02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 19.09.1902
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1902-09-19
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19020919028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1902091902
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1902091902
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1902
- Monat1902-09
- Tag1902-09-19
- Monat1902-09
- Jahr1902
-
-
-
6484
-
6485
-
6486
-
6487
-
6488
-
6489
-
6490
- Links
-
Downloads
- Download single page (JPG)
-
Fulltext page (XML)
Bezugs-Preis k» der Hauptexpedition oder den im Stadt» bezirk und den Vororten errichteten Aus gabestellen abgeholt: vierteljährliche 4 50, — zweimaliger täglicher Zustellung ins Haus e 5.50. Durch die Post bezogen für Deutschland u. Oesterreich vierteljährliche6, für die übrigen Länder laut Zeitungspreisliste. Ne-action und Expedition; Johannisgasse 8. - Fernsprecher 153 und 2L2. FUial-vp-diti-«-«: AlftedHahn, Buchhandlg., UuiversitätSstr.S, L. Lösche, Katharinenstr. 14, u. König-pl. 7. Haupt-Filiale Dresden: Strehlenerstraße S. Fernsprecher Amt I Nr. 171». Haupt-Filiale Serliu: Königgrätzerstraße IIS. Fernsprecher Amt VI Nr. SS9L Abend-Ausgabe. KipMcr ÄM-laü Anzeiger. Ätttlsblatt des königlichen Land- und Amtsgerichtes Leipzig, -es Rothes und Volizei-Ämtes -er Lta-t Leipzig. Anzeigen-Preis die 6gespaltene Petitzeilr 25 Reklamen unter dem RedactionSstrlch (4 gespalten) 75 H, vor den Familiennach» richten (0 gespalten) 50 H. Dabrllarischer und Ziffernsatz entsprechend Häher. — Gebühren für Nachweisungen und Offertenannohme 25 H (excl. Porto). Ertra Beilagen (gefalzt), nur mit der Morgen-Ausgabe, ohne Postbeförderung 60.-, mit PostbesSrderuag 70.—. Annahmeschtuß für R«)ei-en: Abend-Ausgabe: vormittag« 10 Uhr. Morgen-Ausgabe: Nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen sind stets an die Expedition zu richten. Die Expedition ist Wochentag« ununterbrochen geöffnet von früh 8 bi« Abend« 7 Uhr. Druck und Verlag von E. Polz in Leipzig. Nu 478 Freitag den 19. September 1902. 98. Jahrgang. Politische Tagesschau. * Leipzig, 19. September. DerBeschluß der Lentrnmsfractio« -es Reichstages, „im Allgemeinen" an den Beschlüssen der Zolltarifcom mission festzrchalten, wird allgemein so aufgefaßt, wie wir ihn gestern beurtheilt haben: als die Hinausschiebung einer bestimmten Stellungnahme zu den wichtigsten Zoll fragen, besonders zu den Minimalsätzen für die wichtigsten vier Getreidearten. In einigen Blättern wird allerdings darauf hingewiescn, daß mit Rücksicht auf die im eigenen Lager noch herrschende Verschiedenheit der Meinungen gerade über diese Sätze der Beschluß der Fraction nicht anders hätte ausfallen können. Aber jedenfalls wäre dex Beschluß auch nicht anders ausgefallen, wenn diese Mei nungsverschiedenheit nicht herrschte und die gesammte kleri kale Anhängerschaft -es CentrumS darüber einig wäre, welche Minimaliätze die Zustimmung verdienten. Das Centrmn will sehen, w i e -er Hase läuft, bevor es sich bindet, und ob nicht für ein Entgegenkommen gegen die Forderungen der verbündeten Regierungen etwas herauS- zuschlagcn wäre. So hat cs das Centrum von jeher vor bedeutungsvollen Entscheidungen gehalten, und es würde seine ganze Natur und seine Vergangenheit verleugnen, wenn es jetzt anders handelte. Daß es durch fein Ver steckenspiel die C o n s e r v a tiv e n in peinliche Verlegen heit setzt, ist ihm herzlich gleichatltig; was es von dieser Seite zu erwarten hat, wird ihm zu Theil werden, mag es nun früher oder später, so oder so sich entscheidest. Die