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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-02-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-188902094
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18890209
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18890209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1889
- Monat1889-02
- Tag1889-02-09
- Monat1889-02
- Jahr1889
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 09.02.1889
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Erschein täglich früh SV, Uhr. Retarti«» oni LrprdUi»» Johaunelgaffe 8. Aprechstulchrn der Nrß«tion: Vormittag« 10—12 Uhr. Nachmittag« b—k Uhr. ,» i» Nti«»»»e n»»ei»»t!er «»n»>cn»«e »acht ft» d» Itedaciicn nichl verdiadtrch. I„»tz»e »er für »ie nichftf«I,e«»r ß,««rr »efti««trn Inserate an Aoche»ti>eu »iS S Uhr Nachmttkaa«. «Senn- und Kesttagenfrütz »ts'i.v Uhr. Zi -eu /flialkn für Ins.-^nnaljMk: vtt« Sie««. UniversitötSstraße 1- LantS Lösche. statharineastr. 83 Part «uv König-Platz 7, nur bis ' ,L Uhr. riMM.Tagclilalt Anzeiger. Organ filr Politik. Localgefchichte, Handels- «nd Geschäftsverkehr. MbonnementSpreis vierteljährlich 4»/, Mk incl. Briagerlohn 5 Mk.. durch di« Post bezog«» 6 Mk. Jede einzelne Nummer 20 Pf. Belegexemplar 10 Pf. Gebühren für Extrabeilagen (in Tagedlatt-Format gesalzt) ahne Postbeiörderung 60 Mk. mit Postbeiörderung 70 Mk. Inserate 6gespaltene Petitzeile 20 Pf. Gröber« Schriften lau! uns PreiSverzeichntß. Tabellarischer u. Ziffernsatz nach höherm Tarif. ileclamen unter dem Redact ion «strich die 4gespalt. Zeile üOPs., vor den Fa miliennochrichten die Ogespaliene Zeile 40 Ps. Inserate sind stet« an die Expedtttou zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praenumernnä» oder durch Post. Nachnahme. 4V. Tonnalvend dm 9. Februar 1889. 83. Jahrgang. Zur geWigen Veachtung. Unsere Expedition ist morgen Sonntag, den 1V Februar, Vormittags nur bis z» Uhr geöffnet. Lxpvältton Uv« I^lprlßer Tageblattes. Amtliche Bekanntmachungen. StSdtische Sparcaffe beleiht Werthpapiere unter günstige« Bedingungen. Leipzig, den 14. Januar 1889. Die Gparcaffen-Deputntion. Ver-eigerung von Vauplätzcn. Die der Sladlaemeinve gehörigen, a» der Rüktter- und tüSntger Straste gelegenen s Banplütze de» Ba«» tzlock» V. de« ParcellirungSplaneS für da« Areal de« ehe- »alizen fi-calischen Holzhof» und Kohlenbahnhofs Nr. 2 von 421,92 Quadratmeter, . z - 506.37 . . 4 - 319.95 - PLchenaebalt sollen Donnerstag, de« KI. diese» Monats, Vormittag- IL Uhr i« Saale der Alten Lvaage, Katharinenstraße Nr. I, in der 2 Etage, zun. Verkaufe versteigert werden. Der Berstcigerung-termin wird pünktlich zur angegebenen Stundr eröffnet und die Versteigerung bezüglich eine« jeden der einzeln nach einander in obiger Reihenfolge au-zubieten- den Bauplätze geschlossen werden, wenn darauf nach drei maligem Ausrufe kein weitere» Gebot mehr erfolgt. Die BersteigerunqSbedingungen mit dem betr. Parcelli rungSplan liegen ans dem Rathhau-saale, 1. Etage, zur Ein irchtnahme au» und e» sind davon Exemplare ebendaselbst m d«r Sportelcasse I., Zimmer Nr. 5, für 1 zu erhalten Leipzig, den 4. Februar 1889. Der Stath der Stadt Leipzig. 