Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1884
- Erscheinungsdatum
- 1884-03-22
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188403227
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18840322
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18840322
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1884
- Monat1884-03
- Tag1884-03-22
- Monat1884-03
- Jahr1884
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 22.03.1884
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Ekrfcheiut täglich früh 6'/, Uhr. Ke-action und Lrpkdition JohanueSgassc 83. Sprechstunden -er Redaktion: Vormittags 10—13 Uhr. Nachmittags ö—3 Uhr. l t.r ti» »ttSg-d« »,n,ei-»»>«r »»ckt sich tu Strdacnon n>»> »ertmdtich, Annahme »er sür »ie uächftfalgeuhe Nummer »rfti«mten Inserate a« Wachentagen bi» S Nhr Nachmittag«, an Sonn- »nv -efttagen früh bis '/,9 Iltzr. In den Filialen für Ins.-^nnahmr: Ott» Klemm, UniveriilätSstraße 31, Lonis lösche, Katharinenftraße 18, ». nur bi» '/,S Uhr npugtr Tageblatt Anzeiger. Organ fiir Politik, Localgeschichte, Handels- and Geschäftsverkehr. Auflage L8^lv0. AdI»nr»ea1«»rris viertel,. 4'/, Mb. mcl. Bringerlolm 5 Mk„ bnrch dir Dost bezöge» 6 Btt. Jede »iuzeine Nummer 30 Pf. Letegezknwlnr 10 Ps. Oebadre» >ür Extrabeilage» ohne Poftbeiörderung 33 Mk. »U Poftbeiörberung 48 Mk. Inserate Sgeipaltene Petitzeile 10 Pf. Gröbere Schriften laut u»ierem Preis- Verzeichnis. Tabellarischer n. Ztffrrniatz nach höher» Tarif. Reklamen unter dem rledactian,strich die Svaltzeile SO Pf. g»seratr find ket» an die Oxpehttt»» ,n ie»de». — Rabatt wird nicht gegeben. Fahlnug praannwenaxio oder durch Post, aachnoame. 82. Toimabe»- den 22. März 1884. 78. Jahrgang. Zur gefsttligen Beachtung. Unsere Expedition ist morgen Lonntag, den 2S. März» Vormittags nur bis Uhr geöffnet. Lxpoilltlon des I-vlprlxer l'nxedlattes. Amtlicher Theil. In der Zeit vom t. bi» mit 8. März 1884 erlangten daS ßiessge Bürgerrecht: Band. Friedrich Otto, Lehrer; Bauricgel, Emil Hugo, Proiokollant beim Amtsgericht; Burckvarvt. Friedrich Julius, königl. Standesbeamter; -eigner, Gustav Hermann, GerichiSschreiber; -ranke, Gotilieb Friedrich, Lehrer; -ranke, Heinrich Eduard. Postsecretair; -reyberg, Earl Oliv, Expedient; »kritische, Friedrich August. Feuerwehrmann; Tentsch, Johann Carl, Schaffner; Geftner, Anton, Schaffner; Hartung. Erdmann Felix Joseph, Lehrer; Haupt, Hermann Moritz, Lehrer; Hessel, Wilhelm Clemens, Eisenbahn-Asssstent: Hofmann, Friedrich Hermann, Buchbinder; Horn, Dr. pkil., Friedrich Theodor, Oberlehrer; JaSPiS, Emil Siegmund, LandgerichlSrath: Jenizsch. Ernst Erdmann, königl. Steueranfsrher; Kaiser. Ernst Hugo, Feuerwehrmann; Kallmetzer. Friedrich August Hermann, AstecuranzHnspeetor; tztästner, Oswald Heruwnn, RatliSdicncr; Stein, Felix, Professor; Klopfer, Hermann Julius, Schutzmann; Kohlmani», Gustav Adolf, Expedient und Protokollant b. Amtsgericht; K»h». Vr. pkil., Gustav Emil, Bezirks-Schulinspector; Landgraf, Johann Gottlob, Diener b. d. königl. Staatsanwaltschaft; Leonhgrdt, Friedrich Oswald, Schutzmann; Mlttrlbach, Louis