Hauptsache ist, daß -ieverbündetenRegtcrungen im Ungewissen bleiben und dadurch vor die Frage gestellt werden, ob es nicht wohlgethan fei, auf irgend eine Weise die Centrumscntschlicßung günstig zu beeinflussen. Vielleicht ist es nur diese Centrumstaktik, welche einem vhantasicvollen Inspirator der „Staatsbürgerzeitnng" die Meldung eingcgcben hat, zum Unter st aatssekre- t ä r i m N e i ch s a m t e desInnern sei ein bekannter Parlamentarier desCentrums in Aussicht genommen. Vielleicht aber werfen kommende Ereignisse ihren Schatten in Form dieser Meldung voraus. Es gab ja Leute, die unmittelbar nach der Veröffentlichung des Depeschen-^ Wechsels zwischen dem Kaiser und dem Prinz-Regenten von Bauern Voraussagen zu dürfen meinten, man würde nächstens von Berlin aus etwas von einem Schritte zur Begütigung des Ccntrums hören. Vorläufig neigen wir allerdings mehr der Meinung zu, daß der Gewährsmann des antisemitischen Blattes gleich diesen Propheten auf dem Holzwege sei, denn in Berlin weiß mau ja doch, daß bet jedem Handelsgeschäfte Derjenige, der Vorausbezahlung leistet, am schlechtesten führt. Und überdies ist gerade in Folge der oben erwähnten Meinungsverschiedenheiten im eigenen Lager das Centrum selbst in einer Nothlage, die ihm die Zustimmung zu den Minimalsätzen der Tarifvor lage als günstigsten Ausweg erscheinen lassen muß. Und ihm dafür, daß es diesen Ausweg wählt, auch noch eine Prämie im Voraus zu zahlen, kann doch nur Denen in den Sinn kommen, der für das Ccntrnm und seine Taktik eine unbezähmbare Liebe im innersten Busen tragen. AuS geistlichen Kreisen wird der «Voss. Ztg." geschrieben: „In Bezug auf die Straßburger Kacnltätefrage bringt die „Köln. VolkSrtg." neuerdings eine ausführliche Mittheilung, die mit Rücksicht auf ihr Berbältniß zu dem Vertrauens mann der Reichsregierung, dem Frhrn. v. Hertling, wohl als authentisch angesehen werden kann. Dazu kommt, daß vor ganz kurzer Zeit der preußische Gesandt« im Batican Frhr. v. Roten Han als Gast des Cardinal-Fürst bischofs Kopp auf deffen Sommersitz, Schloß Johannisberg in Oesterreickisch-Schlesien, geweilt bat. Außerdem sprechen auch innere Gründe für die Authenticität des Mitgetheilten. Nach der Angabe der «Köln. Volksztg." ist nun ein Compromiß zwischen den entzegenstehenden Inter essen deS Staates und der Kirche geschlossen worden, leider aber erfährt man über die Natur deS Com- promisseS noch nichts, sondern bleibt in der Beziehung nach wie vor auf Vcrmutbungen angewiesen. Eins steht aber jetzt schon fest: Die Reichsregierung wird die Straßburger katholisch theologische Facultät nicht in derselben Weise dem Organis mus der Universität einfügen können, wie dies mit den ent sprechenden Facultäten in Preußen, zu Bonn, Breslau und Münster, geschehen ist. Die Straßburger Facultät wird mehr als die übrigen dem Einfluß und dem Machtbereiche der kirchlichen Behörde un terworfen sein. Haben die Diöcesanbischöfe den letzteren gegenüber schon ein unbedingtes Vetorecht bei der Anstellung der Professoren und ein Aufsichtsrecht hinsichtlich der Lehre und des Wandels derselben, so wird der Straßburger Bischof auch ein ge wichtiges Wort, vielleicht das entscheidende, bei der Ent fernung eines Professors aus dem Amte mitzusprecken haben. Wie dabei die voraussetzungslose Wissenschaft fahren wird, das lassen folgende Ausführungen in der „Köln. VolkSztg." unschwer erkennen: „Die kaiserliche Regierung wußte, als sie die Verhandlung begann, daß gewisse, dem kirchlichen Standpunkte zu machende Zugeständnisse unerläßlich seien, um zu einem Ergebniß zu gelangen. Sie