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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.08.1910
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1910-08-19
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19100819019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1910081901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1910081901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1910
- Monat1910-08
- Tag1910-08-19
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BrzugS-Preit M, L«tr,i- und durch «s«, tria« und kvrdueure 2m«l tätlich tu« vau« -rbrachi: SO 8) monatl., >.7b^U virrttljädri. vet unjrrn Filiale» u. Sn» onhinestellen aboebol«: 7S ch monatig » LS virrt-liäärl. Durch di« »oft: v»n«rl>«ld Drulschland« und der deutschen Kolonien »irrilijähri. 8.4s monetl. 1«r* autlchl. Postdeslelloeld. sserner in Belgien, Dänemark, den Donaustaaten, Italien, tlurembura, Niederlande, Nor wegen. Oesterreich 'Ungarn, Ausland, Echwede», Schivet, u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die SesidPltlielle de« Blatte« erhältlich. Da« Leipziger Devedlatt erschmni 2 «ul täglich, Sonn- a. Fei riag« nur morgens, tildonneuleni-Annabme l vuguftusplatz 8, bei unseren Drägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern uud Briesträgern. Itn,«l»rrkausrpr«i^der Bk-rgeu» au«g >de >0 -l», der t denDtulgabe I »ä» lllrdaktton and Geschättssteller Iohannitgasse 8- gernsprecher: lst-SL l«iü», I4«L Morgen-Ausgabe. riWM TagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und Scs Ratizeiamtcs Ser LtaSt Leipzig. Anzeigen-Preis ssr Inserat, au« relvug und Umgedun, die Sgeiva tene bl) ww breit« Petit,eil« 2b ch, dl« 7< tum dreit« Nrklamezeil« i »ou au«wärt« 80 8s, «ielamrn i.20 Inserate von Bebtrden -m amtlichen Dell dl« 74 inw lrette Peilt,eil« «0 8^ «eschäliannvigen mtt P agoorschrtften an» t» der Ucendauiaad« im Preis« erhöht. Nadall nach Lauf. Beilage,,bühr b uU p. Lautend exkl. Postgebühr. ssekterteilte Sultrtge käan«a nicht »urück- aeuigen werden, hü« da« Erscheinen an bellimmten Lagen und Blähen wird Uta« Barantt« übernommen. »n^i^n-Ann-hia«! Luguttusplatz 8s tel ltmiltcheu Filialen u. allen Anno»«» Sspedttioneu de» In» und Autlantes. Hanpt-Itltal« Berlin: Uchrl D-ncker. Her>oql. B i,r. Hostuch» Handlung, Lüdowstiahe IU> lLelephon VI, Nr. 4<>B). Hauat-Stltal« rreäde« keestratze 4, l (Telephon 46A)» Nr. 228. /rrltsg, »en >S. Kiiguv lSlv. 104. Jahrgang. Das Wlchttgste. * Der Geburtstag des Kaisers Franz Zosef wurde in Oesterreich-Ungarn feierlich begangen. Beim deutschen Kaiserpaar in Wilhelmshöhe fand eine Tafel statt, wobei der Kaiser Wilhelm einen Trinkspruch auf Kaiser Franz Zosef aus brachte. (S. d. bes. Art.) * Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht die Er nennung des Staatssekretärs v. Kiderlen- Wachter zum Bevollmächtigten zum Bundesrat. * Die Hochseeflotte ist bei der Insel Rügen angekommen. (S. Dtschs. R.) * Die Erklärung der Annexion Koreas steht unmittelbar bevor. * Aus Italien wird ein Umsichgreifen der Cholera gemeldet. sS. Letzte Dep.) St. Reglementarius. St. Reglementarius, der Furchtbare, der ewig Gestrige, geht um. Sein vergilbtes Akten gesicht unter der Paragraphenkrone taucht hier, taucht dort empor und verwandelt, wie einst das Haupt der Gorgo, die Menschen in Stein. Einstweilen spukt er nur in Preußen. Aber aus den preußischen Ministerien in die Reichs ämter ist der Weg nicht weit und vielbegangen. Und einzelne Wirkungen seiner Tätigkeit greifen unmittelbar ins Reichsgeschäst ein. Es wird deshalb nötig sein, den unheilvollen Gesellen einmal zu stellen und ihn über das Woher und