Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1885
- Erscheinungsdatum
- 1885-10-07
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188510078
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- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18851007
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- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18851007
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1885
- Monat1885-10
- Tag1885-10-07
- Monat1885-10
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- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 07.10.1885
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Tarn Nerlawen anter dem Redaclioalftrich die4geivalt. Zeile 50 Ps., vor den Familiennachrichten die Sgejpalleoe Zeile 40 Pi. Iafrrare sind Kel« an die Expeoitian za senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeonuwrauäo oder dura, Past- nachaadme. L8V. Mittwoch dm 7. October 1885. 78. Jahrgang. Amtlicher Theil. Vekannlluachung. -a» Au- ««d Abfahre« der Wage» a« »e«e« Gewandhaus betr. Mit Rücksicht darauf, daß die Neuxflasterung der Straßen in der Umgebung de« neue« Gewandhauses, namentlich diejenige des unteren Theile« der Albertstraße zur Zeit noch nicht beendet ist, macht sich für dt« Dauer dieser Pstasterarbettea und insbesondere für das am 8. d. Ml«, sialtfindende erste Eoncert der Wintersaison eine tbeilweise Abänderung der in unserer Bekanntmachung vom 4. Decem der 1884 vorgeschriebenen Fahrordnung nvthig und wird daher für die gedachte Zeitdauer Folgende« bestimmt: 1) die nach der südliche«, an der Mozaetstraße ge legenen Anfahrt de- Gebäude« fahrenden Wagen haben ihren Hinweg anstatt durch die Albertstraße von der Kreuzung der kleinen Bnrggasse und der Harkortstraße auS durch die La«pe«Ttrage und über die Albertbrücke, den Rückweg aber durch dieselben Straßen oder weiter hinau» nach der tArassistraße zu zu nehmen; 2) die nach der nördliche« an der Deethovenstraße gelegenen Anfabrt de» Gebäude» fahrenden Wagen dagegen haben sLmnrtlich von der Harkortstraße au» aus der rechte« Seite der Beethovenstra-e hinauSznfahren, »o« hinten in die gepflasterte Anfabrt einzubiegen und nach Absehen der Fahrgäste auf der Beethovenstra-e, sich wiederum auf der rechte« Seite haltend, zuruck nach der Harkortstraße zu fahren. Im klebrigen bewendet e» bei den bisherigen Vorschriften. Leipzig, am 5. October 1885. Der Rath «nd daS Polizei-Amt der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Bretschneiber. verlteigernng. TonnerStag, den 15. »s». Mt»., Vormittag« 10 Uhr, sollen im Hose de» hiesigen Posthaliereigrnndstück», Ho'pitalstraße 4—8, drei Stück außer Gebrauch gesetzte zweispäiinige Giiterpoftwagen. sowie eia kariolpottwagen «ater den unmittelbar vor der 8er- stc.qerung bekannt zu machendeu Bedingungen öffentlich »ersteigert »erden. Leipzig, den ü. October 1885. Kaiserliche« P.ftawt 10. Oehme. Auktion. DonoerStag. den 8. Oct«»er 1885» Rachmittags 2 Udr sollen in der Restauratia» »NM Rathükcller in Reudnitz 1 Kutschwagen, 1 Partie Möbel und 1 Posten Schnittwaare» meistbietend gegen sofortige Baarzahlung versteigert werde«. Leipzig, den b. October 1885. Der Gerichtsvollzieher beim »önigl. Amtsgericht daselbst. Steckbrief. Gegen den Arbeiter Wilvrlm Lorenz au« Merseburg, geboren daselbst am 12. November 1861, welcher