1^ K77. l)r. Georgi. Cerutti Die zum 1. März n. e. vacant werdeude L. Straszenwiirtr» N«>e hier, mit welcher ein Jahre-gehalt von 800 verbunden ist, soll wieder besetzt werden. Bewerbungsgesuche nebst Zeugnissen und kurzem, selbstgeschriebenem LebeaSIaus sind bi« 20. diele« Monat« in unserem Nachhause, Zimmer Nr, 4, verschlossen abzugebeu. Bolkmar-dors, am 6. Februar 1889. Nr. 147/1. Per Ge«etu»e»«rfta»d. Lohse. Noaik. Die Zustande in Frankreich. Der Deutschenhaß blüht in Frankreich mehr denn je. krotz der Verwirrung, welche im Innern herrscht, ja eS gewinnt säst den Anschein, als ob man sich bemühe, durch die Auf- snschung dieses Hasses einen VereinigungSpunct zu schaffen, velcher über dal Elend der Zustände im eigeneir Lande trösten soll. Die Verwerthung der angebliche» Paßverweigerunz an den Stabsarzt Eude» vom 90. Infanterie-Regiment, welcher seine kranke Mutter in Straßburg besuchen wollte, durch den Oberst de» Regiment» ist so unerhört, daß man sie für eine Erfindung halten müßte, wenn nicht die vom Krieg-minister gegen den Obersten verfügte Untersuchung die Bestätigung der Wahrheit enthielte. Der Oberst Senart hat bekanntlich einen Tagesbefehl er lassen, in welchem da- Verfahren der deutschen Botschaft, die Bistrung de« Passe» für EudeS zu verweigern, unmenschlich genannt wird und die Compagnresührer angewiesen werden, den Befehl den Mannschaften vorzulesen und mit ent sprechenden Bemerkungen zu begleiten, damit den Soldaten die Gefühle eingeprägl werden, von welchen jeder fran zösische Soldat gegen Deutschland beseelt sein müsse «ie englischen Blätter fanden an dem Tagesbefehl au» rusehen, daß er Umsturzbrstrebungen fördere und die Armee demoralisire. Nach unserer Auffassung hat der Oberst Senart mit seinem Tagesbefehl die französische Regierung vor die Alternative gestellt, entweder ihre Zustim mung zu der Haltung de« Obersten zu ertbeilen oder sie risentlich zu tadeln und zurückzuweisen. Die Lag», in welche der KriegSminister Frevcinet durch die Eigenmächtigkeit dcS Obersten gebracht ist, erscheint außerordentlich schwierig, weil die öffentliche Meinung da» Vorgehen Senart's theils lobt, theil- entschuldigt, während doch eine mit Deutschland im Frieden lebende Regierung eine solche HerauSsorderuni Deutschlands unmöglich ungeahndet lasten kann. Man dar daraus gespannt sein, wie sich der EivitkriegSmlnifler au» der verlegende,t ziehen wird; da» Geringste, wa» er thun kann, wäre die Versetzung de- Obersten in eine möglichst entlegene Aaraison, etwa nach Algier oder Tuni», aber damit würde n im deutschfeindlichen Lager böse» Blut machen, und deutsch- ländlich ist ja eigentlich ganz Frankreich. Herr Freycinet selbst hat hinreichende Proben dieser Gesinnung abgelegt. Deutsch. >and« Entschluß, den Frieden aufrecht zu erhalten, ist zu fest. «I» daß er durch da» disciplinarwidrige Auftreten de« Obersten Eenarl erschüttert werden könnte. Inzwischen mübt sich Floquet ab, den BoulanqiSmuS durch Ausnahmegesetze zu bekämpfen; der Minitterrath hat sich bereit» mit dieser schwierigen Frage beschäftigt, und der neue Justizminister Lacroix hat in der Kammer feierlich erklärt, daß er, so lange er da» ihm übertragene Amt verwalte, niemvlS die Gesetze ungestraft verletzen laste« werde. Die Entschiedenheit, da» ernste Auftreten de» neuen Minister» eröffnet die Aussicht, daß er da» angeküodigte Verfahren auch siegen Boulanger in Anwendung zu bringen aedeokt. Der Eifer wird sich wohl aber mit der Zeit legen, besonder» venu die der Kammer vorzelegten neue» Gesetzentwürfe aus Widerstand stoßen sollten. Boulanger hat sich Vager Weise auf Reisen begeben, uni dadurch jeder Falle M entgehen, die ihm die Regierung stellen könnte. Bo» Vermont - Ferraod ist er nach Nizza gefahren »ad grdenkt