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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 29.08.1903
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1903-08-29
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-19030829013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1903082901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1903082901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1903
- Monat1903-08
- Tag1903-08-29
- Monat1903-08
- Jahr1903
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MnzrigeU'Pret- dk 6 gespaltene Petitzeile LS H, Neklemen unter dem NedakNvusstrtch ^gespalten) 78 Var deu FamUtemnüP richten (8 gespalten) 80 Tabellarischer uud Htfirrnsatz entsprechend Häher. — Gebühr« für Nachweisungen und Offerteuannahme 98 (exrl. Porto). Ertrn-Beilage» (gesalzt), ,»v artt se, Morgen-Ausgab«, »hu« Postbesärderuu« KO.—> mit Postdesb^erung ^l 70.—. Aonahmeschluß fLr Anzeige»: Abeud-Ansgab«: vormittag» 10 Uhr. Morgen-Ausgab«! Nachmittag- 4 Uhr. Anzeige» sind stet» au die Expedition zu richte». Die Expedition ist Wochentag» ununterbrochen geäffnet oou früh 8 bi» abend» 7 Ude. Druck und Verlag von E. Pol» tu Leipzig Nr. 438. Sonnabend den 29. August 1903. 97. Jahrgang. Die FriedensprSseuMrke -es Deutschen Reiches. Der nengewählte Reichstag wird sich neben anderen Aufgaben auch mit einer Militärvorlage zu beschäftigen haben, darauf gerichtet, die NriedenSpräsenzstärke unseres Heeres vom 1. Avril 1904 ab erneut festzustellen. Deshalb soll im folgenden der Begriff der Friedens präsenzstärke entwickelt und ihre bisherige Feststellung chronologisch voraefllbrt werden. Die Organisation des Reichsheeres beruht auf dem so genannten Kadresystem — Gegensatz Werbesystem —; unter Kadres im militärischen Sprachgebrauch- versteht man Schulabteilungen des FrtedensheereS, die nur einen Bruchteil der eigentlichen Krtegsarmee dtvrstellen. Dieses stehende FriedenSheer, „die Bildungsschule -er ganzen Nation für den Krieg", lKriegsüienstgesetz vom 9. No vember 1887, 8 4), wird erst durch Einberufungen und freiwilligen Eintritt im Mobilmachungssalle zur vollen KriegSformatton auSaebaut. Während nun aus hier nicht näher zu erörternden Gründen die ziffermnästige Feststellung der Kriegs formation nicht hat zum Gegenstände der Gesetzgebung gemacht werden können, wurde die Stärke des Frie- bensstandeS in der Reichsverfassung, Artikel 60, zu nächst dergestalt gesetzlich geregelt, daß „die Friedens präsenzstärke" des deutschen Heeres bis zum 81. De zember 1871 auf 1 Prozent der Bevölkerung von 1867 normiert, für die spätere Zeit aber die Feststellung der selben -er ReichSgesetzgebuna überwiesen wurde. Unter dieser Friedenspräsenzstärke der MeichSverfassung ist also diejenige Gesamtzahl zu verstehen, welche den Stand des deutschen Heeres im Frieden wiedergibt. Diese Begriffsbestimmung ist noch nach zwei Seiten hin zu ergänzen: einerseits ist nämlich diese Gesamtzahl al- Maximal zitter in dem Sinn« aufzufafsen, daß die Friedenspräsenzstärkc der deutschen Armee an keinem Tage des ganzen Jahres über diese Ziffer hinausgehen darf, wie sie auch die ziffernmäßige Stärke nicht immer er reichen muß. Man denke in letzter Beziehung nur an den Zeitabschnitt, der zwischen dem Entlassungstage der Re servisten und dem Einstellungstage der Rekruten zu liegen pflegt. Anderseits gilt jene Gesamtzahl als Normal ziffer, insofern sie als wesentliche Grundlage für die Auf stellung des Milttäretats dienen muß. Dieser bisher erläuterte Begriff erfuhr nun durch Reichsgesetz vom 8. August 1898 insofern eine Wandlung, al» dort die KriedenSpräsemstärke nicht mehr, wie bisher, fixiert, sondern als Jahresdurchschnitt-stärke fest gestellt wurde. Gleichzeitig wurden die Unteroffiziere in Lieser Ziffer nicht mehr mit eingerechnet, sondern der Fest stellung durch den Reichshaushaltöetat gleich den Offi zieren, Aerzten un- Beamten überwiesen. Maßgebend für diese Umwandlung war in -er Haupt sache die Erwägung, daß der Regierung bei der damaligen OrganisationSänderuna in der Armee eine größere Frei heit der Bewegung bezüglich der KricdenSpräsenzstärke -»gestanden werden mußte