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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 01.07.1909
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1909-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19090701028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1909070102
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1909070102
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Nachrichten
- Jahr1909
- Monat1909-07
- Tag1909-07-01
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»tq«» vl««» »V» de» Leser« «n Dresden nn» Umgebung «« »««« « »« »»re», «I, . eno-r.' Mentl.-Ivrgade »vgefteüt, während Morgen »» „ne> Ibonnenten am »ade erhalten. SS. Jichr-iUtß. 18O. Donnerstag, 1. Juli IE. ^'ürus-L « » n>ja«a»»a ««»»„»«»»--- »n N»«UUlu,. > «rh»N>» e-« »u«- la«» ve»t»d«r mit lx» tkorii»<>u«I»d« nit«««n pieeff««. «echte»-« o»r«il^«lU- Uch« vu»I»na»i»»e «achr.»> «»- latst«. — Unoerle»««, vla«nDN»l« ««den «tcht autdoehet. Telegramm-Adresse: Röhrichte« Trcrden. HegvLLrrSet 18S8 Vn«ck und Verlag von Liepsch Sc Reich ardt in Dresden. Hauptgeschäftsstelle: Marienstrasse 58/^0. Fernsprecher: 11. 2tzv« -:l«nl. 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Bom Landgericht Leipzig wurde heute der falsche „Gras Wedel" zu ü Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrenrechts verlust verurteilt. Der Reichstag beschäftigte sich heute mit sozialdemokra tischen Interpellationen betr. Suspension der Getreidezölle und betr. Etnfuhrscheine. Lin Kompromiß bez. der R e i ch s f i n a n z r e f o r,» wird dahin angestrebt, als Ersatzsteuern für die von der Regie rung abgelehnt« Kotierungs-, Mühlcnumsatz- und Kohlensteuer solch« gelten zu lassen, die di« Börse belaste», u. a. eine Divi denden-, Effekten- und Jmmobilien-Umsatzsteuer. Die Konservativen werden, der ..Franks. Ztg." zufolge, die Kotierungs-, die Mühlenumsatzsteucr und den Kohlenaus fuhrzoll und event. die Erhöhung des Umsatzstempels ausgeben. Fürst Eulenburg ist in Berlin ringctrosfen. Die österreichische Marine Verwaltung wird im Herbst mit einem neuen Schifssbauprogramm hervortretcn, das 270 Millionen Kronen erfordert, sich aber auf 5 oder « Jahr verteile« soll. Reoeste Drahlmel-ungen vom 30. Juni. Zar inneren Krisis. Berlin. <Priv.-Tet.) Aus der Umgebung des Fürsten Bülow wird gejchrietuui: Wenn behanple« wird, der Rücktritt des Fürsten erfolgte, weil er Grund zu der Lnpahmc habe, daß -ic Vorgänge der letzten No nein ver tage Leim Kaiser nicht in Vergessenheit gerate» seien, ft> ist Lieg eine Entstellung der Tatsache», die nur auf völliger Unkenntnis oder aus einer absichtlichen Täuschung beruhen kan«. denn der Kanzler weiß, daß er die nnerschütterliche Gunst -es Monarchen besitzt, der durch die Form, in der er daK Entlasst»,gsgesuch Bttlowö annahm, unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat. wie schwer er sich von dem leitenden Staatsmann trennt, der irr der Kraft der Jahre und im Vollbesitze des kaiserlichen Vertrauens noch lange zum Nutzen des Lanöes im Amte bleiben könnte, lind gerade hierin liegt der Unterschied zwischen dem Rücktritt Büluws und dem seiner Vorgänger. Bismarck, Eapriv! und Hohen lohe schieden aus dem Amt, weil sie das Vertrauen des Kaisers nicht mehr besaßen.