Wohin des Wegs genau zu vernehmen. Unter dem vielen, was alle Welt reform bedürftig findet, steht nicht an letzter Stelle die Vorbildung der Justizbeamten. Auch im preußischen Justizministerium hat man erkannt, daß hier etwas geschehen muß. Es ist auch mancherlei geschehen. Einige Maßnahmen, die den werdenden Richter, Rechtsanwalt, Staatsanwalt in engere Füh lung mit dem Pulsschlag des Lebens bringen sollen, sind gar nicht so ungeschickt. Wichtiger noch will vielen erscheinen, daß die Examina geändert werden. Auch hier ist einiges geschehen. Beim Refere ndarexamen sind an die Stelle der schriftlichen Arbeit, die mit Sechswochenfrist abzuliefern war, drei Klausurarbeiten getreten. Eine verhältnismäßig nebensächliche Aenderung, aber immerhin eine Verbesserung. Nun soll indes zu den dreien noch eine vierte Klausurarbeit kommen, und für sie ist nichts mehr und nichts weniger in Aus sicht genommen als: Übersetzung und Inter pretation einer Stelle aus den Pandekten des corpull iuris . . . Es ist schwer, keine Satire zu schreiben? Nein, es ist schwer, hier eine zu schreiben, die es an grotesker Wirkung mit der Wirklichkeit aufnehmen könnte. Warum verlangt man, daß die Vorbildung unserer Juristen geändert werde? Weil sie unzeitgemäß» verzopft, lebensfremd ist. Welch Heilmittel wird da gegen ersonnen? Eine Aufgabe, wie sie neu zeitungemäßer, verzopfter, lebensfremder nicht gefunden werden kann. In einer Zeit, die ständig die größten Verschiebungen auf dem Gebiete des wirtschaftlichen und sozialen Lebens bringt, in einer Zeit, die zu erfassen eine Unsumme von Energie, Begriffsfähigkeit, Aufmerksamkeit verlangt, sollen die kommenden Richter systematisch von dem Studium des Lebens abgelenkt werden, hin zum schlechten Latein veralteter Satzungen, die in ein Kom pendium zusammengepreßt wurden, das schon am ersten Tage starr war. St. Reglementarius aber wechselt derweilen ins Berliner Polizeipräsidium hinüber. Dort findet er für die Auffassung, daß immer noch viel zu wenig regiert wird, ein leider williges Ohr. Es gibt in der Reichshauptstadt immer noch Theatervorstellungen, die nicht polizeilich überwacht werden. Hier ist das Vaterland in dringender Gefahr. Und deshalb muß regle mentiert werden. Die freien Volks bühnen find zu „lose" Organisationen, um noch als Verein angesprochen werden zu können. Darum werden in Zukunft die Vor- stellungen polizeilich überwacht und die Stücke der Zensur unterworfen werden. Die Ver, , fügung scheint juristisch völlig unhaltbar. Es gibt Dutzende von Vereinen, die noch viel „loser" sind als die freien Volksbühnen und deren Vereinscharakter noch nie ein Mensch bezweifelt hat. Die Gerichte werden sprechen und werden menschlicher Voraussicht nach die Verfügung wieder aufheben. Aber das Schlimme ist, daß eine solche Verfügung überhaupt er lassen werden konnte. Die Angehörigen der freien Volksbühnen sind in überwiegender Zahl Sozialdemo kraten und in dieser Tatsache liegt der Schlüssel für das Reglementieren. Die Leute haben sich stets musterhaft benommen, Stücke, die von der Zensur zu beanstanden ge wesen wären, sind nicht aufgeführt worden. Beides wird am Alexanderplatz anerkannt. Aber unleidlich ist, daß die Leute auf eigne Faust sich gesittet und ordentlich benehmen. Jeder Preuße hat die Pflicht, sich durch die Schutz mannschaft zum gesitteten und ordentlichen Leben anhalten zu lassen. Darum soll der „Blaue" in die Vorstellungen der Volksbühne geschickt werden. Werden die Menschen besser, edler, staatserhaltender, wenn man ihnen die Stun den der Weihe verärgert? Besteht nicht eine große Wahrscheinlichkeit, daß es zu Ordnungs