vftna einen Abstech« nach Lorfika zu «ternehnre». An lüfa RAf« wir» er wshl lau« Gelegen heil sin»«», di« Republik zu stürzen, wenn er auch nicht hindern kann, daß ihm die Bevölkerung je »ach ihren Gedanken und Empfindungen einen freundlichen oder feindlichen Empfang bereitet. Die Regie rung will aber auch da» nicht dulden, in Nizza wenigsten« ind Anordnungen getroffen worden, um Kundgebungen zu ver ändern. Bon Freiheit kann unter solchen Umständen in Frankreich nicht mehr die Rede sein. Wenn Earnol eine Rundreise macht oder rin Minister, werden möglichst begeisterte Empsang»- kundgebungen gern entgegengenominen und aus jede Weise ge- ördert; wenn Boulanger reist, wird die Bevölkerung der Städte, welche er berührt, genölhigt, zu schweigen. Die Republik soll aber alle Slaat-dürger mit gleichem Maße meffen; die volle Gleichberechtigung Aller ist die Grundlage der republikanischen SlaatSsorm. In der sranzösischen Republik wird man vergeblich nach dieser Grundlage suchen. Boulanger hat aber dennoch Vorsorge getroffen, daß seine Sache in seiner Abwesenheit in Pari» gefördert wird. Bergoin hat in seinem Namen in einer dort stattgebableo Versammlung mitgetheilt, daß Boulanger al» Abgeordneter de« Seine-De partement- die Auslösung der Kammer verlangen werde, und die Versammlung entschied sich darauf, die Abgeordneten de- Seine-Departement« ernzuladen, damit sie Rechenschaft über ihre Thätigkeit al» Vertreter von Pari» ablege» mögen. Der Zweck diese» Beschlusses liegt klar zu Tage ; sie sollen sich verantworten, we«halb sie nicht ebenfalls aus die Auslösung Isingewirkt haben, und dadurch öffentlich bezeugen, daß sie nicht mit Boulanger. also auch nicht mit der Mehrheit der Wähler überemstimme». Ein Gesetz, welche» die Ab haltung einer solchen Versammlung verbietet, wird sich schwer lich ausfindig wachen lassen, also wird sich wohl die Regie rung daraus beschränken müssen, die erforderliche Polizeimachl zur Aufrechthaltung der Ruhe aufzubieten. Besonder» Vertrauen erweckend für die Zukunft sind die Anzeichen der in Frankreich herrschenden Stimmung nicht, die Zerfahrenheit macht offenbar reißende Fortschritte, und die Regierung ist trotz der Ankündigung neuer Gesetzentwürfe znr Unüerdrückung staat»ges!lhr>icher Umtriebe und Wiederherstellung der Bezirk-Wahlen in größter Verlegenheit. Den Schrill, welche» Floquet am 15. October in der Verzweiflung gethan har. den A»k>ag auf Revision der Verfassung für dringlich erktären zu lassen, rächt sich jetzt, da e» darauf ankomml. Schutzwehren gegen die UeberhanLnahme der Macht Bon langer's zu schaffen; die radikale Linke ist mit Recht der Mci uu»g, daß der Berathung der BersassungSrevision der Vorrang vor der nicht für dringlich erklärte» Wabkreform gebühr« Die Rechte ist damit einverstanden schon deshalb, weil sie e» mit Boulanger hält, und so gewährt denn die fran zösische Kammer der Welt daö Schauspiel, daß die Mehr-- heit vom Zl. Januar, welche Floquet ihr Vertrauen ku»d- qab, schon acht Tag« später wieder auseinander gestoben ist. Für da« Ministerium Floquet wäre e» am dortheilhastesteii, wenn die Kammer ihre Aibeiten möglichst schnell erledigt und dann eine mehrmonatliche Pause machte, damit die Re gierung Zeit gewänne, ihre Maßregeln obne störende» Da zwischenireten der Kammer zu ergreifen. Dazu ist aber vor läufig keine Aussicht vorhanden, eS ist vielmehr unvermeidlich, daß Boulanger demnächlt wieder in der Kammer erscheint, uni seinen bekannten Antrag wegen Auslösung und Neuwahl der Kammer zu stellen, und daßj wenn dieser gefährliche Act glücklich überwunden ist, die Verhandlungen über die Ver- saffungSrevision folgen. E» ist klar, daß di» letzteren nicht glatt verlausen werben, und bi« dahin findet sich wieder neuer AgitarionSstoff. den Boulanger und seine Handlanger schon paffend für ihre Zwecke verwerthen werden. AlS stete Drohung bleibt aber noch die Hilfe übrig, welche unerwartete Ereignisse der boulanaistischen Bewegung gewähren. 