konnte sich sagen, daß selbst das Mindestmaß der gemachten Zugeständnisse den Zorn der Kirchenfeinde aller Schattirungen entfachen werde. Alle die, denen eine katholisch-theologische Facultät an einer deutschen Universität unter allen Umständen verhaßt ist, weil ihr Bestand und ihre Thätigkeit nicht in den Rahmen der „voraussetzungslosen Wissenschaft" paßt, werden ein Klagegeschrei über die Preisgabe staatlicher Hoheitsrechte onstimmen, die Vereinbarung mit dem Heiligen Stuhle mag nun diesen oder einen anderen Wortlaut haben." Warum die neue Facultät nicht unter denselben Lebens bedingungen errichtet werden konnte, das wird in folgenden Sätzen auseinandergesetzt, wobei jedoch das Gcgentheil von dem bewiesen wird, was bewiesen werden soll: „Von den in Deutschland bestehenden katholijch-lheologischen Facultäten gelten die einen als die Rechtsnachsolgerinnen ihrer mittelalterlichen Vorgängerinnen, und man hat kirchlicher- seits sich stillschweigend darin gefügt, daß an die Stelle von autonomen Körperschaften mit päpstlichen Privilegien staatliche Anstalten getreten sind. Tie anderen wurden im Anfänge des neunzehnten Jahrhunderts von den Staalsregierungen «inseitig er- richtet und von Rom die längste Zeit nur geduldet. Erst ganz neuerlich ist durch die von Rom aus erfolgte Anerkennung des Promotionsrechtes für die Facultäten in Bonn und Breslau die kirchliche Anerkennung dieser Facultäten als solche ausgesprochen worden." Nun, wenn diese älteren auf dem bestehenden Status anerkannt werden konnten, warum nicht auch die neue? AuS den weiteren Aussührungeu deS ultramontanen Blattes ergiebt sich, daß den Professoren der neuen Straßburger Facultät ähnlich wie in Oesterreich eine jederzeit widerrufliche, schriftlich zu ertheilende wisdio crmonies gegeben werden soll. Das Compromiß bestimmt nun die staatliche Wirkung, welche der Widerruf der misgio ermomca haben soll. Welche? darüber bleiben wir einstweilen im Unklaren. Das österreichische Concordat läßt ohne Weiteres dann die Pensionirung eintretrn; der Erfolg ist gewesen, daß eS in Oesterreich nur noch bischöfliche Seminartheologie giebt, und ein Versuch deS viel genannten katholischen Resormtheolozen Ehrbard, den die Regierung sich aus Deutschland verschrieben hatte, die öster reichische Theologie auf die Stufe der deutschen zu Heben, ist an der Rückständigkeit der Wiener klerikalen Kreise gescheitert. Wenn die römische Kurie, waS nur konsequent wäre, ihre Straßburger Errungenschaft auf die alten preußischen Facul täten ausvebnt, wird sich die deutsche katholische Theologie bald der österreichischen und derjenigen der romanischen Länder würdig an die Seite stellen." Die Siovenen haben ja nun auch seit geraumer Zeit ihre Cultursprache entdeckt, die das Deutsche an geblich überflüssig macht. Angesichts der neuerdings mit verstärkter Heftigkeit betriebenen slovenischen Agitation gegen das Deutsche, verlohnt es sich schon, sich einmal wieder eine Probe der slovenischen Cultursprache zu betrachten. Die Miltbeilungen des Allgemeinen Deutschen SchulvereinS bringen zu diesem Zweck einen windischen, d. i. slovenischen Brief in Erinnerung, dessen echtes Slovenisch also lautet: „ckes worein Vuw par traurig najiKÜejt deleont ärrti, >la smo wi iilovenci o vasezc emajiiäi per auSusrvoli (AuS- schußwahlen) au veräamani nicisrlok' erlaickali io äa 80 liberalei o «sh tret» vollcvrpra (Wahlkörpern) Sblotkslä (Schlachtfeld) debauptaU in Se ans, ersocmana (Ersatzmann) oiso, oam beviliAali (bewilligt). UrLab (Ursache) ot üe uiäerlok-e jo pa umLtoock (Umstand), äa So ss noio ootirarij cmav bekimrali (bekümmert), Sa bi bio Uril- Veraja iulca ano vorsowlengo (Versammlung) ver- aoStoltoo. 