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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 04.07.1900
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1900-07-04
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19000704023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1900070402
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1900070402
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1900
- Monat1900-07
- Tag1900-07-04
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Jedenfalls ist sie auch bestimmt, in den weitesten Kreisen bekannt zu werden und überall die Zuversicht zu erwecken, daß die dem deutschen Reiche in China zugefügte blutige Beleidigung Sühne finden werde. Gleichfalls für die weitesten Kreise be stimmt ist eine zweite Rede, die der Kaiser gestern bei dem Festmahle hielt, das nach dem Stapellaufe deS Kreuzers „Wittelsbach" im OssicierScasino in Wilhelmshaven als Ant wort auf einen Trinkspruch hielt, in dem Prinz Rupprecht von Bayern seinem Danke für seine Stellung L la suiw deS SeebataillonS Ausdruck gegeben und mit einem Hoch auf den Chef der deutschen Marine, den Kaiser, geschlossen hatte. Nachdem die HurrahS verklungen waren, antwortete der Kaiser: „Ew. königl. Hoheit danke Ich für die freundlichen Worte, welche Sie an Mich zu richten die Güte hatten. Ew. königl. Hoheit haben heute bei der Taufe des neuen Schiffes die Unterstützung erwähnt, welche die Wittelsvacher den deut schen Kaisern haben zu Theil werden lassen. Ich möchte dabei noch an eine Episode aus der Vorgeschichte Unserer Häuser erinnern. Auf den Gefilden vor Rom war es einem Vor fahren Euerer Königl. Hoheit im Vereine mit einem der Meinigen beschieden, der seltenen Auszeichnung thsilhaftig zu werden, hoch zu Roß, in Stahl gepanzert, angesichts der feindlichen Reitergeschwader, durch Kaiser Heinrich VIl. den Ritterschlag zu erhalten. Dieser Vorgang ist in einem Bilde auf der Nacht „Hohenzollern" verewigt. Die Nachkommen jener tapferen Fürsten halfen sich gegenseitig bei Mühldorf, wo ein Hohenzoller dem Kaiser Ludwig von Bayern eine Schlacht gewann. Wie damals Wittelbacher und Hohenzollern Seite an Seite für das Wohl des Reiches kämpften, so wird es auch jetzt und in Zukunft geschehen. Ew. königl. Hoheit hatten in diesen Tagen Gelegenheit, wichtigen Entschlüssen bei zuwohnen und Zeuge historischer Augen blicke zu s ein, die einen Merkstein in der Ge schichte unseres Volkes bedeuten. Ew. königl. Hoheit konnten sich überzeugen, wie mächtig der Wellenschlag des Oceans an unseres Volkes Thore klopft und es zwingt, als ein großes Volk seinen Platz in der Welt zu behaupten, mit einem Worte: zur Weltpolitik. Der Ocean ist unentbehrlich für Deutschlands Größe, aberderOceanbeweistauch.daßaufihmund in der Ferne, jenseits von ihm, ohne Deutschland und ohne den deutschen Kaiser keine große Entscheidung mehr fallen darf. Ich bin nicht der Meinung, daß unser deutsches Volk vor 30 Jahren unter der Führung seiner Fürsten gesiegt und ge blutet hat, um sich bei großen auswärtigen Entscheidungen bei Seite schieben zu kaffen. Geschähe Las, so wäre es ein- für alle mal mit der Weltmachtstellung des deutschen Volkes vorbei. Ich bin nicht gewillt, es dazu kommen zu lassen. Hierfür die geeigneten, wenn es sein muß, auch die schärfsten Mittel rücksichtslos anzuwenden, ist Meine Pflicht und Mein schönstes Vorrecht. Ich