86 Karl-Siegbert Rehberg Klassen, Schichten, Milieus Bemerkungen zu Kategorien und Interpretationen sozialer Ungleichheit i. Mag sein, dass Dresden günstiger dasteht als viele andere Städte - vor allem in Ost deutschland. Insbesondere durch die Ansiedlung großer Chip-Fabriken nimmt es eine Sonderstellung ein, ist vielleicht - wie etwa auch Jena - so etwas wie eine »blühende Insel« in wirtschaftlich schwacher Umgebung. Während die Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern bei 18,3 % (in den alten hingegen bei 8%) liegen, sind es in der Stadt Dresden 15,8% (davon 40% Langzeitarbeitslose). 1 In der »Wirtschafts Woche« wurde die Stadt im Juni 2006 nach einem Ranking unter 50 deutschen Großstädten zwar als »Aufsteiger des Jahres« gefeiert, wobei die stolze Nachricht sich auf unterschiedliche Zuwachsraten (zwischen 2000 und 2005) gründete: Die Arbeitseinkommen pro Einwoh ner in Dresden waren um 9,3 % gestiegen (Mittelwert + 3,2 %); ebenfalls auf dem ersten Platz lag die sächsische Landeshauptstadt bei der Steigerung der Wirtschaftskraft je Ein wohner (+30,6%) und der Produktivität (+29 %). Auf Platz 2 aller deutschen Städte lag sie bei der Zunahme der Investitionsquote und der hochqualifizierten Beschäftigten. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Dresden beim Vergleich des Einkommens je Beschäftigtem trotz aller Zuwachsraten nur auf dem 45. Platz lag und eine entspre chend schwache Realsteuerkraft aufwies. Auch war der Rückgang sozialversicherungs pflichtig Beschäftigter mit-4,6% leicht überdurchschnittlich. 2 Selbstverständlich haben sich in den Wohlstandsgesellschaften die Formen der Armut verändert, ist zumindest in Deutschland die empörendste Not kaum mehr sichtbar. Die Massen der »stempelnden« Arbeitslosen sind ersetzt worden durch massenhafte Einzel existenzen, die mit individueller Terminplanung ihre »Arbeitsagentur« aufsuchen. 3 Armutskategorien sind deshalb als relative zu bestimmen. Die Ungleichheitsforschung arbeitet mit Berechnungen, die sich auf durchschnittliche Haushaltseinkommen bezie hen (das arithmetische Mittel lag 2005 für das Bundesgebiet pro Monat bei € 1416, der Median bei € 1154). Wer weniger als 60 % des letztgenannten Wertes zur Verfügung hat, gilt als »relativ arm«. Dabei zeigt sich, dass die Altersgruppe von 11 bis 20 Jahren am meisten von Armut betroffen ist, dann erst die über 60-Jährigen, vor allem aber auch alleinstehende Frauen mit Kindern. Ebenso klar ist der Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Armutsrisiko (42,1 %). Gerade weil »Hartz IV« durch die Zusammen legung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe die Unterstützungsleistungen vom letzten Nettolohn abgekoppelt hat, kann jeder schon ein Jahr, nachdem er seine Arbeit verlo-