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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110421016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911042101
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911042101
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Handelszeitung
- Jahr1911
- Monat1911-04
- Tag1911-04-21
- Monat1911-04
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Dss Wichtlglte. * In Berliner Kreisen kursieren Gerüchte über den Rücktritt des Staatssekretärs Dr. Delbrück. (S. Deutsch. R. * Am Mittwoch tagte in Lübeck der achte Derbandstag der deutschen Hilfsschu len. (S. bes. Art.) * Auf dem Schwarzen Meere herrscht ein heftiger Sturm, der bereits viele Schiffsunfälle im Gefolge gehabt hat. * Der indische Anarchistenprozeß in Howrah ist nach viermonaiiger Dauer beendet. Von den 4t- Angeklagten wurden sechs zu längeren Frei- heits strafen verurteilt, die übrigen wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Die Intervention. Das seit der plötzlichen Mobilmachung ame rikanischer Streitkräfte Erwartete steht jetzt unmittelbar bevor. Die Bereinigten Staa ten werden sich, trotz aller Ablcugnungsversuche, in den mexikanischen Bürgerkrieg einmischen wie sie vor 13 Jahren um dieselbe Jahreszeit in Spaniens Händel mit seinen kubanischen Rebellen eingegriffen haben. Man mag Uncle Sam unhold gesinnt sein. Eins mutz man ihm lassen: die häßliche Art des Parvenüs haftet ihm nicht an. Seine Vergangenheit verleugnet er nicht. Wie sein Staat aus einer revolutio nären Erhebung hervorgegangen ist, so fährt er fort, die Partei aller möglichen Insurrek tionen auf der Westseite gegen die bestehenden Regierungen zu ergreifen. Wenn's immer die gerechte Sache wäre, der er beispringt, möchte es ja löblich sein. Doch die Frage ist für einen philosophischer Spekulation abgeneigten Ge schäftsmann zu schwierig. Aber folgerecht bleibt sein Handeln. Diesmal wurde es nicht ganz leicht, die Losung auszugeben. Man hatte doch über dreißig Jahre Don Porfirios guter Freund ge heißen. Und nun platzte wie eine Bombe in die erstaunte Welt die Nachricht hinein, daß die Union mobilmache, um seine Schwierig keiten zu vermehren! Denn der harmlosen Ge müter leben nicht allzu viele, die an deren Verminderung glaubten, wenn ein förmliches Kriegsheer an der Grenze zusammengezogen wurde. Das war eine Demonstration, und gegen Rebellen demonstriert man nicht als Nachbarstaat, sondern begünstigt sie durch nach lässige Beaufsichtigung der Grenzen oder be fördert ihre Niederwerfung durch deren scharfe Bewachung. Diese geschieht aber nicht durch Aufstellung eines schlagfertigen Heereskörpers ein paar hundert Kilometer von der Grenze, sondern durch weniger auffällige als ernsthafte Besetzung aller Uebergangsstellen mit gut ge zogener und ihrer Verantwortung bewußter Gendarmerie. Tatsächlich ist auch der Waffen schmuggel und das Zuströme« Freiwilliger aus dem amerikanischen Gebiete ins Rebellenlager in den letzten sechs Wochen um kein Haar ver mindert gewesen. Aber die fromme Lüge wurde aufrechter halten, daß man für Diaz sich mühe, so wenig die schlechte Maske das wahre Gesicht verbarg. Inzwischen war man freilich geschäftig, die Schwenkung vorzubereiten. Von Zeit zu Zeit ließ man Gerüchte aufflattern, daß der gute Freund am See von Tenochtitlan falsch und in geheimem Verständnis mit Amerikas lauerndem Feinde Japan sei. Einmal sollten schon 150 000 Japaner sich heimlich in das Aztekenland eingeschlichen haben, um bei guter Gelegenheit gegen Panama marschieren zu können. Dann war die Magdalenen-Bai an den Mikado ver schachert. Ein andermal wieder hieß es, Diaz — den man im März auf dem Sterbebette liegen ließ! — wolle im Juli nach Tokio reisen! Man spielte mit verteilten Rollen: die Sen sationspresse, der die im Auswärtigen Amte ge mästeten Enten natürlich doppelt gut schmeckten, übergoß sie mit ihrer pikantesten Brühe, und am nächsten Tage hatte Mr. Taft eine Veran lassung, sie Lügen zu strafen und seine