flüchtig ist, ist die Unter suchungshaft wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und öffent licher Beleidigung verhängt. Es wird ersucht, denselben zu verhaften nnd in da« Gericht« Besängniß zu Halle a./S. abzuliefern. Halle a./S., den 3. October l88k. Königliche Staatsanwaltschaft. Nichtamtlicher Thetl. Die Wahlen in Frankreich. Obwohl da« Wahlergcbniß wegen der Nothwendigleit zahlreicher Stichwahlen noch nicht endgiltig fcststeht» so ist doch bereit» zu erkennen, daß die Hoffnungen der Republikaner unerfüllt geblieben sind. Der Gewinn der Conservativen, also der Monarchisten, beträgt schon 75 Sitze, man wird daher nicht zu hoch greisen, wenn man den Ge- kammtgewinn der Anhänger der Monarchie aus 100 Sitze veranschlagt, da »och 200 Stichwahlen zu erledigen sind. Schon als erst viel weniger Wahlen bekannt waren, wurde schon die Befürchtung geäußert, daß die äußerste Rechte mit der äußersten Linken den Opportunisten da» Gleichgewicht halten könnte. Seitdem hat sich die Lage sehr zu Gunsten der Conservativen geändert und jetzt gestehen die Republikaner bereil» zu, daß sie eine Niederlage erlitten baben. Die Opportunisten und Radikalen machen sich gegenseitig Vorwürfe über die Folgen ihrer Uneinigkeit, daran ist aber jetzt nicht» mehr zu ändern, die Tbatsachen haben jetzt da» Wort und diese reden eine in Frankreich lange nicht vernommene Svrache. Gambelta glaubte in der Rückkehr zu», System der Listenwahlen da» sicherste Mittel gesunden zu haben, um sich den Präsidentenstubl der Republik zu sichern, weil so der Zersplitterung am besten vorgebengt werde und die compacten Parteien am ehesten zur Geltung gelangten. Cr wollte alle Anhänger seiner Sache um sich schaaren, keine Stimme sollt« ihm verloren geben. Diese Auffassung war allerdings richtig, aber nur unter der Voraussetzung. daß die Sache der Republik auch die Mehrheit im Lande Halle, war diese aus Seiten der Monarchie, dann wurde gerade die Listenwahl für die republi kanische SkaatSsorm der Todtengräber. In welche Sicherheit hatten sich die Republikaner hinein geredet, nach bei» Sturze de» Ministerium» Broglie, die Wiederherstellung der Monarchie erschien ihnen als ein Ding der Unmöglichkeit, und am Tage nach dem erste» Wahlgange liegt ei» Wahlergcbni vor, welcher den Sieg der Monarchisten Uber die Republi kaner sehr wahrscheinlich macht. Da» ist ein Ereigniß. welche» ln ganz Frankreich eine» vollständigen Umschwung zur Folge baben muß. Tie Bewegung nach dem Tobe de« Grasen Ehainborv, welche dir Aiirtchließung der Mitglieder ehemaliger französischer Regeiilensainilicn an» den Reibe» der Armee »nd der Beamlen der Civilverivaltung, auch vom passiven Wahlrecht zur Folge halte, war also doch nicht so ganz ohne jede Grundlage. Die Monarchie hat in Frankreich allem Anschein „ach doch noch «ine Zukunst. Al» Prinz Napoleon die Erbschaft Gambetta'S antreten wollte, wurde er verlacht und kein andere» Schicksal hakten seine übrigen Aufrufe. Auch in der gegenwärligen Wahlbewegung hat er sich wieder den Franzosen in Erinnerung gebracht, aber man Hot seine Stimme kaum gehört. Jetzt wird man auch diese Kundgebungen in einem anderen Sinne auffaflen und ihnen eine gewisse Beachtung schenken müssen. Wa» der Sache der Monarchisten schadet, ist di« Uneinig, keit. Auch sie können sich nickt dazu entschließen, di« Per- onensrage