Neue Erkenntnisse zur Geschichte der Bachbewegung : wie es zur Wiedererweckung Johann Sebastian Bach, zur Bachgesellschaft und Gesamtausgabe kam ; auf Grund bisher nicht veröffentlichter Dokumente aus dem Franz-Hauser-Archiv
Neue Erhenntniffe zur Gefchidite Der ßachbeiuegung Wie es zur Wiedererweckung Johann Sebastian Bachs, zur Bachgesellschaft und Gesamtausgabe kam Auf Grund bisher nicht veröffentlichter Dokumente aus dem Franz-Hauser-Archiv Von Karl Anton (Weinheim a. d. Bergstraße) f Eine historiographische Regel besagt, daß historische Darstellungen alle fünf zig Jahre revidiert werden sollen. Das ist der Art und dem Umfang nach von Fall zu Fall zu entscheiden. Notwendig wird solch eine Revision jedenfalls da, wo neue Funde, Forschungsergebnisse aus bisher nicht erschlossenen Quel len vorliegen oder Resultate anderweitiger Untersuchungen, die das alte Bild von einer neuen Seite her sehen lassen und die bisherigen Auffassungen und Darstellungen wesentlich verändern, klarstellen oder ergänzen. Dies gilt z. B. von den Erkenntnissen über Ermöglichung und Getragensein der Wieder erweckung J. S. Bachs durch die Geistesströmungen und Bewegungen jener Zeit, über das Zustandekommen der (Alten) Bach-Gesellschaft, deren Gesamt ausgabe und anderes. Die erste und zugleich letzte Darstellung davon brachte deren Schlußband Jahrgang 46 - vor 56 Jahren! Hermann Kretzschmar schrieb sie als „Bericht im Auftrag des Direktoriums“ zum Abschluß der fünfzig Jahre zuvor begrün deten Bach-Gesellschaft. Dieser Bericht 1 ist, bei 63 Seiten Umfang, summarisch abgefaßt. Die Quellen, die dafür zur Verfügung standen, wurden offenbar (was die Hauserschen an langt, nachweislich) nur teilweise benützt. Das ist angesichts der Menge von vielfach schwer leserlichen Manuskripten, zu deren Sichtung und Auswertung sehr viel Zeit erforderlich ist, für einen Bericht begreiflich, muß aber doch mitdem gleichen Bedauern festgestellt wer den, das H. Kretzschmar selbst in seiner Darstellung (BG-Bericht, S. 26) dar über ausdrückt, daß man 50 Jahre zuvor „die bedeutendsten Bachbriefe Men delssohns im Briefwechsel Mendelssohn-Hauser nicht ausgewertet habe: wie wären sie der Gesamtausgabe zugute gekommen“. In erhöhtem Maße gilt dies für eine Darstellung der Geschichte der Bachbe wegung hinsichtlich der Hauserschen Materialien. Diese umfassen über acht Jahrzehnte Geschichte der Bachbewegung, reichen im wichtigsten Material weit zurück bis in die Zeit vor der ersten Wiederaufführung der Matthäus passion 1829 und geben so internen Aufschluß über das Zustandekommen der „Bach-Gesellschaft zu Leipzig“ mit dem Ziel der Erstellung einer Gesamt ausgabe, insbesondere aber über die zwei Jahrzehnte währenden, in aller Stille geleisteten mühevollen Vorarbeiten. Was sich in der neueren Bachliteratur hierüber findet, geht auf jenen Kretzschmarschen Bericht „über die Entste hung der Bach-Gesellschaft, über die Anlage und Erfahrungen ihrer Thätig- 1 Im folgenden als BG-Bericht zitiert. Das Vorwort ist Juni 1983 datiert: die öffentliche Ausgabe erfolgt 1900.