bin überzeugt, daß Ich hierbei Deutschlands Fürsten und das gesamml« Volk festgeschloffen hinter Mir habe. Daß Ew. königl. Hoheit die Ehrenstellung L In ouits des Seebataillons anzunehmen ge ruhten, ist von hoher Bedeutung gerade in dem Augenblicke, wo Bayern, Württemberger, Sachsen und Preußen nach dem fernen Osten gehen, um die Ehre der deutschen Flagge wieder herzustellen. Wie das Haus der Wittelsbacher im Jahre 1870 zu den Waffen griff, um für Deutschlands Ehre, Einigung und Kaiserwürde zu fechten, so möge allezeit das Reich dieses edlen Geschlechtes Unterstützung sicher sein. Als Vertreter dieses erlauchten Hauses begrüße Ich Ew. königl. Hoheit in Unserer Mitte mit dem Wunsche, daß die enge Beziehung, in die Ew. königl. Hoheit durch die L In suito - Stellung Meiner Marine getreten, allezeit Ew. königl. Hoheit Interesse für die selbe lebendig erhalten möge. Ich trinke auf das Wohl Sr. königl. Hoheit des Prinzen Rupprecht von Bayern. Hurrah, hurrah, hurrah!" Dieser neuen Kundgebung deS Kaisers kann man zunächst mit besonderer Genugthuung entnehmen, daß er seinerseits bemüht ist, die etwaige Verstimmung, die man unlängst aus Reden des Vaters de« Prinzen Rupprecht heranSlesen zu muffen glaubte, zu beseitigen. DaS ist doppelt erfreulich ,n einem so ernsten Augenblicke, der die vollste Einmütbigkeit aller deutschen Fürsten und Volksstänime fordert. Ferner spricht aus der gestrigen kaiserlichen Kundgebung dieselbe kräftige Entschlossenheit zum Handeln, welche die vorgestrige Rede atbmete. Angaben darüber, mit welchen Mitteln Sühne für das begangene völkerrechtliche Verbrechen ge fordert werden soll, konnte man nicht erwarten; es werden erst eingehende Berathungen nöthig sein, bevor man über diese Mittel genaueres erfährt; davon aber, daß diese Bc- rathungen mit aller nur möglichen Beschleunigung geführt werden, darf man überzeugt sein. Zunächst hat sich, wie verlautet, Oberstleutnant Wachs vom preußischen Kriegs ministerium, der Leiter der MobilmachungSgeschäste der ostasiatischen Expedition, nach der Schweiz begeben, um den, dort auf Urlaub befindlichen Kriegsmtnister über diese Angelegenheiten Vortrag zu ballen. An eine „Auftheilung" Chinas denkt man, wie unS von vcrtrauenswertber Seite mitgethcilt wird, an maßgebender Stelle jetzt nicht, ist vielmehr der Ueberzeugunz, daß cs zunächst lediglich darauf ankomme, durch Befreiung der in Peking aufs Aeußerste bedrohten Europäer die Wieder herstellung geordneter Verhältnisse in China anzubahnen und Vorsorge gegen die Wiederholung ähnlicher Vorgänge zu verhüten. So wenig auf deutscher Seite an eine Auftbcilung Chinas gedacht wird, so klar ist man sich darüber, daß gegenwärtig energisches Handeln unbedingt nothwendig ist, wenn nicht in der Zukunft noch größere Opfer für die Be friedung Chinas gekrackt werden sollen. Aus den Aeußerungen der Presse aller Parteien kann der Schluß gezogen werden, daß, von zwei Ausnahmen abgesehen, die Regierung für diese ihre Haltung der allgemeinen Zu stimmung sicher ist. Von der konservativen Presse angefangen bis zur „Freisinnigen Ztg." deS Abg. Richter ist man sich nicht nur in der Verurtheilung des GesandtenmordeS, sondern auch in dem Verlangen nach energischer Sühne der Un- tbat einig; besonders sind es maßgebende CentrumSvrgane, die in letzterem Sinne sich vernehmen lassen. Die „Germania" z. B. schreibt: „Dieses scheußliche Verbrechen