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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 01.02.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020201026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902020102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902020102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
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- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
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Amtsblatt des Königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, des Natljes und Nolizei-Ämtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen »Preis die 6gespaltene Petitzeile 2S H. Reclamen unter dem RedactionSstrich (4 gespalten) 75 vor den Familiennach richten (6 gespalten) 50 H. Tabellarischer und Ziffernsay entsprechend höher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannahme 25 H (excl. Porto). Ertra-Beilagen (gesalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbesörderung ./L 60.—, mit Postbesörderung ./L 70.— . Annahmeschluß für Anzeigen: Abend-AuSgabe: Vormittags 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittags 4 Uhr. Bei den Filialen und Annahmestellen je eine halbe Stunde früher. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentags ununterbrochen geöffnet von früh 8 bis Abends 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nr. 58. Sonnabend den 1. Februar 1902. 96. Jahrgang. Der Krieg in Südafrika. Brodrick über die Lage. In der gestrigen Sitzung des Unterhauses brachte der Staatssekretär des Krieges Brodrick den Nachtragsetat für die Heeresverwaltung in Hohe von 5 Millionen Pfund ein und erklärt, im Etatjahr 1900/01 betrugen die Kriegskosten 63 Millionen Pfund Sterling, im EtatS- jahre 190l/02 würden die Kosten 61 Millionen be tragen. Einen Theil deS IabreS hindurch zählte das Kriegsherr in Südafrika 250000 Mann, am 1. Januar dieses IahreS 237 000 Mann. Im Durchschnitt wurden monatlich 24000 Pferde gekauft. Mit dem Troß betrug die Gesammtzabl der dem Kriegsbeere ange- hörenden 280 000. Die Regierung mußte durchschnittlich 208 000 Pferde und Maultbiere, 30 000 Ochsen, 27 000 ge fangene Boeren und >50000 Kopse von der Boeren- bevölkerung unterhalten. Die monatlichen Ausgaben haben sich von 5Vr auf 4*/, Millionen vermindert. DaS BlockhauS-System hat den bestmöglichen Er folg gezeitigt, indem es nicht nur die Strapazen der Truppen verminderte, sondern auch den Umfang deS Kriegsschauplatzes verringerte. Die Aufständischen in der Eapcolonie sind in Wirklichkeit zersprengt. Bon den Boeren sind nur noch einige wenige Banden im Felde, die sich in den Bergen versteckt ballen. In der Oranje-Colonie bat das Blockbaus-System daS Land südlich der Linie Kimberley — Kronstad — Natalgrenze von Boeren frei ge macht, auch in Transvaal ist durch die Blockhäuser ein großer Theil des Landes gesäubert und die Eisenbahn gesichert. DaS Wiedererwachen deS GeschäftSlebenö in Johannesburg ist ein Anzeichen, um dessenwegen wir uns beglückwünschen können. Noch drei große feindliche Truppenkörper befinden sich auf dem Kriegsschauplatz. Nämlich Dewet's Streitmacht, die unter Um ständen ein zu fürcbtender T r u p p e n k ö r p e r werde» könnte, die Streitmacht unter Botha, die in ihren Bewegungen durch die letzten Operationen sehr gehemmt ist und Delarey'S Truppe. Kitchener's Plan ist es, diese Truppenkörper zusammenzudrängen und zu einem Gefecht zu zwingen. DaS Blockhaus system giebt unS die Sicherheit, daß