störungen, Ausschreitungen kommen wird, wo man dem Stiere das rote Tuch vorhalten will? Muß man die für Edleres empfänglichen Ge nossen — und nur die sind Mitglieder des Vereins — durch Maßnahmen reizen, die nur als Schikanen wirken können? ... St. Reglementarius, der Aktengelbe, der ewig Gestrige, geht um. Die Reichstags wahlen stehen in Greifnähe. Denkt man nicht daran, daß sie schon ohnedies genug Sozial demokraten ins Hohe Haus liefern werden? Sailer Fran; Mels Geburtstag Der 80. Geburtstag Kaiser Franz Josefs wurde am Donnerstag in der ganzen österreichischen Mon archie durch Festgottesdienste, denen auch die Be hörden beiwohnten, durch Schulfeiern und andere festliche Veranstaltungen begangen. Zahlreiche Wohl tätigkeitsstiftungen find im ganzen Lande errichtet worden. Zn Wien. das festlich geflaggt und vielfach prächtig geschmückt war, wurde der Tag durch Kanonensalut und großes Wecken eingeleitet. Zn allen Gotteshäusern fanden vormittag Festgottesdienste statt. Für die Truppen wurde ein Feldgottesdienst auf der Schmelz abgehalten, an den sich eine Parade der Garnison anschloß, die der General der Infanterie Freiherr o. Albori abnahm. Nach der Parade fand in der Stephanskirche ein vom Erzbischof Dr. Nagl zelebrier tes Hochamt mit Tedeum statt, dem die obersten Würdenträger des Hofes, der Regierung und der Stadt beiwohnten. In Bad Ischl nahm Kaiser Franz Zosef am Donnerstag früh die Glückwünsche seiner Tochter und seiner Enke linnen sowie deren Gemahlen und Kinder ent gegen und hörte nachher eine stille Messe in der kaiser lichen Billa. Um 10 Uhr fand in der Pfarrkirche Hochamt statt, an dem die Mitglieder der kaiser lichen Familie, die Gemeindevertretung und die Spitzen der Behörden teilnahmen. Mittags nahm der Kaiser die Glückwünsche der übrigen Mitglieder der kaiserlichen Familie entgegen. Um ^3 Uhr fand in dem mit künstlerischem Schmuck ausgestatteten, mit kostbaren Gobelins und prachtvollen Blattpflanzen geschmückten Großen Saale des Kurhauses Fami lie n d i n e r zu 72 Gedecken statt. Hieran nahmen teil: Kaiser Franz Zosef. Erzherzog Franz Ferdi nand, Herzogin Sofie von Hohenberg sowie sämtliche Erzherzöqe und Erzherzoginnen des Kaiserhauses, ferner Prinz Leopold, Prinzessin Gisela, die Prinzen Georg und Konrad von Dauern. Herzog Ernst August. Herzogin Thyra von Cumberland, Prinz Georg von Großbritannien, Prinzessin Olga von Großbritannien, Eroßherzog und Eroßherzoain von Mecklenburg- Schwerin, Herzogin Maria Theresia von Württem berg, Herzog Robert von Württemberg, Herzoain Maria Reineria von Württemberg und Prinzessin Marie Luise von Baden. Gleichzeitig fand im Hotel „Elisabeth" Marschalltafel statt. Dor dem Diner hatte der Kaiser die Glückwünsche der in Zsckll einqetroffenen fremden Fürstlichkeiten entgeqengenommen. Um 2 Uhr 20 Minuten verließ der Kaiser in Begleitung des Erzherzogs Franz Salvator in offenem Wagen, der von den Damen der Zsckiler Gesellschaft mit Alpenblumen und Edelweiß herrlich geschmückt war, die kaiserliche Billa. Brausende, nicht endenwollende Hochrufe ertönten und unbeschreiblicher Zubel erfüllte die Menge, die glücklich war, dem Kaiser huldiaen zu können. Der Monarch war über diese erhebenden Aeußerungen der Liebe, Treue und Anhänglichkeit sichtlich erfreut und dankte unausgesebt. Die begeisterten Huldigungen der Bevölkerung wiederholten sich bei der Rückfahrt des Kaisers. Di« Feier am deutschen Kaiserhofe. Donnerstag mittag 1 Uhr fand in Wilhelms- höhe beim Kaiserpaar aus Anlaß des Geburts tages des Kaisers Franz Zosef eine Frühstücks« I täfel statt. Hierbei saß der Kaiser gegenüber der Kaiserin, rechts vom Kaiser folgten zunächst