2li emo wöli Lurbormastra (Bürgermeister) ana kut-ibesiearja o vorslogo (in Vorschlag), kjs s tajälonlla perbaoärov (a»S Deutschland eingeivanderl) in ves öas ruawi bultoo in »e tu äi derajt erkleroo osd Sriburijo (Schrribereien) per gwsjuäi uoeottrelNicb dosor«rati, ksj uneL liSe Stiws (Stimme) ru auLusu ei ckerkoltoo?" Damit kann man das Deutsche wohl verderben, aber nicht aus der Welt schaffen. AuS London schreibt man der „Polit. Corrrsp.": Die Mission de« japanischen Ackerbau- und Handels min ist erS Hi rata ToSke, der kürzlich in Transvaal ein getroffen ist, scheint nicht nur darin zu bestehen, baß er die Aussichten für die japanische Industrie bei der Neuentwickc- lung der Dinge in Südafrika seslstellen soll, sondern auch in der Untersuchung der Frage, ob nickt Südafrika geeignet wäre, für den Ueberschuß der heimischen Landbevölkerung ein Colonisation« - und Arbeitsgebiet zu weiden. So gern man nun auch in England dem Bundesgenossen nach allen Ricklungen gefällig wäre, die letztere Frage scheint doch unübersteigbare Schwierig keiten zu bieten. Der japanische Minister wirb sich an Ort Fsrrilletsn. Das Testament. Eine obervsterreichische Erzählung v. Fanny Kaltenhauser. (Nachdruck ohnc Honorirung auch in Amerika rcrboleii.j Er st es Capitel. Das fahle Licht eines trüben Herbstmorgens fiel in die Kammer. In die enge Kammer mit der niederen Decke, r!i die vor genau elf Jahren der graue Tod herein- gcschrittcn und an dem einen Bette dort an der Wand mit seiner Sense einen Schnitt gethan und ein Menschen leben mit sich genommen hatte, um ihm die Blindheil dieses Daseins von den Augen zu nehmen und dafür die klare Drlenntniß aller Richtigkeit der Welt zu verleihen. Da mals hatte die noch junge Bäuerin vom Hvchgstettnerhofe für immer gehen müssen. Run stand der Tod vor dem anderen Bett an der gegen über befindlichen Wand und sah auf das bleiche, ein gefallene Manucsgcsicht nieder; dem Manne da hatte er gestern Abend schon die fleischlose Hand auf die Stirn ge legt, ihn zum Abschied mahnend,' der aber wollte noch immer nicht daran gehen, ihm in sein Geleite zu folgen. Da beugte er sich nieder zu ihm. „Haben schon Andere ivie Tu jäh mit mir gehen müssen, warum nicht Du, der schon jahrelang an einem Uebel krankt?!" „I will ja, i will ja, aber fertig bin i noch net mit'm Leben da!" murmelten die blasse» Lippe». „Roch net fertig." Jäh hob sich der hagere Manncskörper mit An spannung seiner letzten Kräfte, und die Lippen theilten sich zu einem Ruf: „Vinzenz!" In der Rächt hatte er zwei Mal so gerufen, aber Nie mand hatte den Ruf vernommen: vor einer Stunde etwa batte er es wieder thun wollen, aber die Lippen versagten; nun gab die Todesangst noch einmal die Kraft hierzu. Und jetzt wurde er gehört. Eine Thür im Flur neben an klinkte auf und zu, dann kamen eilige Schritte heran und die Kammerthür wurde endlich sachte geöffnet. Für den kranken Mann „endlich", denn der martere schwer. Die tiefliegenden Augen trafen mit einem kurzen Auf flackern, in welchem sich Befriedigung vcrrieth, den Ein- tretenden; und wie von allen Kräften urplötzlich verlassen, iank der hagere Körper in die Kiffen zurück und die Augen schlossen sich. Der Eingctrctene war ein junger Bursch, ziemlich hoch gewachsen, schön gebaut: nur die Schultern erschienen etwas hochgehoben und der braunhaarige, schön geformte Kopf steckte etwas tiefer darin, als es hätte fein sollen. In dem hübschen Gesicht stand eine ernste Besorgniß; die hell braunen