Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1903
- Erscheinungsdatum
- 1903-05-09
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-190305099
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19030509
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19030509
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungRiesaer Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-05
- Tag1903-05-09
- Monat1903-05
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- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 09.05.1903
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76 wtt der mit lebhaften Gebärden und lautem Geschrei den wackeren Mönch aus seiner Ruhe aufscheuchte. ,Lhr habt ja seltsame Früchte an Euren Stacheleichen," rief er, nach der Stelle an der gegenüberliegenden Fels wand zeigend. „Aber, wenn Ihr sie nicht bald Pflückt, werden sie Euch verderben." Der Bruder trat nun aus der Höhle hervor und er kannte, daß drüben, an die fünfzehn Meter über der Talsohle, an einem Eichengebüsch der Körper eines Men schen hing, der wohl von der Landstraße her in diese entsetzliche Liefe hinabgestürzt sein mußte. Mit Leitern und Stangen bewaffnet, begaben sich nun die Klosterleute mit dem Hirten nach der Unglücksstelle. Hier hing Abdullah bewußtlos mit zerschmetterten Glie dern, schrecklich entstellt. Mit großer Mühe befreite man ihn aus seiner entsetzlichen Lage und trng ihn in das Noster. Biele Wochen lang lag er hier schwer darnieder. Tie Heilung seiner gebrochenen Glieder erforderte große Sorg falt. Aber die Mönche ließen es an nichts fehlen, ob wohl sie von Jericho die Kunde erhalten hatten, daß der Gerettete ein entsprungener Bösewicht sei, den man da bei ertappt habe, wie er einen Knaben habe rauben wol len. Im Gegenteil: diese Kunde vermehrte nur ihren Eifer, und der Prior des Klosters hatte zu seinen Mön- chen gesagt: „Ihr habt seinen Leib gerettet, versucht mm auch, seine Stelle zu retten. Mag sein, daß er ein schlechter Mensch gewesen ist, bei Euch steht es nun, ihn zu einem guten zu machen." Infolgedessen wetteiferten die Brüder darin, ihm LtebttdiensteHU erweisen und ihn auf die Bekehrung vorzu bereiten. Fast nie blieb er allein, nachdem seine Gesundheit btt auf die gebrochenen Beine, die ihn noch zum Liegen zwangen, wieder hergestellt war. Jeder wollte recht viel Anteil an dem guten Werke haben, und alle haschten förmlich nach einer Aeußerung von Reue von ihm. Sobald der schlaue Abdullah bemerkt hatte, daß es ihm Bartell brachte, wenn er auf ihre Wünsche einging, richtete er sein ganzes Benehmen mehr und mehr darauf ein und verlangte fortwährend nach Segen und Gebet. Ganz be- fonderS groß aber wurde sein Bedürfnis nach Erbauung, att eine- Tage- ein vom MNdir in Jericho abgesandter Soldat im Kloster eintraf, um sich zu erkundigen, ob der Httuber noch nicht so weit hergestellt sei, daß man ihn »ach Jerusalem vor den Richter bringen könne. „Die Beduinen treiben es jetzt wieder arg," hörte Abdülah ihn sagen. Bei Arak el Emir, drüben überm Jordan, sind erst kürzlich Reisende ausgeplündert wor den. Dem Mudir liegt sehr viel daran, daß er recht bald einen solchen Schelm einliefern kann, damit der Kadi steht, daß wir uns nicht die Sonne in den Hals scheinen lasten, sondern unsere Schuldigkeit tun. Der Bursche ist mir das erste Mal davon gegangen. Das zweite Mal fall mir das nicht begegnen." Abdullah erschrak, als er dies vernahm, und bei der Erwähnung von Arak el Emir mußte er überdies an seine betten Gefährten denken, die dort in den Höhlen auf ihn warten sollten. Gewiß hatten sie die Räubereien aus geführt, — und er lag hier in Erwartung des sicheren HenkertodeS! Aber er wollte nicht sterben, er wollte noch groß und mächtig werden, wie er es sich in seinen ehrgeizigen Träu men so ost auSgemalt hatte. Und wenn auch der Soldat beim Fortgehen gesagt hatte, daß der Mudir den Prior dafür verantwortlich mache, daß der Gefangene nicht ent hemme, so verlor Abdullah doch den Mut nicht Und gerade mit Hülfe seiner stammen Pfleger hoffte er die Freiheit wieder zu gewinnen. Als daher eines Tages der Bruder Cyrill bei ihm saß, der sich ganz besonders um das Seelenheil des Ver irrten bemühte, sing Abdullah an zu jammern und sich