schreit laut um Rache. Deutschland hat jetzt mehr denn je Veranlassung, in Cbina stark und hart zu sein; denn das vergossene kostbare, edle deutsche Blut beischt von eiserner Willenskraft dictirte entschlossene Thaten." Abweichend von der gejammten Presse nimmt der „Vor wärts" und die übrige socialdemokratische Presse nach wie vor die Partei Chinas. In welchem Grade das locialdemokratische Centralorgan dabei die Thatsachen um- kcbrt oder an die Thatsachen sich nicht kehrt, geht aus Folgendem hervor. Der „Vorwärts" stellt die Behauptung auf: „Wir dürfen China nicht einen Bruch des Völker rechts vorwerfen, nachdem Europa tatsächlich mit der Landung in Kiautschau, Port Arthur, Wei-bai-wei die Chinesen außerhalb des Völkerrechts gestellt hat. Jene europäischen Eroberungen , mitten im Frieden waren obne jeden Zweifel schwere Verstöße gegen das Völkerrecht, wie auch der jetzige Einmarsch der fremden Truppen ohne Kriegserklärung mit den Regeln des Völker rechts nicht in Einklang steht." — Man muß Social demokrat sein, um die Besetzung Kiautschaus als einen völkerrechtswidrigen Act zu bezeichnen. Denn jene Be setzung erfolgte, nachdem zum wer weiß wie vielten Male zwei katholische Missionare in Süd - Sbantunz ermordet waren, um einen Druck zur Herbeiführung von Schutz für die Missionen auszuüben, und erst der Ab schluß eines völkerrechtlichen Vertrages zwischen China und dem Reiche batte die endgiltige Besetzung Kiautschaus zur Folge. Ebenso wenig wie die Landung in Kiautschau kann der jetzige Einmarsch der europäischen Truppen als völker rechtswidrig bezeichnet werden, weil ihm keine Kriegs erklärung vorausgegangen sei. Auch dieser Einmarsch war das Erzebniß chinesischer Gewaltthaten, die, zunächst an europäischen Privatleuten von den Boxern be gangen, sehr bald den fremden Gesandtschaften zu drohen begannen, und über deren dringende Gefahr seit der Ermordung des Kanzlers der japanischen Gesandtschaft, die einige Tage vor der deS Freiherrn von Ketteler erfolgte, kein Zweifel mehr bestehen konnte. Angesichts der anarchistischen Zustände in Peking erfüllten die Mächte lediglich die Pflicht, ihre An gehörigen zu schützen, wenn sie ihre Truppen in China ein- marschiren ließen. Zu diesem Vorgehen mußten sich die Mächte erst recht bestimmt fühlen, nachdem die Forts von Taku unvcrmuthet die Feindseligkeiten eröffnet hatten. Wenn trotz alledem bisher weder die Mächte al« Gesammtbeit, noch irgend eine einzelne Macht den Krieg an China erklärte, so besteht der Grund hierfür in dem Umstande, daß zur Zeit vollständig dunkel ist, werinChina die Negierung ausübt und welchen Antbeil die ausübende Regierungsgewalt an dem Verbrechen wider das Völkerrecht hat. DaS socialdemokratische Centralorgan ist beklagenswerther weise in der Lage, sich auf die „Deutsche Tages zeitung" in Bezug auf seine Stellung zu den chinesischen Vorgängen zu berufen. Das bündlerische Blatt verflicht in seine Warnung vor einer Abenteuer-Politik, an die maß gebende deutsche Stellen nicht Lenken, Verdächtigungen der auswärtigen Politik des Reiches und Aufwiegelungen der ver schiedenen Interessentenkreise, sowie falsche Angaben über das jüngst beschlossene Flottengesctz. In letzterer Beziehung versteift sich die „Deutsche TageSztg." aus den unhaltbaren Staudpunct, daß die Negierung „nun endlich einmal" durch das Flotten gesetz gebunden sei. Gerade betreffs der