Bot- schafter v. Szögyeny, Eeneraladjutant Frei herr v. Lyncker, der österreichisch-ungarische Militär attache Freiherr v. Bienerth, Chef des Zivilkabinetts Exzellenz Dalentini, links vom Kaiser der Reichs kanzler, Freiherr v. Flotow, Staatssekretär von Kiderlen-Wächter; rechts von der Kaiserin sahen zu nächst Botschafter Freiherr v. Marschall, Prinzessin Viktoria Luise und Oberpräsident Hengstenberg, links von der Kaiserin der kommandierende General Frei herr o. Scheffer-Boyadel, Gräfin Pückler, Ober hofmarschall Graf Eulenburg und der Gesandte Frei herr v. Zenisch. Bei der Tafel brachte der Kaiser, indem er sich an den österreichisch-ungarischen Bot schafter wanote, einen Toast aus, der folgenden Wortlaut hatte: Am heutigen Tag, wo allerorten in den Ländern Sr. Majestät desverehrtenKaisersFranz Zosef sein Geburtstag festlich begangen wird, drängt es mich, auch Eurer Exzellenz mit meinen Glückwünschen für den Geburtstag, den 80. Zhres allergnädigstcn Herrn, die Glückwünsche meines gesamten Volkes auszudrücken. Weit über die Grenzen seiner Länder hinaus wird im ganzen deutschen Vaterlands die erhabene Per son Ihres Kaisers verehrt und geliebt. Dieses lange Leben, besten Zahreszahl schon die Bibel als — wenn es köstlich war — mit Mühe und Ar beit gesegnet bezeichnet, ist für uns im deut schen Vaterlands ebenso wertvoll und mit derselben ehrfurchtsvollen Liebe umgeben, wie daheim. Zch spreche infolgedessen im Namen meines gesamten Vaterlandes, wenn ich von Herzen bitte und hoffe, daß der liebe Gott Ihren allergnädigsten Herrn als obersten Schirm herrn seiner Länder, als obersten Kriegsherrn des uns verbündeten österreichisch-ungarischen Heeres und als meinen getreuen Verbündeten, und wenn ich hinzufügen darf, besonders als meinen von mir hochverehrten persönlichen väterlichen Freund noch lange er halt ts Allen diesen Wünschen und Gesinnungen, die unsere Herzen bewegen, geben wir Ausdruck, indem wir rufest: „Se. Majestät Kaiser Franz Zosef Hurras Hurra! Hurra!" Nachdem der Kaiser den Trinkspruch auf Kaiser Franz Zosef beendet hatte, spielte die Musik die öfter reich ifche Nationalhymne. Die Tafelmusik wurde von der Kapelle des Infanterieregiments von Wittich (3. kurhessisches Nr. 83) ausgeführt: u. a. kamen zum Vortrag die Prinz-Eugen-Fanfare, eine ungarische Lustspielouvertüre von Keler-Bela, Tschardasch Nr. 1 von Michiels, Stücke aus der Operette „Die Fleder maus" von Strauß und der Deutschmeister-Regi mentsmarsch von Zurek. Glückwunschtelegramm« an Kais«r Franz Zos«f. Das Wiener „Fremdenblatt" meldet aus Zjchl: Don allen Souveränen trafen Glückwunsch schreiben und Telegramme ein. Kaiser Wilhelm sandte ein langes Telegramm, das äußerst herzlich gehalten war und dem Kaiser große Freude bereitete. Fortschritte im machematisch- nswrmMenlchaftlichen Untericht (Dom llnterrichtskongreß in Brüssel.) Zn der Woche vor der Brandkatastrophe fand in Brüssel eine Zusammenkunft deutscher und französischer Schulmänner statt, die sich in erster Linie mit dem höheren Schul wesen beschäftigten. Da für internationale Be sprechungen alle Fächer, die nationale oder religiöse Probleme berühren, ungeeignet sind, standen in allen Versammlungen die Fragen des mathematisch naturwissenschaftlichen Unterrichtes im Vordergrund des Interesses. Am 9. und 10. August fanden Sitzungen der internationalen mathematischen Unterrichtskommission statt unter dem Vorsitz von Prof. Klein (Göttingen), Ereenhill (London), Fehr (Genf), Vourlet (Paris). Am 11. und 12. August tagte die deutsche Abteilung, am 13. und 1-1. August die französische. Für den 15. und 16. war ein internationaler