240 000 Pariser Wähler stehen auf Seite Boulanger'«. VaS hat da« Mini sterium sich stet» gegenwärtig zu halten, und diese Thatsache muß nothwendig die Energie ihrer Schritte lähmen. * Die socialdemokratische Taktik im Reichstage. * E« ist «ine bekannte Thatsache, daß die socialdemokra tischen Abgeordneten ihre Thätigkeit im Reichstage lediglich al» eine solche auffassen, welche der Propaganda nach außen dient und daß sie absichtlich nicht mit dem Ernst, dessen sich die anderen Abgeordneten befleißigen, an der sachlichen Be- ralhung der betreffende» Vorlagen theilnehmen. Wer sich die Mühe giebt, die amtlichen stenographischen Berichte eingehend u studiren, der findet den Beweis hierüber in Hülle und flllle, und noch in einer der jüngsten Sitzungen erklärte der Ibg. Bebel mit wunderbarer Offenheit, daß der von ihm und seinen Parteifreunden gestellte Antrag auf Wieder abschaffung der Gclreidezölle ausschließlich dem Zweck diene, um ihnen die Gelegenheit zu geben, agitatorisch beiden nächsten ReichStagSwahlen wirken zu könne». Zu diesem Behuse ist e» natürlich nothwendig, daß von der Handvoll socialislischen Abgeordneten, deren Zahl bei der denkwürdigen Wahl am 2l Februar 1887 um mehr al» die Hälfte revucirt wurde, so osl al» nur möglich da» Wort ergriffen wird. E» ist nachweislich, baß von keiner Seit« und selbst nicht von den Fraktionen, deren Mitglieder zahl ganz nahe an 100 heranrcichl, so viel geredet wird al« von der klein«,, au» ll Köpfen bestehendn, socialdemokratischen Gruppe und wie lauge pflegen die socialdemokralischen Redner die Geduld der Hörer i» Anspruch zu nehme»! Selten lhut e« einer der Herren unter einer Stunde, mitunter währt eS auch 2 Stunden und man empfindet geradezu Mitleid mit denjenigen Reich»boten. welche den focialdemokratischen Kohl, der immer wieder aus- Neue ausgewärmt wird, ruhig mit anhören muffen. Glücklicherweise ist im Re>ch«tag«gebäuve ein Ort vor handen, wohin man sich einer mehrstündigen socialislischen Brand rede gegenüber in Angenehmster Weise zurückziehe» kann; da» Restaurant de» Reichstage« ist dieser angenehme Ort und der große Sitzungssaal pflegt Venn auch, sobald einer der focial- deniokratischen Weltenstürmer auf der Tribüne erscheint, recht bedenklich« Lücken aufzmveisen. Wir wissen nicht, ob dir Geschäftsordnung de» Reich»- tage» irgend eine Handhabe bietm. um einen so ausschweifenden Gebrauch der Redefreiheit feiten« einer so kleinen Gruppe zu verhüten oder eiozufchräakrn, aber Thatsache ist r», daj durch die anscheinend große Eonnivenz. welche seiten» de» Präsidium» gegenüber den sich um da» Wort meldenden Socialdemokraten und ihren Verbündeten, den Deutschfreisinnigen, geübt wird, für die -artelparleie» sehr unerfreulich« Verhältnisse entstehen E» muß, wie r» dem Abgeordnete» Vr. Tröndlt» in der Sitzung de» Reichstage« vom 10. Sann«, tatsächlich ergangen ist, sch, «tßmulhia »tzchen, wen» »in Wßgesrdnatn vor Anfang der Debatte sich zum Wort gemeldet har und