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Der sächsische Erzähler : 08.04.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-04-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1735960349-189904080
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1735960349-18990408
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1735960349-18990408
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDer sächsische Erzähler
- Jahr1899
- Monat1899-04
- Tag1899-04-08
- Monat1899-04
- Jahr1899
- Titel
- Der sächsische Erzähler : 08.04.1899
- Autor
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„Wenn Du an mich denkst, sage Dir immer: meine Frau «artet sehnsüchtig auf mich, ihre Liebe ist treu und wahr." DaS waren die letzten Worte; Carmen wandte sich schluchzend ab und Lord Kilmeyne ging rasch fort, wohl wissend, daß er sich nicht loSreißen würde, wenn er ihr jetzt noch folgte. Sechster Kapitel. Lord Kilmeyne ging zunächst nach keinem Hotel. Seine Sachen waren bereits zur Abreise fertig, er brauchte sie nur abzuholen, dann fuhr er zur Bahn und erreichte eben noch den Zug, eine Minute später hätte er ihn verfehlt. ES dauerte einige Zeit, bis er seine Gedanken sammelte; erst als der Zug durch die herrliche Land schaft brauste, wurde ihm klar, daß er Lissabon und sein junges Weib wirklich verlassen hatte, daß sein schöner Liebestraum zu Ende sei und Wochen ver gehen würden, ehe er das liebe Gesicht wieder sähe, daS ihm so theuer war. Er versuchte, sich auszu- malen, daß alles so am besten sei, daß er seine Eltern erst vorbereiten könnte, daß die Trennung nur kurz sei, und wie groß CarmenS Freude sein würde, wenn er käme, um sie zu holen. Immer wieder stand das Bild vor seinen Augen, wie er sie in ihrem Kum mer verlassen hatte, und er haderte mit dem Schicksal, daS so grausam gegen ihn war. Erst als er die Küste von England erblickte, gab er anderen Gedanke» Raum; er hing mit Liebe und Verehrung an seinem Vater und wußte dessen ver leugnungsvolles Leben wohl zu würdigen. Er konnte sich nicht denken, daß dieser theure Vater im Sterben läge, und Thränen traten ihm in die Augen, als er an die Möglichkeit dachte, ihn nicht mehr am Leben zu treffen. „Wie geht eS dem Grafen?" war die erste Frage, die er an den Diener richtete, der ihn an der Bahn station seiner Heimath empfing. Die Antwort lautete nicht tröstlich; es stand sehr schlecht, und der Tod wurde stündlich erwartet. Er fuhr so schnell wie möglich nach Hause; wie ost hatte er an diese Heimkehr gedacht, aber immer an Carmens Seite, ihre Hand in der seinen, und nun waren sie so «eit getrennt. Das Meer lag zwischen ihnen! Als die Thürme von Lancedene sichtbar wurden, schlug sein Herz höher beim Anblick der geliebten Heimath. Er sah Licht in seines Vaters Zimmer und athmete erleichtert auf; die Auskunft des Dieners hatte so verzweifelt geklungen, daß er schon fürchtete, zu spät zu kommen. Es lag eine tiefe Stille über allen Räumen; keine frohen Stimmen, keine Musik, kein Lachen, nur als er sich dem Zimmer seiner Mutter näherte, glaubte er Schluchzen zu hören, und in dem Augenblicke war er froh, daß er Carmen nicht mit gebracht hatte in dies Haus der Trauer und deS Todes. Er öffnete leise die Thüre und sah Lady Ryeburn in tiefstem Schmerz am Kamin sitzen; sie blickte auf, al» er eintrat, und streckte ihm beide Hände entgegen. „O, Viktor, mein geliebter Sohn," rief sie aus „Gott sei Dank, daß Du hier bist!" Es war das erste Mal, daß er seine Mutter weinen sah, und eS rührte ihn tief; er schloß sie in seine Arme, küßte sie und versuchte sie zu trösten. „Es ist vielleicht nicht so schlimm, wie Du denkst, Mutter," sagte er; „so lange ein Mensch lebt, soll man die Hoffnung nicht aufgrben, der Vater kann sich doch noch erholen." Sie sah ihren Sohn ernsthaft an. „Bedenke, wie groß unsere Sorge sein muß, Viktor, wenn des Vaters Krankheit nicht die Hauptsache ist." „Was ist es denn, Mutter?" fragte er zärtlich. „Ich darf es Dir nicht sagen, Viktor, Dein Vater will es Dir selbst mittheilen. Du wirst eS früh genug hören, mein armer Junge." Lord Kilmeyne setzte sich und trank ein GlaS Wein, welches der Diener gebracht hatte; er sah sich im Zimmer um, überall herrschten Eleganz und der feinste Geschmack, alles war aufs schönste eingerichtet — was konnte vorliegen, welches Gespenst ging im Hause um? Die Gräfin Ryeburn war eine ruhige Natur, welche selten aus sich herausging; jetzt trat sie zu ihrem Sohne, legte die Arme um seinen Hals und sagte: „Viktor, Du bist unsere einzige Hoffnung! Du weißt, daß des Vaters Haar früh ergraut ist, daß er ein ganzes Leben bestrebt war, zu arbeiten und zu sparen, um Dir die Wege zu ebnen. Er wird einen Wunsch äußern; ich bitte Dich herzlich darum, versprich ihm, denselben zu erfüllen." „Wie kannst Du daran zweifeln? Ich würde ihm doch keine Bitte abschlagen," erwiderte Lord Kilmeyne „Es ist mir," sagte Lady Ryeburn, „als ob alles Unglück über ihn hereinbräche. Erst die schreckliche Nachricht, dann Deines Vaters Krankheit, von der er sich kaum erholen wird. Tröste mich, mein Sohn, gieb mir die Beruhigung, daß Du unsere Wünsche er füllen willst. Ich habe so schwer gelitten, habe Mit leid mit mir." Es war ihm so ungewohnt, daß seine stolze, kalte Mutter sich so ihrem Schmerz hingab ; nie hatte er sie weinen gesehen, nie Klagen aus ihrem Munde gehört. „Meine theure Mutter," sagte er, „warum zweifelst Du an meiner Bereitwilligkeit, Eure Wünsche zu er füllen? Was mein Vater verlangt, werde ick thun; so viel in meiner Kraft steht, will ich Euch Trost und Hilfe sein." Sie legte die Hände aus sein Haupt. Dann wird des Himmels Segen auf Dir ruhen, mein Sohn, Du giebst mir neue Hoffnung. Und nun laß uns zum Vater gehen, er sehnt sich nach Dir. Ach, Viktor, mir ist, als sei die Sorgenlast schon kleiner geworden, seit Du hier bist." Sie verließen das Helle, freundliche Wohnzimmer und gingen den langen Korridor hinunter, dessen un heimliche Stille anzudeuten schien, daß er zu dem Gemach führte, an dessen Schwelle der Engel deS Todes stand. An der Thür zögerte Lady Ryeburn einen Augenblick und sagte leise: „Viktor, eins muß ich Dich noch bitten — Deines Vater» Leben hängt
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