der Sache selbst unterzuordnen. Anch heute g>ebt e» in Frankreich noch sogenannte weiße Legitimsten. welche den Grasen von Pari» nicht als den rechtmäßigen Nachfolger de» Grasen Chambord anerkennen, und deshalb von ihm al» von einem Usurpator sprechen, fall» e» ihm gelingen sollte, aus Frankreich- Thron zu kommen. Die Zahl dieser Leute il zwar nicht groß, aber wenn sich ihre Stimmen mit denen der Orleanisten vereinigten, so würbe ibnen der Sieg Über die Republikaner eher möglich sein. Auch die Sache der ' sonaparlisten hat durch den Streit zwischen Vater und Sohn Prinz Ierome und Prinz Viktor viel an Einfluß verloren, die meisten Aussichten aus den französischen Thron hat heule unzweifelhaft der Gras von Pari». Noch am Ortoder hätte kein französischer Republikaner ge. glaubt, daß 24 Stunden später die Möglichkeit einer Wiederherstellung der Monarchie ernsthaft in Erwägung >ezogen werden könnte und dennoch ist sie heute nicht zu eugnen. Noch am Vorabende der Wahlen meldete die »Agence HavaS", daß Präsident Grevy körperlich und geistig risch genug sei, um eine Wiederwahl annehmen zu können und heute ist er bereit» zweifelhaft geworden, ob die Mchr- ahl der Stimmen ihm gehören würde, auch wenn alle Republikaner sich für ihn erklären. Die nächst« Zukunft muß die Entscheidung bringen, ob die Republik ernstlich gefährdet ist, oder ob e» die Monarchisten nur auf ein« an- ehnliche Minderheit gebracht haben; nach den Erfolgen de» ersten Wahltage» ist der vollständige Sieg der Monarchisten nicht anSgeschtossen. Forschen wir nach den Ursachen dieser unerwarteten Er- cheinung, so liegen sie ziemlich offen zu Tage. Vor drei Jahren befand sich die Republik in einem Zustande, der wahr» hast Mitleid erregend wirken mußte. E» wollte länger« Zeit nicht gelingen, eine Regierung zu Stande zu bringen, nnd al< ie endlich da war, mußte sie wiederum nach kurzem Bestände einer anderen weichen. Da» Ministerium Duclere bezeichnet den traurigsten Abschnitt der dritten Republik. Selbst ein Ministerium Gambelta hatte den Erwartungen der Franzosen nicht entsprochen und mußt« nach wenigen Monaten wieder ablreten. E» war so weit gekommen, daß die Vertreter von Handel und Gewerbe dem Präsidenten Grüvy die Bitte vor trugen, er möge für «ine feste Regierung Sorge tragen, wenn der allgemein« Bankerott vermieden werden soll? Da endlich ermannte sich Frankreich nnd rief Frrrh an die Spitze der Regierung, und ihm gelang e», sich wenigsten» länger al» ein Jahr an der Seite de» Ministeriums zu behaupten. Aber er hatte eine schlimme Erbschaft n der Tonkin-Unternehmung überkommen und an dieser mußte er früher oder später scheitern. Die Chinesen haben lange auf seinen Slurz warten müssen, aber endlich ist Ferrh doch den, Schicksal unterlegen, dem er auf die Dauer nicht entrinnen konnte. Später hat er sich von den Anklagen, die gegen ihn erhoben wurden, gereinigt, aber da hatte die Entwickelung bereits eine ankere Richtung genommen, seine Person war zur Nebensache herabgesunken, die StaatSsorm selbst war der Gegenstand der Berurtbeilung geworden. S« ist nicht anzu nehmen. daß die Zahl der Monarchisten plötzlich so gewachsen ein sollte, nur die Ueberzeugungx daß die republikanische StaatSsorm dem Bedürfnisse Frankreichs nickt entspricht, hat zahlreiche Republikaner aus die Seite der Gegner getrieben, die Republik