DAS GEBIET Das diesen Schilderungen zugrunde liegende Forschungsgebiet ist einmal die Nordwest deutsche Tiefebene, wird also begrenzt im Westen durch die holländische Grenze und den Dollart, im Norden durch die Nordsee, im Nordwesten durch die Elbe von Cuxhaven bis Schnackenburg, im Osten durch die Provinz Sachsen und im Süden durch eine Linie etwa von Fallersleben über Hannover bis Bentheim. Dieses Gebiet gliedert sich nach seinen natürlichen Verhältnissen leicht übersichtlich in drei Landschaftsformen: Marsch, Geest, Moor. Indessen ist hier keineswegs eine systematische Bearbeitung beabsichtigt, weder der drei genannten Landschaftsformen noch ihrer Vogelwelt. Wohin uns unser Boot und unsere Füße trugen, da haben wir Beobachtungen und Aufnahmen gemacht; also, wie schon der Titel anzeigt, wesentlich in den Flußmarschen, Mooren, in der Heide und den Teichen. Natürlich lassen sich diese Gebiete nicht immer scharf abgrenzen, deshalb sind hier und da auch die angrenzenden Gebiete berücksichtigt. 1. Die Flußmarschen an der unteren Weser und ihren Nebenflüssen. Hier kommen für diesmal in erster Linie die ausgedehnten Wiesen- und Weideflächen an der unteren Wümme und Hamme in Betracht. Dieses umfangreiche Gebiet ist durchweg eben und von zahl reichen größeren und kleineren Wasserzügen durchschnitten, so daß man mit dem Boote überall hingelangen kann. Ungenügende Entwässerung in früherer Zeit hat den Boden anmoorig und sauer gemacht. Vom Spätherbst bis in das Frühjahr ist der größte Teil des Gebietes überflutet. Heute ist die Be- und Entwässerung wenigstens im Unterlaufe der Wümme und Hamme geregelt. Dieser Umstand und der infolge der Weserkorrektion be trächtlich gesunkene Stand des Grundwassers sind auf die Pflanzen- und Tierwelt von einschneidenden Folgen gewesen. Die großen und undurchdringlichen Rohrdickichte, von denen noch heute die alten Leute erzählen, sind bis auf wenige Reste verschwunden und mit ihnen ihre Bewohner. Es klingt wie ein Märchen, wenn jene Alten erzählen, wie in ihrer Kinderzeit die Mägde sich gescheut haben, zum Melken „ins Feld“ zu gehen, aus Furcht vor dem unheimlichen Gebrüll und den bösartigen Angriffen des „Iprump“, der Großen Rohrdommel. Heute nistet dieser höchst eigentümliche Vogel nur noch an einer Stelle des Sankt-Jürgen-Landes und auch dort nicht in jedem Jahre. Auch der Hauben taucher, früher ein ständiger Brutvogel dieser Gegend, hat den veränderten Verhältnissen weichen müssen. Große und Kleine Bekassine sind sehr selten geworden. Im allgemeinen jedoch wird man. trotz gegenteiliger Behauptungen, kaum eine wesentliche Verminderung der Vogelwelt dieser Gegend in den letzten vier bis fünf Jahrzehnten feststellen können. Meine regelmäßigen Beobachtungen erstrecken sich über einen Zeitraum von reichlich vierzig Jahren. In dieser langen Zeit habe ich eine Abnahme der Arten- und Individuenzahl, abgesehen von gelegentlichen Schwankungen, nicht beobachtet. Nur der Kiebitz macht hiervon eine auffallende und beklagenswerte Ausnahme. In jedem neuen Frühjahr, wenn das Winterwasser von den Wiesen und Weiden ver schwindet, stellen sich in ungezählten Scharen die alten, wohlbekannten Gäste ein: Kiebitz, Rotschenkel, Kampfläufer, Bekassine, Uferschnepfe und viele andere. Zur Zeit der Paa rung, etwa von Mitte April bis Ende Mai, bieten die weiten Grasflächen ein unvergleichlich