unaus löschliche Freundschaft mit dem Amtsbruder im Süden in salbungsvollem Schwünge zu be teuern. Nun scheint das lustige Spiel ein Ende zu nehmen. Ein Zwischenfall ist eingetreten, der endlich den ersehnten Einmischungsgrund ge schaffen hat. Der Krieg hatte sich an die un mittelbarste Nähe der Grenze herangeschoben. Ob die Strategie, seinen Hauptsitz nach dem kleinen Neste Agua Prieta zu verlegen, im Hirne Madras oder eines anderen Rebellen führers entstanden war, weiß man nicht: ein mexikanischer Patriot hat sie schwerlich aus gebrütet! Solche Erenzkämpfe sind tatsächlich eine Rücksichtslosigkeit gegen die Bewohner des Nachbarlandes. Unsere deutsche Heeresleitung hat inl Januar 1871 die Festung Givet-Charle- mont trotz mancher Schwierigkeiten lieber im Besitze der Franzosen gelassen, um nicht durch einen Belagerungskrieg das belgische Gebiet zu gefährden! Aber Rebellen haben eben für solche völkerrechtliche Feinheiten kein Gefühl. Oder wenn sie es haben, dann — sind ihnen die daraus ihrem Vaterlande entspringenden Verlegenheiten gerade recht. Wenigstens den aufständischen Mexikanern unter Herrn Maderos Leitung, die ihr ganzes Unternehmen so hübsch auf dem Boden der Union zurüsten durften. Der Indizienbeweis für das falsche Spiel der Washingtoner Regierung schließt sich. Als die Kugeln nach D ou glas herüberflogen, denen man schwerlich genau ansehen konnte, ob sie oon den sich verteidigenden Regierungstruppen oder von den stürmenden Insurgenten abgeschossen waren, da durfte man ja den Leuten von Douglas ihre Erbitterung nicht verargen. Auch das Recht des amerikanischen Befehlshabers, die Fortsetzung des Kampfes zu verbieten, muß zu gestanden werden. Aber inkorrekt war es, die flüchtenden Regierungssoldaten zu entwaffnen; denn diese Handlung drückt eine Anerken nung der Insurrektion als krieg führende Macht aus! Mit der freund nachbarlichen Gesinnung, die man so lange für die Regierung des Präsidenten Diaz zur Schau trug, ist sie vollends unvereinbar. Don Vorwand zum spanischen Kriege gab der Untergang der „Maine" im Hafen von Havanna. Man verbreitete das Gerücht, das Schiff sei auf einen von den Spaniern gelegten Torpedo geraten. Da noch Friedenszustand herrschte, müßte der Gouverneur von Kuba ja toll gewesen sein, wenn er die Schiffahrt im eigenen Hafen vorzeitig durch das Teufelszeug gefährdet hätte. Auch hat in der Tat die so fort entsandte amerikanische Kommission trotz gewiß guten Willens keine Spur entdeckt, die den Verdacht bestätigen konnte. Nachdem Gras über den Friedensbruch gewachsen war, folgten dann Enthüllungen, die einen Anschlag der Verschwörer als Ursache der Katastrophe und als Zweck die Erwirkung der amerikanischen Intervention nachwiesen. Mit dem Opfer einiger Hunderte von braven Seeleuten hatte also Uncle Sam sich den cu--ns helli beschafft. Dieses Mal scheint es billiger gemacht zu werden. Auf der Promenade von Douglas soll ein Journalist erschaffen sein, der dort friedlich seinen Spaziergang machte. Sollte der gute Mann nicht soviel Berufseifer ent wickelt haben, sich die „große Schlacht" ein wenig mehr in der Nähe anzuschauen'? Sollte er also nicht ein Opfer seiner eigenen Wag halsigkeit geworden sein'? Tut nichts, die Union hat ihren Vorwand zur Einmischung und sie wird ihn zweifellos zu einer ihr gut dünkenden Stunde auch benutzen. Der Streit um -ie SerkltleMon Les Reichstags. Aus Berlin wird uns gedrahtet: Ein Berliner Blatt vertritt von neuem die Ansicht, daß das Man dat des gegenwärtigen Reichstags bereits am 13. De zember abläuft. Um Verwirrung zu verhindern, muß von neuem festgestellt werden, daß diese Ansicht staatsrechtlich unhaltbar ist. Innationallibe- ralen Kreisen läßt man richt den geringsten Zweifel darüber, daß man sich der Ansicht nicht an schließt. Man bekämpft den Januar termin, den die Regierung in» Auge gefaßt hat, nicht aus staatsrechtlichen Gründen, sondern deshalb, weil er sachlich außerordentlich ungünstig liegt. Die Mitteilung eines Münchener Blattes, daß, wenn