zu verfluchen. „Was klagst Du, mein Sohn, und verzweifelst an deiner Reue?" sagte darauf der fromme Bruder. „Halte fest an ihr. Sie hilft Dir zur Herrlichkeit Gottes." „Mir nicht, mein Vater," entgegnete der Beduine kläg lich. „Müßt Ihr mich nicht dem Mudir ausliefern, sobald ich gesund bin?" „Ja, das ist wahr," sagte der Bruder, „und wenn Du die Zeit bis dahin nicht nützest, so wirst Du dahin fahren als ein verworfener Heide. Aber da sei Gott vor! Wie ich Dich sehe, ist Dein Herz wohl vorbereitet für den Herrn, und wenn Tu danach begehrst, so soll Dir die heilige Tarife werden, bevor Du vor dem irdischen Richter Dein Ver gehen sühnst." Abdullah küßte dem Bruder die Hand, fragte dann aber lauernd: „Und wenn ich nun tot bin?" „Dann wirst Du vor den Richter im Himmel treten." „Bor dem fürchte ich mich." „Warum? Er ist ein milder Richter ünd wird auch Deine guten Werke nicht übersehen." „Ich habe keine getan und kann keine mehr tun", heulte Abdullah, „da ich ja dem Strick überliefert werde. O, was nutzt mir all Eure Güte, wenn ich nicht leben bleiben darf, um durch gute Werke meine Reue zu be weisen!" * » * Infolge dieses Gespräches beschwor Bruder Cyrill den Prior, dieses reuige Schäflein doch ja nicht der Schlacht bank zu überliefern. Und was Abdullah beabsichtigt hatte, das geschah. „Ja, wenn Du wirklich überzeugt bist," antwortete der Prior, ,chaß aus dem Saulus uns einst ein Paulus erwachse«, könnte, so gäbe es schon ein Mittel, ihn seinem Richter zu entziehen. Wenn er entschlossen ist, sein Leben dem Herrn zu weihen, und als ein Diener unserer heiligen Kirche zu wirken, so wird ihn unser Patriarch in Jerusalem unter seinen Schutz nehmen, und es ist wohl möglich, daß er zur Buße für seine Schuld uns für immer übergeben wird." Fortsetzung folgt. Zckmft. Wl« wird doch olle» enden »och? Wl« wird sich alle- wenden doch? — O frage nicht; es gibt di« Zeit, Wer weiß. Dir nur zu bald Bescheid: Schon manche» Sehnen» b'st Du bar, Da» Deiner Jugend teuer war, Und j de» Jahr, da» Dir verstrich, Betrog um eine Hoffnung Dich. Wir trügest noch mit srstem Mut Du diese» Leben» mißlich Gut, Blieb nicht für jeden nächsten Tag Der Ungewißheit Reiz Dir wach? O frage nicht, wa» werden wird; Geh' deine Straße unbeirrt. Und svrudr Dank dem Welleugeist, Daß Du, wr» Deiner harrt, nicht weißt! MM n>» IttckW W« »an,ar » Mntaelich w «chi. - Dir bi, «kbaktio» vmmtworütch: Harmann Schmid» i» «1el° EySHIn an der Elbe, velletr. vratisveilage „Riesaer rageblatt". Nr. 1». Riefa, den V. Mat 1»«». »S. Jahr* Beduinenblut. Erzählung auS dem heiligen Lande von Richard Schott. Fortsetzung. Hinter dem zum Schutz gegen die Moskitos eingesetzten Gazefenster hatte Herr Friedrich Weber, das Familienvbcr- haupt, sich ein bequemes Plätzchen eingerichtet, wo er so in die Lektüre des „Schwarzwälder Boten" verlieft war, daß man sein durch einen dunklen Knebelbart ausge zeichnetes, etwa strenges Gesicht kaum scheu konnte. In dem großen Familienlehnstuhl aber rückt; Herr Nikodemus Hegeler, der Freund und Mitbesitzer des Weberj- schen Hauses, hiu und her, in sichtlicher Unruhe aus seinem Pfeifchen schmauchend, dem er auch in der Fremde treu geblieben war, obwohl er seinen Pfälzer Kanaster hier teurer bezahlen mußte, als den feinsten türkischen Cigarettentabak. « Seit vierzehn Tagen war Herr Hegeler immer un ruhig. Und das kam auch in dem Gespräch zum Ausdruck, das er mit Frau Barbara führte, und das sich, wie fast alle Unterhaltungen in der letzten Zeit, um den kranke«' arabischen Knaben drehte, den er damals zum großen Entsetzen des Ehepaares Weber von seiner Fahrt ins Jordantal mit heraufgebracht hatte. „Ich sage Ihnen, es ist was nicht in Ordnung, Frau Bärbele, und ich glaube, die Milch ist's die ihm nicht bekommt," meinte er sorgenvoll. „Die Milch, die Milch?" entgegnete Frau Weber etwas aufgebracht. „Bekommt sie vielleicht unseren Kindern «licht? AlS ob die von den Ziegen da über dem Jordan anders wäre, als bei uns. Und dann — die Milch nicht be kommen! — Ja, wenn es sich um ein Zweijähriges han deln täte, aber so ein ausgewachsener langer Laban! Wie Sie sich um den Jungen haben, 's ist meiner Treu nicht zu glauben! So viel Aufhebens habe ich ja vor« meinen sechs Kindern zusammen