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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.02.1906
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-02-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19060215028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1906021502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1906021502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1906
- Monat1906-02
- Tag1906-02-15
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WWW Z 1 1 Anzeigen-PreiS Abend-AuSgabe UciWMrTagcblaN 100. Zabrqancf Nr. 83 Donnerstag 15. Febniar 1906. ,u- SS Feuilleton Steht still, ihr ewig rollenden yimmelssphSren, Unck hemmt cile Jelt, cksft Mitternacht nie komme. Lrwache, schünes Rüge 6er dlatur, Au ewigem Lsgl Dehn' au8 rum fahr cile Stunde, Aum lUonck, rur klloche, sei's such nur rum Lage. I7I»tto»e. * Französische Kaufleute sollen sich verpflichtet baben, vem Prätendenten in Marokko gegen Einräumung von Handelokonzessionen in dem von ihm besetzten Gebiete 1 Million Francs und 70 000 Gewehre mit Munition zu liefern. (S. Ausl.) * Der Hilfsausschuß für die notleidenden Deutschen Rußlands hat taut Gebelliste Nr. 8 bis 5. Februar fast 200 000 empjungen. die 6gespaltene Petitzell« für Leipzig und Umgebung LS Ps., sä, auswärts 30 Pfg. Familien- Wohnung»- and Etellen- Anzelgra 20 Pf. FtnanzielftAnzeigen, GeschSst-an-elgen unter Text oder an besonderer Stelle nach Taris. Für da- Erscheinen an bestimmten Tagen u. Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeige» und Extrabeilagen nur in der Morgeti-Ausgabe Schluß der Annahme nachmittag- 4 Uhr. Ivezugs-yrers i» da tzauptexpedUto» oder da« Au-gabo- ftellr» nbgeholt: otertrltährlich LM, bei täglich »wetnulltga 8»KeL»g t»S tzau- vterteljährlich ^l S.—. Durch »»sa» ans- wärtig« AuSgadestellea »nd durch di« Bost bezogen für Dentschlmch und Oesterreich vierteljährlich LSOb für die ädrige» Länder laut FeUaagSpretSliste. va» Wichtigste vom Lage. * Der Kaiser ist heute vormittag ll Vr Uhr nach Kiel abgereist. * Die Besprechungen zwischen den deutschen und fran zösischen Delegierten der Marokko-Konferenz haben eine Annäheruug zur Folge gehabt. (S. Marokko-Konferenz.) «rtzaM», und Ertzedtttuar IohaantSgasi« 8. Telephon Nr. tüL Nr. 222. Rr. N7S. verlfteer Re»attto»s«Bnrea»: Berlin kkVV 7, Dorvtheeuilratz« SL. Tel. I. «r. 927b. Dresdner HtedattiouS-Bureau: DreSLrn-?ll. KSuneritzstr. 2Ü. Lei. I. Nr. 4583. Bnzelgen-Annahmet Angaftmsvlatz 8, Eck« Joüanul-gasse. H««»t»Ktltale Berlin: TarlDnnck« r,Herzgl.BayrDofbuchhandlg„ Lützowstraßr 10 lFrrnsprecha Amt VI Nr. -603). Filial-Expedition: DreSden.Marienür 34. Handelszeitnng. ÄmtsMatt des Rates Md des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig französische Regierunamuß sehr klug und vorsichtig zu Werke gehen, wenn sie eine Wiederholung der unglaublichen Begeb nisse von Sainte Clotilde und Saint Pierre du Gros- Caillou vermeiden will! Die zukünftige Verteilung der englischen Flotte. Wenn sich die Meldung der „Daily Mail" von einer für den Juni geplanten weiteren Verschiebung der englischen Seestreitkräste nach dem Norden bewahrheiten sollte, dann würde sich die britische Flotte folgendermaßen verteilen: Kanalflotte, mit erstem Kreuzergefchwader, in Summa 25 Linienschiffe und 10 Panzerkreuzer, basiert aus die heimischen Krieqshäfen. Drei dieser Schisse find bereits 8—10 Jahre im Dienst, das Gros ist neuesten Datums. Eine Teilung dieses zu «roßen und auch unhandlichen