früher oder später unsere Truppen im Stande sein werden, einen großen Truppenkörper der Boeren zu einem Gefecht zu zwingen. Jedes dieser drei CommandoS kann etwa 2000 Mann stellen. Brodrick spricht sodann den Truppen seine Anerkennung auS und schließt, die Regierung wird nicht nach lassen, in ihrem Bestreben, Kitchener mit allem zu versorgen, das erforderlich ist, um den Krieg so bald wie möglich zu beenden. * London, 31. Januar. Dem Vernehmen nach hat der heute abgehaliene Ministerralh über die Note der niederländischen Regie rung berathen und die englische Antwort daraus genehmigt. politische Tagesschau. * Leipzig, 1. Februar. Der socialdcmotratische Wahlerfolg in Döbeln macht sich auch im Reichstage dadurch bemerkbar, daß die „Genossen" aus Sachsen noch eifriger als sonst Reden zum Fenster hinaus halten, die den Freunden daheim Material zur Bearbeitung der Massen und zur Vor ¬ bereitung künftiger Siege liefern sollen. Daß der säch sische Bevollmächtigte zum Bundesrathe, vr. Fischer, die socialdemokratischen Entstellungen prompt als solche kennzeichnet, verschlägt den redclustigen Herren nichts. Sie wissen ganz gut, daß nur ihre Anklagen von den heimischen Agitatoren zur Kcnntniß der großen Masse gebracht werden und deshalb die beabsichtigte Wirkung nicht verfehlen. Ein Grund mehr für die staatscrhaltcn- dcn Parteien in Sachsen, aus dem Wahlrcsultatc in Döbeln die Lehre zu ziehen, daß jeder vernnglückte Ver such, sich über die Aufstellung eines Eandidaten zu einigen und mit vereinten Kräften den Gegner zu schlagen, für diesen weit mehr als einen einzelnen Sieg bedeutet. Im Nebligen bekam das hohe Haus gestern fast nur Wiederholungen zu hören, die allmählich die Reihen der Anwesenden so sehr lichteten, daß das Er gebnis) der Abstimmungen über die 8 zum Etat des Reichs amtes des Innern eingebrachten Resolutionen nur be dingten Werth haben konnte. Angenommen wurden der Antrag Basscrmann ans Unterstützung des internationalen Arbeitsamtes in Basel, der Antrag Dasbach auf Be schränkung der Frist für die Durchführung der Zinkhütten verordnung, ein Antrag, der eine Uebcrsicht über die Arbciterverhältnisse in den Reichs- und Staatsbetrieben fordert, ein Antrag auf Einsetzung einer Eommission zur Prüfung der Arbcitslosigkcitserscheinungen, endlich ein Antrag auf eine Enquete über das Innnngswescn. — Trotz des überaus langsamen Fortschrcitens der Etatsbcrathung hat der Seniorcnconvent bereits Auslug nach den Osterferien gehalten. Kein Wunder freilich, denn die wenigen Fleißigen fühlen sich von der Redearbeit, die sie für die Faulen mit vollbringen müssen, ermattet und die Letzteren brauchen sich während der Pausen keine Vorwürfe zu machen oder machen zu lassen. Aber wie man bei oer Ge schäftslage den schönen Vorsatz, am 15. März die Oster- pause zu beginnen und inzwischen die Plenarsitzung dann und wann ausfallcn zu lassen, um den Ncbcnparlamcnten, d. h. den Commissionen, mehr Zeit zur Berathung zu gewähren, durchführen will, ist uns ein Näthsel, denn bis dahin stehen nur noch 38 parlamentarische Arbeitstage im Kalender, die vor Allem der Etatsbcrathung gewidmet werden müssen. Und wenn nun auch den Fractions- vorständen ans Herz gelegt wird, dafür zu sorgen, daß die Redner sich sowohl hinsichtlich der Häufigkeit ihres Auf tretens auf der Rednertribüne, als auch bezüglich der Dauer ihrer Reden Selbstbcschränkung aufcrlcgen, wie kann man angesichts ocs Verlaufes der Debatten über den Etat des Ncichsansts deS Innern zu dem naiven G'aiiben kommen, beim