Bachs Stellung in der Leipziger Kulturpolitik seiner Zeit 25 Herren Holzel, Jöcher und Kregel. Inzwischen regierte Bürgermeister Lange. So fällt ausgerechnet dem Sprecher der Kapellmeisterpartei die peinliche Auf gabe zu, die Absage ihres Spitzenkandidaten mitzuteilen. Er sagte: Telemann „entschuldige sich, daß er nicht dimittiret werden wolle“, äußert aber Zweifel an dieser Begründung: „so man dahin stelle, und wie hierunter von ihm ver fahren worden.“ Die Bewerber werden neu vorgestellt; denn jede Partei hat einen Kandidaten nachgeschoben, die Kapellmeisterpartei Georg Friedrich Kauffmann, Kapellmeister in Merseburg, 43 Jahre,’ 0 die Kantorenpartei An dreas Christoph Duve, Kantor in Braunschweig, 46 Jahre 11 '. Die nachgeschobe nen Kandidaten werden vorweg genannt, wieder zuerst der der Kapellmeister partei, dann der der Kantorenpartei. Hierauf folgen die Bewerber, die schon in der ersten Sitzung am 14. Juli genannt worden waren (Telemann natürlich ausgenommen), und zwar in rückläufiger Reihenfolge: Steindorff, Lenck, Rolle, Schott, Fasch. Dadurch kommt der neue, zweite Spitzenkandidat der Kapell meisterpartei wieder an die letzte Stelle zu stehen. Fasch, inzwischen Kapell meister in Zerbst, war, wie vordem Telemann, am Ort selbst schon bekannt, nämlich als Gründer des zweiten Collegium musicum der Stadt. Lange versieht die Nennung seines Namens mit dem Zusatz: „ein geschickter Mensch“, womit er meint: ein in der Musik geschickter Mensch. Noch kann der Sprecher der Kapellmeisterpartei ihren nachgeschobenen Kandi daten vor dem der Gegenpartei nennen, vor allem aber ihren neuen Spitzen kandidaten nominieren; doch das verdankt er nur dem Vorteil, den die Ge schäftsordnung dem Regierenden Bürgermeister mit der Vorlage des Tages ordnungspunkts gibt. Denn die Absage Telemanns ist für die Kapellmeister partei nicht nur peinlich; sie ist eine Schlappe. Mit dieser Absage hat sie nicht nur ihren fähigsten Kandidaten, sondern, mindestens vorerst, auch die Chance verloren, eine neue Definition des Amts durchzusetzen. Die Kapellmeisterpartei ist geschwächt. Die Kantorenpartei fühlt sich gestärkt. Nun ist sie gewillt, auf preises, der dann auf 1 Mark begrenzt worden wäre; in diesem Fall könnte zudem die Gebühr für die Überlassung des Drillhauses festgelegt worden sein. Plausibel übrigens wäre, wenn den Oberalten gar nicht allein Telemanns Konzerte, sondern ebensosehr seine Tätigkeit bei der Oper, wo am 13. Juli 1722 Telemanns „Sieg der Schönheit“ uraufgeführt worden war, ein Dorn im Auge gewesen wären: Sie hätten sich gegen die Konzerte ge wandt, gleichzeitig die Oper gemeint. Offensichtlich ging es auch beim zweiten Grund des Entlassungsgesuchs ums Geld: Hier standen beträchtliche Nebeneinnahmen Telemanns zur Diskussion. 35 F. W. Riedel, MGG 7. Sp. 749-753, und besonders J. Rifkin in The New Grove Dicti onary of Music and Musicians, London 1980, 9, S. 830!., auch E. L. Gerber, NTL 5, Sp. 21 f. 36 Andreas Christoph Duve wurde — nach Kirchenbüchern aus der Stadt Braunschweig - am 30. Juli 1676 als Sohn des Pastors an der Aegidienkirche Achatius Duve zu St. Aegi- dien getauft, war Kantor an der Martinikirche (durch Tauf- und Beerdigungseinträge seiner Familie seit 1713 bezeugt) und wurde am 5. November 1749 zu St. Martini be erdigt (Mitteilung des Stadtarchivs Braunschweig vom i.März 1982). Universität Helm stedt Immatrikulation Andreas Christoph Duve 19. März 1701, Achatius Duve 16. Juni 1664 (zu ihm G. Seebaß u. F.-W. Freist, Die Pastoren der Braunschweigischen Evange lisch-Lutherischen Landeskirche, Wolfenbüttel 1969 und 1974, II, S. 75 Nr. 964 f., u. I, S. 40).