viel leicht auch nicht an maßgebender Stelle, so doch sonst in politischen Kreisen erwogen werde, den Reichstag im Herbst auch noch den Etat für 1912 erledigen zu lassen, widerspricht den früheren Dispositionen. Nach dem Plan der Regierung sollten im Herbst die Strafprozeßreform, das Kurvfufchergesetz, die Ge- werbenooelle (Heimarbeit), die Pensionsversicherung der Privatbeamten, der Handelsvertrag mit Japan, wenn möglich, auch die Schiffahrtsabgaben erledigt werden. Das ist ein Programm, Las, abgesehen von den sachlichen Schwierigkeiten, als außerordentlich umfassend bezeichnet werden muß. Es ist von vorn herein unglaubhaft, daß nunmehr auch noch der Etat für 1912 einbezogen werden sollte. Im Reichsamt Leg Innern wird denn auch erklärt, daß eine solche Absicht nicht bestehe und daß die Bera tung des Etats für 1912 unter allen Umständen dem neu zu wählenden Reichstag Vorbehalten bleiben solle. Bemerkenswert ist, daß gleichzeitig die konser vative „Kreuzzeitung" etwas ganz anderes schreibt: sie bezeichnet nämlich als „selbstverständlich", daß der Reichstag im Herbst, wenn irgend möglich, den Etat für 1912 noch fertigzustellen habe. Eine noch interessantere Version bietet die meist vor trefflich unterrichtete agrarische „Deutsche Tagesztg.". Dieses Blatt tut die Münchner Auslastung als eine Kombination nicht sehr maßgebender Stellen von oben her ab und schreibt dann: „Bisher ist nur da von die Rede gewesen, den neuen Etat dem scheiden den Reichstag gleichsam zur Kenntnis nahme zu unterbreiten, nicht aber zur völligen Er ledigung. Eine solche Absicht aber wäre sachlich sehr wohl begründet und politisch zweckmäßig. Der Reichstag hat ein natürliches Recht darauf, eine mög lichst vollständige Bilanz seiner Hauptarbeit zu sehen. Wenn dem Reichstag entweder der vollständige Etat oder eine eingehende Etatüüersicht zugestellt und in einer besonderen Kundgebung näher auf dessen Be deutung hingewiesen würde, so wäre damit nur der finanziellen wie der politischen und der parlamenta rischen Lage in gleichem Maße gedient; und es würde damit zugleich gegenüber der Bevölkerung, die vor bedeutsamen Neuwahlen steht, wie gegenüber dem Auslande, eine wichtige Regierungsaufgabe er füllt." Damit wird auf einen Plan von hoch politischer Bedeutung hingewiesen. Di« Kundgebung, die hier der Regierung nahegelegt wird, würde nichts anderes sein als eine Recht fertigung der Reichsfinanzreform des schwarzblaucn Blockes und ein Aufruf für die bevorstehenden Wahlen. Inüuttrie, Ssnüel unü lozisl- iwlililche Belastung. Die vereinlgren Kommissionen des Deutschen Han delstages für Sozialpolitik und Kleinhandel haben dieser Tage, wie wir bereits berichteten, im Anschluß an eine Erklärung gegen Len Gesetzentwurf der An- geftelltenoersicherung einen Beschlug gefaßt, der, an sich bedeutsam genug, auch im Hinblick auf die be vorstehende Mehrbelastung durch die RVO. großes Interesse verdient: „Angesichts der unaufhörlich steigenden Lasten, die Deutschlands Industrie und Handel infolge der fortschreitenden sozialpolitischen Gesetz gebung auf sich zu nehmen haben, wird die Frage immer brennender, wie bei dieser wachsenden B c r- teuerung der Produktion (durch Versiche rungsbeiträge und Betriebsbeschränkungen) die deutsche Ausfuhrindustrie auf dem Welt markt den Wettbewerb der sozialpoli tisch noch z u r U ck b l e i b e n de n Völker aushalten soll. Der Deutsche Handclstag hat auf die drohende Gefahr schon seit Jahren nach drücklich hingewiesen. Zur schärferen Beleuchtung der Lage, und um sachlich unbegründete sozialpoli tische Bestrebungen in Zukunft wirksamer be kämpfen zu können, ist aber eine authentische ver gleichende Darstellung der sozial politischen Belastung in den wichtigsten Industriestaaten dringend notwendig Diese Dar stellung muß namentlich die Verhältnisse in den Ländern ausdecken, deren Industrie ohnehin schon mit Hilfe billigerer Lebenshaltung und niedrigerer Löhne unsere Stellung auf dem Weltmarkt ge fährdet. Die vereinigten