Verbandes in eine Kanal- und eine Nordsee-Flotte ist wahrscheinlich. Etwa 110 Torpedobootszerstörer, 20 neuere Torpedoboote und 18 Un terseeboote sind ebenfalls in den englischen Häfen verfügbar. — Reserve-Flotte, 15 Linienschiffe und 10 Panzerkreuzer, verteilt aus die drei großen Kriegshäfen Portsmouth, Chatham und Deoonport. Sämtliche Schifte haben Stamm besatzungen an Bord, 6 Linienschiffe und Panzerkreuzer liegen in erhöhter Bereitschaft zur Verwendung bei besonde ren Vorkommnissen. — Atlantische Flotte mit zweitem Kreuzergeschwader, 4 Linienschiffe und wahrscheinlich 6 Pan zerkreuzer, basiert auf Gibraltar. — Mittelmeer-Flotte, mit nur noch 4 Linienschiffen, Stützpunkt Malta. — Spezial- Reserve in den heimischen Häfen. Zu dieser Reserve gehören 9 veraltete Linienschiffe aus den 80er Jahren. Immerhin sind diese Schiffe noch neueren Datums als z. B. unsere Sachsen-Klasse, die bei uns noch zu den Kampf-Schiffen rech net. Auf den überseeischen Stationen befinden sich nur ge schützte Kreuzer und Kanonenboote mit alleiniger Ausnahme der chinesischen Station, die unter anderem auch über zwei Panzerkreuzer verfügt; außerdem ist ein Linienschiff s„Re- nown") mit dem Prinzen von Wales an Bord nach Indien detachiert. Alles übrige, allo 74 Kampfschiffe der ersten Linie von 77, sind in den europäischen Gewästern, und zwar zum weitaus größten Teile in Nordeuropa vereinigt. Wie die „Daily Mail" ferner andeutet, wäre auch diese Kräfteverteilung nur als ein Nebergang zu betrachten, info fern allmählich sämtliche aefechtsstarken Schisse von Malta und Gibraltar nach dem Norden verlegt werden sollen und man in Südeuropa nur Kreuzer belassen will. Man glaubt ferner, daß die französische Mittelmeerslotte dem Beispiel der englischen folgen und nach den Kriegshäfen des Kanals über- siedeln wird. Es sei nun dahingestellt, ob die Meldung des sonst wenig zuverlässigen englischen Blattes auf Wahrheit beruht. Man muß aber zugeben, daß, vom englisch-französischen Stand punkte aus betrachtet, eine Konstellation, wie die oben ange gebene, vollständig den augenblicklichen volitischen Bedürf nissen entspricht. Wenn die seit Jahrhunderten zwischen zwei Mächten bestehende Rivalität zur See fürs erste be graben und einer „entonte aorclisle" Platz gemacht hat, so wäre es ein nicht zu rechtfertigender Luxus, sich auch ferner hin im Mittelmeer größere Geschwader qegenüberzuftellen. Wir müssen unK daran gewöhnen, die gesamte englische und französische Flotte im Kanal und in der Nordsee, sozusagen vor unseren Toren, versammelt zu leben. Die Nutzanwen dung für uns ergibt sich daraus von selbst. „die Gesanheit der nicht gesetzlichen, aber doch planmäßig organisierten Fürsorge und der allgemeinen Maßnahmen zur Förderung der geistigen, körperlichen, sittlichen und wirt schaftlichen Entwicklung des Volkes". Mit vollem Recht be tont er, daß der Armenpflege im engeren Sinne der aller letzte Platz innerhalb der sozialen Fürsorge zukomint und daß die Aufgabe der letztern eine vorbeugende sein muß. In demselben Kapitel kommen noch zur Besprechung: die Abgrenzung der amtlichen und privaten Wohlfahrtspflege, die gemeindliche Sozialpolitik, die sozialen Aufgaben der Frau, die Stellung der Arbeiterschaft zu den Woblfabrls- einrichtungen u. v. a. Auch die übrigen 20 Kavitel mit ihren zahlreichen Abschnitten („Ausbildung zur Wohlfahrtspflege", Allgemeine Zentralstellen" „Auskunstsstellen", „Sorge nir das Säuglingsalter", „Kinderfürsorge". „Fürsorge für Ge