ÄQ 4! Bachs Stellung in der Leipziger Kulturpolitik seiner Zeit 29 in keinem Fall hinnehmen; denn damit hatte die Kapellmeisterpartei material in die Rechte der Kantorenpartei eingegriffen. Die Probe Kauffmanns mochte bloß strittig sein; die Probe Schotts war von vornherein ungültig/'’ Die Probe Duves allerdings war gültig, aber kein Erfolg: Schon die Zeitungs meldung versenkte ihn, der fortan nicht mehr erwähnt wird, in die Anonymität. Um so gelegener kam es der Kantorenpartei, daß ihr die Kapellmeisterpartei > durch einen verfahrensrechtlichen Verstoß die Möglichkeit gab, formal die Gültigkeit der Proben der beiden nächsten Kandidaten der Kapellmeister- 1 partei anzufechten. Denn hätte aufgrund dieser Proben die Wahl stattgefun den, wäre es gerade nicht, wie sie doch gerechnet hatte, eine Entscheidung zwischen ihren beiden Kandidaten, sondern eine Entscheidung zwischen den d beiden Kandidaten der Kapellmeisterpartei auf der ordnungsgemäß beschlos- r wie die Lozierungen im Verlauf des Verfahrens vermuten lassen, Kauffmann als Sieger hervorgegangen wäre. Um das zu verhindern, focht die Kantoren- 5 partei die Gültigkeit der Proben der beiden Kandidaten der Kapellmeister- 5 partei an, weigerte sich also, aufgrund dieser Proben eine Wahl vorzunehmen, u und forderte, daß ihrem zweiten Kandidaten Rolle, der im Gegensatz zu den d beiden Kandidaten der Kapellmeisterpartei auf der ordnungsgemäß beschlos- 2 senen Liste gestanden hatte, die Gelegenheit gegeben werde, seine Probe nach zuholen. Da zunächst einmal keine Proben stattfinden konnten, wurde die Ent- z Scheidung bis nach dem Ende des Tempus clausum vertagt. 1 Dieser Vorgang macht eine fundamentale Voraussetzung des ganzen Verfah rens deutlich. Im Leipziger Rat scheinen damals, jedenfalls bei derartigen Per- )2 sonalfragen wie der Wahl des Kantors an der Thomasschule, Kampfabstim- u mungen nicht üblich gewesen zu sein. Diese Konvention machte keine Probleme, >2 solange über das Prinzip, nach dem die Qualifikation der Kandidaten beurteilt werden sollte, Übereinstimmung bestand oder wenigstens nur Kandidaten einer Richtung zur Wahl standen. Jetzt aber standen zwei unterschiedliche Prinzi- iq pien der Beurteilung und auch die entsprechenden Kandidaten zur Wahl. Da aj jede Partei für die Wahl auf die Stimmen der Gegenpartei angewiesen war, »1 konnte die Entscheidung durch eine Wahl nicht mehr getroffen werden. Die 3 Entscheidung konnte nur dadurch fallen, daß es einer der beiden Parteien ge- eI lang, die Kandidaten der Gegenpartei aus dem Feld zu schlagen, das dann Nach der Zeitungsmeldung fanden die Proben von Kauffmann und Duve „in der Niclas Kirchen“, die Probe von Schott „in einer anderen Kirchen“ statt. Wegen der Möglichkeit, auf ein und denselben Sonntag drei Proben ansetzen zu können, war die Ausnahme ge macht worden, daß, was am 1. Advent nicht üblich war, in der Vesper Figuralmusik auf geführt wurde. Wollte man auch in diesem Fall die an Feiertagen gebräuchliche Alter nation der Hauptkirchen annehmen, dann hätte Schotts Probe in St. Thomas stattgefunden. Allerdings bezeichnen die Zeitungsmeldungen, mit der einzigen Ausnahme der Ankün digung der Probe Graupners, sonst die beiden Hauptkirchen zweifelsfrei mit Namen. Es wäre also zu erwägen, daß Schotts Probe in der Neuen Kirche stattgefunden hat. Vielleicht war sie überhaupt auf den Protest der Kantorenpartei hin aus einer der Hauptkirchen in die Neue Kirche, wo Schott tun konnte, was er wollte, verlegt worden. Hätte Schotts Probe tatsächlich in der Neuen Kirche stattgefunden, dann haftete ihr zu- ) dem der Makel an, daß sie mit Schotts eigenen, nicht mit den in den Hauptkirchen y üblicherweise Mitwirkenden stattgefunden hätte.