Auslandsschiffe, deren Nothwendigkcit eben jetzt auf das Drastischste durch die That- fachen selbst dargethan wird, hat sich der Staatssekretär des Reichsmariueamts nur unter schweren Bedenken mit der einstweiligen Streichung einverstanden erklärt. Wenn ferner die „Deutsche TageSztg." die Gründung einer Colonial armee mit den Worten bekämpft, „der heutige Zweck würde wahrscheinlich darin gesucht werden, erobernd in China mit dem Heere herumzuziehen" — so würde diese leere Verdächtigung jedem socialdemokratischen Blatte zur Zierde gereichen. Auf demselben Niveau steht endlich die Behauptung der „Deutjchen TageSztg.", die HandelSkrrise unserer Seestädte wollten das Reich in Abenteuer hinein treiben. Für eine Abenteuer-Politik ist in Deutschland kein Boden vorhanden und eine Abenteuer-Politik befürwortet in Deutschland keine irgendwie einflußreiche Stelle; wer aber mit verdächtigenden Argumenten wie die obigen um sich wirft, der nennt auch jene Politik abenteuerlich, die nur das Noth- wendige zur Wahrung der deutschen Interessen inS Werk setzt. Daß vor einer Abenteuer-Politik jetzt dasselbe Organ warnen zu müssen glaubt, daS während des Samoa- Handels gar nicht abenteuerlich genug sich geberden konnte — das ist der Humor dabei. Die Wirren in China. Die auS China nach Europa gelangenden Nachrichten lassen die Lage immer trüber erscheinen. Die Chinesen werfen soviel Truppen den Verbündeten entgegen, daß diese kaum etwas erreichen können. Tientsin scheint — die Mit theilungen widersprechen sich — vorläufig aufgegeben, doch hat man wohl die Europäer in Sicherheit gebracht, wenn es auch räthselhaft erscheint, warum der Dampfer mit den Frauen und Kindern an Bord dem chinesischen Feuer auSgesetzt wird, anstatt nach Taku zu fahren. Unter solchen Umständen ist an eine baldige Erreichung Pekings und Züchtigung der Chinesen nicht zu denken, zu reiten ist wohl überhaupt Niemand mehr, denn aus den weiter unten folgenden Telegrammen ist zu schließen, daß die Gesandten mit ihren Frauen und ihrem Personal getödlet worden sind, wenn auch tatsächliche Meldungen nicht vorliegen und nicht vorliegen können. Die letzte Nachricht aus Peking datirt vom 25. Juni und ging von dem Director der Zölle, Sir Hart, auS. Ist der Zwischenzeit wird viel passirt sein. Nach amtlicher russischer Quelle schätzt man die Anzahl der auf chinesischem Territorium gegenwärtig befindlichen Truppen der vereinigten Mächte auf insgesammt 16000 Mann, von denen 10 000 in oder bei Tientsin unter dem Commando deS russischen Generalmajors Stoessel sind. * Berlin, 4. Juli. („Wolff s Telcgr.-Bnreau".) Der kaiserliche Eonsul inTschisu meldet: Ter Dampfer der Fremden in Tientsin ist wieder umlagert und wird beschaffe». Tie Frauen und Sinder sollen fortgeschafft werden. Tie chinesischen Truppen machte« einen Vorstoß gegen die Eisenbahn. Tic Brücken sind zerstört, aber Sie Wafferverbinduug mit Taku ist aufrecht erhalten. Tie Missionen in Muk Sen siuS verbrannt unv viele einheimische, Sort wohnende Christen gctödtet worden. Zwischen Mukdc» und Riutschwang ist Sie Visen bahnbrücke Scmolirt. „Wolff s Telcgr-Bnreau" berichtet aus Shanghai: Ei» von Sir Robert Hart aus Peking nach Tientsin entsandter Kurier brachte Sie Nachricht, Satz am 25. Juni außer Ser deutschen, englische» und italie nischen auch sämmtliche übrigen Gesandtschaften in Peking zerstört waren. Sämmtliche