ERINNERUNG Die Stadt schien fremd und vertraut zugleich. Sie lag, tausend Erinnerungen weckend, aber dennoch als berge sie ein tiefes, lockendes Geheimnis. Sie war die alte ge blieben, aber trotzdem sprachen tausend neue Züge aus ihrem Antlitz. Der Zweiundzwanzigjährige wanderte durch Paris. Er ging durch die Gegenwart wie auf einer schmalen Grenze, welche die Vergangenheit von der Zukunft trennt. Die Vergangenheit erinnerte, die Zukunft lockte und rief. Rudolf Diesel schien es in jenen Märztagen 1880, als durchlebte er zum zweitenmal die Jugendjahre in Paris. Die Erinnerungen kamen herauf, bunt und lebendig, aber doch durch jenen Schleier gedämpft, den eine Spanne von zehn Jahren, erfüllt mit vielem Neuen, über sie zu breiten vermag. Überall standen und lebten diese Erinnerungen, auf den Straßen und in den Gassen, auf den Boulevards und in den Parks. Sie ■wurden an den Gebäuden wieder lebendig, an den Kirchen, den Denkmälern, an den Menschen. Der junge Ingenieur Rudolf Diesel erlebte seine Ge burtsstadt wieder. Da war die Rue Fontaine-au-Roi mit der Erinne rung an jenes alte Haus mit der grauen, verwetterten Fassade, in dem der Vater hunderterlei merkwürdige Dinge aus Leder, aus Samt, aus Seide und Papier fabri ziert hatte. Dem Ingenieur fiel plötzlich das Wort „Kreis lauf“ ein, das sein Lehrer Linde wohl tausendmal in seinen Vorlesungen ausgesprochen hatte, und es schien ihm, als müsse ein solches Gesetz des Kreislaufes nicht nur in der Technik, sondern auch in Ereignissen des Lebens herr schen. Er dachte daran, wie der Vater, jener deutsche