brechliche", „Wohlfahrtseinrichtungen für die weibliche", „für die männliche Jugend", „Fürsorge für Erwachsene", „Ge meinnützige Wobnungsfüborge", „Soziale Hygiene" usw. usw.) enthalten ein gehäuftes Maß interessanter und das Philanthropenherz erfreuender Anregungen. zweifeln sein; doch ermöglicht sie wenigstens einen sich von der Wirklichkeit nicht zu sehr entfernenden Begriff von den Bevölkerungsverhältnissen im heiligen Rußland. Am zu treffendsten aber werden die Feststellungen über die Ziffern bezüglich der im Zarenreiche lebenden Deutschen gewesen sein; denn es ist anzunehmen, daß unsere Landsleute bei ihrem Pflichtgefühle, ihrer Gewissenhaftigkeit und ihrer sprichwörtlichen Ordnungsliebe bestrebt gewesen sein werden, alle an sie gerichteten Zahlungsfragen unverschleiert zu be antworten. .-ml. Trotzdem schwanken die Angaben über die in Rußland lebenden deutschen Neichsangeyörigen der verschiedensten Religionsbekenntnisse nicht unerheblich. Auch zwischen Rußland und Deutschland getroffenem Uebereinkommen wurde nämlich das die deutschen Reichsangehörigcn be treffende Zählmaterial nachgehends an das statistische Ami nach Berlin geschickt, und dieses ermittelte die Anwesenheit von 151102 Nationaldcutschen in ganz Rußland ohne Finn land. das, wie bereits erwähnt, erst drei Jahre später einer Zählung unterworfen wurde, bei der sich das Vorhandensein von noch 1920 Deutschsprechenden ergab. Das Ergebnis der durch die kaiserlich russischen Behörden bewirkten Zählung war aber ein höheres und betrug 158103 Personen. Rechnet man die in Finnland lebenden Deutschen hinzu, so ergibt das die russisch - offizielle Zahl von 160 024 Personen. Eine Zählung nach der deutschen Muttersprache ergab eine Ge- samtzisfer von 1 800 000 Personen. Trotzdem darf man dreist annehmen, daß auch diese Zahl noch nicht zutreffend und die Ziffer von zwei Millionen erst das Richtige sein wird. Danach ist es gewiß nicht verwunderlich, daß eine so große Menge Deutscher und Deutschsprechender ihre Schritte zu uns genommen hat und andauernd nimmt, weil sie mit Reckt instinktiv fühlt, daß sie bei uns, ihren Volksgenossen. Verständnis, Mitgefühl und Hilfe für das schwere, sic hinterrücks treffende Unglück finden werde. stslitircbe cage;;cdau. Leipzig, 15 Februar. Kirchenschlachten. Aus Paris, 13. Februar, wird uns geschrieben: Zwischen den Gegnern und Aussührern des Trennungs gesetzes herrscht augenblicklich Waffenruhe, nachdem es täg lich während der vergangenen Woche besonders aber letzten Freitag, zu Kundgebungen an der Madeleine-Kirche ge- kommen ist. Die Madeleine, neben Notre-Dame die be rühmteste Kirche von Paris, war infolge ihrer zentralen Lage zwischen den großen Boulevards und der Place de la Concorde der gegebene Punkt für diese täglichen Ansamm lungen, bei denen natürlich weit mehr harmlose Neugierige als wirkliche Manifestanten beteiligt waren. Der erste Ver- such der Regierung, hier die Inventaraufnahme vorzu nehmen, mußte Ende Januar wegen der drohenden Haltung einer großen Menge von Katholiken aufgegeben werden — man wagte ihn dann zunächst nicht zu wiederholen. Gestern in aller Frühe ist die Inventaraufnahme in der Madeleine ohne Zwischenfall erledigt worden, nachdem ein starkes Auf gebot von Pvlizeitruppen bereits um Mitternacht alle Zu gänge zu der Kirche besetzt hatte. Gleichzeitig wurde die In ventaraufnahme in Saint-Eustache vorgenommen. In dieser prächtigen Kirche, an der länger als ein Jahrhundert (1532 dis 1642) gebaut worden ist und die eine