mag jetzt wie vorher ihr Ideal geblieben fein, aber i» der Praxi» huldigen sie beute anderen Anschauungen. ES ist so viel gegen die Politik der Abenteuer in Frank reich gesprochen und geschrieben worden, daß die Hörer und Leser endlich zu dem Enschluß gekommen sind, sich von dieser Politik loszusagen. Daß dieser Zweck unter der Republik nicht zu erreichen ist, da» haben die Erfahrungen der letzten Jahre unumstößlich bewiesen. Jeder neue Ministerpräsident hält sich stets an seinen Vorgänger, keiner kann sich zu einem kühnen Entschluß aufraffen und sich von Unternehmungen loSsagen, welche nur zum Verderben Frankreich» au-fchlagen können. General Campenon, der noch als Krieg-minister Ferry's der Ansicht huldigte, daß man sich aus da« Delta de» Rotben Flusse» zurückziehen müsse, ist heute der Meinung, daß die französischen Truppen in Hue bleiben müßten und daß ihre Zahl für alle Möglichkeiten ausreiche. Die Massen ermordungen der Christen in der Provinz Quin-Nbone, der Ausbruch der Cholera unter den Truppen, die bedenkliche Lage der Franzosen in Hue und Hanoi haben e» nicht dahin bringen können, den Rückzug au« einem Lande anzutreten, da« aus die Dauer nur mit den kostspieligsten Opfern für Frankreich erhalten werden kann. Fast dieselbe Lage der Dinge eraiebl sich in Madagaskar, auch dort sind die Franzosen seit Jahren vergeblich bemüht, den Widerstand der HowoS zu brechen, und erst vor wenigen Wochen baben sie dort wieder eine Schlappe erlitten. Admiral Miot hofft auf die Bewilligung weiterer Summen und Sendung von Verstärkungen durch die neuen Kammern. Inzwischen ist aber in Frankreich «ine Veränderung eingetrelen, welche dies« Erwartungen al» zu doch gespannt erweist. In den nächsten Monaten wird man sich in Frankreich nicht mehr um da» kümmern, wa« geschehen muß. nm in Anam und in Madagaskar zu bleiben, sondern man wird die Frage beratben, ob Frankreich Republik bleiben oder zur monarchischen StaatSsorm zurückkehren soll. * * Leipzig, 7. Oktober 1885. * Ihre Majestät die Kaiserin hat dem Berliner Magistrat auf feine Adresse au» Anlaß Ihre» Geburts tage» da» folgende Antwortschreiben zugehen kaffen: „Die Glückiv»nsch-8dreffe de« Magistrat« Hab« Ick mit beson derer Brnugthuiinq empsangen, denn sie erwähn« vor Allem der Gnade Gotte«, die ta dkm ziirückqkUgtrn Lebeiissnhre über dem Kaiser. Meinem Gemahl, gewaltet und durch seine Wohlfahrt Mich wahrhast beglückt bat. Mit Demuth erkenne Ich diese und alle Wadlthaten. die in gesegneter Friede»«icit seil Iohre-srift U»« wieder zu Theil geworden sind, und erbitte Heil und Segen für die Zukunft unsere« deutschen Vite:lande'. Ist diele« »nd »ist ihm da« königliche Hau« in der jüngste» Vergangenheit «on schmerzlichen Verlusten leider nicht verschont geblieben, so bars Ich henke um so srendiger in ven Familienkreis blicken, der Mich froh bewegt um- qielst. durch da- neu tegründet, LebeuSgllick Meine« lukel«, an dem Ich innigen Anlheil nehme. Dem Magistrat aber danke Ich aalrichtig für die Kundgebung « seiner Gesinnung m-i der erneuten Versicherung, daß Ich sein« Be I slrebungen, da« Wohl der Stadl Berlin zu sördern, mit voller An I erkennung begleite und nach Krästen zu untrrstützen stet« bereit bin » Baden-Baden, den 1. October 1885. grz. Rugusta." Der Stadtverordnetenversammlung ist folgende» Schreiben zugeganaen: „Ich danke