au« Anlaß dn viele» alhmiaen Reden der socialistischen und deutschsrelsinmgen Abgeordneten Singer. R'ckcrt. Traeaer und Bebel, von denen jeder mehrere Mal gesprochen hat, mchl zum Wort gelangt. Da» unangenehme Gefühl in solchem ialle muß ein um so stärkere» sein, al», wie wir rrner wissen, der Abgeordnete Vr. Tröndlin sich mit vielem authentischen Material versehen halte, um auf die AuSfnhrunge« de» Abgeordneten Singer näher nnzugehcn. und sie in ihrer Falschheit und Frivolität zu kennzeichnen Wir glauben recht unterrichtet zu sein, wenn wir sagen, daß e« Herrn vr. Tröndlin namentlich möglich gewesen sein würde, die Sinaer'schen Behauptungen wegen der Stellung der Socialdemokralie zu dem Eide gründlich zu widerlegen Venn )err Singer bat sich wohl gehütet, alle die Rathschläge, welche da» officielle Partei-Organ der Sozialisten seinen Lesern und Gesinnungsgenossen in dieser Beziehung ertheill Mt. im Reich«tag mitzutheilen. Aber nicht allein da» viele Reden gehört zu der Taktik der Socialdemokrateu im Reichstag, sondern ihre Sprache, ibre Au«druck»weise pflegt eine solche zu sein, wie sie sonit nur in Volksversammlungen, welche von den unteren Volk»- chichten besucht werden, üblich ist und darum bei diesen kuten Anklana findet. Grobbeit und CyniSmuS, da« sind die Hauptmerkmale der socialistischen Reichstags-Redner und eine Vritte Eigenschaft ist die Sucht, Behauptungen in's Blaue hinein auszustellen und Beschuldigungen auszusprechen, ohne die Vorgänge, welche ihnen angeblich zu Grunde liegen ollen, vorher gründlich auf ihre Wahrheit geprüft zu habe», tsharakleristisch ist die Auffassung der socialistischen Abgeord neten gegenüber dem Ordnungsruf de» Präsidenten. Jeder wahrhaft gebildete und loyal« Abgeordnete wird bei einen Reden eS »ach Möglichkeit zu verhüten wissen, den Präsidenten zum Ordnungsruf zu nolhigen, und wenn in der Hitze de» Gefecht» ja ein Mal einem Abgeordneten «in un- parlamentarischer Ausdruck entschtüpst, der den Ordnungsruf zur Folge hat. so hat da« eben al« Ausnahme zu gelten. Bt> den socialdemokratischen Abgeordneten ist eS ganz anders Diele pflegen e» absichtlich darauf anzusangen, sich hänsi-z den Ordnungsruf zuzuzieben, in einer einzige» Rede zwei oder drei Mal mit dieser Rüge bedacht zu werden, und jüngst kam e- sogar vor, daß ein socialisiiscker Abgeordneter sich in die gedachte Besugniß deS Präsidenten einmischte, die parlameii- larische Ausschreitung seiner College» sür richtig erklärte und atürlich nun selbst dem Ordnungsruf Verfiel. Bei keiner anderen Partei kommt so etwa» vor und e» ist der traurige Ruhm der Gociald-mokratie, daß sic den Parlamentarismus auf diese Weise bloßstellt. Aber es gehört da- auch zu der Taklik der socialbeinokratilchen Parlei; den un- wissenden, an eine rohe Ausdruck-weise geioöhnlen Wählern imponirt eine solche zügellose Sprache, und je mehr Ordnungs rufe ein Abgeordneter au» den ReichSIagSverhandlungen davonträgt, desto größer ist in de» Augen jener Vurch lang jährige Agitationen verwilderten Wählermaffen der Glorie» schein, welcher sich um sein Haupt legt. WaS nun »och weiter zur parlamentarischen Taktil der Socialisten im Reichstag gehört, das werben wir in einem ferneren Artikel behandeln, denn eS liegt u»S sehr schätzbare» Material nach dieser Richtung hin vor. Der in London erschei nende „Socialdemokral" hat in einer seiner lrtzien Nummern Verkündet, daß schon jetzt von Seiten seiner Partei mit der Agitation für die nächsten