Militär- und beim Marine-Etat werde sich das Rede- und Agitationsbedürfniß der Radikalen ein dämmen lassen? Aus das Schlußmachen muß ja das Haus bei seiner gewöhnlichen Besetzung von vornherein ver zichten! Die Mehrheit der B u d g e t e o m m i s s i o n des Reichstags hat gestern einen Beschluß gefaßt, der im Interesse unserer colonialen Bewegung höchst bedauerlich ist. Es handelt sich um eine Forderung von 30 000 zum Zwecke der Errichtung einer Ausknuftsstcllc sür die deutsche Auswanderung, damit letztere in solche Länder geleitet werden kann, wo die deutschen Auswanderer möglichst dem nationalen Dcutschthum erhalten bleiben. Wohl gemerkt: diese Anforderung, welche die Negierung stellt, beruht auf einer Resolution des Reichs tages selbst! Und nun stürmen die beiden Herren Müller vom Ccntrum und der freisinnigen Volkspartci auf diese zu errichtende und als dauernd gedachte und geplante Institution ein und wollen großmüthig 30 000 .4? höchstens einmal bewilligen! Diese Herren mit ihrem Geiste, der stets verneint, haben sich schwerlich klar ge macht, welchen Stoß sic mit ihrer Weigerung der Be deutung des Rechts des Reichstages zur Stellung von Initiativ-Anträgen versetzen: erst fordert der Reichstag die Negierung auf, eine Auskunstsstelle sür das Aus- wandcruiigswescn zu schaffen, und nachher versagt er bczw. die Budgetcommission die Mittel dazu! Denn die Bewilligung ans nur e i n Jahr kommt einer gänzlichen Versagung gleich. Im ersten Jahr muß sich diese Aus- knnftsslcllc erst organisiren,' das ist aber gar nicht mög lich, wenn sie in dem Bewußtsein arbeiten muß, daß sie nach kurzer, hauptsächlich vorbereitender und deshalb die der Einrichtung von vornherein übelwollend gegenüber stehenden Herren nicht bekehrender Thätigkeit ihr Wirken doch wieder die dauernde liberalen, die berg tCcntr.), die Position einzustcllen haben werde — Für Bewilligung stimmten die National- Conservativcn und Prinz Aren- dcr in ancrkenncnswcrther Weise gegen seinen Fractionsgenossen Müller-Fulda vcrtheidigtc. Selbst gegen die ein malige Bewilligung stimmten 9 Mitglieder der Budgetcommissivn sein Theil des Ccntrums, Socialdemo kraten nnd Freisinnige). Unter diesen Umständen ist die ganze, mit so großen Hoffnungen begrüßte Auskunfts stelle sür Auswandernngsmesen in Frage gestellt. In welchem Maße die Engländer sich bereits als Herren der Situation in Ecntralafrika fühlen, lassen die leider nicht unberechtigten Folgerungen und Erwartungen erkennen, die in den bethciligtcn kommerziellen Kreisen an die Vollendung der britischen Uganda-Bahn ge knüpft werden. Ein Vortrag „Auf der Uganda-Bahn zum Victoria Nyansa", der in der letzten Sitzung der Eolonialabtheilung der britischen Gesellschaft der Künste gehalten wurde, gab eine eingehende Schilderung über den Verlauf der Tracc, die Schwierigkeiten bei der Hcranschaffung des Materials und bei der Ausführung der Arbeiten, die durch das bald gebirgige, bald sumofige Gelände sehr erschwert und nicht selten durch Ausbrüche von Seuchen, Einfälle wilder Thicre in die Lagerstätten der Arbeiter unterbrochen wurden. Am Schlüsse seiner Ausführnngcn sprach der Vortragende die zuversichtliche Erwartung aus, bevor weitere, von anderen Staaten in Centralafrika geplante Bahnen fertiggcstcllt sein könnten, wkrdc die britische Uganda-Buhn -en gesummten Handels verkehr des Congogcbietcs und der benachbarten Land striche an sich gezogen haben. Wenn auch bei dieser Prophezeiung der Wunsch des Gedankens Vater gewesen ist, so dürfte doch so viel gewiß