Einleitung. Bei aufmerksamer Betrachtung der Geschichte der Erfindungen wird man wenige Zeitalter finden, die so reich an neuen Ideen und Thatsachen sind, als die hinter uns liegenden 100 Jahre. Mit dem Aufschwünge der erklärenden Naturwissenschaften, der Chemie und Physik begann ein neues lebendiges Regen und Streben, indem man die Errungenschaften derselben auf das Leben, auf die In dustrie anzuwenden suchte. So entstanden die Dampfmaschine, die Gas-, Schwefelsäure- und Sodafabrikation, die Bereitung des Rübenzuckers, die Fabrikation des Ultramarins, der Theer- farben, zahlreicher anderer Entdeckungen nicht zu gedenken, bei denen man die physikalischen und chemischen Wirkungen der Wärme in neuer Form nutzbar zu machen suchte. In gleicher Weise sehen wir eine andere, früher nicht benutzte Naturkraft für die Industrie wirksam eintreten: Die Electricität! Weber schuf den electromagnetischen Telegraphen, Jacoby die Galvanoplastik, Siemens das Dynamoprincip, Bell das Telephon. Endlich gab uns die Neuzeit eine Kunst, worin die chemische Wirkung des Lichtes das Hauptagens bildet. Diese Kunst ist die Photographie. 50 Jahre existirt jetzt dieselbe und wir dürfen sagen, dass keine Erfindung dieses Jahrhunderts seit ihrem ersten Auftreten eine so grossartige Entwickelung erfahren, einen so gewaltigen Einfluss auf unsere socialen, künstlerischen und wissenschaft lichen Verhältnisse ausgeübt hat, wie diese. Anfangs eine blosse Por- traitirkunst, hat sich ihre Anwendung in neuerer Zeit fast auf alle Zweige des menschlichen Könnens und Wissens ausgedehnt. Sie liefert — ein Naturselbstdruck im weitesten Sinne des Wortes — dem Natur forscher getreue Abbildung von Thieren, Pflanzen, Mineralien, dem Astronomen Bilder der Gestirne und der Sonnen- und Mondfinsternisse, dem Mikroskopiker treue Abbildungen des Mikrokosmos; sie fertigt dem Ingenieur in wenigen Minuten getreue Copieen seiner complicirtesten Maschinen und Reproductionen seiner Zeichnungen und Pläne, zu deren Herstellung der geschickteste Zeichner Wochen bedürfen würde; sie wird mit grossem Erfolg angewendet im Buchdruck, Kupferdruck, in Vogel, Lehrbuch der Photographie. 4. Aufl. 1