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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.01.1909
- Erscheinungsdatum
- 1909-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-190901115
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19090111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19090111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1909
- Monat1909-01
- Tag1909-01-11
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s0e,«g«.Prei» ,ttt il»» ««»rr, d«rch «ftr« kttta«» und Vv«»iirure m« H«u» ,«bracht r Ich >, i,»mut.. R.7V »tertttlährl. v«t unter» Alliiir» u. «»nadmekellrn «daeh»Ui 7A ch monetl. ».t» vlertrtjthrl. vurch M, Du«: uuerhuld Deuitchlund« und der denttchen Kolonien oiertellihrl. 0.T4 aumeti. LIK eublchl Voftdekellzekd ferner tu «ei,ie». Dänemark. den Doneuliaaten, Italien, Uuremdura, «iederlaade, kor» woge» Ornerreich Ungern, Kubland, bchweden. Schwel» n. Spanien. Au alle» tdrigen Staaten um »irrt» durch bk »ej-dlttettrll« da« Statte« erbt.illch. Du« Lku»U«» lagedlan «richttnl »bchetch- Uch ' «al an» zwar morge»«. Kbounameut-Annaduw > >u,»ft»«»l»tz S, bet unteren Drägern. Mlialen, Svedittnre» «ub »»nähmestell en. lowie Ooktmtern nad Brtetlrtger». »tu MuMiu «»»m« loste, » Ke»«»««» u»d «eschtstUlel« godanniegaste 8. Seruwncher: 148SL 14SS», I4«S KWMrTagMM Handelszeitung Amtsvkatt -es Mates und -es Nolizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeige»« Preis M Scherf» »u« »!«w»>st und Umgedun- die Sgelpaltrne Petttzeil» 2b -g tinanzielte Angeige, ilv ch. Oieklamen l »E mrswtrt« 8U ch. kevamen 1.A) »aal »a«laad SOch, finan». Angttge» 7LH, keNamen ttov .tnlerattv. Behörden « amttichen Detl40^. Beilagegebüdr b aU P. lautend exkl. Lott- gedühr. Oeichü'i »angeigen an beoorjnglei Stell« im Pr«i>« erhöht. Rabatt nach Deri Festertetlt, Auilrtae können nicht garück argoqea werden, ststr »al itrtcheinen au bestimmten lagen und Plt»en wird keine »arantie übernommen Angeige».Annahme: Au,ustustplatz bei jtmtlichen Filialen u. allen Annoncen- Erpadltwnen de« In» und Auslände«. chaustt. Filiale »erli»: T«rl Luntler, Hergogl. Baar- Hosbuch Handlung, Lühowstrah« 10. delephon VI. Nr. 4SN3). Haupt-Filtale Dresdru: Eeestraße 4,1 (Lelephon 4621). Rr. tt. Montag 11. Januar 1909. M. Jahrgang. Das wichtigste. * Aus Sitten wird uns gemeldet: Im benachbarten Dorfe Nox stürzte gestern vormittag während des Gottesdienstes das Gewölbe derKirche ein. 40Personen sollen getötet, 60 verwundet sein. (S. Letzte Dtp.) * Die österreichisch'türkischen Verhandlungen nehmen einen sehr günstige» Fortgang infolge des österreichischen Ent- schävigungSangebotS von 2»/, Millionen türkischen Pfund für ehe malige SlaatSgüler in Bosnien. (S. Letzte Dep.) * Der gestrige Sonntag ist in Prag wider Erwarten ohne nennens wert« Ruhestörungen verlaufen, trotzdem die tschechischen Blätter die ganzevergangeneWoche hindurch die Bevolkernng aufhetzten. (S. Letzte Dep.) Die Teilnahme -es Liberalismus an -er Regierung. AuS nationalliberalen Kreisen wird un8 geschrieben: In den preußischen liberalen Blättern ist die zu erwartende Neube setzung des Kultusministeriums in Berlin zum Ausgangspunkt von weitschauenden Erörterungen gemacht worden. Wir möchten gegenüber der Personalfrage Vorsicht üben und zur Vorsicht mahnen. In der Beurteilung des Ministeriums Holle dürfte schon viel daneben gehauen haben. Es kann fraglich sein, ob man die neueste Darstellung der Zache, wonach die Opposition gegen Holle von extrem konservativen Kreisen, denen Holle sich zu liberal erwiesen habe, ausgeht, ernst nehmen soll; immerhin wäre auch diese Version zu prüfen, wenn man über die Spezialfrage des preußischen Kultusministeriums ein Urteil gewinnen will. Hier