sein, daß, wenn nicht mög lichst bald der Ban der d e u t s ch - o st a f r i k a n i s ch e n Bahn in Angriff genommen und mit aller Energie be schleunigt wird, die Zuversicht der britischen Colonial politiker durch die thatsächliche Entwickelung der Dinge nur zu schnell bestätigt werden wird. Aus Melbourne, 24. Dcccmbcr 1901, schickt uns unser Mitarbeiter einen Bericht über den bekannten C o n- flict der Capitänc des „Prinz-Regent L u i t p o l d" n n d „N c ck a r" v o m Norddeutschen Lloyd mit dem australischen Aundcozollamtc. Der Fall selbst hat inzwischen im Sinne der deutschen Auffassung seine Erledigung gefunden: interessant ist aber die lebhafte Unterstützung, die diese Auffassung in Australien selbst ge funden hat. Darüber schreibt nnscr Mitarbeiter: Als der betreffende Passus des Zollgesetzes im Parlament unter Debatte stand, wurden aus den Reihen der Oppo sition besonders von Seiten des Führers, des schars sinnigen Mr. Reid, sehr entschiedene Bedenken betreffs der Bcrechtigungsfrage laut. Damals verthcidigte die Regierung den beabsichtigten Bruch des internationalen Sccrcchtes mit einem juristischen Kniff. Der Minister er klärte: Wir wissen sehr wohl, daß Australien über fremde Schiffe, welche sich drei Meilen von der Küste befinden, keine Gerichtsbarkeit besitzt. Wir können daher air ch nicht verhindern, daß unsere Siegel auf hoher See gebrochen werden, haben auch nicht die Absicht, jenen Aet an sich zu bestrafen, wohl aber können wir ein Schiff mit Strafe belegen, wenn cs sich nach Ankunft im nächsten Hafen herausstellt, daß das Siegel fehlt. Diesen Winkeladvocaten-Standpunct nimmt auch heute noch die Negierung ein, und cs gefällt sich der Premierminister Mr. Barton in Klagen gekränkter Unschuld ob der ungerechtfertigten Herausforderung und Mißachtung australischer Gesetze. Nun ist Mr. Barton zwar das nominelle Oberhaupt der Regierung, der eigent liche Rosselcnkcr aber ist der Zollminister Mr. Kingston, ein Ultraprotcctionist und parlamentarischer Bullen beißer, in dessen Augen Alles, was Import ist, eine mehr oder minder strafwürdige Handlung constituirt, und der, wie sein brüskes Auf treten gegen die beiden Lloyddampfer beweist, in jedem Fahrzeug fremder Nationalität ein Piratenschiff erblickt. Das Hauptorgan der Schntzzollpartei „The Age", das kn den breiten Schichten meist gelesene Blatt, spricht ihm selbstredend das Wort nnd charakterisirt die Handlungs weise der beiden Lloyd-Capitäne als „insultirend, gesetzes verachtend und unverschämt". Andererseits darf man mlt Genugthunng constatiren, daß der Großhandel das Vorgehen des Zollministers einstimmig verur- theilt. Das Freihandelsblatt „The Argus" liest dem Minister in einem längeren Artikel gehörig die Leviten und schließt mit den Worten: „Ein Protest muß erhoben werden gegen dies voreilige, extreme und unhöfliche Ver halten des Ministers, welcher vergessen hat, daran zu denken, daß Nationen, mit denen wir in Freundschaft leben, mit möglichster Rücksicht und Achtung zu behandeln sind." Ackmlich äußern sich individuelle Stimmen hervor ragender Persönlichkeiten in Briefen an die Presse. Sv schreibt n. A. Mr. Murray Smith, einer unserer ange sehensten Mitbürger und früherer Vertreter der Colonic in London: „Eine grobe Insulte ist einer mächtigen Nation geboten worden, nnd die Genugthuung, die von uns mit Recht verlangt werden wird, muß uns -c- müthigcu. Und das eines Objectes wegen, welches in seinem Jahrcsbetragc nicht wcrth ist, auch nur einen einzigen Tag unfreundlicher