seltsame Mischung von Renaissance und Gotik aufweist, fürchtete man besonders heftige Unruhen, da sie in dem verrufenen, gesindelreichen Viertel der großen Markthallen liegt. Die Hauptschauplätze der seltsamen Pariser Kirchen schlachten liegen auf dem linken Seine-User. Die Kirche Sainte-Clotilde, in der am 1. Februar erbittert gekämpft worden ist, während die Glocken Sturm läuteten, ist die Hauptkirche des 7. Arrondissements. Das schöne Gotteshaus, das in den Jahren 1846—1859 im Spitzbogenstil des 14. Jahrhunderts erbaut wurde, ist mit seinem Prächtigen Inneren eine Sehenswürdigkeit von Paris und verdient den Stern, durch den Baedeker ihn auszeichnet. Unweit von ihm liegt die Kirche Saint Pierre du Gros-Caillou, die bei den Kämpfen sehr gelitten hat. Ihre Tbüren mußten durch die Feuerwehr gesprengt werden. Die Spuren der Schlacht — Trümmer von Stühlen, Kruzifixe, Hüte usw. — sind noch nicht entfernt. Ein Anschlag mit einer Darstellung der „Belagerung" von Saint Pierre du Gros-Caillon durch die Feuerwehr ermahnt die frommen Besucher des Schlacht feldes, ihrem Zorn nicht durch laute Kundgebungen, sondern erst bei den nächsten Wahlen Ausdruck zu geben! Derselben Zeit wie Saint Pierre du Gros-Caillou, dessen Bau 1823 bWrnnen wurde, entstammt die Kirche Saint Äincent de Paul lerbaut 1824—18441 in der Rue Lafayette, eine lateinische Basilika mit Portikus. Auch hier ist es zu heftigen Zusammenstößen gekommen — die Gegner deS Separationsgesetzes stürmten mit dem Rufe „Vivo I>isa!" der eindrinaenden Polizei entgegen. Die augenblickliche Ruhe ist nur als Waffenstillstand zu betrachten. Paris besitzt, abgesehen von vielen Kapellen, etwa 70 große Kirchen, deren Inventaraufnahme noch lange nickt erledigt ist. Anschläge in allen Straßen fordern die katholische Jugend auf, sich zusammenzuscharen und eine weitere Profanierung der Kirchen nicht zu dulden. Die S»«l»n»»an-er«ng. Von Dr. P. Fechter. Wenn man einmal irgendwo das Wort Seelenwonderung unoet. denkt man gewöhnlich zuerst an die alte Lehre von ocr Wanderung unterer Seele durch tausenderlei Gestalten, in die Metempiychose, die ^Umseelung", wie die Wissenschaft sie nennt. Indisch-buddhistische Dogmen tauchen aus. von einer endlosen Kette von Sterben und Wiedergeburt, die so .äuge kortläust, bis der Mensch aus dem Anblick deS Leidens -er Welt und aus der Erkenntnis ihrer Nichtigkeit so viel Kiasr gewonnen hat, daß er jeden Wunsch ausgibt, seinen Willen errötet und so in daS selige Nirvana, in da» träum» loie Nicht» eingehr, das dem Inder als der Ziele höchstes er- scheint. Oder man denkt auch an die ägyptischen Magier, von denen schon Herodor behauptet, daß sich bei ihnen eben- 'all» diese Lehre fände, während die Wissenschaft sie dort immer noch vergeblich sucht, so daß wahrscheinlich jene lt beorie den Griechen weit eher bekannt war als den Söhnen de» Nil, ihnen vielleicht in Erinnerung blieb aus grauer Urzeit, da ihre Altvorderen noch mit den Vorfahren der heutigen Inder zusammen an der großen asiatischen Mensch- beitswiege hausten. Und wenn man weder von den Indern, noch von den Aegyptern, weder von Pythagoras, noch von Dies« Nummer kostet «») S SS ttRk allen Bahnhöfe» »ad bei III ll^l den Zeitung--Verkäufern s Wie viel Deutsche leben in Rußland? Angesichts der gewaltigen Rückflutung von deutschen Reichsangehörigen und Teütschsprechcnden aus dem benach- barten russischen Reiche hört man häutig die Frage: W e viel Deutsche mögen wohl in Rußland leben? — Noch vor I wenigen