genommen nicht gemacht!" „Nun, nun," antwortete Herr Hegeler. „Es ist aber auch ein ganz ungewöhnlicher Fall. Und dann müssen Sic bedenken, daß der Knabe ernstlich krank ist." „Gewiß, ja," gab Frair Weber zurück, „er hat ebeu das Fieber. Aber das ist doch nichts neues hier zu Lande. Er wird sich schon wieder gesund schlafen, aber Sie, lieber Freund, schläft er krank, wenn es so weiter geht. Ich glaube. Sie find die letzten vierzehn Tage überhaupt nicht ins Bett gekommen. — Sehen Sic nur mal in den Spiegel, wie Sie ausschaueu!" „Wie werd' ich denn ausschauen," entgegnete Herr Hegeler etwas kleinlaut. „Nun, ungefähr wie der brave Hampcrlc," fuhr Frau Bärbele hitzig fort, „der all sein Habcrmus seinem Dackerl in den Hals stopfte und selber bei lebendigem Leibe verhungerte." „Du, Nikodemus," unterbrach jetzt Herr Weber den Disput, „hier in Tuttlingen ist 'ne braune Stute zu ver kaufen, siebenjährig, fehlerfrei und militärfromm. Tas wär so was für Dich, he? Oder «nagst Tu jetzt von deut schen Pferden nichts mehr wissen, seit Du Dir den „echten Araber" zugelegt hast?" Herr Hegeler ging, ohne den etwas spöttische«« Ton dieser Worte weiter zu beachten, auf den Scherz »in und antwortete: „So, so, eine braune Stute — in Tuttlingen. Aber für mich wird das doch wohl nichts sein. Der teure Wagen von Jericho herauf und die vielen Trinkgelder haben wieder ein gut Stück von dem Sparpfennig aufge zehrt." „Ja, ja! Wer seinen Kindern gibt das Brot —. Ich glaube, 's ist überhaupt nichts mehr davon da, als das Zaumzeug, das Du schon im Voraus hast bauen lassen," neckte Herr Weber. „Kannst ja einstweilen auf dem Sattel gestell reiten." „So schlimm ist es nun nicht," entgegnete Herr Hegeler ruhig, „lieber kurz oder lang werden wir das schon wie der einbringen. Wenn er mir nur erst helfen kann." „Wer?" fragte Herr Weber mit ungläubiger Miene. „Nun, mein Pflegling. Er hat starke Glieder und wird gewiß mal eine tüchtige Hilfe für uns werden." „Der und helfen?" warf jetzt auch Frau Bärbel da zwischen. „Das mag auch der liebe Herrgott wissen, was Sie sich da für ein Kuckucksei ins Nest genommen haben. Dieses Deduinenvolk ist allerivege nichts wert. Betteln «md Stehlen, weiter haben sie doch nichts im Sinn, ge rade wie bei ««ns zu Hause die Zigeuner." „Aber Frau Bärbel, wie können Sie nur so etwas sagen! Dieser liebe Junge! Haben Sie ihm schon einmal in die Augen geschaut?" „Nein," antwortete Frau Weber, „die hat er noch nicht viel aufgemacht, seit er da ist. Essen, schlafen und das Haus in Unruhe bringen, das war bisher seine einzige Beschäftigung." „Sehen Sie," rief Herr Hegeler triumphierend, „gucken Sie ihm mal erst in die Augen, dann werden Sie schon anders über ihn denken lernen!" „Nun, ich glaube es «licht. Solche aufgelesene Frucht bringt s elten guten Samen. Aber schließlich haben Sie es ja mit sich selbst auszumachen, was Sie sich da für eine Sorge ausgeladen haben." „Jawohl," antwortete der freundliche alte Herr, seine Pfeife, die bei dem Wortgefecht ausgegangen war, «oieder anzündend. „Jawohl, und ich werde mich von Euch auch nicht irre machen lassen. Sie, gute Frau Bärbele, haben sechs liebe Kinderlein; Sie wissen nicht, wie einem ein samen, alte«! Hagestolz zu Mute ist, der allein auf der Welt herumläuft und an nichts weiter zu denken hat, als an sein elendes, erbärmliches Ich. Ich sage Euch, nichts ist schrecklicher auf der Welt, als wenn der Mensch für niemand zu sorgen hat." „Ja, warum haben Sie für niemand zu sorgen, wes halb haben Sie nicht geheiratet?" Bei diese«« Worten der Frau Barbara war Herr Weber sich räuspernd aufgestanden. Auch Herr Hegeler hatte sich aus seinem Lehnstuhl erhoben und sagte leise: „Frau Weber, Gottes Wille ist unerforschlich, und man sollte dein Menschen, der sich ihm beugt, keine Borwürfe machen." Die kleine Frau, die sich in das Feuer hineiugeredet hatte, schic«« bei dieser Bemerkung und den Winken ihreS Gatten inne zu werden, daß sie eine wunde Stelle bei ihrem Hausgenosse«« getroffen habe. Sie erinnerte sieh wohl, daß Fritz, als er im vergangenen Jahre in Deutsch land zum Besuch war, von ihm den Auftrag erhalten hatte, auf ein gewisses Grab einen kleinen Cedernbaum zu
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