METOPEN DES ATHENERSCHATZHAUSES 67 schöne Mädchengestalt bricht siegreich durch. Wenn man damit ver gleicht, mit welch wil der Wut und Gier sich der viel plumpere He rakles auf die verwun det am Boden liegende Hirschkuh stürzt, dann ist die Absicht nicht zu verkennen: Helden waren sie alle beide, Herakles und Theseus, aber Herakles ist der rohe Barbar, Theseus der gesittete Athener. Die Marmorbearbei tung ist an den Metopen von unübertrefflicher Feinheit und Exakt heit, die Erfindung der Motive voll sprühenden Lebens, die Kompo sition in dem engen Rahmen von glücklicher Prägnanz, kurz dieser attische Metopenfries ist ein wundervolles Gegenstück zu dem älteren Siphnierfries, eine edle Schöpfung des reifen Archaismus, die uns ein gütiges Geschick über die Jahrtausende hinweg in ewiger Jugendfrische bewahrte. Wie an vielen anderen Gebäuden und Monumenten fanden sich an den Außenmauern des Athenerschatzhauses, besonders an der Südmauer, aber auch an den Tempelstufen viele Inschriften, ne ben den üblichen Freilassungsurkunden und Proxeniedekreten Verzeichnisse der Teilnehmer an den Festprozessionen, Siegerlisten mit Kränzen darüber, Namen von Dichtern und Schauspielern, die an den pythischen Festen mitgewirkt, Amphiktyonenbeschlüsse und Senatsbeschlüsse. Der interessanteste Fund aber waren die zwei Apollohymnen, die, aus dem 2. Jahrh. v. Chr. stam mend, an der Südwand eingegraben waren zur Erinnerung an den damit errungenen Sieg. Über dem Text der Gesänge stehen in kleinen Buchstaben die Notenzeichen, und da es gelang, diese sicherzu- 5* Abb. 29b. Metope vom Athenerschatzhaus. Theseus und Antiope