Jahren war es ganz unmöglich, hierauf eine z' treffende Antwort zu erteilen; früher, d. y. im Laufe des vorigen Jahrhunderts, waren Volkszählungen in Rußland unausführbar, und erst im Jahre 1897 ward eine solche er möglicht. Die früheren Versuche unter den Kaisern Alexander I. und II., dem Großvater und dem Vater des jetzigen Zaren, mußten scheitern, weil es einesteils an geeigneten Organen zu deren Ausführung fehlte, mehr aber noch, weil sich das an keinerlei Ordnung gewöhnende, jeder Belehrung unzugängliche russische Volk in dem ungeheuer großen und sich beständig immer mehr aus dehnenden Reiche jeder systematischen Zählung widersetzte oder zu entziehen wußte. Erst unter dem gegenwärtigen Herrscher fand endlich — 1897 — eine einigermaßen ordent lich durchgeführte Zählung aller in Rußland Lebenden statt, freilich mit Ausschluß Finnlands, wo solche erst drei Jahre Ipäter erfolgte. Ob jene russische Volkszählung aber in allen ihren Teilen richtig und zutreffend ist, dürfte doch zu be- Plato mehr als die Namen weiß, so erinnert man sich an moderne spiritistische Theorien, wonach die Geister der Ver storbenen irgendwo außerhalb unseres dreidimensionalen Raumes in der vierten Dimension Hausen, in der Gestalt, Re sie nach ihrem Lebenswandel hier aus Erden verdient haben. Geichah es doch z. B. einmal in einer ganz ernst haften Sitzung zu Berlin, daß der Geist Rudolf Virchows zitiert wurde und alsbald — bellend aui der Bildfläche er- ichien und erklärte^im Jenseits müsse er fetzt unendlich viel leiden, da er zur Strafe für sein professionelles Vivisezieren in Hundsqestalt Herumlaufen müsse — weil er so viel un schuldige Tiere der bösen Wissenschaft geopfert hätte. An diese Art Seelenwanderuna denkt man gewöhnlich zuerst, wenn irgendwo das Wort fällt; indessen dies ist nicht die einzige Bedeutung, die man ihm beilegen könnte. Viel mehr hat unsere Seele im Laufe der Jahrtausende noch eine zweite Reise tmrchmachen müssen — auch nur in der Theorie glücklicherweise, diesmal jedoch innerhalb des ihr zu gehörigen Körpers. Jede Zeit nämlich, seit man überhaupt einmal anfing, über das Wesen von Körper und Geist und ihr Verhältnis zu einander nachzudenken, hat ihre eigenen be sonderen Ansichten gehabt über den Sih jenes eigentümlichen Wesens, das man Seele nannte; dementsprechend mußte dieses in jeder neuen Theorie seinen Wohnsitz aufgeben und sich, wenn auch nur innerhalb des Leibes, aus die Wander- ichaft machen. Daß eS dabei nicht ohne manche, uns heute ziemlich komisch anmutende Lokalisiernna obaing, läßt sich denken — zumal wenn man einmal die Theorien der mitt leren Periode unserer Geschichte, des Mittelalter» und der beginnenden Neuzeit, in» Auge saßt. Die erste un» überlieferte Seelentopograpbie findet sich in der Schule de» Pythagoras im Anfana des fünften Jahr- bundertS vor Christo. Daß der Mensch überhaupt eine, meist luftsörmia angenommene Seele besitze, ist freilich ein viel älterer Glaube, der in der Regel bei fast allen Naturvölkern bereits ganz früh auftaucht: eine genauere Lokalisation aber finden wir zum ersten Male hier. Alkmäon. der Kro- toniate ist eS, der den Anfang macht: er ist der erste, der sich mit dem Wesen der Seele einaehender und zugleich für die späteren, vor allem für Hippokrate», vorbildlich beschäftigt hat. Und e« ist ein gute» Zeugni» für di« Schärfe seiner Be Ein wichtiges Vademekum für Sozialresormer. Die große Zersplitterung der Wohltätigkeitsbestrebungen steigert die Kosten des Heranziehens