Kommissionen des Deut schen Handelstages betr. Sozialpolitik und betr. Kleinhandel empfehlen deshalb, der Deutsche Han üelstag wolle im Anschluß an seine Stellungnahme zum Entwurf eines Versicherungsgesetzes für An gestellte die Bearbeitung und Veröffentlichung einer solchen vergleichenden Darstellung der inter nationalen sozialpolitischen Belastung bei der Reichsverwaltung beantragen. Die Kommissionen beantragen ferner, der Deutsche Handelstag möge der Reichsverwaltung gegenüber aufs schärfste be tonen, baß neuen sozialpolitischen Plänen nicht eher nähergetreten werden dürfe als bis der Ausgleich zwischen unserer sozialpolitischen Belastung und derjenigen unserer Konkurrenzstaaten hergcstellt ist." Der Beschluß enthält, so bemerkt die „Natl. Korr." dazu, zwei Anregungen recht verschiedener Art. Dem Wunsch nach einer authentischen, vergleichenden Darstellung der sozialpolitischen Belastung in den wichtigeren Industriestaaten wird sich niemand ver schließen wollen, der die erstaunliche Rückständig- keit der Arbeiterversicherungs- und Schutzqesetz- gebung namentlich Nordamerikas, Eng lands und Frankreichs kennt. Es ist hier des öfteren nachgewiesen und vor allem der Sozialdemo kratie vorgehalten worden, wie wenig das deutsche Vorbild vom Ausland bisher erreicht ist. Am nächsten sind unserem Beispiel noch Oesterreich-Ungarn, Luxem burg und die kleineren nordischen Staaten nachge kommen. Zn denjenigen Ländern indessen, auf die es hauptsächlich ankommt, weil sie mit uns in schärf stem internationalen Wettbewerb stehen, ist dieses Beispiel zumeist noch nicht Halbwegs erreicht, und wenn es uns trotz des Widerstandes der „Arbeiter- oartei" gelingen sollte, die RVO. zu verabschieden, so wird der neu gewonnene Vorsprung — und mit ihm eben auch die Belastung des Unternehmertums — das gesamte Ausland wieder weit hinter sich zurück lassen. Und es kann tem Zweifel sein, daß die hier gewünschte Statistik zu dem Ergebnis kommen wird, daß Deutschlands Handel und Industrie sich gegen über dem sozialpolitisch weniger oder gar nicht be lasteten Auslände >n schwerem Nachteile befinden Trotzdem wäre für die wissenschaftliche und gesetz aeberlsche Ausnutzung einer solchen vergleichende» Darstellung die absolute Tendenzlosigkeit eine unerläßliche Voraussetzung. Der Wortlaut des oben mitgeleilten Beschlusses scheint uns aber eine gewiße Tendenz in der Richtung zu verraten, daß eben nur die Nachteile festgestellt werden sollen, welche unseren Exportindustricllen und lem deutschen Aus fuhrhandel aus den sozialpolitischen Lasten erwachsen. Unü doch kann u. E. nicht geleugnet werden, baß diesen Nachteilen auch Vorteile gegenüberstehen, die unsere Unternehmer dem Auslande aeaenüoer wieder in die günstigere Lage setzen. Wir Haden dabei z. B. die wissenschaftlich längst fcstgestcllte, außerordentliche Hebung des Gesundheitszustandes unserer Arbeit nehmer durch die Krankenversicherung im Auge: ein Fortschritt, der unsere Arbeiterschaft zweifellos auch widerstandsfähiger und damit die deutsche Industrie allen Konkurrenten des Weltmarktes gegenüber leistungsfähiger gemacht hat. Aber die erwähnte Tendenz tritt auch ganz unver- küllt aus der zweiten Anregung im Schlußsatz hervor. Die Kommissionen :«s Deutschen Handels tages rufen unserer Sozialgesetzgebung allen Ernstes ein gebieterisches Halt! zu, auf daß die an deren Industriestaaten unsere Arbeitergesetze erst nach machen und ihre Arbeitgeber die gleiche Belastung er fahren, wie das deutsche Unternehmertum. Wir können uns nicht denken, daß das Plenum des Han delstages einer solchen Forderung beitritt. Diese Körperschaft kann sich doch einem Zweifel darüber nicht hingeben, daß eine sozialpolitische Ruhe pause in unserer Gesetzgebung, abgesehen von der RVO., nicht eher möglich ist, als nicht zum min desten die Frage der Versicherung der Pri- vatanD« st eilten, dieses trotz seiner sozialen Bedeutung so lang« vernachlässigten Mittelstands zweiges, in befriedigender Weise gelöst ist. Aber auch