57 Paul Kaiser Brennende Türen, verbotene Feste Subkulturelle Aufbrüche in der bildenden Kunst In den siebziger Jahren konnte sich in Dresden eine künstlerisch imprägnierte Subkultur her ausbilden, welche gegen die Kollektivmuster der sozialistischen Einheitsgesellschaft gerichtet war und deren Kern bis zur Mitte der achtziger Jahre bestand. Dabei handelte es sich um lokal ver netzte Freiräume, die über die Existenz vereinzelter »Nischen« (Günter Gaus) weit hinausgingen. Bei der Annäherung an Phänomene wie Verweigerung und Dissidenz in der DDR wird die Bedeutung der Gegenszenen und subkulturellen Absatzbewegungen für die Ausbreitung wider ständigen Verhaltens vielerorts unterschätzt. In den zumeist zeitgeschichtlich intendierten Unter suchungen wird leicht übersehen, daß die Wirkungskraft der hier zum Thema werdenden Sub kultur die Grundlage darstellte, auf der sich in den achtziger Jahren dann auch politische Initiativen auszudifferenzieren vermochten. Für eine nicht nur auf die offizialisierte Kultur ausgerichtete Kultur- und Kunstgeschichte ist Dresden essentiell wichtig, weil gerade hier die wesentlichen Initialzündungen zur Herausbildung einer (dann auch weitere Städte und Stadtteile wie Leipzig-Connewitz und Berlin-Prenzlauer Berg einbeziehenden) »anderen Kultur« erfolgten. Ein Grund für diese formative Rolle der Elbe stadt dürfte in deren nachhaltiger Milieufragmentierung liegen. In den siebziger Jahren waren in Dresden idealtypisch drei Kulturmuster und Kulturgesinnungen zu finden, die sich freilich real überlappten und osmotisch durchdrangen. Das erste Milieu könnte man als das affirmativ-staatstragende Milieu bezeichnen. Es bezog sein Wertebewußtsein aus einer engen Verbindung zum sozialistischen Projekt. Es verkörperte seine überregionale Rolle sinnfällig in der langjährigen Präzeptorenrolle der Dresdner Kunstakademie und der Gemäldegalerie Neue Meister bei der Durchsetzung des »Sozialistischen Realismus« als der maßgeblichen künstlerischen Programmfiktion im SED-Staat. Die zentralen Akteure - erinnert sei beispielsweise an die drei Rektoren der Kunstakademie Paul Michaelis (1959-1964), Gerhard Bondzin (1965-1970) und Fritz Eisei (1975-1979) sowie als hochrangige Einflußfigur an den langjährigen Direktor der Gemäldegalerie Neue Meister, Joachim Uhlitzsch (1963-1987) - stellten sich nicht mehr aus eigener antifaschistischer Biografieerfahrung der SED zur Verfü gung, sondern waren bereits in einer sich schnell etablierenden Aufsteigergesellschaft zu erheb licher Machtfülle gekommen. Neben diesem staatsaffirmativen Milieu existierte ein zweites Kultursegment, das man als ein bildungsbürgerlich geprägtes Rückzugsmilieu bezeichnen könnte. 1 Dieser Befund gilt auch noch dann, wenn man einräumt, daß sich die Generierung von Bürgerlichkeit ohne die Verankerung