Nlbi», Lehrer; Moll, Guido Olto Heinrich, Apotheker; Pctrich, Ernst Gustav, Lehrer; Vickert, Friedrich Albia. Schutzmann; Nadloss, Carl August, Bautnsprctok; Nanst, Paul Courad, Amtsrichter; Nanber, August, Professor: Richter, Carl August, Postschaffner; Riedel, Franj Hermann, Maschinist bei der Feuerwehr: Rötbig. Carl Gottlieb, Wagenwärter an der StaatSbahu; Rnhl, August Otto, Postsecretair; Schimps, Heinrich Wilhelm, Lehrer; Schiuidt, Louis Gustav, Schutzmann; Schmidt, vr. pkil., Walther Bernhard, Oberlehrer; Tchoiner, Carl Hermann, Obcrseucrwehrmann; Schube, Franz Guido, AmtSg'richlS-Resercndar; Schubert, Heinrich Theodor, Oberseucrwehrniaau; Schumann, Friedrich Albert, Feuerwehrmann; Schwarze, Johann Carl Gottfried, Protokollant beim Landgericht: Schwätzer, Gustav Emil, Lehrer; Sridcinann. Carl Julius Mar, Feuerwehrmann; Semnrl, Johann Georg, Schaffner; Singer, Otto, Postprakiikant; van Lommcrlatt, Friedrich Rudolf, LandgerschtSrath; Steinbach» Friedrich August, Eisenbahn-Assistent; Strickert, Carl August, Postschaffner; Suppe, Carl Heinrich. HaupIzollamtS-Rendant; Sütz, LoniS Emil, Postsecretair; TLtzer» Moritz Bernhard, Bahnmeister; Säubert, Friedrich Albin, Lehrer; Säubert, Moritz Anton, GerichiSschreiber; Scuscher, Gustav Rudolf. Maschinenverwalter an der Staatöbah»; Shicrack, Paul Eduard Oskar, Lqtograph; Baltcr. Paul Emil, Lehrer; BenetoiiliS, Drostes, Kaufmann; Verlohre». Julius Oscar, Obcrsteuercontrolenr; Bapprl, vr., Friedrich August Hermann, Anstalt»director a.D.; Wagner, Georg, Steuerbote; Waner, Gustav Adolf Hermann. Krankenhausbote; Weber, Thomas Hugo, Obertelegraphenalslstent; Wehner» Friedrich August, Telcgrapheuassisteut; Wcigelt, Otto Paul, Lehrer: Weise, Wilhelm Louis, Postschaffner; Welker. Friedrich Theodor, Sieueranffehrr; Wolf, Carl August, Amtsrichter; Wolf. Johann Heinrich, Schaffner an der Gtaat-baha; Wrankmorc, William Calle», Sprachlehrer; Zimmermann, Ernst Gustav Adolf, Lehrer. Trockenplatz-Verpachtung. Der der Stadtgen,einde Leipzig und zur Parcelle Nr. 23 de« Flurbuchs für GohliS gehörige, daselbst an der Rosen- tbalstraße gelegene ehemalige Vtühlengut»«, Obst- und GrnSgarten nebst einem dahinter gelegenen, gleichfalls zur vvrgcdacbke» Parcelle gehörigen Feldstück von zusammen 1 Acker l9V Qu.-Rutken — Hektar 91.5 Ar Fläwenqebalt, soll zur Benutzung als Trockenplatz, mit Ausschluß jeder anderen Benutzung-weise, aus die drei Jahre V0« IS. April 1884 bi» dahin 1887 Eonnabend, de» 2k». ds«. Mt». Bormittag» II Uhr aus dem Rathbause, 1. Etage, Zimmer Nr. 17, an den Meistbietenden anderweit verpachtet werden. Ebendaselbst aus dem großen Saale liegen die verpack tungS- und Bersteigerungsbevingungen schon vor dem Termine zur Einsichtnahme au«. Leipzig, den 13. März 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Tröndlin. Stvß. Die Ausführung der diesjährige» communlicheu Pflasterung«- orbriten soll an einen Unternelimer vergeben werden. Die Bedingungen hierfür können im hiesigen Gemeindeamt» ei» gesehen, beziehentlich entnommen werden. Offerten wolle man