den Stadtverordneten ausrichtig für die Mir gewid meten treuen Wünsche «nd sür die in ihrer Adresse rnthalteneu Beweist eine- sür Mein« Bestrebungen wohlthuenden Verständnisse«. Ie dankbarer Ich die« anerkenne, um so mehr steigert sich Mein Wunsch, die nötdigen Kräfte wieder zu gewinnen, um dem all gemeinen Wohl Meine Dienste widmen zu können. Ich rechne hier bei nie vergeben« aus die Mitwirkung der Bürgerschaft Berlin«, die sich stet« hils-bereit bewährt und in ihrem Stadlverordnetea-Kreise die Interessen der Wohllhätigkeit warm vertreten sieht. Dem längsten Armclipsleger-Longreß habe ich Meine volle Tbeilnahme gewidmet und einen neuen Beweis deutschen Gemein sinne- in diesen Berathungea gefunden, die den Anforderungen der Zeit entspreche«. Baden-Baden, den 1. October 1885. gez. Aagosta." * Zur parlamentarischen Lage meldet die „National liberale Correspondenz*: »Ueber die Eintheilung der parlamentarischen Jahreszeit sind bi» jetzt nur un verbürgte Gerüchte in Umlauf gesetzt worden. Ueberein- stimmend heißt e», der Reich-tag solle vor dem preußi schen Landtage, und zwar etwa Mitte November, berufen werden — aus welche AnhaltSpuncte hin aber, weiß Nie mand zu sagen. In Reich-tag-kreisen ist. wie wir erfahren, der Wunsch ziemlich verbreitet, e< möchte die-mal dem preußischen Landtag« der Bortritt gelaffen und der Reichstag erst im Februar eröffnet werden. Man fürchtet da» Nebenemandertagen mit dem preußischen Landtage seit dem letzten Winter mehr al» je. Formell hat sich i» der Reichstag um die preußisch« Körperschaft wenig bekümmert, aber sachlich hat der Fortgang der Geschäfte unter dem gleich» zeitigen Arbeiten — da nun einmal eine Reihe tüchtiger Kräfte beiden Volksvertretungen angebvrt — gar sehr gelitten. Dasselbe würde in diesem Jahre zu befürchten sein. Denn da der Landtag spätesten» Mitte Januar versammelt werden muß. ein Mitte November zufammentretenver Reich-tag aber bi» dahin seine Geschäfte unmöglich erledigt haben kann, so wäre die Collision unvermeidlich und dieselbe würde, da die Regierung die Vertagung einer der beiden Körperschaften woyl ebensowenig eintreten lassen würde, wie im Vorjahr«, wieder fortdauern bi- zu Ende — nur daß die Culturkampsserien, welche Herr Windihorst dem Reichs tage im letzten Februar auserlegte, sich diesmal wohl noch unangenehmer gestalten würden. Dazu kommt in diesem Jahr« noch die Collision mit anderen bedeutenden Landtagen. Der bayerische ist bereit- versammelt, der sächsische aus den lO. November berufen, der badische wird etwa um dieselbe Aeil zusammentrrten. Bon den Reichstagsabgeordneten dieser drn Länder gehört ein nicht unbeträchtlicher Theil den betr. Landtagen an. Würde e- da nicht zweckmäßiger erscheinen, wenn zunächst auch der preußische Landtag Mitte November zujammenträte? Wenn e» richtig ist, daß derselbe in der bevorstehenden Session mit besonder- großen Ausgaben nicht befaßt werden soll, so könnte er seine Arbeiten reckt wohl bi» Ende Februar erledigt haben. AlS» dann hätte der etwa Anfang der zweiten Februarwoche zu sammentretende Reich-tag bi» zum 1. Avril, da diese Zeit nicht, wie sonst wohl, durch die Osterferien ab gekürzt wird — Ostern 188« fällt auf den 25. April —, sür die EtatSberathung vollauf Zeit und im Uebrigen frei« Hand bi» an» Ende der parlamentarischen Saison. Der Nachtheil, welcher darin liegt, daß