- Bismarck dazu im Alter von 75 Jahren» der zweite Kanzler seelisch völlig gebrochen und sein Nachfolger durch das Alter verbraucht. Fürst Bülow aber legt in voller Rüstigkeit sein Amt in die Hände deS Ddonarchen zurück, dessen durch keine Ereignisse der Ver gangenheit getrübte Gunst er besitzt: nur allein, weil ParteleaoiSmus und parlamentarische Macht ihm die Wetterführung der Geschäfte unmöglich machen. Es ist auch eine durch nichts erwiesene und »ncrweisliche Behauptung, dcp Kanzler habe zu einem neuen Wahlkampf sich nicht mehr jugendlich genug gefühlt, denn nur rein sachliche Er wägungen haben in dieser Frage de» Ausschlag gegeben. Wer aber für den «anzlerrücktritt nach solchen Scheiiigrü»- den sucht, offenbart danrit das Bestreben, die eigene natio nale Schuld an der inneren Krise vv» sich abznivälzcn. Karlsruhe. In einem Artikel „Entichuldigunqs- versuche" schreibt die „Sü-dd. Reichskorr.": Ein un parteiische» Blatt bemerkt zur Rechtfertigung der Konservativen» sic hätten den Rücktritt des R c i chs ka » z l e r s n i ch t g e iv o l l t. Tiese Art der Ent schuldigung sollten die Konservative» selbst ablehncn. Tie konservativen Führer durften keine» Augenblick im Zwei sel sein, -mos sie taten, als sic unter polnischem Beistand eine Mehrheit gerade gegen diese Vorlage zustande brachten. Zentrum und Pole» wollten von vorherci» hie Schmierig keiten der Reichsstnanzresorm zum Sturze des Reichskanzlers benutzen, dafür suchte» sic Heiser und fanden die Konservativen. F ra » lsurt a. M. lPriv.-Tel.j Wie der „F rank- surker Ztg." gemeldet wird, werden die K v n s e» vatincn die Kotierungs-, die Miihleiiiimsahsleuer und den Kvhlenaiissnhrzoll und vielleicht die Erhöhung des Umsatzstcmpcls a » fgebe n. Deutscher Reichstag. Berlin. iPriv.-Tel.i Das Haus ist schwach besetzt. Abg. Moltenbnhr begründet die sozialdemokratisch« Inter pellation auf zeitweilige Aufhebung der Ge- t r e i d e,z ö l l c. der Z olle ans Futtermittel, so wie der A ii s s n h r s cheine aus G etrei d c. Er fuhrt aus: Tic Löhne sinke» immer mehr, besonders im Bergbau und das Brot wird immer teurer, teils unter der Wir kung des Zolltarüs von IM, teils infolge der aus lSrund des AnsfuhrscheinsystemS gestiegenen übermäßigen Zunahm: der Ausfuhr von Getreide. Tic Regierung müsse dafür sorgen, daß das Brot billiger werde, oder sie müsse den Ar beitern höhere Löhne verschafsen. Füri- Bülow hat mäh rend feiner ganzen Amtstätigkeit so gut wie ausschließlich agrarischen Interessen gedient. Auch setzt ivllcn ia den- iclH-en Leuten, die schon unfcr den hohen Brotpreiscn leiden, wieder M». Millionen Verbrauchssteuern ansgeladen wer den. Wir lebe» in einer Zeis, in der cs noch einmal zu rilicm o-sichi-m Komps mi' den Agrariern kommen mutz. Scho» 1>E Hobe Kollege Schippel ausgesprochen, daß dir Begehrlichkeit der Agrarier keine Grenzen kenne. Einmal wcrde.eS auch zui' Auflösung kommen müssen, und zwar mit der Parole: Für oder wider die Agrarier. Tic Regierung wird zu diesem Schritte greifen müssen, wenn sie nicht zu einem bloßen Werkzeuge der Agrarier sich l,era> würdigen will. — Staatssekretär n. Bc t h ma n n - H v l l w cg: Ich nehme die Frage der Ein-suhrfcheinc -vorweg. Tic Budqet- kommissiv» hat sich heute damit besaßt und ist zu dem Be schluß gekommen, daß die Frage noch nicht reis sei. Die Kommission hat ferner die Regierung um eine Tcnkschriit über diese Frage gebeten. Tic Regierung wird fcibstver- ständlich.wcnn das Plenum sich diesem Wunsche anschlicßt. dem entspreche». Unter diesen Umständen werden Sie eS mir nicht verdenken, wenn ich heute an« diese Einfuhrschciu- -frsge nicht -wieder näher cingche. WaS den Zolltarif an langt, und das Verlangen nach zeitweiliger Suspension des GetreidezolleS, so sind solche Wünsche immer in Zeiten starl schwankender Preise aiisgetancht. Tic Regierungen sind nach wi-e vor der Ansicht, daß sic wegen solcher