llnterrichtskongreß auf Ver anlassung des belgischen Unterrichtsministeriums ein berufen worden. In der öffentlichen Sitzung der internationalen, mathematischen Unterrichtskommission — in Fach kreisen bekannt unter dem Namen „Zmuk" — be richteten Klein und Fehr über die Arbeiten der Kommission. Derselben ist vom letzten Mathematiker kongreß in Rom die Aufgabe gestellt, einen umfassen den Bericht über den Stand des mathematischen Unterrichts in allen Kulturländern zu geben. Don der deutschen Abteilung konnten bereits acht Monographien vorgelegt werden, darunter der Bericht über den mathematischen Unter- richt an den höheren Schulen Sachsens von Witting (Dresden). Mit glänzender Bered samkeit sprach dann Bourlet lParis) über die völlig veränderte Stellung, die die mathematisch-natur- wistenschaftlichen Disziplinen heute einnehmen, Im Gegensatz zur Kultur vergangener Zahrhunderte. Der traditionelle Unterricht sei ebenso verfehlt in der Stoff auswahl wie in der Methode. Die moderne Schule habe nicht die Aufgabe, mit logischen Spitzfindig, ketten Philosophen zu bilden, sondern die Maste zu erziehen. Die Sitzungen der deutschen Abteilung fanden unter Vorsitz von Thaer, Direktor der Oberreal schule vor dem Holstentor in Hamburg, statt. Zuerst ergriff Geh. Oberregierungsrat Matthias als Vertreter des preußischen Kultusministeriums das Wort. Als er mit der Leitung der Unterrichts abteilung beauftragt wurde, sei es ihm sofort klar ge wesen, daß, wenn die Ausstellung nicht farblos und blaß ousfallen sollte, nicht alle Disziplinen gleich mäßig berücksichtigt werden könnten, sondern daß das Charakteristische der neuen Zeit klar zum Ausdruck gebracht werden müßte. Kein Unterrichtsfach habe aber in den letzten zehn Zähren an den preußi schen Schulen solche Fortschritte gemacht, auf keinem Gebiete sei die Methode des Unterrichts so um gewandelt worden, wie auf dem des natur wissenschaftlichen Unterrichts. Noch vor zehn Zähren standen die höheren Schulen Preußens unter dem Druck des Berechtigungsmonopols der Gym nasien. Als er, der Redner, noch zur Schule ging, galten die Naturwissenschaften für einen Fremd körper im Organismus der Schule, ihre Vertreter für Sonderlinge. Jetzt feien es die Fächer, in denen Leben und Bewegung am meisten sichtbar sei. Er habe den Eindruck, daß kaum auf einem andern Ge biete von Lehrern und Schülern mit solcher Freudig keit gearbeitet werde, als auf dem der Naturwissen schaft. Die Naturwissenschaft als Wissenschaft sei alt, als Bildungsfach jung. Die moderne Bewegung sei nicht nur durch die veränderten Kulturverhältnisse bedingt, sondern tief im menschlichen Geist begründet. Sie werde sich durchsetzen, ob die Unterrichtsverwal- tungen dafür seien oder dagegen. Nachdem die Versammlung von dem Vertreter des Belgischen Oberlehreroereins und von Greenhill (London) begrüßt war, gab Dr. Mosch, der Kom missar der Unterrichtsausstellung, einen lleberblick über Zweck und Anordnung der Aus stellung. Da im Gegensatz zur Weltausstellung von St. Louis die Hochschulen diesmal unberücksichtigt geblieben seien, habe man mehr Raum für die Dar stellung einzelner Fächer und Schulgartungen ge wonnen. Von jeder der in Preußen vertretenen höheren Schulen sei eine ausführlich dargestcllt, und zwar Reaschule, Oberrealschule, Realgymnasium, Re formrealgymnasium, Gymnasium, Rcformgnmnasium. Zn den betreffenden Zimmern der Ausstellung be finden sich die Pläne der Gebäude, Unterrichts verteilung, Stoffverteilung, Protokolle der Lehrer konserenzen. Prüfungsprotokolle, Prüfungsarbeiten, Schülerhefte aller Fächer und Altersstufen, Zeich nungen, zahlreiche Photographien aus dem