Tiplomate» befinden sich tu der englischen Gesandtschaft, die von Sen chinesischen Truppen beschaffen wurde. Feuilleton. Diana. Roman von Marian Comyn. Nachdruck verkett«. „Er steht dem Verstorbenen verwandtschaftlich näher, ja, dagegen läßt sich nichts sagen. Aber dennoch bin ich der gesetz liche Erbe. Friedrich Beauchamp war Ihrem Vater in dessen Jugend sehr zugethan und betrachtete ihn, wie dies ja auch natür lich war, als seinen Erben. Robert Beauchamp, Ihr Vater, sollte sich aber nun auch seinen Wünschen fügen. Der alte Herr hatte eine große Zuneigung zu seinem Mündel, der Tochter eines verstorbenen Freundes, und sein Wunsch war, daß Ihr Vater Miß Berry, so hieß die junge Dame, heirathen solle. Doch Robert Beauchamp hatte sein Herz bereits an Monika Brooke — Ihre Mutter, Diana — verloren, und als er dies seinem Onkel gestand und sich weigerte, auf dessen Wünsche einzugehen, kam es zu einem heftigen Streit zwischen den Beiden, der damit endete, daß Ihr Vater das Haus seines Onkels verließ. Miß Berry, die Robert Beauchamp leidenschaftlich geliebt hatte und seine Freundschaft für sie falsch gedeutet, vermochte drn Schlag, der sie durch seine Zurückweisung traf, nicht zu überwinden, fie erkrankte an einem Ncrvenfieber und starb. Zu jener Zeit war es auch, wo Friedrich Beauchamp seine Absicht, Ihren Vater zu enterben und mich an seine Stelle zu setzen, zum ersten Male aussprach. Es muß sehr bald nachher gewesen sein, al» Ihr Vater mit seiner jungen Gattin nach Australien übersiedelte, wo er dann wenige Jahre später, seine Familie in der größten Ar- muth zurücklaffend, starb. Friedrich Beauchamp hat seine Ab sicht, mich zum Erben von Crowhurst zu machen, anSgrführt, und das Testament befindet sich in meinen Händen. Wie ich Ihnen schon sagte, Diana, nur meine Liebe zu Ihnen hat mich bisher davon zurllckgehalten, meine Rechte geltend zu machen." „Unmöglich!" rief Diana. „EI fand sich beim Tod« unsere« Großonkel» kein Testament vor, obwohl Mr. Drury auf« Eifrigste danach geforscht hat!" „Nein, da« war auch, nicht möglich", sagte Antonius, „nur ich wußte, wo »kein Onkel da» Testament nirdergelegt hatte, einem Anderen, außer mir, war dasselbe nicht zugänglich. Ich sagte Ihnen ja schon, daß ich bi« kurz vor seinem Tode in freund schaftlichem Briefwechsel mit dem alten Herrn gestanden, und in einem seiner letzten Briefe erwähnte er das Testament, Sie werden wissen, daß Friedrich Beauchamp ein Sonderling ge wesen, und dies allein erklärt es, warum er das Testament nicht bei seinem Anwalt, Mr. Drury, niedergelegt hat. Nun, gleich viel, jedenfalls ist daS Testament da, und ich bin jeden Augen blick im Stande, als Erbe von Crowhurst aufzutrcten." „Armer Erich!" murmelte Diana. Doch Antonius hatte die halblaut geflüsterten Worte gehört. „Es ist hart für ihn, gewiß, aber bedenken Sie, daß es für mich, der ich seit mehr als zwanzig Jahren daran gewöhnt bin, mich als den Erben von Crowhurst zu betrachten, ebenso hart sein würde, den Verlust zu ertragen, wie für Erich. Ich würde mir nichts daraus gemacht haben, ich würde gern verzichtet haben, wenn ich dadurch Ihre Liebe — Ihre Hand hätte gewinnen können, Diana; aber nun —" Er brach ab. „Wozu noch weiter darüber sprechen! Ich habe Ihnen die Gründe für meine Handlungsweise angegeben, Sie werden mir gewiß zugestehen, daß ich meine Stellung nicht mißbraucht habe, und ich bin über