Augen richteten sich forschend auf den Kranken. „Der Vater hat g rufen, gelt?" kam es in hastiger Frage über des Burschen Lippen. „Ist mir so g'wesen, als vernähm' i was." Und ans Bett herantreten-, vernahm er ein leises „Ja" von den Lippen -cs Kranken. Der mußte sich er sichtlich erst wieder etwas erholen, ehe er Weiteres reden konnte. Der Sohn sprach weiter: „Soll i dem Barer was thun? Hat der Vater 'leicht Durst? Na? Oder sonst ein Begehren?" „Letz Dich", brachte der Kranke mühsam hervor. Da stellte sich der Sohn sachte einen Stuhl ans Bett und ließ sich nieder; und wie der alte Mann noch immer keine Worte fand, sondern nur schwer Athcm holte, Hub er wieder zu redeu an: „Ganz erschrocken bin i g'wesen, wie i gestern auf d' Nacht heim kommen bin und hör' von der Wirthschafterin, daß dem Vater auf einmal so übel 'worden ist, derweil i mit'm Holz in d' «kadt bin. Froh bin i g'wesen, daß d' Leut' gleich so b sonnen waren und haben um den Bader g'schickt. Und weil der g'fagt hat, der Vater müßt' sich recht halten und seine richtige Ruh' haben, da- mit's bald wieder besser würd', und d' Wirthschafterin g'fagt hat, der Vater schlafet recht schön, da hab' i mich net einatrant, um Euch net aufz'störcn. Um Euch net aus'm Schlaf zu bringen, der Euch noth thuk. Muß mir's der Vater net übel nehmen, daß t in der Nacht nimmer nach- g'schaut hab' deswegen. In aller Gvtt'sfrüh' hab' i gemeint, schau i nach, aber i war streumüd' von dem weiten Weg, und da hab' i mich schier ein wenig verschlafen. Jetzt aber hab' i schon 'paßt seit einer Weil', ob i nichts hör' von Euch!" Ehrliche Besorgniß klang aus -er Stimme des Sprechers. Ueber des alten Bauers Züge aber schlich es wunderlich, erst wie Groll, dann jäh wechselnd in un bestimmbarer Furcht, in schwachem Hoffen, und in Zorn, in Schmerz und Scham. „I wär' bald verstorben, allein, in der Nacht — weil sich der Bader net auskennt hat mit mir! Hab' ihm'S g'fagt, daß mir b'sonders schlechr wär' — er ist aber der Meinung, 's wär' nur grad' a starker Anfall! Ist aber 's End' — 's End'! So dumm ist der!" Der Sohn fiel ein: „Aber Vater, wie könnt' Ihr das glauben? Habt'S doch so schön g'schlafen und -er —" eine abwehrende Geberde des Kranken ließ ihn verstummen. „Geh', d' Kraft' hab' i verloren vom Schmerz, und btn in der Betäubung dag'legen. Wie i wieder was weiß von mir selber, bin i allein in der Nacht und — spür's, daß i — daß i zu ein'm G'sche'.tern komm', als wie unser alter Bader ist! Zu ein'm, -er All s weiß — von uns sündhafte Menschen. — I hab' «berechnet mit mir, und hab' all' Augenblick g'meint, t rechn' schier umsonst — 's würd' der Schluß fehlend!" Dir dünnen, blutlosen Lippen verzerrte» sich plötzlich, der Athen» kam erst stockend, dann wie gejagt aus der Brust, und eine heiße, überwältigende Angst lebte in den Augen auf. „Jesus!" raunten die Lippen erst versagend, und nach kurzer Pause angstvoll flehend: „Nur eine Wei!' — eine Weil' noch, himmlischer Herr! — Bua, richt' mich auf, i hab' schon z' lang umsonst g'red't, 's könnt' zu spät werden!" Der Bursche war cmporgefahren, mit bleichem Gesicht, Helle Augst in der Miene; jetzt fuhr sein Arm unter die Kopfkissen des Liegenden und richtete diesen auf, die Kissen rasch im Rücken des Kranken znsammenballend. Unterdessen gebot der Kranke: „Und gibst mir 's Schreibzeug her und vom Tischladl ein' Bogen Parier, wie ich's zu die Gemeindesachen 'braucht hab'. Stempel liegen auch daneben im Schachterl, weißt's eh! Ein' Guldenstempcl gibst her." „Wird doch der Vater jetzt net schreiben wollen?" meinte der Sohn, „'s wird dem