als bisher. In dieser veränderten Bedeutung ging der Begriff der Friedenspräsenzstärke auch in das Reichsgesetz vom 25. Mär- 1899 über, so daß j« tzt die Friedenspräsenzziffer zwar als Normalziffer budgetrechtltch die gleiche Wichtig keit hat, wie vor 1898, al- Maximalziffer jedoch nicht mehr aufgefaßt werden darf. WaS endlich die verschiedenen Zeiträume anbelangt, für welche die Friedenspräsenz in den gemäß Art. 60 der ReichSverfaffung erlassenen einzelnen Gesetzen normiert wurde, so gibt hierüber die Entstehungsgeschichte des 8 1 des ReichsmilitärgesetzeS vom 2. Mai 1874 Aufschluß. Bei Einbringung desselben lautete nämlich der 8 1 des Ent wurfs dahin, die Friedenspräsenzstärke solle „bis zum Erlaß einer anderweitigen gesetzlichen Bestimmung" 401 659 Mann betragen. In dieser Fassung ist der Entwurf jedoch nicht Gesetz geworden. Harte und lange Kämpfe wurden in den gesetzgebenden Körperschaften um dieke Klausel des Entwurfes geführt, in der man eine Vernichtung des dem Reichstage zustehen den BudgetrechteS erblickte. Auf der andern Seite konnte sich die Militärverwaltung mit einer alljährlichen erneuten Feststellung aus naheliegenden Gründen nicht einverstanden erklären. Erst durch den Kompromtßantrag des Abgeordneten v. Bennigsen gelang eS, die Ge- müter zu beruhigen und «in« Einigung auf der Basis zu erzielen, die FriedenSvräsenzftärke zunächst auf sieben Jahre festzulcgen. ll. Srvtennat bis 31. Dezember 1881.) Unter Beibehaltung dieses KompromißzettraumeS kam es dann in -en Jahren 1880 und 1887 zu dem 2. und zuw 8. Septennat. Während des letzteren jedoch wurde bereits 1890 aus militärpolitischen Gründen zu vorzeitig erneuter Feststellung geschritten, wobei «» bei dem Ablaufstermine -es ursprünglichen Gesetze» verblieb. Darnach folgte eine dVzjährige, später auf 6 Jahr« verlängerte Periode, wäh- rend das obenerwähnt« Retchsgesetz vom 28. Mär, 1899 sogar nur einen Zeitraum von 4HL Jahren umfaßt (als Quinquennat bezeichnet). Diese Zeiträume sind ihrer Länge nach an sich will kürlich gewählt; ihre Festsetzung geht zurück sowohl auf die jeweiligen politischen Verhältnisse, als auch auf milt- tärwissenschaftliche Erfahrungen und Erwägungen. Eine weitere Verkürzung der Perioden würde wohl mit den Interessen der Militärverwaltung kaum vereinbar sein. Wenden wir uns nun nunmehr der chronologischen Be trachtung zu: Nach dem erwähnten Art. 60 der Reichs- Verfassung betrug die Friedenspräsenzziffer des deutschen Heeres bis 81. Dezember 1871 ein Prozent der Bevölkerung von 1867. sonack 385 770 Mann: 1 Proz. von der im Jahre 1867 ermittelten Zollabrechnungs bevölkerung der -um deutschen Zollgebiete gehörenden Bundes staaten, zuzüglich Baden, Bayern, Württemberg und Hessen, jl5 889 Mann: 1 Proz. von der in der französi schen Volkszählung vom Jahre 1866 festgestellten BevölkerungS- zahl -er abgetretenen Gebiet« von Elsatz-Loth ringen, Summe 401659 Mann. Die gleiche Zahl wurde als sogenanntes Pausch quantum in dem Reichsgesetze vom 9. Dezember 1871 bis zum Ablaufe des Jahres 1874 und ebenso in 8 1 -es Reichs militärgesetzeS vom 2. Mai 1874 bis Ende 1881 beibehalten. Nach Verlegung des Beginnes des EtatSjahres vom 1. Januar auf den 1. April erfolgte mit Gesetz vom 6. Mai 1880 die erste Erhöhung der Präsenzstärke auf 427 274 Mann, und mit Gesetz vom 11. März 1887 die zweite Er höhung auf 468 4VS Mann. Hierbei wurde 1 Proz. der ortsanwesenden Bevölkerung vom 1. Dezember 1875 bez. 1. Dezember 1885 zu gründ« gelegt. Bereits durch Ge setz vom 15. Juli 1890 wurde jedoch, und zwar von dieser Zeit an ohne Anlehnung an ein bestehendes Prozent verhältnis zur ortsanwesenden Bevölkerung und allein nach dem politischen und dem militärischen Bedürfnis be rechnet, «irw weitere Erhöhung auf 486 988 Mann — wie bisher einschließlich der damaligen 66 952 Unteroffiziere — vorgenommen. Im Retchsgesetzc vom 3. August 1893 wurde, wie oben gesagt, zum ersten Male eine Jahres durch sch nitt s- stärke aufgestellt, und zwar in Höhe von 479 229 Gemeinen. Das scheinbare Sinken der Präsenzziffer gegenüber dem Jahre 1890 erklärt sich in der Hauptsache dadurch, daß, wie ebenfalls bereits erwähnt, die Unteroffizier« nicht mehr eingerechnet sind. Di« Vermehrung der Arme« im Jahre 1898 betrug tatsächlich 178 Halbbataillone Infan terie, 60 Batterien Feld-. 