zeugt, Sie werden mir nach dem, was ich Ihnen gesagt habe, niemals den Borwurf machen können, als Heuchler hier auf getreten zu sein!" „So wollen Sie also wirklich Crowhurst übernehmen?" fragte Diana, nach Athem ringend, sie konnte den Gedanken selbst jetzt noch nicht fassen. „Was wollen Sie, daß ich thun soll? Ich muß gestehen, ich bin nicht großmüthig genug, das, was ich al» mein Recht be trachte, aufzugeben, ohne auch nur die geringste Entschädigung dafür zu haben. Ich müßte doch wenigstens wissen, warum ich es thun würde. Aber seien Sie versichert, daß ich in der rück sichtsvollsten Weise handeln werde. Ich werde alles Nähere mit Erich selbst besprechen." Seine Stimme klang jetzt so ruhig, wie gewöhnlich, eS lag ein wenig Zurückhaltung in seinem Ton, aber auch Entschiedenheit. „Sie begreifen, ich würde ge schwiegen haben", fuhr er fort, „wenn Sie eingewilligt hätten, mich zu heirathen. Ich würde in diesem Falle das Testament in Ihre Hände gelegt haben, damit Sie dasselbe vernichten. Sie haben mich zuriickgewiesen, wie sehr mich dies« Zurückweisung auch schmerzt, einen Zwang will ich nicht auf Sie auSllben. Ich habe durchaus nicht den Wunsch, ein Mädchen gegen ihren Willen zu heirathen, obgleich ich fest überzeugt bin, daß ich schließlich den noch Ihre Lieb« gewinnen würde, wenn Sie mir nur Gelegenheit dazu gäben. Doch darüber haben Sie zu entscheiden, und wenn Sie eS wünschen, so wollen wir die Sache, soweit sie unS Beide betrifft, ruhen lassen. Wollen Sie sich jedoch daS, wa» ich Ihnen gesagt habe, noch ein paar Tage überlegen, Diana, so mag Alles noch in der alten Weise verbleiben, bis Sie mir Ihren endgiltigen Bescheid gesagt haben." Eifrig griff sie nach diesem Ausweg, wie Antonius ganz richtig vermuthet hatte. Ja, das würde das Beste sein. Sie mußte Zeit haben, zu überlegen, Zeit, jedes Einzelne zu erwägen, um zu entscheiden, was am besten geschehen könne. Mit bleichem Antlitz und niedergeschlagenen Augen schwankte sie mehr als sie ging aus dem Zimmer hinaus, nur noch der Schatten der schönen, lieblichen Diana von früher. Antonius hatte die Thür für sie geöffnet, und als sie seinen nachblickenden Augen ent schwunden war, ging er auf die Terrasse hinaus und zündete sich eine Cigarre an. Doch war es wohl nur die Macht der Ge wohnheit, die ihn dazu veranlaßte, denn er-wars die Cigarre, nachdem er sie kaum angeraucht hatte, bei Seite. „Es trifft sie hart", murmelte er. „Sie bangt für die Ihren, nicht für sich selbst. Warum liebt sie mich nicht, ich würde ihr ein guter Gatte gewesen sein! Gewesen sein?" wiederholte er heftig. „Nein, ich werde es sein, denn schließlich wird sie sich doch meinen Wünschen fügen!" Als Antonius das Zimmer verlassen hatte, öffneten sich die Falten eines Vorhanges am andern End« deS Zimmers und eine kleine Gestalt mit bleichen, verstörten Zügen wankte ins Zimmer. Es war Nancy — Nancy, welche während der letzten halben Stunde dort gestanden hatte, sich krampfhaft an die Falten deS Vorhanges klammernd, um sich aufrecht zu erhalten. Furcht und Verzweiflung lag in ihren Augen, sie sah den Glanz und den Reichthum, nach dem sie ihr ganzes Leben lang gestrebt, vor ihren Augen zerfließen, wie die Luftschlösser zerflossen waren, welche sie damals in Shephard's Bush, wenn sie in dem kleinen, dürftigen Zimmer lag, gebaut hatte. Sie schwankte auk den in der Näh« der Thür stehenden Divan zu, und