Schullebcn und anderes mehr. Daneben seien für die. natur wissenschaftlichen Disziplinen besondere Räume bereit gestellt worden. Man habe hier versucht, die ver schiedenen Methoden, nach denen an den einzelnen Schulen gearbeitet werde, zur Darstellung zu bringen. Die preußischen Lehrpläne legten zwar die Endziele des Unterrichts fest, gestatteten aber im einzelnen dem Lehrer die größte Freiheit. Diese vom preußischen Kultusministerium ausdrücklich ge währleistete Freiheit habe die außerordentlichen Fortschritte, die der Unterricht in den letzten zehn Zähren gemacht habe, ermöglicht. Bei aller Ver schiedenheit sei das gemeinsame Ziel, den Vortrag Les Lehrers zugunsten der Selbsttätigkeit der Schüler zurückzudrängen. Sehr richtig hob der Redner am Schluffe seiner Ausführungen noch hervor, daß die naturwissenschaftliche Ausstellung nicht den Stand des Unterrichts in Deutschland charakterisiere, sondern nur das Ziel darstelle, das die Reform erstrebt, und das wohl nur in einigen Hamburger und Berliner Schulen verwirklicht sei. Nachdem der Vorsitzende die Begrüßung erwidert und die Verdienste des Kommissars Dr. Mosch um das Gelingen der Unterrichtsausstellung und des Kongresses hervorgehobcn hatte, folgten Fachvor träge. Es sprachen Treutlein (Realgymnasium Karlsruhe) über Geometrie, Grimschl, Direktor der Oberrealschule auf der Uhlenhorst, Hamburg, und amtlicher Vertreter der Hamburger Oberscbulbehörde, über physikalische Schülerübunaen, Schoenichen (Helm- Holtz-Realgymnasium, Schöneberg) über biologische Schuleriibungen. Am Nachmittag fanden fachmän nisch: Führungen durch die Unterrichtsausstellung und die Abteilungen für Mechanik und Optik statt, wobei namentlich die Ausstellung der Firma Zeig und ein ganz aus Quarz hergestelltes Quecksilber thermometer, das bis 750 Grad Celsius zeigt, In teresse erregte. Um 6 Uhr sand unter großem Andrang ein zwei stündiger Vortrag über das Schulwesen der Stadt Charlottenburg statt unter Benutzung von Kinematograph und Phonograph. Bürgermeister Mätting und Stadtschulrat Neuferl aus Charlottenburg waren persönlich erschienen, den Vortrag hielt Dr. Driesen. Der erste Teil be handelte das Volksschulwesen und zwar zuerst den Kindergarten. Reigen, Kinderspiel, Besuch des Schularztes, Unterricht über den Frühling mit Zeich nen und Gesang, Konstruktionen mit dem Baukasten wurden „kinematographisch-grammophonisch" vorge führt. Dann folgte eine Rechenstunde in einer so genannten B-Klasse von etwa 10jährigen Zungen. Zn den Ecmeindcschulen Charlottenburgs werden die Kinder nachder Begabung getrennt. Die Hochbegabten gehören zur A-Klasse mit einer Fremd sprache, die Normalen bilden die N-Klasse, die wenig Begabten, die aber noch nicht der Hilfsschule für Schwache zugewiesen werden müssen, die B-Klaffe. Während bei den übrigen Vorführungen Kinemato graph und Phonograph vortrefflich zusammenarbei- teten, hatte in der Rechenstunde der B-Klasse der Phonograph Verspätung. Die Schüler meldeten sich immer 30 Sekunden eher als der Phonograph die Frage des Lehrers verraten hatte. Dann folgte eine Phnsikstunde in der ersten Klasse der Gemeindeschule, natürlich modern als Werkunterricht, nach der Me- thode der „sprechenden Hand", wie der Vortragende sich ausdrückte. Der zweite Teil behandelte die höheren Schulen. Zuerst wure eine französische Un. terrichtsstunde in Quinta — System Walter, Frank- furt — vorgeführt, dann zahlreiche Szenen au» der Charlottenburger Waldschule, schließlich Turnunter richt in den Klassen Sexta, Obertertia und Prima. Bei dem lebhaften Beifall, den der Vortrag sand,
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