vorüber gehender Preissteigerungen nicht -von der Grundlage einer wohlüberlegten Wirtschafts-Politik ablaffcn dürfen, wohlüberlegten wirtschaftlichen Politik a-blasscn dürfen. lBcifall rechts t ES ist nur konseauciit, wenn sie an ein-": einmal für richtig befundenen Politik sefthaltcn und sich davon nicht akwendc». wen» einmal vorübergehend starke Preisschwankungen eintrctcn. Man äaini nicht, so wie Sie cs wollen, c!» >«tück ans dem Gebäude unserer Wirtschafts politik hcraiisnchiiien, ohne das <R,iizc zu gefährden. «Sehr richtig! rechts.) Mg« kann sich da lischt gleich durch eine vor- übergdhende Erscheinung beeinflussen lassen. Ich kann mich auch nicht einmal davon Überzeugen, daß durch den Vor schlag der Herren das erreicht werden würde, was sic er streben. Tic Gctreideprcisc sind auch jetzt nicht enorm hoch. Im -Herbst G07 waren sic höher als setzt für Roggen. waren die Preise gelnllen, jetzt sind sie allerdings erheblich gestiegen, aber sic sind noch nicht wieder so hoch als G07. Vergessen Sie auch nicht, daß unsere Getreideproduktion stch unter dem Einslnß unserer Wirtschastspvliiil starl ge stoben hat- Ter Anteil ausländischen Getreides a» unserer Versorgung ist infolgedessen dauernd gefüllten. Ein erfolg reicher Getreidebau ist für uns außerordentlich notwendig. Ein Rückgang desselben könnte )ür uns unter Umst,inten geradezu zu einer Kalamität werden. Ter Staatssekre:är weist weiter gegenüber de», Vorredner daraus hin, wie Ia auch die Lchmeinepreiie wieder zurückaegnligen seien, n»d schließt: Tie Folgen der segenwärtigen ivirtschastlichen Tevrcssion würden sich bei einem Verlassen unserer Wlri- schastspvlitil noch verbreitern und verschärfen, gerade sür diejenigen ErwerbSkreisc, deren Gedeihe» von vcseni lichcm Vorteil für unsere ganze Industrie ist. Aus der artige Experimente können sich daher die verbündeten Re gicrunge» nicht entlassen, sondern sic halten im wohlver standenen wirtschaftlichen Interesse des Ganzen seit an der bewahrten Wirtschastspvlilit, die sie einst linier Ziiniminnng der Mehrheit des Reichstages cingesührt hasten. lBenall rcchls und !m Zentrum.! — Ans Antrag des Abgeordneten Singer wird Besprechung der Interpellation beschlossen. tFortietzuna im Moracublatte.» Ans den Reichstagskommisstsnen. Berlin. lPriv.-Tel.j I» der B » d g c t k o m m i >- sio » des Reichstages legte beute vor Eintritt in die Tages ordnung Abg. Erz berge r lZentr.j zu Protokoll Ver wahrung ein gegen Berichte der „Magd. Ztg." und insbeson dere der „Köln. Volksztg.". über die Verhandlungen der Budgctkvinillission betreffend die Beamtenbcsoldung, die sich in sehr unsreundlichex Weis« mit seiner Person be schäftigt Hütten. Er gab seinem Erstaunen über diese Kritik vor allem i>i der „Köln. Volksztg.", besonders deshalb Aus druck, weil die Verhandlungen vertraulich gewesen seien. Tex Vorsitzende der Kommissibu bestätigte' den vertrau lichen Evaraltcr jener Verhandlungen. Tann beriet die Kommission über den N a ch t r ag s c ta t, der de» Erwerb eines zweite» Truppenübungsplatzes iltr das Gardekvrps und des tte-lingSplatzcs für die Eiicnbahu- brigaüc betrifft, sowie im Zusammenhänge damit die Ver äußerung eines Teils des Tempel!,vier Feldes. ES wurde eine Resolution angenommen, in der die Kommission ihr Einverständnis auSfpricht. Tann wurde der Antrag der Freisinnigen über die E i n i n h r s ch e i n e beraten. Ter Antrag bezweckt eine .Herabsetzung der tkeltungssrist der Einsuhrschcinc von <> auf höchstens 8 Monate, sowie tic Beschränkung ihrer Geltung zur Zollentrichtung ans die Wareugatlung, für welche