Stimmung zwischen England und Deutschland wachzurufcn." Deutsches Reich. * Berlin, 31. Januar. (Ein katholisches N a ch w v r t z u r Ie s u i t e n d c b a tt e.) Ein katho lischer Geistlicher hat an die „Allgcm. Ztg." eine Zuschrift gerichtet, in der er die von Seiten des Ccntrums im Reichstag vorgetragenen Klagen über „weitgehende Lcunruhigung breitester katholischer Volksschichten" über das Jcsnitcngesctz einen „ P h r a s c n s ch w a l l" nennt und u. A. schreibt: Was die angebliche bedrohliche Beunruhigung breiter katholischer Volkskrcise über die fortdauernde Feirilletsir. Kittmeister Eckhoff. Roman von A. von Trystedt. Nachdruck kerbetc». Wie ein Aufseufzen der Erlösung ging es dann über ihre Lippen. Sie hatte dem fremden Manne Alles verrathen, Alles! Auch das oft wiederholte. „Ja, wenn ein Mann, wie Eckhoff, um Dich würbe, das wäre noch ein Glück!" erfuhr Bernhard wieder. Ein schmerzliches Lächeln legte sich um seinen Mund. Es war doch überall dasselbe. Berechnung und Eigennutz hier wie dort. Nur, um den lieben Bekannten etwas voraus zu haben, wünschte man ihn zum Schwiegersöhne, und die Dörings wiesen ihn ab, weil er keine Millionenerbschaft zu erwarten hatte. Seine Persönlichkeit kam dabei wohl kaum in Betracht. Die Eltern wollten ihre Eitelkeit befriedigt wissen, deshalb peinigten sie dieses junge Wesen derartig, daß es dem Wahnsinne nahe war. Voll inniger Thoilnahme sah er in das leidvollc, zuckende Ge sichtchen. Während Margot erzählte, war es Ihm ktar geworden, daß sie sich in einem furchtbar überreizten, krankhaft erregten Zu stande befand; ihre unnatürlich glänzenden Augen, ihr heißer, stoßweise gehender Athem hatten es ihm verrathen. Nun schmolz sein weiches, leicht empfängliches Herz in Mit leid, und von Neuem begann er Mit dem Geschick zu hadern. Weshalb ließ es ssin Herz so heftig, so sehnsuchtsvoll für die Sirene schlagen, weshalb erfüllte es ihn nicht mit Zärtlichkeit für die arme, kleine Margot, die sich in heimlicher Qual ver zehrte, ihn vielleicht — liebte — ? Hatte Stephanie dies nicht indiskret angedeuiet? War sie nicht froh gewesen, sich seiner zu Margot'S Gunsten entledigen zu können? Nun, er war gar nicht abgeneigt, ihr den Willen zu thun. Heute ließ diese Verlobung sie vielleicht gkichgiltig, aber der Tag würde kommen — Und 'wieder erschien dieses unheimliche Behagen in dem sonst so liebenswürdigen, offenen Gesicht. Doch er selbst kämpft« jetzt gegen die unedle Regung an. „Ein Jeder darf nach freiem Willen handeln, und kein Anderer ist berechtigt, ihn zu verdammen. DaS Urtheil des Welt gerichtes ist schon in jeder That enthalten, denn den Folgen seiner Handlungen entfkieht Keiner, er muß sie tragen, sich ihnen beugen, ein Entrinnen ist unmöglich — darin besteht die Strafe oder der Lohn für Geschehenes, die eiserne Confequrnz, mit der das Geschick Gut und Böse abwägt!" fuhr es Bernhard durch den Sinn. „Nun wohl, dieses hochmüthize Mädchen hat meine aufrichtige, treue Liebe zurückgewiesen, mich zum Geschöpf de: Menschen gemacht, mag sie büßen dafür! Ich kann mein Schick sal Preisen, das mich noch zur rechten Zeit über den Charakter der Sirene aufgeklärt hat. Diese Liebe werde ich überwinden, ich muß. Und zwar will ich Sorge tragen, daß ich wankelmüthig nicht werden kann!" Er sah wieder freundlich, von wahrhafter Theilmahmc be wegt, in das zuckende, unnatürliche Gesichtchen neben ihm. Sicher liebte ihn dieses kleine, so unendlich anmuthige, liebenswürdige Geschöpf. Einem unbewußten Zwange ge horchend, war sie