ihr Antlitz in den Kissen desselben verbergend, schluchzte sie, wie eine Ver zweifelte. XVIH. Nach einer schlaflosen Nacht und einem Tage, den Diana unter dem Vorgebe», nicht ganz wohl zu sein, auf ihrem Zimmer verbracht hatte, verließ sie gegen Abend das HauS und gelangte durch eine Seitenthür, ohne von Jemand gesehen zu werden, in den Park. Es war keine Unwahrheit, daß Diana gesagt hatte, sie sei nicht ganz wohl, denn den ganzen Tag über war sie von so heftigen Kopfschmerzen geplagt worden, daß sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie hoffte, daß die Kopfschmerzen in der freien Luft vergehen würden und sie dann eher fähig wäre, über ihre verzweifelte Lage nachzudenken. So schritt sie denn in den Park hinein, der heute rin trübes Bild bot. Es hatte den ganzen Tag geregnet, schwer hingen die Zweige von den Bäumen hernieder, die Blumen hatten ihre Köpfe tief zur Erde gesenkt, und noch immer rieselte ein feiner durchdringender Regen vom wolkenschweren Himmel hernieder. Doch Diana achtete desselben nicht, sie schien nicht einmal zu wissen, daß es regnete, gewohnheitsgemäß wich sie, während sie in ein dunkles Tuch gehüllt mit gesenktem Kopf dahinschritt, den seichten Stellen in den Parkwcgen aus. Diana dachte einzig und allein an ihre gestrige Unterredung mit Antonius. O, wenn sie sich hätte mit Jemandem aussprechen können! Doch sie hatte Niemanden, Niemanden in der Welt. Was sollte nun werden? Sollte sie dem ungeliebten Manne ihre Hand reichen? Sollte sie sich für die Ihrigen opfern? Philipp Heathcote's Bild stieg vor ihr auf, und verzweifelt rang sie die kleinen, weißen Hände. Nein, nein, sie konnte, sie wollte dieses Opfer nicht bringen. Und was dann? Was sollte aus Erich, was aus Nancy werden! Dann hatte Erich keine Aus sicht, Pauline, an der sein ganzes Herz hing, heimzuführen, er würde verzagt und verzweifelt sein, wenn er Crowhurst aufgeben müßte! Sollte sie mit Erich sprechen? Ja, gewiß, er würde groß- müthig sein, er würde sie das Opfer vielleicht nicht bringen lassen! O, wer ihr rathrn könnte! Wie lange sie so auf den nassen Wegen des Parkes umhergewandert war, sie wußte es selbst nicht, erst als der dichter fallende Regen ihre Kleider durch näßte, beschloß sie, ins Haus zurückzukehren. Doppelt verlockend und anheimelnd sah die hell erleuchtete Halle im Gegensätze zu der düsteren Außenseite des Hause» au». Die Thüren waren geöffnet und bei dem Hellen Lampenlichte wurden die prächtige Einrichtung, die glänzende eichene Täfe lung, die kostbaren Tigerfelle, die chinesischen Schränke und die wundervollen tropischen Pflanze» sichtbar. Ein zur Abfahrt bereiter Wagen hielt vor dem Eingänge, und als Diana näher kam, bemerkte sie Erich, der, zur Reise ge rüstet, in der Halle auf- und niederschritt und offenbar nur auf sie zu warten schien, um aufzubrechen. Sie hatte beab sichtigt, sofort wieder ihr Zimmer aufzusuchen, doch gab sie diesen Gedanke» nun auf. Erich trat ihr in großer Erregung entgegen, er schien weder ihr bleiches Aussehen, noch ihre nassen Kleider zu bemerken, und in fliegender Hast theilte er ihr mit, daß Lady Drummond an ihn depeschirt habe, Pauline sei erkrankt und er möge sofort zu ihr kommen. „Pauline krank!" sagte Diana bestürzt. „Arme, theuere Pauline! Sie muß in der That krank sein, wenn ihre Tante selbst Dich zu ihr ruft!"
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