in den preußischen Etat noch nicht die bestimmt« Summe der Matricularbeiträge und der Zuwendungen vom Reich eingestellt werden könnte, dürste geringer anzuscklagen sein al» der andere, welcher für die ganze parlamentarisch« Arbeit durch da» Nebenemandertagen entsteht. Indeß, wir können nicht wisse», ob die Reicb»rrg,erung nickt zwingende Gründe sür die baldige Berufung de»Rejch»tag» hat. und da die Berufungke» Reichstag» owodl wir de» Landtag« ein Vorrecht de» Kaiser« und de» König ist» so können Forderungen in dieser Beziehung überhaupt nickt erhoben werden. Dringend bitten aber möchten wir um eine möglichst baldige autbrntiscbe Mittbeilung, damit die Hunderte von Parlamentariern im Stande sind, ihre geschäftlichen und häuslichen Dispositionen zu treffen." * Dem vernehmen der „Braunschweigischen Lande-reitung" zufolge wird die braunschweigische Lande-versai»in» lung zum 19., brzw. 2V. October zu einer Sitzung zu« sammcnbrrufen werden. Einziger Gegenstand der Tage» ordnung sei die Wahl «ine» Regenten dc» Herzogthuin». * Man schreibt un» au» Wilhelm »ha ven. 5. October. .Gestern Abend um 8 Uhr traf Vit zum Schulgeschwader ge hörige Kteuzerfregatte „Moltke", von Kiel kommend, auf der -hiesigen Rhede ein. Da» Schiff hatte leider in der Außen jade eine Havarie an der Maschine, welche eine 3—»tägige Reparatur erforderlich macht und vielleicht da» am 7. d. M. geplante Absegeln de» Geschwader» um Einige» verzögert. Ta» Geschwader trat heute Morgen in verband, nachdem sich der Geschwaderches Capitain rnr Sec Slenzel an Bord der Kreuzersrrgatte „Stein" (Flaggschiff) eingeschm't und seinen Commodvrestander gehißt hatte. DaS auf der Rhede liegende Panzerschiff „Friedrich Karl" salutirte denselben al» StationS- wacktschiff mit l3 Schuß. Seit mehreren Tagen herrscht an unserer Küste ein wahre» Unwetter, bci beständigem Sturm au» Süd-West, welche» der Ausrüstung de» Geschwa der» sehr nachthciiig war und heute Morgen der artig an Heftigkeit zunahm, daß die Schisse .Stein", „Sophie" und .Ariadne", welche zum Auslaufen auS dem Hafen bereit lagen im Vorhasen verhleiben mußten. Ein kleiner Tran-portbampser. welcher Proviant an Bord de» Panzerschiffe» .Friedrich Karl" zu bringen hatte, wäre fast aus seiner Fahrt gekentert nnd mußte unverrichteter Sache und unter völliger Durchnäffung de» Proviants zum Hasen zurückkehren. Jedenfalls wird da» Geschwader zu seiner Ausreise erst günstige» Wetter abwarten müssen. Da da» Reiseziel de» Geschwader» Westindien ist, so ist anderer seit» gerade diese Jahreszeit sür den Aufenthalt Unsere Schiffe in jenen Klimaten die allergi'mstigste. Der Besuch der tropischen Häsen nördlich vom Aeqnator ist au» hygieinischen Rücksichten zwcckwäßigst in die kühle, fieberfreie Jahreszeit zu legen, weiche vom Növembcr bi» April einschließlich z» rechnen ist. Bekanntlich ist. die Tauer der Reise de» Ge schwader» auch gerade auf rin Halbe-Jahr festgesetzt und die Ausrüstung für diese Zeit vorgesehen. — Anläßlich der Publi kation de« Verluste» der Corvelte .