vieler kleiner Beiträge. Zahlreiche „Pfleger" empfinden es sehr schwer, an vielen kleinen Wohlfahrtseinrichtungen gleichzeitig mitzuarbeiten. Die Gaben werden oft zersplittert und im Einzelfalle in geringen Beträgen mehr oder minder nutzlos ausgegeben, statt in wenigen Fällen unzersplittert gründliche Hilfe zu bewirken. Die Recherchen sind häufig zu oberflächlich und ebenso häufig siehrMM nickst ein, daß die eine Folge sorg fältigerer Recherchen bildende praktische Verwertung der vorhandenen Mittel die damit verbundenen höheren Kosten reichlich lohnt. Die Zentralisierung der Erkundigungen, der Bewilligungen und der Mittel erleichtert die Erlcmguna richtiger Aufschlüsse und die beste Verwendung der Mittel bedeutend und bietet Wohltätern mit gutem Willen die ihnen andernfalls nur zu oft fehlende Anleitung zum zweckmäßigen Ausgeben der von ihnen für solche Zwecke bestimmten Gelder. Dies ist in knappsten Worten der Gedankengang, der Herrn Dr. Karl Singer in München bewogen hat, sein Werk „Soziale Fürsorge der Weg zum Wohl- t u n" (München, Verlag R. Oldenbourg, 1905, Preis 4 ^lt) herauszugeben, welches berufen ist, allen Menschenfreunden, Wohltätern, Sozialreiormern, kurz, jedem denkenden Leser ein ungemein wertvolles Hand- und Nachschlaaebuch zu wer den. Es will nicht eine vollständige Enzyklopädie des Wohl fahrtswesens sein, sondern beschrankt sich, damit es einem größer» Publikum zugänglich sei, weift auf einen mäßigen Umfang s17—18 Bogen) und auf das wichtigste, praktischste, vorbildlichste Material. Trotz dieser Beschränkung ist der Inhalt ein so verblüffend reicher, daß derlei in io engem Rahmen bisher wohl kaum je geboten worden sein dürfte. Wir finden hier knappe, aber ausreichende, auf einer Fülle vorzüglicher Quellen beruhende Zusammenstellungen, Hin weise, Winke, Daten, Ziffern und Schilderungen von und über Einrichtungen, Behelfen usw. in allen Gebieten der „Volkswohlsahrtspslege", wie der Verfasser die „soziale Für sorge" im Gegensatz zur „gewöhnlichen Wohltätigkeit" nennt. Und wie ein roter Faden zieht sich durch das ganze Buch das Streben nach Förderung der erfreulicherweise immer all gemeiner werdenden Zentralisierunqsbemühungen, denen die Zukunft ganz und gar gehören wird. Auf ein Verzeichnis der bereits vorhandenen Zentral stellen der einen oder andern Art (nächst Berlin steht Frank furt a. M. obenan!), welches höchst dankenswert ist, folgt die Behandlung „allgemeiner Fragen der sozialen Fürsorge". S. verfolgt die Ausgestaltung der einfachen Armenpflege zur umfassenden Wohlfahrtspflege und definiert diese als obachtun« und die Klarheit seines Denkens, daß er, der griechische Arzt des fünften Jahrhunderts, schon zu ganz modernen Reiultaten gelangte, indem er das Gehirn ais Zentralorgan der Wahrnehmungs- und Verstandestätigkeit erkannte und die Seele hier lokalisierte, wenn auch seine sonstigen Theorien über ihr Wesen mehr oder weniger zeit befangen geblieben sind. Die gleiche Erkenntnis finden wir dann nur noch bei Perikles' großem Freund und Lehrer Anaxagoras, der in Alkmäons Fußtapfen trat; dann ver sinkt sie für Jahrtausende. Da» naturwissenschaftliche Denken, das in Demokrit einen frühen Gipfel erklomm, tritt trotz Aristoteles zurück, weil ihm die Hilfsmittel fehlen; die großen Systeme des Idealismus erwachsen, Platos Riesen dichtung, die. über daS Einzelne der Erfahrung hinweg, sehend, nur Augen hat für die Unendlichkeit des Ewigen, das sie zu umfassen strebt. Der Mensch hat ein zu geringes Interesse