soll nur die grundsätzliche Seite ins Auge gefaßt werden. Man hat auf liberaler Seite mit Hinblick auf Preußen den Mangel an Parität in der Verwaltung beklagt. Man hat gefordert, daß künftig auf den Regierungsbänken neben den konservativen auch liberale Politiker Platz nehmen sollten. Die Blockpolitik solle in Preußen fest verankert werden; Männer, die nicht nur im stillen Kämmerlein liberalen Neigungen frönen, sondern die eine liberale Macht hinter sich haben, sollten in die höchsten Verwaltungsstellen ein treten. Es scheint das ganz das gleiche zu sein, wie das parlamenta rische Regime, von dem man bei Beratung der Berfassungsanträgc im Reichstage sprach, aber man hat cs jetzt nicht so genannt. Die beiden Aktionen: die parlamentarische vom 2. und 3. Dezember und der Preß feldzug, der auf den Einmarsch des Liberalismus in die Verwaltung abzielte, sind nebeneinander hergelaufen, und wir glauben, daß einer, der theoretisch die Dinge zu begreifen und zusammenzufassen sucht, nicht recht hindurchfindet. Es scheint bei beiden Aktionen auf dasselbe abge sehen zu sein, und doch ist es wieder nicht dasselbe. Jedenfalls wird durch die mit Gedankenreichtum und Scharfsinn ausgeführie Preßaktion manches, was in der parlamentarischen Aktion zu kurz kam, in seiner Bedeutung gewürdigt. Erst jetzt fällt es recht auf, daß die Wortführer des parlamentarischen Regimes die Personen frage fast gar nicht behandelt haben. Sie wollten die Rechte des Par laments als Gesamtheit erweitern, dem Reichstagspräsidium politische . Bedeutung verschaffen, Neichsminister schaffen und deren wie des Kanzlers Verantwortlichkeit stabilieren; aber selbst Minister werden — daran dachten weder Müller-Meiningen, noch Naumann und Payer. Auf das Positive waren auch sie gerichtet. Beteiligung des Volkes an der Regierung, geschichtliches Verantwortungsgefühl des Reichstages, Mitarbeit der Vertreter des Volkes an der geschichtlichen Aufgabe der Nation — das wollte man, aber kein Wort fiel, daß man unter den gegenwärtigen Umständen sich selbst in besonderer Weise zur Mitarbeit für berufen hielt. Diesen Schritt hat jetzt die liberale Presse getan. Den Freisinnigen und Demokraten gereicht es in gewisser Be ziehung nur zur Ehre, daß sie nicht für sich selbst das Mitregierungs recht verlangt haben. Das wäre im Reichstag auch kaum wirkungsvoll gewesen. Aemterjagd und politisches Strebertum ist dem soliden poli tischen Sinne ein Greuel. Auch nicht im entferntesten wünscht man den Verdacht solchen Strebens auf sich zu lenken. Aber schließlich muß doch irgendeine Mehrheit als die Verwalterin der Parlaments rechte, die man so im allgemeinen stärken wollte, auftreten. Wer einen politischen Weg vorwärts und aufwärts kennt, muß bereit sein, das Amt des Führers selbst auf sich zu nehmen. „So mühte man's machen", kann nie das letzte Wort sein; „ich will's machen", ist das Bessere. Soll es in unseren Tagen dem Liberalismus beschieden sein, den Uebergong, den Faust vollzieht: aus der Studierstube ins Leben, end lich auszuführen? Wir möchten sparsam sein mit großen Worten, aber uns scheint, hier könnte man wohl von einem weltgeschichtlichen Ueber- gange reden. Vom Träumer und Kritiker zum Handelnden — welche Lchicksalswendung! Im wirtschaftlichen Leben ist diese Wendung längst erfolgt. In allen Betätigungen; in der Werkstatt, in der Fabrik, im Kontor, in der Künstlerklause erscheint das Nurkritisieren als unvoll kommen und impotent. „Mach es, wenn du's kannst", das ist das große Losungswort, das alle unsere wirtschaftlichen und geschäftlichen Be ziehungen beherrscht. Die Einführung dieses Grundsatzes in die politische Betätigung würde dem Staate die doch unleugbar große innere Kraft des Libera lismus in ganz