versiegelt und mit Aufschrift „Pflasterung« arbeiten" versehen ebendaselbst bi« zum 31 Mär» diese« Jahre» einreichen. »ohli«. den 18. März 1884. Ser llkemeinderath Paulu«. Bekanntmachung. Für den Termin Ostern diese» Jahres sind vier Uns» stattungsstipendien im Betrage von 77 uk 8 ^» 47 ^ 45 uno zwei Mal 40 47 ^ an hiesige unbescholtene, arme BürgerStöcblcr, welche sich in der Zeit von Ostern vorigen Jahre- bis Ostern dieses IabreS vcrheirathet habe», von unS zu vergeben, und sinv schriftliche Gesuche «in diese Stipendien unter Beifügung der Ehescbließniig-besckeinigung, eines von zwei diesigen Bürgern bei deren Bürgerpflicht aus gestellten Zeugnisses über die Unbescholtenheit unv Bedürftig keit der Bewerberin, sowie waS taS eine, nur an ehelich Geborene zu vergebener Wieterkrbrer'sche Stipendium von 40.6 17 anlangt, einer Geburtsbescheinigung, biö zum IS. April dieses IabreS aus dem Raihhause. l. Obergeschoß, Ziinmcr Nr. 15, cinzureichen. Leipzig, den 18. März 1884. Der Rath der Stadt Leipzig. Vr. Tröndlin. Kreuch««». Bekanntmachung. Au« der Apel'schen Stiftung zur Bestreitung der Kosten de« Anfdiiigens und LosspreckenS unv zur Beschämung von Lehrstellen für arme Knaben, welche die Schneider over die Schuhmacher-Profession erlernen wollen, sind einige Spenden zu verlhcilen. Bewerbungen darum sind längstens bis zum 1tz. April lausenden IabreS schriftlich bei uns (Eiugangsbureau, Rath« bau-, 1. Etage. Zimmer Nr. 9) einzureicbcn. Hierbei bemerken mir, daß solche junge Leute, welche bereits in der Lebre stehen oder außerhalb Leipzigs in die Lehr« trete» wollen, nicht berücksicktigt werden können, und laß hier ortö- angehörigen Bewerbern in der Regel vor auswärtigen der Borzug zu geben ist. Leipzig, den 13. März >884. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Tröndlin. Kretschmer. Bekanntmachung. Die Herstellung einer Schleuß- Hl. Classe in der Poniatowsky-Straße soll an einen Unternehmer i« Record vergeben werten. Dir Bedingungen und Dlcmket» für diesen Schleusend«« können bei unserer Tiesbauverwattung, Natlckau», ll. Etage, Zimmer Nr. 14. entnommen werden, wosxtbst auch tzi, ver siegelten und mit der Aufschrift: -c I „Gchleugenbau in der Pontato»»ky.Gtrage" versehenen Offerten bis zum 29. März ». c. Nachmittag« 5 Uhr astzugcstcn sind. Leipzig, am 18. Mär, 1884. De» Rath» der Stadt Leipzig Straßenbau Deputation. Bicolaigymnaüum. Zu dem am 22. März als am Geburtstage Sr. Majestät de» Kaiser» Vormittag« 10 Uhr in der Aula dcS Ricolaiglminasiums statlsindenden Fcstactus, mit welchem zugleich die Entlastung der Abiturienten verbunden sein wird, ladet hierdurch ehrerbieugst ein Leipzig, den 20. März 1884. vr. Theodor Vogel. Städtische Gewerbeschule. ur Feier de« Geburtstages Sr. Majestät de- Deutschen Kaiser«, welche Vormittags 9 Uhr stattfiiidet, und bei welcher Herr Oberlehrer vr. Wilde de» Feswortrag halten wird, beehrt sich im Namen deS Lehrerkollegiums einzu laden Leipzig, am 21. März 1884. Der Direktor vr. Ludw. Nieper. Bekanntmachung. E« wird andnrch zur öffentlichen Kenntnis! gebracht, daß bei der Einweihung