für Plato, neben den unwandelbaren Ideen; so oe- schäftigt er sich eigentlich nur nebenbei mit ihm, und wa» er dann über ihn und seine Seele verkündigt, mittet unS heute seltsam und fremdartig an, wenn wir etwa lesen, daß die Seele eigentlich zwei Teile habe, einen unsterblichen und einen sterblichen, von denen dieser wiederum in Mut und Begierde zerfall« und anderes mehr. Wir vermögen uns nicht mehr vorzustellen, wie mit dieser Dreiteilung der Seele die Einheit des persönlichen Lebens sich verträgt, zumal jede der drei Teilseelen auch noch ihren besonderen Sitz hat, die unsterbliche, die der Vernunft gleichgeachtet wird, im Kopfe» der Mut in der Brust und die Begierde, als das Böse im Menschen, im Unterleib. Wie bei dieser Verteilung ein ein- >eitliches Selbstbewußtiein zustande kommt, wie ,enes selt same Wesen entsteht, das jeder sein Ich" nennt — darüber finden wir keine Auskunft, weder bei Plato, noch seinem groben Schüler Aristoteles, obwohl auch dieser so manches über die Seele, ihre Teile und deren Lokalisierung im mensch lichen Leibe »n berichten weiß. Auch er behält, ähnlich wie sein Lehrer, die Dreiteilung bei, in die ernährende oder Pflanzen-, die empfindende oder Tier- und die vernünftige oder Menschenseele; aber wenn er auch schärfer als Plato vorgeht, und z. B. den vernünftigen Geist, den Nus, schärfer vrn der übrigen Seele scheidet, und jenen dann selbst noch wieder -erlegt, — genauere- suchen wir auch bei ihm Deutsches Deich. Leipzig, 15 Februar. * Zur deutsch-amerikanischen Zollsrage wird dem „B. T." aus New Lork gemeldet: Die deutschen Importeure hallen nunmehr jede Gefahr eines Zollkrieges für beseitigt. Der Mew-Nork-Herald" verlangt, die Bundesregierung solle auf Deutschlands Entgegenkommen hin alles aufbieten, um einen Handelsvertrag im Kongreß durchzusetzen. * Koloniale Aemtcr. Zu den vielen Gerüchten über die Besetzung höherer kolonialer Aemter tritt heute noch eine Meldung des „B. T." hinzu. Nach ihr werde der bisherige Gouverneur von Deutsch-Ostasrika, Graf Götzen, am 1. April in das Kolonialamt eintreten. Ebenso wird der Eintritt Dr. Paa sch es in dieses Amt zum selben Zeit punkt erfolgen. Der Gouverneur von Samoa, Dr. Sols, wird wahrscheinlich der Nachfolger des Grafen Götzen in Ostafrika werden. * Die Stellung des Grasen PosadowSky wird in der Presse, ungeachtet aller dagegen sprechenden Momente, von neuem als erschüttert bezeichnet. Es sei deshalb daraus hin gewiesen, daß Reichskanzler Fürst Bülow wie wir authentisch wissen, diese Behauptung sehr scharf als grundlos bezeichnet hat. * Der künftige preußische Gesandte am Dresdner Hof, Prinz Hohenlohe Oehringen, ist, wie schon gemeldet, zurzeit preußischer Gesandter in Darmstadt. Der Prinz, der die Namen Johann Heinrich Georg führt, ist am 24. April 1858 in Slawentzitz in Oberschlesien geboren und feit 1889 mit seiner Cousine Prinzessin Olga zu Hohenlohe-Oehringen vermählt. Der Ehe entstammen zwei Knaben und zwei Mädchen. Der Prinz war bereits Anfang der neunziger Jahre dienstlich in Dresden tätig, damals als Attache der preußischen Gesandtschaft. * Zum Hcimarbeit-Gesetz schreibt die „Nationalliberale Correspondenz": „Wenn zu erwarten ist, daß jetzt —nach dem im Berliner Schloß abgehaltenen Kronrat — ein gesetz geberischer Schritt in Bezug auf die Heimarbeit in greifbare Nähe rückt, so muß daran erinnert werden, wie sich von nationalliberaler Seite besonders der Abg. Frhr. v. Heyl zu Herrnsheim darum bemüht hat, das Gebiet der Heimarbeit