Äugusta" durch den Cbes der Admiralität ist am Sonntag, den N. ds». Mt»., ein allgemeiner Trauergvtte»kienst sür die Marine besohlen und verfügt, daß alle Kriegsschiffe und marinesiSkalischen Gebäude balbstock flaggen. — Durch Verfügung kr- Chef» der Admiralität sind die Gebiet« der Westafrikanischc und Ostasrikanischen Station wie folgt festgesetzt: l) Die Westafrikanische Station wird begrenzt im Norden: durch den Breitcnparallel von 30" Norvbreite, im Westen: durch den Längengrad von 29« Westlänge, im Süden: durch den Breitenparallel von 40» SUddreite, im Osten: durch den Meridian von Capstadt und die Küste de» Fest landes. 2) Tie Ostasrikanische Station im Norden: durch den Breitenparallel von l3° Nordbreite, im Osten: durch dcn Längengrad von 60° Ostlänge, im Süden: durch ven Breitenparallel von 40° Südbrcite, im Westen: durch den Meridian von Capstadt und die Küste de» Festlandes. Die den afrikanischen Stationen angebörendcn KncgS'chissc, welche in Capstadt oder SimonSbaft liegen, bezw. aus der Reise dorthin oder von dort den Meridian von Capstadl passiren, sind al» in ibrem^biSherigen Stationsbereich befind lich zu bezeichnen. — Der Chesder Admiralität ist von Berlin vier eingetroffen zur Inspicirung de« Geschwader» und verschiedener Neubauten." * Durch die vom Reichskanzler angenommene Vermittlung de» Papste» in der Karolinensrage ist die ultra montane Br esse um eine ihrer beliebtesten Phrasen, die von dem Gefangenen im Vatikan", gebracht worden. Zwar möchte ie ihre Leser noch immer glauben machen, daß in Preußen Gesetze beständen, welche da» Lesen der Messe und die Spendung der Sakramente unter Strafe stellen; da» genügt aber nicht, jetzt vor Ven Wahlen müssen alle Register gezogen werden, um jenen Hitzegrad hcrvorzurufen, der den katholischen Wähler blind an die Urne treibt. Wa» in dieser Beziehung da» Hauptblatt der Ultramontanen in Aachen, da» „Echo der Gegenwart", leistet, ist geradezu eines französischen Revancheschreier» würdig und sei weiteren Kreisen nicht vorenthallen: „Wir Bewohner namentlich der westlichen Provinzen Preußen» hatten längst eine reiche Cullur. eine christliche Volkökirche, ein freie» Gemeindlichen, eine entwickelte RechtSvcrsaffunq, al» jene noch al» Halb» barbarrn in kriegerischem Mordgrlüste in Tbiersellen berum liefen oder aus der Bärenhaut lagen, welche heule un» den Fuß de» Gewaltherrn aus da» Haupt setzen möchten. Erheben wir Rheinsranken un» in diesen Wahlen wieder zu energischem Thun, zu glänzender Abwehr der Eindringlinge n unser erhabenes kirchliche» Leben, jener nordpreußischen Eindringlinge, die noch heute nicht recht gesittet, nicht wahr haft christlich sind, wie anderseits ihre engeren Landesver bände früher au» allerlei wüsten Botk»stämmen znsammcn- geschweißt worden sind." Da» ist eine neue Blüthe de» ultramontanen Patriotismus. Die bisherigen Diöcesan-n de» Bischofs Krementz, die doch auch Nordpreußen sind, wird e» rigenthümUch berühren, daß ihre Glaubensgenosse» im Westen sie al« ein Gemenge «m» allerlei wüsten BollSstämmen be trachten. * ES wurde kürzlich über den verstorbenen klnterstaat»- secrrtair v. Grüner gemeldet, daß Herr v. Grunert nach der Uebernahme de» Auswärtigen Amte» durch Herrn von Bi»marck zur Di-position gestellt worden sei; die» ist ein Irrthum, denn r» war schon einige Monate vorher geschehen. Herr v. Grüner wurde auf sein eigene» Ansuchen, al» Gras Bernstorff noch Minister de» Aeußeren war. im Lause de- Sommer- 1862 zur Disposition gestellt. An seiner Statt wurde bereit» am 26. August de» genannten Jahre» Herr v. Sydow mit der Führung der Geschäfte al» Unler- ftaatSserretair de» Aeußeren commifsarisch