unserer neuen Kirche am 23. März die Einladungskarten als Einirittskarten sowohl sür den Festzug als auch für da- Gottes hau? giftig sind, und daß Niemand ohne Karte in den Schulhof zur Ausstellung deS ZugeS eingelasten wird. Den Anordnungen des FestcomilöS, der Feuerwehr und der frei willigen Schntzmannschaft, welche die Anfrechllialtung der Ordnung giftigst mit übernommen haben, bittet ma» Folge zu leisten. Die Kapellen-, Chaussee- und Aeldstraße wird während deS Zuge» gesperrt bleiben. Reudnitz, am 18. März 1884. Da« -rftcomite »es Kirchenvorst««tze». E. Rau ich, Pastor. Nichtamtlicher Theil. Zum Geburtstage Kaiser Wilhelm's. Kaiser Wilhelm vollendet heute in ungetrübter geistiger und körperlicher Frische sein siebenundachtzigslc« Lebensjahr und bat damit einen Abschnitt seiner von der Vorsehung sichtlich gesegneten Laufbahn erreicht, wie er vor ihm noch keinem deutschen Kaiser zu erreichen vergönnt war. An Zahl der Regierungsjahre übertrifst ihn zwar Friedrich Barbarossa, der 38 Jahre lang, von 1152 bis 1190, die Geschicke deS deulschen ReickeS lenkte, und auch unter feinen eigenen Vorfahren, den Hohenzollcrn, waren eS drei» welche eine noch längere Regierungszeit auszuweisen haben: Friedrich Wilhelm, der große Kurfürst, von 1640 bi« 1088, Friedrich der Große, von 1740 bis 1786, und Friedrich Wilhelm Hl., der erlauchte Vater de« Kaiser«, welcher von 1787 bis 1840 die Regierung deS preußischen Staates führte, aber keiner von allen diesen Fürsten hat daö achtundachtzigfte Lebensjahr angetreten und keinem von ihnen ist ein solches WaLSthum an Machtsülle beschieden gewesen, wie e« Kaiser Wilhelm l. erfahren und sieg reich erkämpft hat. Wenn man die Spanne Zeit von 1806, der tiefsten Erniedrigung Preußen«, bi« l884, derHöhe de» deutschen Einflüsse- in Europa, überblickt, so zeigt sich rin ungeheurer Unterschied zwischen damals und jetzt. 1806 wurde Prcußcn an den bluttriefenden Triumphwagen Napoleon'« l. gespannt und koiinte kaum noch al« selbstständiger Staat gelten, nährend heute, wie Fürst BiSmarck vor wenigen Tagen im Reichstag erklärte, da« deutsche Reich eine dominirende Stellung in Europa einnimmt. Kaiser Wilhelm hat schon al« Knabe und Jüngling einen ungewöhnlichen Schicksals- Wechsel durchgemacht. Als neunjähriger Knabe mit seinen Eltern vor dem siegreichen Napoleon auf der Flucht, sehen wir ihn acht Jahre später rühmlichen Antheil nehmen an der Schlacht bei Bar sur Aube und noch ein Jahr später war Napoleon der Gefangene Englands» und Preußen konnte sich der Früchte seiner Siege in ungestörter Ruhe erfreuen, bis die von Frankreich ausgehende Umwälzung im Jahre >848 neue Prüfungen Uber den Staat Friedrich'- de« Großen ver hängte. Und wie eS Preußen war. welche- die Erhebung Deutschland» gegen den wälschcn Eroberer im Jahre 1813 führte und znm siegreichen Ende brachte, so fiel ihm auch die Führerrolle bei Wieterausricktung deS deulschen Reiche« zu, al» der Nachkomme Napoleon'« I. die Demüthigung und Zerstückelung Deutschlands plante. Unter dem Oberbeseht König Wilhelm's schritt daS deutsche Volk