Vatern net gut thun das!" „I muß", beharrte der Hochgstettner. „Ah, ist's was so Nothwendig's, was kein' Aufschub er- leid't, so schreib's halt i für'n Vatern", meinte der Lohn bereitwillig. „Na, geht net! Schnell — schnell!" Schweigend brachte jetzt -er Sohn das Verlangte, sammt einem Einschretbbuch, das als Unterlage dienen muhte. Und die zitterige, wachsbleiche Hand des Sterben den mühte sich, eine möglichst lesbare Schrift auf das weiße Blatt zu bringen, nachdem erst noch der Stempel be feuchtet und aufgeklcbt worden. „Mein Testament", las -er Sohn plötzlich halblaut, schier mechanisch die Lippen regend. Dann hob eS ihm heftig die Brust, wie unter einem starken, thränenloscn Ausschlnchzen. „Ah, na, na, der Vater will doch net wirk- lich versterben?" entfuhr eS da den zitternden Lippen in heißem Schrecken, der davon zeugte, baß der Sprecher vor hin der Rede des Vaters vom nahen Tode keinen Glauben geschenkt hatte. Der Kranke nickte leise. „I hab' Zett, baß i mich fertig mach'!" sagte er und die ermattende Hand kritzelte weiter. Dem Sohn war es frucht in die Augen gestiegen; er und Stelle schwerlich der Einsicht verschließen können, daß der Boden für das Projekt kein günstiger ist, ta gerade die ethnologischen Verhältnisse in Afrika die Ver wicklung der Lage mit verursachen. Die Neqerfraze tritt immer mehr in den Vordergrund. WaS Süvafrita riotb- thut, ist eben ein immer innigerer Zusammenschluß der ver schiedenen Raffen. So hoch man den Japaner an sich schätzt, ist eS doch kaum zu bezweifeln, daß die ländliche Be völkerung, welche gerade das Hauptcontingent an Coloniste» stellen würde, in der Assimilirurig mit westlichen Ideen noch lange nicht in dem Maaße vorgeschritten ist, wie in erster Linie die ossicielle Welt, in zweiter die Hanbelskreise. Wenn die Japaner in größeren Mengen nach Südafrika aus wandern sollten, so würden sie sich naturgemäß in einzelne kleine Gemeinschaften zusammenschließen und an der allge meinen Entwicklungsarbeit in Südafrika nur einen passiven Antheil nehmen. Sie würden also wieder nur neue SvnderungS- centren bilden, und das ist es gerade, was nicht neu ge schaffen, sondern eliminirt werden soll. Es ist daber fast mit Sicherheit anzunehmen, daß sich schon die öffentliche Meinung in Südafrika gegen die Aufnahme von Auswan. bcrern aus Lstasien erklären wird, wenngleich rin legaler Grund gegen die Einwanderung kaum angeführt werden könnte. Sieht man sich so mit lebhaftem Bedauern außer Stande, dem Bundesgenossen hierin gefällig zu sein, jo liegt umsomehr Grund vor, sich nach der anderen Richtung zu bemühen, ihm in jeder Weise entgegenzukeinmen. Es ist daher anzunehmen, daß der japanische Minister in Bezug auf Industrie und Handel offene Tbüren und freundschaftliche Unterstützung finden wirb, so weit das irgend möglich ist. Daß somit ein neuer Wettbewerber auf dem neuen Felde erschriut, perdirnt cie größte Beachtung continentaler Jntereffentenkrrisr, zumal wenn es sich um einen so tbalkräftigep, ausstrrbendey Con currenten bandelt wie den Japaner, der schon durch seine Stellung zu den Herren de- Landes eine Chance voraus hat. Deutsches Reich. Berlin, 18. September. Die „Kreuz ztg." macht heute einen lendenlahmen Versuch, fick gegen den Vor wurf zu vertbeidigen, sie habe Verwahrung gegen den Thronkrach-Artikel deS Sächsischen „Vaterland" eingelegt, aber mit keiner Silbe gegen die bündlerische „Deutsche Tag esZtg." sich gewendet, obgleich diese den Artikel deS „Vaterland" sich zustimmend angeeignet hat. DaS „Vaterland", so glaubt die „Kreuzztg." den Vmpwrf entkräfte» zu können, sei