ReichSkagsivabten begonnen würde, und zwar gedenke man namentlich durch eine zahl reiche Flugschriften-Llleralur zu wirken, wobei man sich unter Andcrm auch in viel ausgedehnterem Maße an die niederen Beamten wenden, d. h. zum Treubruch verleiten wolle. Wir halten eS um so mehr für die Ausgabe der sür Kaiser und Reich, Gesetz und Ordnung eintretenben Presse, dieser socialdemokratischen Maulwurss-Ärbeit gegenüber „tou- iour» vn verleite" zu sein und so «erden wir auch für unsere» Theil den Agitationen der Socialvemokratcn sehr aufmerksam »ackgehen. In Sachsen darf auch bei der nächste» Reich» tagSwahl kein Socialdemokrat gewählt werden. Leipzig 9. Februar. * Der Berliner Stadtverordneten - Versa m m lung ist folgendes Schreiben Sr. Majestät de« Kaiser» und König« zugegangen: »Die Berliner Bürgerschaft hat Mick zu Meinem Geburtstage durch die allgemeine Feier de» Tage«, wie sie sich in mannigfachster Art, inSbcsmitere durch reiche Ausschmückung und glänzende Beleuchtung der Gebäude kundgegebcn hat. aufrichtig erfreut. Die Mir hiermit be kundete treu- Gesinnung und liebevolle Anhänglichkeit hat auch in der Adresse, welche Mir die Stadtverordneten Meiner )aupt- und Residenzstadt au» demselben Anlaß dargcbracht iaben, beredten AuSvruck gesunden. Bewegten Herzens gebe Ich Ihnen Meinen wärmsten Dank zu erkenne» und koste mit Ihnen, daß GotteS Gnade Meine auf die Wohlfahrt Meines Reiche« gcriäteten Bestrebungen zum Ruhme und Segen de» grsammten Vaterland«» gereichen laste. Berlin, 1. Februar 1889. gez Wilhelm, kex" * Nach einer Depesche der Münchener „Allgemeinen Zeitung" au» Berlin mißbilligte Se Majestät der Kaise kürzlich gegenüber einem Abgeordneten scharf die Haltun der „Kreuzzeituna". wobei er sich zugleich über da- gemäßigte Wirken v. HelldorssS anerkennend au-sprach. * Der Reichstag sollte bereit» am Freitag auf längere Zeit vertagt werden. Er hat zunächst seine Ausgaben er ledigt und genügender Stoff, da» HauS zusammenzuhalten, ist augenblicklich nicht vorhanden. Inzwischen werden die Altersversicherung«- und die Geuoffenschafl-gesetz-Commission ihre Berathungen fortsetzen, und von dem Gang der Ver- Handlungen aanieattich ln der erstgenannten Commission wird es abhängen, wann der Reichstag wieder einderufeu wird Ueder die Aussichten und da» schließlich« Eegebniß der Be. rathungen der Aller»dersicheruag«-Eo»'m,spon läßt sich heute noch nicht« ZnverlSssige« angeden. Die Ärbeiten find noch zu weit im Nückitande, die wichtigsten Fragen noch unerledigt und auch di« bereit» »orliegenden Entscheidungen noch ganz mit Vorbehalt getroffen. Eine Arbeit von etwa vier Wochen tu der Eommisfwn wird aus alle Fälle noch nvthig sein, ehe die vorberathung de« großen Werke« vollendet Ist. Die Hoffnung, noch i» dieser Session ttwa« Positive« zu Stande »» brtagen, wird man indessen nach dem bisherigen Verlau tz« Srrathun^u ,»ch nicht »nszngeben »rauch«. * Die demvkratische „Volkr-Zeitung" schätzt Herrn Rickert. der nachgerade das Portefeuille eine» „Sprech- ministerS" der deutfch-sreisinnrgen Partei übernommen hat, solaendermaßen: „Herr Rickerl „diScutirt" beispielsweise sehr viel, aber bei all seinem „DiScutiren" ist noch nicht so viel herausgesprungen, daß sich die Menschheit damit ein Butterbrod bestreiche» könnte. Nnd verlöre die freisinnige Partei diese» unschätzbaren „Staatsmann", so würde sein „DiScutiren" den Cartelkohl auch noch nicht fetter mache», wäkreod e« jetzt allerdings die freisinnige Supppe immer