22 Ulrich Siegele In den Verhandlungen ist stets nur von Telemanns erstem Grund die Rede. Doch muß auch der zweite Grund eine Lösung gefunden haben, die Telemanns Interessen wahrte. Die „für mich anitzo nicht favorable-scheinenden Conjunc- tureri', von denen das Entlassungsgesuch spricht, meinten zuerst den Wider stand der Oberalten gegen seine öffentlichen Konzerte. In der Formulierung des Antrags der Oberalten an den Senat vom 17. Juli 1722: „Weil der hiesige Cantor Telemann aber mahl vor Geld in einem öffentlichen Wirtshause seine Music aufzuführen gesonnen“, bezieht sich „aber mahl“ nur auf „vor Geld“; denn das erste Konzert Telemanns hatte am 3. April 1722 nicht in einem „öffentlichen Wirtshause“, sondern im Drillhaus, dem Exerzierhaus der Bürgerwehr, in einem städtischen Gebäude also stattgefunden. 30 Die Oberalten wollten sagen: zum zweitenmal für Geld und jetzt auch noch in einem öffentlichen Wirtshaus. In diesem Zusammenhang nun fällt auf, daß in der Hamburger Konzertchronik von ijn bis 2767, die Menke mitteilt,' 11 in den nächsten 20 Jahren nur drei Konzerte in einem „öffentlichen Wirtshause“ angekündigt sind; diese drei Kon zerte aber haben nichts mit Telemann zu tun. 13 Alle anderen Ankündigungen von Konzerten lauten auf das Drillhaus. 1 * Vielleicht ist also ein Kompromiß ausgehandelt worden: Die Oberalten konzedierten Telemann die Veranstal tung allgemein zugänglicher Konzerte gegen Eintrittsgeld, Telemann seiner seits verzichtete auf „öffentliche Wirtshäuser“ als Ort dieser Konzerte. 34 So sprach nun alles für, nichts gegen Hamburg. Am oder bald nach dem 6. No vember sandte Telemann das Schreiben, womit er absagte, nach Leipzig. Am 20. November war seine Absage auch in der Öffentlichkeit bekannt: „Es ist die hiesige Cantor-Stelle zu dato noch nicht besetzet, und weiß man auch nicht, wem selbige dürfte aufgetragen werden; weil der hierzu berufene Musicus aus Hamburg solche vor dißmahl nicht annimmt, sondern bey seiner vorigen Stelle, wie man nunmehro höret, verbleibet.“ Die zweite Etappe Die zweite Etappe ist die Aufstellung einer ersten Dreierliste. Der Enge Rat befaßte sich mit der Nachfolge Kuhnaus erneut am 23. November, dem 17. Tag, nachdem in Hamburg die Entscheidung gefallen war. In der Sitzung fehlen die 30 M. Schneider, DDT 28, S. XLI. 31 W. Menke, a. a. O., Anh. S. 1-65. 32 In der einen Ankündigung vom 27. November 1724 (S. 8) deutet der gegenüber dem normalen verdoppelte Eintrittspreis von 2 Mark auf das Gastspiel eines auswärtigen Virtuosen; in den beiden nächsten Ankündigungen vom 16. Dezember 1727 und 6. März 1728 (S. 13) ist Hurlebusch genannt. 33 Auch die Übersicht, die J. Sittard, Geschichte des Musik- und Concertuesens in Hamburg, Altona und Leipzig 1890, S. 60-68, über „Concertaufführungen unter Telemann“ gibt, verändert das Bild nicht. Zwar wird auf den 16. Mai 1730 ein Konzert „im neuen Amt hause der Weinhändler“ angekündigt (S. 67). Der Eintrittspreis betrug aber einen halben Reichstaler gleich anderthalb Mark, war also um die Hälfte höher als normal; demzu folge handelt es sich um eine Ausnahme, möglicherweise auch hier um das Gastspiel eines auswärtigen Virtuosen. 34 Vielleicht umfaßte der Kompromiß auch eine Vereinbarung über die Höhe des Eintritts-