bcauslragt, während Herr v. Bismarck erst am 23. September provisorisch, am 9. October 1862 definitiv zum Minister Präsidenten und Minister de» Aenßern ernannt wurde. Daß Herr v. Grüner mit den Anfängen der BiSmarck'schen Politik nicht ein verstanden war, ist bekannt; die Differenzen wirkten noch lange nachher nach, al» der Kaiser ihm den Titel eine» Wirkt. Geh. Rath» verlieh und die bekannten Schwierigkeiten wegen der Gegenzeichnung dieser Verfügung entstanden; Fürst BiSmarck lehnte sie ab, und sie soll dann durch den HauSministerGrasSchleinitz erfolgt sein. Herr v. Grüner, dessen »illiberale Parteistcllung schon erwähnt wurde, gehörte in den süiisz-ger Jahren zu den Manncrn, welche sich durch die ver- lseieigiingderverfaffungvervienl machten »nd aus die sich, weilsie sich deS persönlichen Berlrauen» de» Prinzen von Preuße» erfreuten, der besondere Haß der „KrcnzzeitungS-Partei" concentrirte. * Die Einreichung de» Abschiedsgesuche» seiten» de» Ber liner Polizeipräsidenten von Madai hat, wie man der „National-Zeitung" schreibt, vielfach überrascht. Man glaubte allgemein, der beliebte Polizeipräsident würde dem Wunsche de» Kaiser» entsprechen und noch aus Jahre bin im Amte bleiben. In der Thal aber macht der Gesundheitszustand de« Präsidenten die Fortsührnng der Geschäfte oft kan», möglich. AtS voraussichtlicher Nachfolger aus den Berliner Präsiventenposien nennt man jetzt Prinz Handjerü, Regie rungspräsident in Liegnitz, den Polizeipräsidenten in Posen, v. Colmar (Mitglied de» deutschen Reichstages), und dcn Ober-RegierungSrath Ilr. Friedhrim. * Die Frauenvcrsammlungen in Berlin beginnen mehr und mehr die Ansmerksamkeit aus sich zu lenken. Wa» früher mir in spöttischer Weise rcserirt wnrke. das zeigt sich jetzt als durchaus berechtigte», al» Kern einer socialen Bewegung, die erst im Anfänge steht und welche nicht me>'r zu lange DiScussionen vertragen kann, sondern sebr g< bictensch Abhilfe fordert. Die Form, in welcher die Wunsche der Berliner Arbeiterinnen vorgcbracht werde», läßt allerdings viel zu wünschen Übrig und wenn die Franc» Etägcman» und Canliu» weniger srciaidemokratische Phrasen in, Munde führten, so könnte das wahrlich der Sache nur nützen, aber die bestimmte Formnlirung der Forderung und die Organi sation, diese Forderung durchzusctzcn, ist da« Charakteristische tn der Bewegung. Bisher hatten die Frauen immer nur allgemeine Besserung ihrer Lage, Zulassung zu Aemtern re. gesondert, die Arbeiterinnen mußten stillschweigen nnd sich oft mit geradezu n»;ureick>e»dcn Löhn«" begnügen, welche sie »oth- wendiaer Weise der Schande in die Arme treiben. Gerade durch seine billigen Löhne sür die Frauenarbeit ist die Berliner Mantel-Consertion groß gewordrn und e» ist bezeichnend, daß c» nur gerade die Mäntelnäherinnen sind, die Fach- nud Lohn-Commissionen eingesetzt haben, um mit den Meistern bez. den Consectirnnairen zu verhandeln und einen Lohn von t5 ^ pro Woche bei 10'/,stünvigrr täglicher Arbeit-zeit durchziisetzen. Ob ihnrn da» gelingen wird, ist jedenfalls zwr-silbast, denn wen» die Berliner Consection für die Arbeit Hobe Preise zahlen soll, so ist ihre Concurrenzsähigkeit dabin und sie natürlich auch selbst. Wie verlautet, bereiten sich auch in ankern Industriezweigen Bewegungen zur Erhöhung der Frauenlöbne vor.
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