davon abgesehen, scheint uns das Verlangen nach Einstellung unserer Sozialgesetzgebung von einer schiefen Auffassung der Verhältnisse auszugehen. Die konkurrierenden Industriestaaten würden sich durch eine solche Einstellung vermutlich nicht im mindesten imponieren oder in ihrer Ruhe stören lasten. Es kommt vielmehr darauf an, daß deren eigene Lohn arbeiterschaft sie zur Nachahmung der — gleichzeitig fortschreitenden — deutschen Sozialgesetzgebung zwingt. Und hier könnten die Internationalen Sozialrstentag«, wenn es ihnen eben überhaupt um Arbeiterwohlfahrt zu tun ist, längst ein Gebiet ge funden haben, auf dem sie endlich einmal frucht bare Arbeit leisten. Die psriler Lksnüsllerie. Paris, 19. April. „Es regnet Verhaftungen!" Die Serie der Skandale erweitert sich oon Tag zu Tag; die Justiz scheint entschlossen, den Augiasstall unnachsichl- lich zu reinigen. In der Affäre Hamon (Unter schlagungen in üer Finanzoerwaltunq des Aeußern- ministeriums) war die Verhaftung Les äußerst be kannten Architekten Ehädanne zu verzeichnen, in der Affäre Valensi (Ordensschacher) die des Direktors der „Revue d i p l o m a t i q u e", M e u l e m a n s. Gestern früh hatte der Minister des Aeußern eine lange Unterredung mit Ehädanne, den er über gewisse Manipulationen des Bautendienstes befrag.e: nachmittags mußte der Architekt seine Aussagen vor dem Untersuchungsrichter Driour wiederholen, üer so viele Widersprüche feststettte, das; er Ehädanne der Mitschuld an den Betrügereien des Finanzdircktors Hamon anklagtc und festnehmen ließ. Der Bau meister, der zu den ersten von Parts gehört, wo er Warenhäuser und Palasthotels errichtete, gilt all gemein für einen sehr talentvollen Mann, doch mit etwas zu „modernen" Ardeitsmethoüen. Ehädanne scheint es mit milden Augen angesehen zu haben, daß Hamon auch etwas an den vielen Um bauten der Botschaftspalais, die er ihm übertrug, verdienen wollte. Fest steht, daß der sehr reiche Architekt auch dem lebenslustigen Finanzdirektor ein persönliches Darlehen in Höhe von 280000 Franken bewilligt hatte!! Die Klage eines bekannten Pariser humoristischen Malers, And»' deWa m b c z, der beauftragt wurde, die Wiener Botschaft mit Wandmalereien auszuschmücken, ist ebensowohl für Hamon wie für Ehädanne sehr belastend: man soll den Künstler gezwungen haben, eine Quittung über 30 000 Franken auszustellen, wogegen er nur 7000 Franken erhielt mit dem Derspreck-en einer späteren Nachzahlung von noch 10 000 Franken. Der Architekt behauptet, er wisse von all dem nichts, da de Wambez direkt mit Hamon verhandelt habe; der Künstler aber bezichtigt beide. Das hohe Darlehen, das Ehädanne dem Direktor gewährte, erklärt er als einen bloßen Freundschaftsakt; Hamon wäre so ver zweifelt gewesen, daß er von Selbstmord gesprochen habe. Da er ihm nicht etwa als ein Verbrecher, son dern nur als ein leichtsinniger Mann erschienen sei, und da er ihm anderseits allerlei Garantien bot. habe er in die Rettung gewilligt. Schließlich wurde Ehädanne noch angeklagt, drei dem Staat gehörende Gobelins im Werte von zusammen 3 Millionen Franken in seiner Wohnung aufbewahrt zu haben. Er versicherte, daß er sie habe reparieren lasten, und daß er das Ministerium (Hamon!) benachrichtigte, wo sich die Tapisserien „provisorisch" befanden. Wenn sich der Untersuchungsrichter entschloß, Ehädanne, der immerhin in Paris als eine sehr große Persönlichkeit gilt, hinter Schloß und Rie«l zu setzen, wird er wohl aus den bei Hamon beschlagnahmten Liefc- ranten-Rechnungen genügende Beweis« erlangt haben, daß der Architekt zum mindesten von den Machen- schäften des Finanzdirektors wußte und sie nicht hinderte. Die Verhaftung des Direktors Meulemans in der Redaktion seiner „Revue diplomatique" gestaltete sich recht dramatisch. Meulemans, der sein« recht angesehene Zeitschrift oon seinem Vater ererbt batte, protestierte leidenschaftlich, daß man ihn in die Affäre Valensi einbegreifen wolle. Er gab ohne
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