in Nassen von Sieg zu Sieg, bi- bei Sedan die Macht Napoleon'» lll. in Trümmer fiel. DaS Andenken an die Zeit der Wiedererstarkung Deutsch lands wurde noch vor Wochen in Kaiser Wilhelm besonder- lebendig erneuert, atS eine Deputation de« russischen Kaluga- regimentS und der Ritter de« GeorgSorvenS ihn als den ältesten und vornehmsten GrorgSntter unv al« siebzigjährigen Inhaber de» Kalugaregiment» begrüßte. Da« war das dritte Hauptmoment im siebenundachtzigsten Lebensjahre Kaiser Wilhelm'-, al« die beiden anderen hat er selbst in der Er widerung auf den Neujahrsglückwunsch des Berliner Magistrats die Einweihung dc« Denkmal» aus dem Niederwald und da- Vierhundertjährige Geburt-sest Luther'« bezeichnet. Die Feier auf dem Niederwald bildet den Abschluß de» großen Kampfe«, welchen Deutschland unter Führung Kaiser Wilhelm's im Jahre 1870 gegen Frankreich gekämpft hat, und richtete natur gemäß den Blick aus den Anfang de- Widerstand- Deutsch- l«m»< >rgen französische Hrrrschbegierd« zurück. Schon am Lage der Enthüllung de« Denkmal» zeigtet! sich die Borboten der vollkommenen Wiederherstellung de» guten Einvernehmen» mit Rußland: Fürst Dolgorucki erschien al» der Abgesandte Kaiser Alexander'- llk. bei der Feier und legte damit öffent lich dafür Zeugniß ab, daß der Nachkomme Alexander'» I. der Tage der heiligen Allianz gedachte, in welcher Preußen und Rußland gegen Frankreich zusammenstanden, um den Trotz Napoleon'» l. zu beugen. Einige Wochen später kam ver Minister v. Gier» nach Berlin al- Ueberbringer der willkommenen Botschaft, daß jede» Hinderniß, welche« der rückhaltlosen Bethäligung de« althergebrachten Vertrauen» zwischen Rußland und Deutschland bisher im Wege stand, beseitigt sei und daß Rußland wieder der aufrichtige Freund Deutschland« sein wolle. Die Wiederkehr de» herzlichen Ein vernehmen« wurde durch Ernennung de« Fürsten Orlow, de» persönlichen Freunde« ve« Reichskanzler» Fürsten BiSmarck, zum Botschafter Rußland» in Berlin und durch Absendung einer Deputation unter Führung de» Großfürsten Michael al» vex, treter« der Georg-ritter besiegelt. So groß di« Freude Kaiser Wilhelm'» über die Wieder, Herstellung de» guten Einvernehmen» zwischen Rußland und Deutschland aber auch gewesen sein mag, so liegt ihm doch eine andere Angelegenheit fast noch mehr am Herzen und da« ist die Befriedigung der berechtigten Wünsche der uoth leidenden Arbeiterbevölkerung. Da», wa» der Kaiser in der Thronrede bei Eröffnung de» Reichstag» am l7. November 1881 al» da» letzte Ziel seine» Leben» verkündet hat, den Invaliden der Arbeit, für sich und ihr« Familien eine Brr sorgung für di« Zeit de» Alter» und der Arbeitsunfähigkeit zu gewähren, daran hält er fest und tritt da» achtundachtzigsie Leben-jahr mit dem lebhaften Wunsche an, daß die zweite Vorbedingung für die Verwirklichung seine» Streben», da« Unfallversicherungsgesetz in der laufenden Sitzung-periode de« Reich»tage» zu Stande kommen möge. Der Kaiser hat diesen Wunsch den Präsidenten de» Reichstage» gegenüber beim neulichen Empfange derselben persönlich wiederholt und wir