anderer Weise angliedern, als es heute der Fall ist. Die rein negative Kritik mag einer Ghettostimmung angemessen sein; in dem Zeitalter einer weitgehenden, wenn auch nicht restlos durchge- sührten Emanzipation aller Gruppen wird neben der Kritik die Tat immer eines der wertvollsten Propagandamittcl sein. Man mag e-5 drehen wie man will: in einem Volke, das schöpferisch veranlagt ist, kann die rein kritische Stimmung auf die Dauer von „Freigeborenen" nicht als Ideal hingestellt werden. Ein schöneres Bild von Freiheit und Selbständigkeit kann man schwerlich entwerfen als den Versas- sungszustand, den wir uns am Eingang germanischer Geschichte denken, da jeder Freie im Thing mitzuratcn nnd zu taten hatte. Unmöglich wird man den Zustand für idealer halten, daß ein Teil des Volkes dazu geboren sein soll, auf der politischen Thingstätte zu handeln, der andere aber, diesen Teil zu kritisieren. Es muß sich in positiver Arbeit zeigen, ob wirklich der Liberalismus eine Geisteskraft bedeutet, die überhaupt nur im Aggregatzustande der Opposition Lebenswirkun- geu entfalten kann, im Gebiete positiven Schaffens aber latent wird. Das ist hauptsächlich im Hinblick auf den linken Liberalismus gesagt. Aber auch für die nationalliberale Partei ist der Wille zur Teilnahme an der Regierung eine neue Stufe. Wenn wir recht sehen, bedeutet der jetzt ins Werk gesetzte Feldzug der nationalliberalen Presse nichts an- deres, als daß die Partei heute der Regierung nicht mehr die Antwort geben will, die einst Bennigsen dem Fürsten Bismarck auf die Auf forderung, mit in das Staatsschiff einzusteigen, erteilte. Man braucht nicht die damalige Aengstlichkeit des Liberalismus zu schelten, aber hat er etwa durch seine Sprödigkeit an Geltung für die folgenden 30 Jahre gewonnen? Am sinnfälligsten wird Wohl der Wechsel der Zeiten da durch bezeichnet, daß Bennigsen, der für sich allein einen Ministerstuhl nicht hatte annehmen wollen, nachher ein — Oberpräsidium akzeptierte. Das hilft nun nichts: wenn eine Partei Parität in der Verwaltung will, muß sie auch Männer darbieten, die bereit sind, Stellungen in der Verwaltung anzunehmcn. Wir lesen also aus der jüngsten Preßaktion ein größeres Vertrauen des Liberalismus zu der inneren Kraft seiner Ideen heraus und die Bereitwilligkeit, mit in das Staatsschiff einzu steigen, wenn dem neuen Insassen Einfluß auf die Steuerrichtung ein- geräumt wird. Daß es Leute gibt, die dieses „Mitmachcn" für das Abwegigste halten, was es geben kann, wissen wir. Aber es darf doch wohl auch noch der Stimmungsgehalt derer ausgedrückt werden, die aus der Erfolglosigkeit einer viele Jahrzehnte eingenommenen Oppo sition den Schluß ziehen, daß man es „auch einmal anders versuchen kann". Gerade in den Ländern mit parlamentarischem Regime wird an das Dogma von der alleinselig machenden Kraft der Opposition nicht geglaubt. Herr Weber in Berlin. Technische Glossen eines Journalisten zur Erklärung des „Reichs anzeigers" wegen der Neujahrsansprache des Kaisers. Wer ist für die Erklärung des „Neichsanzeigcrs" verantwortlich? Der Leser wird sagen: Der Reichskanzler. Oder der preußische Minister- Präsident. Sein Name kommt in der Erklärung zwar nicht vor; trotz dem mag es stimmen. Aber außerdem noch Herr Weber in Berlin. Sein Name steht nämlich als der des verantwortlichen Redakteurs unter der Zreitagnummcr des „Reichs- und Staatsanzeigers", in der die Er- klärung veröffentlicht worden ist. Ein „i. V." vor dem Namen drückt aus, daß Herr Weber nur vertretungsweise dieses Amtes waltet. Wenn Herr Weber nun aber gesagt hätte: Ich nehme die Erklärung nicht auf. Und man hätte in der Eile keinen Ersatzredakteur gefunden. Wäre die Veröffentlichung dann verzögert worden? Nun, Herr