bei der Ausfuhr der Einsuhr- ichei» erteilt worden ist. Tieielste Angelegenheit behände!» Petttivnen von deutschen Müllerverbänden, Müllervereini- aungen, Hgiidelskammer» »sw. Referent ist Abg. Gttnthcr- Plane» lfrcis. Volksp.j. Ter Antrag der Freisinnige» wurde nach längerer Beratung abgclehnt. Angenommen wurde dagegen ein Zentrumsantrag. der die Regierung zu einer Denkschrift über die Frage der Einsuhrscheine ans- fvrdcrt, Bon der Zwischenlandung des „Zcppelin 7" in Bibrach F r i cd r i ch s ha s c n. lVon unserem Sonderbcricht- crstatter.j Heute früh brachte« Monteure einen während der Nacht in Manzell reparierten, bei der Landung be schädigte» K v n st r »k t i o n s t c i l im Automobil nach Bibrach zurück. Ein mitsahrcnder Monteur erzählte, daß die Belastung deS Luftschiffes infolge des Wolke» bruchS trotz Abgabe allen Ballastes so stark gewesen sei. daß das Luftschiff .ziemlich rasch gefallen sei, wobei die «Hilst und Wissenschaft. -s-E Konzert de» Koschat,Quintetts Wenn Thomas Koschat mit seinem Quintett kommt, ko findet er immer willige Hörer in großer Anzahl. Auch gestern hatte der Ruf des Komponisten von „Verlassen bia i" den weit n Ranm vor dem Konzertvodium des Zoologischen (Härtens bi» auf die Terrassen hinauf dicht gefüllt. Freilich, mit allzu hohen musikalischen Anfordcruligen darf man an die Mehrzahl der Lieder, die er bietet, nicht herantretcn. Sie sind Nachbildungen des Kärtner Bolksgesanges. und io überaus schlicht, wie sich dieser Bolksstamm im Worte gibt, so naip sind auch seine -Weisen, „schlichte Weisen" im ur sprünglichsten Sinne des Wortes. Die Koschatsche» Gelange setzen darum, wenn sie zu voller Wtrkmni, gelangen solle», -Hörer voraus, die sich nai-o und ohne Reflexionen dem Ge. nnsse dieser volkstümlichen Knust hinzugeben vermögen und willig die starke Dosis Sentimentalität mit hinnichinen, ohne die es nun eilunal weder im eigentliche» Kärtüer BolkSliede noch bei Koschat abgöht. Eine einfäche, sangliche DurMelodie, gekennzeichnet Lurch einen leisen Ton leich ter Klage, der fast regelmäßig auch in die Freude hinein klingt. getragen von der klaren Harmonik der Hguptdrei- klänge und häufig begleitet von der Wer die Melodie schlagenden Domtnantseptime, das ist eigentlich schon alles; ,vaS Koschat mnsikaltsch bietet. So kommt es, daß sich fast alle feine Lieder ähneln und daß maq es beinahe angenehm empfindet, wenn das Programm einmal durch ein Lieb unterbrochen wird, das sich, wie die qeftern zugeqebeue „Vallad, vom Rttterlein" — wohl von Adolf Kirchl — «in wenig von diesem Pfade entfernt! Uebrigens war gerade diese Zugabe «in wahres Kabinettstückchen der Vortrags- kunst. vortrefflich pointiert und mit prächtigem Humor ge. junge«. Sonst sang man im bunten Wechsel alte, längst bekannte und neu« Lieder, meist von »osch-t, wobei ma« srkUich die Beobachtung nicht unterdrücken konnte, baß an Unmittelbarkeit der Erfindung die älteren den jüngeren („Der Thome vom Kärntnerland" »In Blttzdorf bei Sankt tztcsan" u. a.i stark überlegen waren. Tas Publikum aber nahm alles dankbar hin und überschüttete den Komponisten und seine Sänger nach jeder Nummer mit Beifall. —c>e. Berliner Leben. «.Berlin» 2». Juni. „Das Rollen der Begebenheit", um mit Faust zu reden, haben wit in der deutschen Reichshauptstadt dieser Tage nur zu deutlich vernommen. Reichssinanzrefvrm — Ab lehnung der Erbansallstcuer — Rcichstanzlerkrijc — das schwirrte nur so durch die Luft und hielt alle Welt in Atem. Auch -er Chronist darf daran nicht achtlos vorübcrgchc» — wird doch das Berliner Leben auch von diesen politischen Ereignissen stark beeinflußt. Sonst war es „m diese som merliche Jahreszeit langsann eingeschlafcli. waren die Möbel tu allen besseren Wohnungen bereits cingemottet und die Koffer von den Böden heruntergeholt. Man rüstete sich zu dem großen Reisen, das zu Beginn -er Schnlscrien wie eine Epidemie um sich zu greifen pflegt. Heuer ist davv» nicht halb so viel zu verspüren, wie in vergangenen Jahren.