Gottes Gnade ward er zum höchsten Amt berufen und aus erwählt und mit seiner Zunge spricht Gottes Wille. Die Formel: „Dei Gratia“, die einWort der Aposteldemut in eins des Monarchenhochmuts umgefälscht hat, schwebt in an deren, dem Wurzelboden der Theokratie örtlich und sittlich näheren Kaiserreichen nur noch als ehrwürdige Fiktion um die Kuppel des Staatsbaues. In dem nüchternen, aller Mystik und Romantik entfremdeten Lande deutscher Geschäfts menschen aber wird sie Tag vor Tag in die Hirne gehäm mert. Immer wieder nennt der Kaiser von Gottes Gnade sich den Schirmer des Erdfriedens. Die Hoffnung des Red seligen, dadurch Vertrauen zu erwerben ist eitel. Ein Mann, der sich in ein Restaurant setzt, zwei Brownings und einen Säbel aufs Tischtuch legt und mit Stentorstimme ruft, er werde unter allen Umständen für Ruhe sorgen, ein so selt samer Gentleman macht sich gewiß nicht beliebt. Wozu das stete Gerede vom „scharfen Schwert“ und „trockenen Pulver“, wozu die Stärkung der Kriegsmacht zu Land und zu Wasser, wenn nur Friedenswahrung erstrebt wird? Schon einmal hat ein Hohenzoller, ein Träger der Preußenkrone, kriegerische Macht gehäuft, die erst sein Sohn, Fried rich II., zur Dehnung seiner Herrschaft verwandte. Schon einmal hat die Welt das Stichwort „L’Empire c’est la paix“ gehört: aus dem Frankreich Louis Napoleons, das, dennoch, in zwei Erdteilen die Furie des Krieges entfesselte. Schwert und Pulver sind, wie friedlich sich auch der Besitzer gebärde, immer und überall eine Gefahr. Und hatten nicht, nach der öffentlichen Meinung Europas und Amerikas, die Generale und Admirale des Kaisers alle Pläne zum Scheitern gebracht, die von Nikolais Haager Friedenskonferenz, zu Demilitari- sierung unseres Erdteiles empfohlen worden waren? Mit der Last solchen Mißtrauens auf dem Rücken, ge achtet, gefürchtet, bewundert, doch nirgends geliebt, trat Deutschland über die Schwelle des zwanzigsten Jahrhun derts. Als dessen zweites Jahrzehnt begonnen hatte, stand das rotglühende Zeichen des Krieges am Horizont. Daß es nicht mehr verblaßte, sondern zur Flamme, zum