Weber wird wohl einen derartigen Anstcllungsvertrag haben, daß die Wahrscheinlichkeit, daß er je solchen Veröffentlichungen Widerstand entgegensetzen wird, ausgeschlossen ist. Also trägt er die deutlichen Merkmale eines „Sitz redakteurs" an sich? s„An der Stirn" kann man wohl nicht sagen.) Nur, daß ihm mit einiger Wahrscheinlichkeit die Aussicht des „Sitzens" im ominösen Sinne erspart ist. Wir machen auf diese Dinge aufmerk sam, nicht um etwa Unstimmigkeiten auszustöbern. Uns interessierte die technisch-redaktionelle Seite an einem so wichtigen politischen Ge schehnis, die sich das Publikum vielleicht bisher noch nicht klar gemacht hat. Vielleicht schreibt darüber einmal der unermüdliche Professor Kohler in Berlin, der mit gleicher Virtuosität Gutachten über die juristische Seite von Luftschifscrfindungen, über altindische Dichtungen und über die Frage, ob das Statut der Kruppschen Werkspcnsionskassc gegen die guten Sitten verstößt, abzugcbcn pflegt. Keineswegs möchten wir den Verdacht anfkommen lassen, als wünschten wir einen größeren Apparat für die verantwortliche Leitung des deutschen Reichs- und preußischen Staatsanzeigers. Die Volksstimmung freilich ist in solchen Dingen widerspruchsvoll. Hat man doch erlebt, daß, während sonst immer nach demokratischer Rechtsprechung und Beteiligung der Laien gerufen wird, in einem sensationellen Prozesse vorwurfsvoll auf die Tatsache hingewiesen wurde, das; die Schöffen aus dem Stande der Milchhändler und aus gleich ähnlich harmlosen Volkskrcisen genommen waren und daß diese einfachen Leute nun üher eine so bedeutsame An- gclegcnheit urteilen sollten. Der Herr Weber in Berlin wird seine Sache schon machen. Wir zweifeln nicht daran. Aber wir zweifeln eben- sowenig daran, daß das Publikum noch in einer anderen Beziehung aufgeklärt werden kann. Sicherlich ist es der Meinung, daß die be deutsame Erklärung im amtlichen Teile des „Neichsanzeigcrs" ge standen habe. Das ist aber nicht der Fall. Neber ihr steht groß und breit die Ueberschrist: Nichtamtlicher Teil. Diese Sache batte unter der Reichstagspräsidentenschaft des Grafen Ballcstrcm insofern Be deutung, als dieser, wie erinnerlich, die Besprechung solcher kaiserlichen Reden zulassen wollte, die im amtlichen Teile des „Ncichsanzeigers" ge standen hätten. Wir möchten hierüber keine bestimmte Behauptung auf- stellen, aber doch einen Zweifel äußern, ob überhaupt jemals eine kaiser- liche Rede im amtlichen Teile des „Reichsanzeigers" gestanden hat. Auch hierfür dürfte nur immer der nichtamtliche Teil in Frage gekommen sein. Man hat ehen nicht genau zugesehen. Und die Rubrik: „Nichtamtlicher Teil" ist immerhin noch so wi ntig, das; das, was dort seinen Platz findet, als das Offiziellste des Offiziellen erscheint. Wir wollen, wie schon angedeutet, hier keine Aendernngsvorschläge machen. Die Haupt sache ist, daß jeder vernünftige Mensch weiß, welche Bedeutung solchen Veröffentlichungen zukommt, und daß sie durch alle Publikationsmittcl weitergetragen werden. Bureaukratische Geünnung wollen wir in da' Pressewesen nicht hineintragen, auch nicht in das Reich des Kollegen Weber in Berlin, dem wir die Freude an seiner Arbeit nicht verderben wollen. Wir senden ihm kollegialische Grüße. Auf -en Trüniinern M? frnns. Bon unserem ins Erdbebcngebiet entsandten Speziallor e'pondentcn. (Nachdruck verbotene Tote Ställe. I. Reqeio, 8. Januar. Ein mürrischer Morgen blinzelte über den kalabriscken Avennin, als wir zwischen S ylla und Charybdis in die Meerenge von Messina einbogeu. Der Aetna paffte unbenrt sein Pieifch n, als gebe ibm ras Unglück zu leimn Füßen nichts an. Aber unter ibm ballte ein anderer Rauch vrohende Fäuste, das war das brennenve Messina. Die Stadl war, aus