen worden waren. Der Urheber der betreffenden Rufe konnte nicht ermittelt werden. Es wurde eine Untersuchung eingeleitet, in welcher der Direktor der Anstalt der vorgesetzten Behörde Bericht erstattete. Dieselbe verfügte hierauf die Massen verhaftung, doch ist damit die Affaire noch nicht abge schlossen. Am Sonntag früh gegen 4 Uhr wurde eine Eskadron des 2. Garde-Ulanen-Regiments, dessen Caserne dicht neben der Oberfeuerwerkerschule liegt, alarmirt. Diese besetzte die Schule, und nahm noch weitere 20 Verhaftungen vor, denen im Pause des Vormittags noch mehrere andere folgten, sodaß der letzte Transport von Verhafteten erst Mittags nach Magdeburg ab ging. Die Caserne der Oberfeuerwerkerschule war gestern Abend ziemlich verödet, es scheint hiernach die Bewegung, die zu diesen außerordentlichen Maßregeln Anlaß gab, auch in den jüngeren Mannschaften um sich gegriffen zu haben. Selbstverständlich haben die hier geschilderten Vorgänge zu den abenteuerlichsten Gerüchten Anlaß gegeben. Man sprach sogar von anarchistischen Umtrieben, doch kann nach dem Vorstehenden von Alledem keine Rede sein. Ueber die Vorgänge auf der Oberfeuerwerkerschule erfährt die Post noch folgendes: An maßgebender Stelle herrscht über den Fall dieselbe Anschauung, die in den Veröffentlichungen des „Reichsanzeigers" und des Wolff'schen Telegraphenbureaus zum Ausdruck gebracht ist. Es handelt sich in der That nur um einen unüberlegten Streich, der nach militärischen Gesetzen aller dings streng geahndet werden dürfte, dem nach bürgerlichen Be griffen aber keineswegs die Bedeutung gebührt, die ihm von vielen Seiten beigemessen worden ist. Es ist sehr zu beklagen, daß auf Grund einseitiger, subjektiver Schilderungen aufge- bauschte Darstellungen in die Oeffentlichkeit gelangt sind, die gar keinen positiven Werth haben können, bevor die Untersuchung volle Klarheit in die Angelegenheit gebracht haben wird. Schon jetzt hat die Untersuchung Thatsachen zu Tage gefördert, durch die die anfängliche Auffassung der Sachlage wesentlich modifizirt worden ist. Von politischen Dingen ist jedenfalls ganz und gar keine Rede, wie noch einmal auf das Bestimmteste ver sichert werden kann. Den Unteroffizieren war vielleicht in bester Absicht ein wenig zu viel Freiheit gelassen worden, so daß sie beispielsweise Verbindungen nach Art der Studenten unterhalten konnten. Darüber schwoll ihnen der Kamm, sie vergaßen die strengen Forderungen der militärischen Disziplin und als sie dann an diese ein wenig straffer erinnert wurden, ließen sie sich zu jenen Jnsubordinationsvergehen Hinreißen, die den Kriegs minister veranlaßten, so schnell und durchgreifend vorzugehen. Es unterliegt übrigens keinem Zweifel, daß das Ergebniß der Untersuchung seinerzeit veröffentlicht werden wird. Nach Angaben in Berliner Blättern wird die nächste Reichs lagstagung im neuen Reichstagshause stattfinden, das von Mitte November an bereit stehe. Von einer Abschiedsfeier im bis herigen Reichstagshause sei nicht die Rede. Auf die dringende Nothwendigkeit der Reichs steuer- reform w-ist die „Nationallib. Korr." nochmals hin, nachdem ^kürzlich eine halbamtliche Mittheilung eine erhebliche Erhöhung s der Matrikularumlagen, die auch die Ueberweisungen nicht un beträchtlich übersteigen würden, in Aussicht gestellt hat. Es heißt in dieser Besprechung: „Es steht fest, daß dem Reichs lage eine Tabakfabrikatsteuer wieder zugehen wird; dabei sollen aber die in der vorigen Session hervorgetretenen Bedenken möglichst berücksichtigt, die Kontrolmaßregeln sollen gemildert, die Steuersätze vermindert werden. Das Ziel scheint sich vor läufig nicht mehr auf bedeutende Herauszahlungen an