können e« mit Genugthuung aussprechen, daß im Reichstage da» edle Streben de» Kaiser» fast von allen Seiten bereite» Entgegenkommen findet. Im vergangenen Jahre ist als erste» sccialpolitischeS Gesetz da» Krankencaffengesetz erlassen worden und in diesem wird hoffentlich da» Unfallversicherung« gcseh folgen. E» ist da» der erste Versuch, die sociale Frage praktisch zu lösen und dieser Versuch hat besonder» bei unseren Der kündeten in Oesterreich-Ungarn Verftändniß und sympathische» Entgegenkommen gesunden. Selbst Organe, welche häufig mit ven Zielen der inneren deutsche» Politik nicht über- einstimmen und ihren Widerspruch in scharf« Worte zu kleiden verstehen, wie die „Neue Freie Presse", haben dem Gedanken der socialpolitischen deutschen Gesetzgebung seit dem Tage ihrer ersten öffentlichen Verkündigung, seit der Thronrede vom 17. November 188t, ihre vollste Anerkennung gezollt und wa« die .Reue Freie Presse" damals in Form eine« schwungvollen Leitartikel» freudig au-sprach, hat da» .Wiener Frcmdenblatt" bei Wiedereröffnung de» Reich»tage» am 6. März mit anderen Worten wiederholt. Kaiser Wilhelm der vor nunmehr sechs Jahren fast da« Opfer socialistisckrr Fanatiker wurde, hat durch die eifrige Förderung und Be günstigung der socialpolitischen Gesetzgebung die edelste Ver geltung sür die ihm zugefügten Frevelthaten geübt und wir können nur au« innerster Ucberzeugung von der Heilsamkeit dieser Gesetzgebung diese Zellen mit dem Ausdruck der Hoff nung schließen, daß e» gelingen möge, die Zustimmung der Mehrheit de» Reichstage» zum UnsallversicherungSgesetz zu gewinnen. Damit würde zugleich der Liebling«wunsch unsere» allverehrten Kaiser» erfüllt werden, daß an semem hoffentlich noch fernen Lcben-abend auch ver ärmste Arbeiter seine Re gierung segnen möge. * Leipzig, S^. MSrz 1884. * Nach Beendigung der Socialistengesrtzdebatte hat der Reichstag die lbm vorliegenden größeren Gesetzentwürfe sämmtlich, mit Ausnahme de» ActiengesetzeS, in erster Lesung erledigt. Das Letztere wird Mltte der nächsten Woche aus die Tagesordnung gesetzt werden. Es bleibe» alSdann zunächst noch Anträge aus dem Hause, die in großer Anzahl, und darunter sebr wichtige, vorliegen. Indessen wird der Reichs tag gleichwohl voraussichtlich Ende nächster Woche sich ver tagen. unv e« werben alSdann sür längere Zeit «mSschtießljch bi« Commissionen in Thäligkeit treten. * Die „Norddeutsche Allgemeiue Zeitung" schreibt zur Parteitage: Ja der Presse wird, »te o»ch schon arulich von der „tziord- deutichen Allgemeinen Zeitung", aus die Rotbwendigleit einer gemein, iamcn und einheitlichen Abwehr der Angriff-Politik, zu welcher sich di« Fortschrittler und Seceifionisten unter der Firma „deutsche freisinnige Partei" vereinigt haben, hingewietrn. Gut gemeiute Nalhschläge sind dabei innerhalb der Kreise, aus die sie mit berechnet waren, einer spöttischen Kritik begegnet. ES steht,a befürchten, daß auch audcre, ausführbarer erscheinende Nalhschläge dasselbe Schicksal »leiden werden, so lange die Parteien an ihren bisherigen Existenz formen sestbalten und sich