hinausgeeilt auf die öde Landstraße, dorthin, wo sie ihm zu finden hoffte! Das Jägerhäuschen hätte sie wohl niemals erreicht, der Zufall führte sie aber doch zusammen — ihn, der Hohn und Spott erfahren hatte, und sie, die sanfte Dulderin, welche scheinbar von den Armen treusorgender Liebe umhegt wurde und doch bitteren Mangel litt an Allem, besten so ein junges, warmes Herz bedarf! Wenn er nun gar nicht an sich dachte, sondern einfach der schwer Leidenden gab, wonach sie dürstete? Mußte solch' eine Wohlthat, die eine Seele vor der Verzweiflung rettete, ihn nicht wunderbar befriedigen, ihn wappnen gegen die Geister niedriger Rachsucht und Bosheit, die von ihm Besitz zu nehmen gedachten? „Margot", fragt« er leise, und beugte sich tiefer zu ihr hinab, „liebe Margot, wenn ich Sie nun wirklich fragte, ob Sie mein sein wollen, meine herzige, kleine Braut — würden Sic sich mir anvertrauen, könnte ich dazu beitragen, daß Sie sich weniger ver kästen und unglücklich fühlen?" Sie sah ihn nur «unsicher an. ,Ack>", murmelte sie dann, „ach, ist das kein Traum, kein Scherz? Sie wollten mich wirklich erretten, mich befreien von diesem elenden, unerträg lichen Dasein?" „Ich will es, Margot", sagte er fest und feierlich. „Von diesem Moment ab bist Du meine Braut, gehörst Du zu mir!" Sie schauerte in sich zusammen und schmiegte sich ihm enger an. „Rette mich!" flüsterte sie, aber ihre lieben Augen starricn ausdruckslos ins Leere. Bernhard bog ein wenig den Kopf zurück und küßte sie. Aber tief erschreckt fuhr er zurück. Das war ja, als habe er glühendes Eisen berührt. Ihre Lippen brannten, und die kleinen Hände bewegten sich unruhig unter der Decke. „Und immer fand er etwas auszusetzen an mir", stieß sie un willig, wie zürnend hervor, „ob ich Lob oder Tadel hcimbrachte, niemals war es recht! Und was ich auch sagen mochte, es wurde bemängelt, verurtheilt! Alles, was Andere thun, er scheint ihm beachtenswerth, vielleicht vollendet! Fremde können ihn um den kleinen Finger wickeln, Alles, was sie nur wünschen, von ihm erreichen, für mich hatte er stets nur Strenge und unnatürliche Härte, und oft genug hielt sich auch die Mama schadlos an mir!" Und von Neuem begann sie, mit eintöniger, bedeckter Stimme ihm all' ihr Leid zu klagen, Alles zu berichten, was sie schon einmal gesagt hatte. „Aber nun werde ich fortgehcn von Dir, Papa", schloß sie traurig. „Du wirst Deine kleine Margot schon entbehren, und ich, ich sehne mich todt nach Dir, aber Wiedersehen wirst Du mich doch nicht, nein, niemals, hörst Du. Ich laufe so weit fort, daß Du mich nicht finden kannst, dann wirst Du weinen um mich!" Die Lippen schlossen sich leicht, der kleine Kopf sank zurück. Erst jetzt gewahrte Eckhoff mit Bestürzung, wie eingefallen diese Züge erschienen. Er erkannte, daß er eine Kranke, eine Todt- kranke vielleicht, im Arm hielt. Durch lauten Zuruf verständigte er den Kutscher, daß er schneller fahren und bei dem Franke'schen Hause halten möge. Jetzt ward cs ihm auch klar, daß nur Fieberwahn chre Zunge gelöst habe. Nicht ein großes, festes Vertrauen auf seine Hilfe, wie er vermuthet hatte, ließ sie sprechen, sondern im Paroxismus stieß sie die Anklagen hervor. Diese Erkenntniß rührte ihn noch tiefer, und fest gelobte er sich, von Stund' ab über den Frieden ihrer Seele zu wachen. Er strich beschwichtigend mit der kühlen Hand über ihre heiße Stirn, sie öffnete auch mehrmals weit die Augen, sah ihn aber nicht wieder an. Endlich kam heiser ein einziges Wort über ihre Lippen: „Durst!" Eckhoff netzte ihre