die Einzel staaten zu erstrecken, sondern nur auf eine reichliche Deckung der Matrikularbeiträge durch die Ueberweisungen. Dieses Ziel muß erreicht werden, soll nicht die heilloste Zerrüttung ein treten. In allen Bundesstaaten besteht das Bedürfniß nach größeren Aufwendungen, nach auskömmlichen Beamtenbesold ungen, nach Erfüllung so mancher Aufgaben der Kultur und Landeswohlfahrt. Die Bundesstaaten können schon jetzt diesem Bedürfnissen nicht mehr vollständig gerecht werden und werden es in Zukunft immer weniger vermögen. Eine weitere Aus nutzung ihrer eigenen Einnahmequellen ist nicht mehr möglich, nachdem die ihnen vorbehaltenen direkten Einnahmesteuern überall schon bis an die äußerste Grenze angespannt sind. Und nun sollen die Bundesstaaten auch noch mit jedem Jahre wachsende Abgaben an das Reich abführen, da diesem durch eine kurz sichtige und übelwollende Opposition die Mttel zur Bestreitung seiner eigenen Ausgaben verweigert werden, so leicht sie auch zu beschaffen wären. Hierin liegt eine Unvernunft und Ein sichtslosigkeit, die allmählich zu gänzlich unhaltbaren Zuständen führen muß." Das „Militär-Wochenblatt" veröffentlicht die Ernennung des Prinzen Friedrich August von Sachsen zum Generalmajor mit dem Patent vom 20. September. In seinem für 1893 erstatteten Jahresbericht äußert das Generalkomitee des Landwirthschaftlichen Vereins für Bayern: „Wir sind der Meinung, daß es nicht klug ist, dis Lage allzu pessimistisch aufzufassen und hinzustellen, daß ferner auch nicht Alles von der Staatshilfe erlangt und erwartet werden darf, daß es vielmehr in erster Linie an den Landwirthen selbst ist, zu suchen, die Lage aus eigener Kraft zu verbessern. Bei richtiger Anordnung aller der zur Verfügung stehenden reichlichen Hilfs mittel wird es noch manchen Landwirthen möglich sein, den Betrieb günstiger zu gestalten und die Einkünfte aus demselben zu erhöhen." Die Sympathie der deutschen Sozialdemokra tiemit der Pariser Commune ist neuerdings wieder einmal drastisch zum Ausdruck gebracht worden. In der letzten Berliner Stadt verordnetensitzung äußerte nämlich ein Magistratsmitglied, daß die Tage der Pariser Commune gezählt gewesen seien. Darauf erscholl aus den Reihen der Sozialdemokraten ein „Leider". Derartige Gefühlsausbrüche ist man bei den Sozialdemokraten längst gewohnt, und darum wird es auch nicht viel nützen, wenn nach dem Wunsche eines Stadtverordneten dieser Zwi schenruf im stenographischen Bericht „festgenagelt" wird. Er staunlich bleibt nur die Leichtgläubigkeit gewisser Leute, die trotz solcher Symptome fortfahren, die sozialdemokratische Bewegung, die in der Pariser Commune ihr Vorbild sieht, als eine vor übergehende Erscheinung zu betrachten. Am Sonntag Nachmittag fand in Wien eine Demon stration für das allgemeine Wahlrecht statt. Etwa 10000 Arbeiter mit Frauen und Kindern zogen durch die Ringstraße. Dem „B. T." wird hierüber gemeldet: „Die Ringstraße, die sonst der Schauplatz des fashionablen Korsos ist, bot heute ein ganz anderes Bild. Gegen 4 Uhr strömten zahlreiche Trupps von Arbeitern und Arbeiterinnen herbei und bildeten immer dichtere Kolonnen. Die massenhaft aufgebotene Polizei blieb passiv. Das zufällig gleichzeitig stattfindende Begräbniß des Generals Herberstein rief die buntesten Gerüchte hervor. Die ausrückende Kavallerie, die auffahrenden Geschütze und die Ge wehrsalven bei der Leichenfeier erregten bei den Vorübergehenden eine gelinde Panik, weil viele glaubten, ein blutiger Zusammen stoß sei erfolgt. Indessen sangen die Demonstranten das Arbeiterlied und brachten brausende Hochrufe «us das Wahlrecht aus. Am größten war die Demonstration vor dem Parlamente