- Die Unsicherheit der politischen Lage, die fast von Tag zu Tag ihr Gesicht verändert und neue überraschende Züge aufweist, hält viele Familienväter vorläufig noch vom Reisen znrttck. Sie sind bis auf weiteres an die Scholle gefesselt, nicht »ur die Politiker von Fach, sondern auch zahlreiche Industrielle, Finanzleute und Gewcrb- treibeüde. Kür manche, die der schlechte» Zeiten wegen das kostspielige Reisen sowieso gern unterlassen hätten, ist dies ein willkommener Dvrwand. Sic können „mit Anstand" daraus verzichten, ohne sich vor ihren Bekannten „schämen" zu müsien oder ihren Kredit zu schädigen. „Die Lumme Politik!" heißt eS, „sie macht uns einen -Querstrich lind bringt uns diesmal um unsere ersehnte Erholungsreise!" Roch nie zuvor las man in Berliner Blättern so zahl reiche Anzeigen, in denen sich Lehrer erbieten, Kinder, deren Elter« verhindert sin-, selbst zu reisen, mit auf die Reise zu nehmen. Roch nie zuvor ist von solchen Ancrbietun- gen ein so reichlicher Gebrauch gemacht worden wie dies mal. Alle die billigen Sommersrischen i» der Mark nahe bei Berlin werden in diesem Jahre von solchen Pensio nären überfüllt sein, und manche Eltern werden bei der Gelegenheit sicher die Erfahrung machen, daß ein- Auscitt- liatt in cinsachstcr, friedlicher Landstillc für ihre Spröß- lingc viel zuträglicher ist, als die Unruhe in üppigen Mvdebädcr». -Hoffentlich werden sic daraus für die Zukunft die entsprechende Lehre ziehen. Aber auch die vvrlänfig in Berlin zurückblcibcndcil Nichtreifenden werden ihre Erfahrungen machen. Sic wer den erkennen, viele zu ihrem Erstaune», daß die Reichs- Hauptstadt auch als rivlgedril»ge»c „Sommerfrische" manche Vbrzttgc besitzt. Es wird ja immerhin noch genug gereist werde», so daß die Neberfittliing einzelner Lokale aus- hüre», der Lärm aus den Straßen einigermaßen Nachlassen und die Unruhe des Berliner Lebens einer wohltuenden Gemächlichkeit und Friedsamkeit weiche» wird. Tkohdcm bietet auch LaS sommerliche Berlin Zerstreu,luge» in Masse. Nenerdings sogar, seitdem wir draußen bei Kroll eine wirklich anständige Svmmeropcr besitzen, seitdem einige BrrgUüglingSlokäle, wie die prächtigen Terrassen in -Halcnsee, einen wirklich großartigen Charakter erhalten haben, können wir es in dieser Beziehung auch mit anderen berühmten Sommerstüdtcn einigermaßen ansuchmen. Hat doch sogar Hermann Gnra. der tüchtige und erfolgreiche Leiter der Krvll-Oper, den gelungenen Versuch gemacht, «ine „Meistersinger"-Alifftthrilng mit Feinhals und Geis aus München nicht »ur im Bayrenther Stil, sondern auch in Bayrenther „Aufmachung" zu bieten. Sic beganu — natürlich a» einem Sonntag — um 5 Uhr nachmittags, und eS gab nach dem zweiten Aufzug eine einstiindige Soupcrpausc, die einen ebenso vollen Erfolg hatte, wie die Ausführung selbst, dir trefflich »vor. Dieser Vorgang ha: unternehmende Spekulanten veranlaßt, einem schon lang? erwogenen Plane jetzt näher zu treten. Sie haben der Königlichen Generalintendant«» ein verlockendes Angebot wegen Ankaufs des Krvllschcn Lokals gemacht, a»f dessen umfangreichem Gebiet sie ein Opernhaus nach Bayreuther.
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