Zunge mit Wein, den er bei sich trug. Danach legte sie sich still ergeben wie ein Kind in seinen Arm. Als sie endlich vor ihrem Elternhause angclangt waren, hob er eine Ohnmächtige aus dem Schlitten. Er trug sie ins Haus. Die Thür hatte ihm der Kutscher geöffnet, nun aber kam das Dienstmädchen herzu, welches laut zu lamentiren begann. Als er die Leblose aufs Sopha niederlegte, beugten sich beioe Eltern kies erschütte.t, und schon jetzt von heimlichen Gewissens bisten gepeinigt, über ihr zartes, liebliches Kind. Das Ungewöhnliche der Situation nahm Franke so voll ständig ein, daß er es vergaß, besangen und confus zu erscheinen. Eckhoff sah sich erstaunt in dem wunderbar anheimelnden Raume um, und suchte vergeblich dem Räthsel, daS hier vorlag, auf die Spur zu kommen. Die Anordnung deS Ameublements, der Paneele und ihrer Dccorationen, die Wahl der Bilder, welche die Wände schmückten, die reich blühenden Azaleen und Camelien und all' die zahllosen Kleinigkeiten, die einem Zimmer trautes Behagen verleihen, ver- riethcn hier so viel künstlerischen Geschmack und ließen so viel Harmonie vermuthen, daß alles Häßliche, Zank und Zwietracht ausgeschlossen zu sein schienen! Und doch war die Seele des armen Kindes verschmachtet uno ihr müder Blick hatte wohl meist teilnahmslos all' die hübschen Gegenstände gestreift, weil die Eltren ihr das vorenthielten, dessen ein junges Menschenkind am nothwendigsten bedarf, eine unbegrenzte Nachsicht und Zärtlichkeit. Margot wurde sogleich zu Bette gebracht und Hans lief zum Arzt. Eckhoff aber hatte eine lange, sehr ernste Unterredung mit Franke. Er bat um Margot's Hand, und seine Werbung wurde ohne Zögern, wenn auch mit sichtbarer Ueberraschung, angenommen. Eckhoff hatte vorher die Absicht gehabt, den Later seines bis herigen Verhaltens wegen, der einzigen Tochter gegenüber, zur Rede zu stellen. Diesen Vorsatz wagte er jedoch nicht aus- zufllhrcn, nachdem er einen Blick in diese freundliche Häuslichkeit gethan, in der Alles den tiefsten Frieden zu athmcn schien. Auch war Franke von einer so gewinnenden Liebenswürdig leit, daß Bernhard an dem Gehörten irre ward, und schließlich glaubte, Margot habe im Fieberwahn Dinge ausgesprochen, die ihr nur die überreizte Phantasie vorspiegelte. „Ich freue mich herzlich, daß meiner einzigen Tochter solch' ein besonderes Glück beschicken ist", bemerkte Franke sehr, viel leicht ein wenig zu freundlich, „denn ich schätze in Ihnen einen hochachtbaren Charakter, Herr Eckhoff! Freilich bin ich sehr überrascht, denn man sagte mir, daß Sie sich um die Tochter meines Freundes, um Stephanie Döring, bemühen." „Ich bin Ihnen wohl unbedingte Offenheit schulvig, Herr Franke", lautete die ernste Entgegnung, „und so mögen Sie denn erfahren, daß ich Stephanie Döring tatsächlich mein ganzes Herz zugewendet hatte, von der Dame aber zurückgewiesen worden bin. Sie verrietst mir jedoch ziemlich unzweideutig, daß Margot mir ,zugethan sei. Ihre liebe Tochter aber ist mir so außerordentlich sympathisch, daß ich nicht zögerte, dieses junge Herz ganz für mich zu gewinnen. Ich hoffe, meine dereinstige Gattin so glücklich zu machen, wie sie es ihrem gütigen, kindlich vertrauendem Sinne nach verdient." „Aber ich wußle Loch, daß bei dieser Werbung noch ein an deres Motiv als die Liebe Sie geleitet haben müsse", bemerkte Franke mit einem unangenehmen Lache», „wie hätten Sie auch aus sich selbst auf dieses scheue, unscheinbare Wesen aufmerksam werden sollen!"
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