gesetzgeberischer Behandlung zugänglicher zu machen. Ebenso wie heute kein Zweifel mehr darüber be steht, daß die kaufmännischen Gerichte segensvoll wirken und einen sozialpolitischen Fortschritt repräsentieren, die vom nationalliberalen Abg. Bassermann „gegen den Strom" durchgesetzt wurden, ebenso wird, wenn es in absehbarer Zeit gelingt, in bezug auf die Heimarbeit Zustände berbeizusühren, welche dem Zeitalter der Sozialresorm besser enllprechen, als die augenblicklich obwaltenden, der dann zu Tage tretende Fortschritt auf die Initiative und Beharrlickkeir zurückge- mhrt werden müssen, die vom Abg. v. Heyl seit Jahr und Tage dieser Seite unserer sozialen Entwicklung zugewandt werden." * Gegen den nationalliberalen Abg. Hagemann macht sich wegen seiner lHten Reichstagsrede zum Etat des Staats sekretärs von Posadowsky innerhalb der nationalliberalen Partei eine berechtigte starke Erregung bemerkbar, die von der „Köln. Ztg." treffend in die Worte gefaßt wird: Gewiß ist, daß sich ein großer Teil der nationalliberalen Wähler, obwohl ihnen die Einigkeit der Partei am Herzen vergeblich, und wie sich etwa die berühmte Definition der Seele als einer Entelechie eines organischen Leibes mit ihrer Dreiteilung, und diese wieder mit der Einheit der Persönlich keit verträgt, darüber gibt auch „der Meister derer, die oa wisien" keine Auskunft. Noch schwieriger gestalten sich diese Probleme bei der Stoa, die aus der Dreiteilung der Seelenoermögcn eine Siebenteilung macht — nämlich von dem „Hegemonikon" aus, daS als Sitz der Persönlichkeit und beherrschens Ver nunft im Herzen wobnt.. die fünf Sinne, das Svraä'- und Zcugungsvermöacn mit dem Wohnsitz in den beireiieuden Organen sich gleichsam als Ableger verbreiten läßt. In dessen diese Lehre blieb fast ausschließlich Eigenkum der Schule: Aristoteles dagegen unterwirft die gau^e Welt, uns unter seinem Einfluß bleibt die Seelenleöre während mehr denn einem Jahrtausend stehen, soweit man bei dem geringen philosophischen und naturhistorischen Interesse überhaupt von einer Psychologie reden kann. Manch ein Streit wird ja auch unter den Scholastikern ausaeftchten, vor allein, ob die niederen Seelenvermögen des Aristoteles auch der Un sterblichkeit teilhaftig werden oder nickt: im ganzen aber folgt man dem Stagiriten, soweit man ihn kennt, als der abso luten Autorität, und beruhigt sich bei dem, was er über die Seele und ihren Sitz gelehrt hat. Bisweilen regt sich etwas wie Ketzerei auch auf diesem Gebiet, wenn z. B. AlsreduS Ana/cuS sum 1200) die Seele der Wärme csteichfttzt und ins linke Herzventriculum postiert, ihr auch die Unsterblichkeit abzusprechen wagt: die meisten aber bleiben bei Aristoteles, bei der „Endelychia", wie Bernhard von Tours sie nenni: die Seele ist karmn oorv^ris, nur in ihrer Betätigung, nichl in ihrer Existenz mit dem Leibe verbunden, so daß sie in jedem Augenbl'ck sich an jedem Punkte des Körpers ganz, und das gleichzeitig im ganzen Körper sich befinden kann. Man ließ der seele im ganzen Ruh«, und erst als mit Roger Baco und dem Cusancr das Interesse an der rein wissen schaftlichen Erforschung der Welt ohne jede theologische Rück- sicht mehr und mehr zu herrschen begann, mußte auch sie wieder die alte Wanderschaft an'nebmen, um neue, zunächst nicht minder phantastische Wohnsitze aufzusuchen Tenn wenn es auch rm jene Zeit wie ein gewalttyes Dehnen unv Lichrecken beim Erwachen durch di« europäisch- Menschheit
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