wässeriger macht." * Zur Gesscken-Angrlegenheit tbeilt der „Hamburgische Correspondent"mit: DerVertheidigerWolffson saudlevorder Veröffentlichung der Anklageschrift eine Eingabe an da» Reichs gericht, mit welcher er Verwahrung einlegte gegen die Publi- cirung de» Gefscken gehörigen Acienmakerial». Der Protest i leider verspätet eingetroffen. Die beschlagnahmten Briese eien erst nach mehrfachem Ansuchen im Februar zurllckgeliesen worden. In Betreff de« vorhandenen Bertheidigungsmalcrial» constatirt Wolffson, Gefscken habe bei vielen Vernehmungen den Beweis geführt, daß di« von ihm pudlicirten Nachrichte» keine gekeimen gewesen seien; auch babe er das Gutachten de» Reichskanzler» eingehend widerlegt. Der Vertheidiger babe nach Eingang de» Anträge» deS ReichSanwatt» aus Er öffnung deS HauptvcrsahrenS in einer sehr motivirten Ei» gäbe die Ablehnung deS Antrag» gefordert. UebrigenS habe Gefscken aus eine Publikation de» Entlastung-materialS kein Gewicht gelegt, weil dieselbe weder nothwenvig noch schicklich erschien, nachdem daS Reichsgericht die Anklage sür unbegründet erklärt. » » » ' Wie man der .Kreuzzeitung" au» Wien schreibt, wird ich der Erzherzog Franz Ferdinand d'Este. nunmehr der zweitnächste Thronfolger, in den nächsten Tagen nach Prag begeben, wo er in der letzteren Zeit in seiner militairischen Stellung seinen Aufenthalt batte, um sich .abzumelben". Derselbe wirb hierauf nach Wien zurückkehren, um dort seinen bleibenden Wohnsitz zu nehmen. * Vor Kurzem beging die St. Annen-Scbule in Petersburg, eine Lehranstalt mit deutscher Unterrichts sprache bei der evangelisch-lutherische» Kirche vesselben Namen«, daS 150jährige Jubiläum ihre« Bestehens. Sic ist die zweit- älteste Schule der Residenz und eine der größten und ver einigt in sich ein Gymnasium, eine Realschule, eine böbere Töchterschule und eine Elementarschule, im Ganzen l208 Zöglinge uinsaffend. Am 5. d. M. stellte sich nun eine repntalion der Schule dem Kaiser vor, der sie höchst freund lich einvsing, den, Direktor der Schule, Slaatsrath Jos. König (einem Oesterreicher), sagte, daß er schon viel GulcS von der Schule gehör! und sich schon vorgenommen habe, sie zu besuchen. Er werte nun gewiß komme», wiederholte er z»m Schluß, dem Dircctor gnädig zweimal die Hand reichend Dieser Empfang, sowie der einer deutschen und lutherischen Schule angekündigte Besuch ist eine Auszeichnung, die in Petersburg viel von sich reden macht, da der Kaiser bi» jetzt noch kein einzige» deutsches Institut besucht hat. * Zu den Hetzereien, welche neuerdings wieder in Frankreich gegen Deutsche gerichtet werde», bemerkt die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung": Tie sranzösischen Blätter, welche sich die Veröffentlichung de- famos », den eiiigesleischieite» Deuischenhab zur Schau tragenden TageSbesehl de« Obersten Scnard vom 90. Jusanlerieregimeul haben angelegen sei» lassen, haben damit ihr Theil beigetrage», dem nationalen Chauvinismus neuen Brennstoff zuzusühren. Eme Kritik des von dem betreffenden französiichen Regiment'-commandeur beliebten VersahrenS kann man sich füglich ersparen. Es ist das seine und seiner Vorgesetzten Behörde Sache, ob sorta« i» der Armee politische Brunneiivergiliuiig nicht nur, wie die- ja auch srüher schon der Fall gewesen ist. unter der Hand gestattet sein, sondern dienstlich anbesohle» werde« s oll. Aus den Ae,st aber, in welchem die französische Presse ihr Handwerk betreibt, wirst der Handlangerdienst, den