konservatives Parteiorgan, für deffen Auslassungen die Gesammtpartei verantwortlich gewacht werden könne, während die „Deutsche TageSztg." Organ des Bundes der Laudwirthe und dem Einflüsse der conservaiiven Partei nicht unterworfen sei. Enthielte sich die „Kreuz zeitung" deS UrtheiiS über Leistungen aller Organe, di« dem Einflüsse der conservaiiven Partei nicht unteiworsen sind, so kennte man ihren VerlheidigungSversuch allenfalls gelten lassen, obwohl bekanntlich der Leiter der „Deutschen Tages zeitung" Mitglied der conservaiiven Partei ist und in ihrem Namen im Reichstage nur allzu oft baS Wort nimmt. Aber in demselben Artikel, in dem die „Krruzzeitung" sich selbst das Recht bestreitet, die „Deutsche TageSztg." zu klitisiren, übt sie scharfe Kritik an Auslassungen national liberaler Blätter, die doch wahrlich dem Einflüsse der conservaiiven Partei nicht unterworfen sind. Schlagender sah durch einen schwimmenden Glanz hindurch, rvi^ sich die abgezehrte Hand fvrtbewegte. Und war ohne Ahnung, ivie diese wenigen Zeilen in sein Leben eingreifeu sollten! Nun war der Hvchgstettner zu Ende, die Hand hielt inne. „Trag's hin. Verlösch s aber net." Sorgsam trug Vinzenz Alles wieder zum Tisch, daun setzte er sich wieder an des Vaters Bert. Vom Hvchgstettner war die Augst gewichen; er hatte das ver richtet, was ihn gequält hatte. Und es schien, als ge wänne er nun noch ein wenig Kraft. Er griff nach des Sohnes Hand und hielt sic zwischen seinen beide». „Jetzt laß' reden mit Dir, Vinzenz! Und laß' ein gut's End' hergehen! Lei friedsam mit der, wegen dec i dort »'schrieben hab'!" Tie glanzerlvscheueu Augen e« hielten plötzlich einen flehentlichen Ausdruck, und die Stimme wurde zu einer innig bittenden. „Versprich mir's, Vinzenz, daß Tu net gleich nachgcbe» wirst mit'm Suchen, bald sie net gleich find'st! Und daß D' net haßmütbig sein willst gegen sie, weil s' Dir so viel nimmt. Ist ihr rechtmäßig s Eigeuthum — sonst nichts! B'schwvr' mir's, Viuzcuz, daß D' fleißig suchst um sie. Sonst bätt' i im Grab keine Ruh !" „Ja, was meint denn der Vater?" fragte«« die Lippen des Burschen zweifelnd, aber in den Augen, i«n Blick dämmerte schon die Erkenntniß. „Mußt mich ja doch verstehen! Um d' Seph' takt's mir keine Ruh'! Hat mir die ganz Nacht keine Ruh' lassen. Jetzt mag ich ruhig sterben. Schwör' mir's, daß Di« suchen willst, Vinzenz! Verschaff' mir ein' leichten Tod!" Sv gequält, so voll Verzweiflung baten die Augen des Sterbenden, während es aschgrau über das Gesicht hin lief, daß cs Vinzenz, der von seinen, Vater stets nur Gutes erfahren, zwang, dem Begehren des Vaters nachzugeben. „I schwör'«, Vater!" sagte er halblaut. „Bet Deinem Seelenheil!" „Bei meinem Seelenheil!" Ein zuckender Schein fuhr über das Gesicht des Ster benden, als hätte Eines «nit einem flackernden Licht darüber hingelcuchtet. Die Hände hielten noch die Rechte Vinzenz's, aber sie ruhten matt auf der Federhülle. „Wird Dich schwer ankommen, so viel wegzulaffen, i denk' mir's!" murmelten die Lippen. „So wie s mir hart g'wesen ist. So hart, daß ich's verschwiegen hab'. Und hab' sic vielleicht ins Elend gehe«« lassen, Deine Stief schwester. Aber ich bätt' nicht g'wußt, wo hernehmen; Du warst zu jung zum Heirathen, ich bin mir zu alt gewesen, und — und nachher — so ein schön's Stückl Geld sv Einem hinzuwerfen, der nichts hat und nichts ist, einem Wild-
- Current page (TXT)
- METS file (XML)
- IIIF manifest (JSON)
- Show double pages
- No fulltext in gridpage mode.
- Show single page
- Rotate Left Rotate Right Reset Rotation
- Zoom In Zoom Out Fullscreen Mode