der Ferne, wie ein Herd voll farbenfto''er, qualmender Tövse, denen man die Deckel abgehoben hat — die traurige Wahrheit enthüllte mir später erst die Näoc^ Die RegirrungSorder, jede der vom Erdbeben geschlagenen Städte der Reihe nach aufzusuchen, dirigierte unser Schiff, die „Prinzipessa Mafalda", vorerst nach Reggio. Zweikausendsünihunvert Jahre alt ist diese Siadt — und ist nun nickt mekr. Zweilausendfünshuudert Jahre beveuten ein Achselzucken der Natur, die damit die Kultur des Mensckenwitzcs zu Atomen zerschellt. Einst — war es nicht gestern noch? — buchtete hier ein Hafen, als freundliche Poststafton der Kultur; wir juckten und lavierten ver gebens: den Hafen Kat das Meer verschluckt, aus Geiöllirümmcrn strecken Güterwagen ihre Räverbeine in die Luit und drohen zu erlaufen. Der Hal'enbahnhos zeigt zwei nackte Vorrerpfeiler und, wie im Theater, drei rote Innenwände. Bei der mfttleren Bahnstation — Reggio hat drei — ist ein zweiter Gifterzug den Damm hinabgekollert, dessen Bretierladuug man kurioserweile noch immer nicht der provisorischen Unterbringung der Ueberlebenden dienstbar gemackt hat. Einzelne Häuler an der Hasen straße sind wie mit rem Messer quer durchgelchniiien, Dächer sind ab gedeckt, 'unv das Gew rr der Dachsparren ist wie Händeringen. Von manchen Häusern ist vie Vorcerwand abgehoben, man hat das Innere wie das eines Puppenhauses vor sich. Die Slubeowäncc sinv lustig rot und blau getüncht, und Schränkchen, Tischchen, Stühlchen stehen in schönster Ordnung. Vom Balkon eines vierten Stockes — so hoch klettert kalabrischer Leichtsinn — wehen uns aneinanderg knotete Bettücher ein munteres Willkommen. O — es schaut nicht so arg aus von der See, gar ncht so arg . . . nur hügelauiwärts, wo das Kastell paradiert und das Nvnnentloster betet, gab es ein großes Purzeln, das Haus des Krieges und das Haus des Friedens, Nonn n, Noiinenzöglinge, Soldaten fuhien talein in oie Ewigkeit und pochien unterwegs io un- gcstiim den untern Häusern an die Dachgelckosse: Kommt mit, kommt mit! — daß Vie erschreckt aus die Kaserne am Hafen 'prangen, dar nnen alsbald vierhundert schlafende Soldaten sich dem ToreSzuge anschlossen. Die anderen Hundert hatten Nachtübung unv mühen sich nun um ein christ liches Begräbnis lür rie Kameraven; auch um die sünfunrzwanzigtausend andern, an denen die heimatliche Erde zum Veriäter wurce. Die Hundert sind nickt mehr allein an Land mit Hacke und mit Schaufel. Vom Kai aus lommandiert der Panzerkreuzer „Napoli" die B rgungsaktion, sein Avjutartt, ein Torpevo, eilt ordnend bin und her, und Handelsrampfer haben sich der Kriegsmarine unterstellt, gleichwie am Lande rie Freiwilligen der Militärgewalt. Auch die „Prinzipessa Ma'alda" erstattete oronnngSgemäß Meldung beim Hasenkommanrauien und erkielt varauf Weisung, eine Anzabl Schwerverwundert aus Reggio uack Messina an Bord des dort ankernden Lazarettschiffes „Taormina" zu überführen. Da Reggio gleich Messina in Bela ierungszustand erklärt worden ist, bedurften wir auch der förmlichen Erlaubnis, ehe wir.unS an einem nicht zerstörten Treppenaufgang des Stavlkais ausichrffrn konnten. Am Koplenve dieser Steintreppe hatte sich die Generalität stehenden Fußes etabliert, ein Holzkreu; kennzeichnete die Stelle als den provisoiischen Hasen, ein zweites als AuSkunfls.entrale. Der Kai Kat ein Gitter, daran sinv Bretter und Balken gelebnt, unter denen halbnackte Familien sitzend, liegend Hausen. Kleine Feuer tanzen, höhnende T. uselchen, vor den Rumen, srierenve Kinder Drängen sich um sie. Biö vor wenig Tagen noch wärmte Elternliebe diese Armen, im Ausrukr der Flucht zerrissen alle Baude der Natur, Eltern retteten sich nach Neapel, die Kinder blieben verstörten Staunens voll in