sie dem deu'schsrefferischen Bebahren in der Armee leistet, ein nicht mehr zweideutiges Licht Tie marichirt an der Spitze der schlimmsten Kriegshetzer, und wird hinfort Niemand mehr durch gelegentliche» Vornehmen einer MaSke erheuchelter Friedfertigkeit über ihre wahre Gesinnung täuschen könne». Die osficiösen „Berliner Politischen Nachrichten" bemerken zur Sache: Der deutschsreslerische Tagesbefehl de« sranzösischen Obersten und RegimeniS-TommandeurS Henard wird, nach der Gefbssentlichkeit zu »rtheilen, womit die gelammte Pariser Presse sich dieser Kundgebung alsbald bemächtigt hat, jenseits der Vogesen anicheinend sür eine ganz besondere Heldenthat angesehen. I» Deutschland, wo man seine Pappenheimer kennt, wird man sich weder durch den famosen TageSbesehl deS Herrn Senard noch durch die demselben seitens der Presse bereitete Publicilät aus dem voll- kommenen Gleichmuth bringen lassen, mit welchem wir Deutschen die chauvinistischen Cavriolcn der Besiegten von 1870/7l nun schon so lange betrachten. Fite un« unterliegt eS leinem Zweifel, daß die von Herrn Senard der Well als „nnm nschllch" denuncirte Handlungsweise der deutiche» Bolschaslsbeamicn nichts ist, al- die pflichl- und lach- geiiiäb« Beobachtung eine-Gesetze«, und daß. wenn der französisch-Oberst Andere« dedauvtet. er eben niä.l bei der Wahrheit bleibt. Zwar gehört cs nach sranzöiisäier Anschauung zu den Reg» fiten jede- „Patrioten", m Beireff Deulichtands sich einer möglichst consequeoten und syste- niaiischen Verlogenheit z» beflnßigen, einer Verlogenheit, die selbst vor solch blödsinnigen Uulerstclluiigen nicht zurückscheut, als habe deutiche Tücke den Tod Gainbetta's, Chanzy's, Skobelew's, jetzt gar auch des Kronprinzen Rudolf von Oesterreich herbeigcführt. Ihren Stachel, wen» sie einen solchen überhaupt je besessen, habe» diese Angriffe sür un« längst verloren. Der brutsche Leser dcS Senard'ich, n TogcSbesehlS sogt sich, bah darin wi-der einmal offen ausgesprochen Wird, wa- im tiessten Busen aller Franzmänner kocht und brodelt, und legt da« sainose Acienstück gelassen zu den übrigen, als cni Symplom dkffilien Geiste-, der 1870 die kriegSgeiangenen sranzösiichcn O filiere mast nbalt >br dcn Deutschen gegebene« Ehrenwort brechen ließ und Pen wortbrüchig Eniflohenen bei ihren Landsleuten eine» jubelnden Empfang verschaffle. E« sind die« Gesinnung n und bondlunge», welche sich nur dadurch erklären lassen, daß die ftaalliche Atmosphäre, darin sie gedeihen, eine Aimospbäre sittlichen Versall«, politischer Belivesung organischer Zersetzung ist. Der von deu Recruten de- 9. Jägerbataillon« in Mon« über die belgisibe Grenze unternommene Spaziergang, dos Anstreten de« Generals Rin In der Loge, die neuliche boulangistische Kundgebung eines algerischen Osficiercorp«, der Tagesbefehl de- Oberst Senard sind sämmtlich in dem gleichen Morast gewachsene Snmpipslanzen, die unwillkürlich den Vergleich mit dcn Proniinciamicnto« der spanischen Generale ans jener politischen Aera Spanien« nahelegen, die der festen Züaelsührung König Alson« Xll. und dem dadurch einge. leiteten GelunduagSprvceß der Monarchie vorherging Herr Bonlanger macht Schul« in den poliiischen, so auch in den militairischen Kreiien Frankreich«; daß da« aus Kosten de« letzten Bi-chen« vcn Selbst achtung und Achkunz ln der Welt, da« den Franzosen neck ver- tliedr» sei» mochte, getchiibt, ist »ln Umstaad, de» wir gewiß nicht
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