nicht daran gewöhnen können, diese Formen als Do« zu betrachten, wa« sie eigentlich sein sollten: al» Nebenzweck oder a>« Mittel zur Srreichuag höherer Zwecke. Wie sich da« Parterwesea in Deutschland entwickelt hat, ist vielmehr zu erwarten, daß die Parteien, welche sich in einem bewußten Gegensatz zu der neuetablirte» d«»o. lratischen Partei fühlen, möglichst lange ihre Souderexisteutz auf recht »u erhalten wüoicheu »erden, sie müßten denn von eine» rin- hcillichen Gedanke» beseelt sein und dieser in ihnen ri» so außer ordentliche- Uebrrgewicht erhalten, wie der gemeinsam« Haß gegen den Kanzler, welcher die Fortschrittler und Sccessiouisteu trvtz »er bisherigen Differenzen zwischen den so disparaien Elemente», wie Richter, HSnel, Rickert und v. Stauffeabcrg, verbuudeu hat. Ob der Haß gegen einen Staatsmann eia dauernder Kitt setu wird, möge dahingestellt bleiben. Jedenfalls aber »erden die Parteien, welch« sich zur Abwehr de« demokratischen Sinrmangrtff« vereinigen wollen, positive Ideal« »nd real« Ziele haben müssen, sür dt« st« sich begeistern, wenn sir z» einer Einheitlichkeit de« Handel»» kommen wollen, welche auch selbst bei dem Fortbestand der alten Parteiformen möglich sein würde. Diese Ideale und Ziele sind vorhanden und mit wünschciiswerther Klarheit von dem Fürsten Bismarck in seiner Rede vom 15. d. M. bezeichnet worden, wie sie andererseits auch durch die Gegenbcstrebungen der demokratischen Partei dazu erhoben werden. Der Kanzler sprach sich in dieser Rede über di« Stellung de« Parlament« im StoalSIcben au». Er erkannte die Nothwendigkeit, Unentbehrlichkeit, Unersetzlichkcit und Nützlichkeit desselben in dem Sinne an, daß die Volksvertreter vermöge ihrer praktischen Ersahtnng bei der Feststellung der Gesetze Mitwirken, das Zustandekommen ichlechler Gesetze verhindern, di« Gesetz« einer allgemeinen Lensur »nterwersen und sie gewissermaßen durch da« Sieb der parlamen- tariichen Verhandlung gehen lasten. Dagegen erklärte er die parla mentarische Herrschaft als schädlich und unmöglich. Ausgabe des Parlaments kann und soll cs also nicht sein, »ach He-.schalt zu streben, seine Macht zu vermehren und aus eine Beschränkung der Rechte der Krone auszugehen. Wenn der Liberalismus bisher den Inbegriff aller Politik in einem fortwährenden Äainps gegen die Regierung und in einer allmäligen Abbröckelung der souverataeu Stellung der Krone, also in einer Erweiterung der Rechte der repräsentativen Körperschaft erblickt hat, s« ergeben sich in Zukunst sür daS Parlament andere Ausgaben, nämlich dem Volke üu diene» und an der Besserung der wirthschastlicheu und socialen Lage desselben zu arbeiten. Die Parteien werden hiermit von selbst aufhören müssen, vorwiegend politische zu sein, und dafür mehr sich wirthschaftlichen und socialen Interessen widmen müssen. Aus vollständig entgegengesetzter Grundlage ruht da« Programm der vereinigten Linken. Für sie ist die Herrschaft de« Parla ment- die Hauptsache. Im Juli 1882 erklärte Hänel nnter lantem Beifall der liberalen Presse: „Der Liberalismus will und soll zur Herrschaft