einer Stadt ruiück, die keine Stadt mehr ist. Und in Neapel siebt man Kuder, deren Eltern vielleicht mit blutenden Fingernägeln die Trümmer ihres Haufts nach ihnen durchwühlen. Die zer chuncene Schar der Ueberlebenden rennt, ein alaimierter Ameftenhaufen, die Hafensttaße her und hin, planlos, aufgeregt, gepeitscht von dem Gespenst der SchreckenSnacht. Bloße Füß', Bastsancalen be gegnen sich mit gelben Frauenstieleletten, nackte Oberkörper hüllen sich in Teppiche und Decken, Sausculottes bergen in Militärmänteln ihre Blöße. Soldaien zimmern noch an einer Bretterbude, in der ichon der wich tigste Pionier des Kulius, die Post, ikr Feldquaitier aufzescklagen hat. An der Äußemeile liegen in auSgehängten Fächern die eingegangenen Briefschaften alphabctnch geordnet aus, ein Zug von Ungeduldigen de filiert luchend und sich selbst bedienend daran vorbei: Nachricht von den Leben, angstvolle Anfragen, die unverzüglich Antwort heischen — ein Lebenszeichen aus der toten Stavt. Wir drangen vom Kono Garibaldi aus, in dem ein G-wirr von zerrissenen Drähten Fußangeln legt, in einige der engeren Straßen ein. Wir kletterten über stockhohe Hügel von Steinen und Gebälk, wir faken von einem Balkon herab zwei aneinanvergeknotete Bettlaken und daran eine Tr ttletter hängen — ist den Fluch lingen die tollkühne Flucht geglückt? — Wir laben in behäbige Wohlhabenheit unv emblößte Armut, wir konnten durch Mauerrisse in Häuser treten, deren Inneres ein wüstes Chaos bildere. Die Häuserfronten stehen straßenweise noch, während von anderen Gebäuden etwa nur eine Wand, oder in Siockhöhe zwilchen Trümmer eingeklemmt, eine einzelne Stube nhaltm blieb. Aber Leben — Leben fanden wir nirgends. Wir suchten das Teatro Garibaldi, tack Museum, den Dom, an dessen Stätte einst der Apostel Paulus geprev'gt haben soll — wir landen nichts von diesen Altären des G-ineS und des H rzens, die Stadt ist tot. Einige Tote sinv arttprucksvoll, wie sie es im Leben vielleicht nicht waren, uno str ckcn sich in einem Sarg aus roden Brettern, als wären sie in der vornehmsten Equipage. Aber der Ruck ihrer Vergänglich- kcit dringt duich alle Poren, „man hört auch das Gestanl", meinte mein neapolitan scher Führer, als wir solch einen Sarg passierten. Ja, dieser Gestank läßt sich nicht überhören, er gellt mir noch in allen Sinnen, er grinst mich auS zedent Teller Essen an, er schwebt mir fratzenhaft vor menen Augen, er führt das niordlnstige Heer der Seuchen über das frftchgedüngte Schlachtfeld. Die Dphlheritis «prang als erste d,e von Furcht uno Hunger ge- schwäckirn Ueberlebencen au, aber diesmal steht eine Armee von Aerzten woklgerület gegen den schleichenden Feind im Felde. Der Giitatem ceS Todeö möchte die Retter vertreiben, aber der Gedanke, daß unter die,en Schutthaufen, inmitten vieler zwanzig- oder dreiß glaubend verwesenden Leichen noch Leben flackern könnte, läßt sie nicht weichen. Man steckt sich mit Lysol getränkte Watttpropfen in die Nase, wer nichts Desinfizierendes hat, riecht unablässig an frischen Zitronen. Ohne das könnte es kein Menlch mehr in Reggio aushalten. G Vie Hilfeleistung Sek Negierung. Ra«, y. Januar. (Tel.) Nachdem in der heutigen Sitzuni der Deputiertenkammcr die ein zelnen Artikel ter Vorlage über die Hilfeleistung für die durch das Erd beben Geschädigten beraten waren, wurde d-ese in geheimer Abstimmung mit der Abänderung angenommen, hast an Stelle »er borseschiagenen fünfprojentigen bnhsruma ver Ltruer» für zwei Jahre, eine solche um zwei Prozent für fünf Jahre beschlossen umrac. Der Be'chluß wurre einstimmig gefaßt unv mit lebbaltem Bei'all ausgenommen.— Ministerpräsident Giolitti schlug sodann vor, daß die Kammer ihre
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