gelangen, den maßgebenden Einfluß gewinnen und, wenn ei die Dinge fügen, die Regierung selber in conftitutioneller Weise leiten." Deutlicher sprach sich Herr Bambcrger am 5. Mai 1883 im Reichstage auS: „Wenn Deutschland sich gesund entwickeln will, so muß eS znm Parlamentarismus kommen. Parlamentarismus beißt — so fügte er hinzu —. daß eine Negierung der Ausdruck der Mehrheit der Volksvertretung sein soll", — die ReichtagSmehrheit dürfe sich nicht der Negierung unterordne», sondern „die Regierung mnß den Weg gehen, den die Reichstagsmehrheit ihr vor- schreibt". Nicht« Anderes bedeutet der Satz, der dem Programm der neuen Partei an die Spipe gestellt ist: „Entwickelnug eine- wabrhait constituftonelle» BeisassungSIebenS in gesichertem Zu sammenwirken »wischen Regierung und Volksvertretung". Bei einer derartige» Fürsorge sür die Erweiterung der Rechte der repräsen. »ativen Körperschaft ist es erklärlich, daß die Interessen de« Volk» z» kurz kommen: die Besserung der wirihschastlichen und socialen Lage kann nach Herrn Bamberger überhaupt gar nicht Gegenstand politischer Bestrebungen sein, well den Staat solche Fragen nicht« ongeben. Wie hiermit der Gegensatz gegeben, so auch der EinigungSpunct sur diejenigen, welche di« Jagd »ach der parlamentarftch, n Herrlchaft nicht mitnrachen wollen und die Aufgabe de« Parlament« nicht in der BernächlLssigung der Interessen und Bedürfnisse de« Bolle« erblicken. Der Gegensatz ist klar: auf der einen Seite da- Fest halten an den bisherigen BerfossnngSeinrichtungeu, d. h. ebenso der Mach» der Kione wie der Stellung d-s Parlament« als eine« mitwirkrnde» Factor«, und aus dieser Grundlage Pflege der wirtdichastlichrn »nd socialen Interesse» durch eine gesunde Resormpolitik» an welcher Regierung und Parlament znm Besten de« Volke« gemeinsam und mit dem fortwährenden Strebe» nach Verständigung arbeiten; aus der anderen Seite eiue ttes- greifende Aendrruag der gegenwärtigen verfassungs mäßigen Stellung de» Parlaments, Erweitern»- seiner Macbtbesuguisse aus Kosten der Macht der Krone» unter iorgfält'ger Ausrrchterhaltung der Rachtwächter-Roll« sür de» Staat in allen wirthschaftlichen und socialen Fragen. Daß dir Demokratie Ernst macht, den zu ibrem Bedauern im Jahr« 1866 abgerissenen Fade» der BersassunqSkämpse wieder an- zuknüpfen. beweist die Gründuna der neuen Partei. Einer inßerlich ähnlichen Gegenmaßreael bedarf e« nicht, wenn nur von de» Par» teien da« Ziel — die Bekämpfung der Demokratie und somit die Aiifrechterhaltung der bestehenden versassungemäßiqen Stellung der Krone und de« Parlament«, wie rin entschiedene« Eintreten für eine Reform der socialen «nd wirthschaftlichen Zaftünd« — gemeinsam im Auge behalten wird. An« der Gleichheit und Gemeinsamkeit diele« Ziele« kann sich später von selbst und ohne Zwaug auch eine gemeinsame Porteisorm bilde», eiue Vorbedingung sür die Erreichung de« Ziele« ist die« aber nicht. Aber ein offene« Bekenne« zu diese« Ziele wird allerdings nothwendtg sei», damit der Freund deu Fre»»h erkenne.
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