6 Bataillone Fußarttllerie, 3 Bataillone Pioniere und 7 Bataillone Etsenbahntruppen. Die letzt« gesetzliche Regelung der Friedenspräsenz- stärke erfolgte unter Ablehnung weiter geforderter 7006 Mann durch Gesetz vom 25. März 1899, nach welchem die selbe, ebenfalls als Jahresdurchschnittsstärke, vom 1. Ok tober 1899 allmählich derart zu erhöhen war, daß sie im Laufe des Rechnungsjahres 1908 die Zahl von 495 509 Ge meinen, Gefreiten und Obergefreiten erreicht; in dieser Höhe bleibt sie bis zum 31. März 1904 bestehen. Deutsche- Reich. SS Berlin, 28. August. (Line energisch« fort schrittliche Absage au die Sozialdemokratie. Vor kurzem hat sich die , Vossische Zeitung" in sehr skeptischer Weise über den Wert eine» Wahlbündnisse» zwischen Freisinnigen und Sozialdemokraten bei den bevorstehenden preußischen Landtag-wahlen ausgesprochen. In noch viel schärferer Weise nimmt nunmehr die „BreSlauerZeitung" zu dieser Frage Stellung. Die Auslassungen dieses Blatte« sind au- drei Gründen besonder» zu beacht«»: erstens weil die „Breslauer Zeitung" im allgemeinen Wohl uoch weiter link- steht als die „Vossische Zeitung", zweiten- weil die .Breslauer Zeitung" da« angesehenste und älteste freisinnige Organ der Provinz ist, in der der Freisinn noch seine stärksten Wurzeln hat; dritten-, weil bei einem Bruche nut der Sozial demokratie die Freisinnigen höchst wahrscheinlich ihr» drei Breslauer Mandate verlieren werdev, waS natürlich die offene Stellungnahme de- Blatte» um so anerkennenswerter macht. Da- freisinnige Organ erklärt dir Forderungen der Sozialdemokrat,e an- praktischen, politischen und wirtschaft lichen Gesichtspunktes für unerfüllbar. Die Sozial demokraten verlangen bekanntlich, daß von den Frei sinnigen nur solch« Wahlmännrrkandidatea ausgestellt werden sollen, die sich vorher verpflichten, für einen sozialdemokratische» Landtagskaudidaten einzutrete». Die .Breslauer Zeitung" bemerkt dazu, daß eine derartig« Forderung — der bekanntlich Herr vr. Barth beipflich- tet — der Beweis völliger Unkenntnis der politischen Kleinarbeit sei. In einem Riesenwahlkreise wie Breslau mit ungefähr 1509 Wahlmäuvern ist G in manche» Be zirken überhaupt schwer, einen WahlmannSkandidateu aufzu treiben. Wenn man einem solchen gepreßten Kandidaten nun noch obendrein die Bedingung stellt, für einen sozial demokratischen Landtagskandidateu zu stimme», so verzichtet «r voa vornherein. Die .Breslauer Zeitung" eriuurrt daran, daß ga»r« für de» Freisinn wichtig, Sategeneo, beispielsweise die Volksschullehrer, dann in Wegfall kämen. Wenn der .Vorwärts" zu diesem Einwande meint, ein Freisinn, der kein politisches Examen auf die Ernsthaftigkeit seines Freisinn« vertragen könne, sei keinen Schuß Pulver wert, so ist dies nur eine ebenso hochmütige wie törichte Redensart. Ein Volksschullehrer kann durch und durch liberal sein; aber er kann nicht beute seine Schulkinder „Heil Dir im Siegerkranz" singen lassen und morgen öffentlich für die Wabl eines Sozialdemokraten wirken. Die Schulbehörde, die sich daS gefallen ließe, verdiente, selbst davongejagt zu werden. Generell bedeutungsvoller als die Frage deS Mangel» an Wablmännerkandidaten ist die scharfe Her vorhebung der politischen und der wirtschaftlichen Gegen sätze. Zn politischer Hinsicht hebt das freisinnige Breslauer Blatt vor allem hervor, daß ein Bündnis mit einer Partei unmöglich sei, die so, wie die Sozialoemokratie eS im vorigen Winter getan hat, dem Parlamentarismus die Wurzeln abgräbt. Wir unserseits glauben au» ver schiedenen Anzeichen schließen zu können, daß die Vorgänge deS letzten WinterS ein Kinderspiel gegen daS sind, WaS die Sozialdemokraten im neuen Reichstage leisten werden, und wir meinen deshalb, daß jeder, der das parlamentarische System hochhält und der eS vermeiden will, daß der Staatsstreich geradezu zu einer Notwendigkeit wird, gar nicht weit genug von der Sozialdemokratie abrücken kann. Hält da- Bürger tum nicht bei den Wahlen und im Parlamente gegen die Sozialdemokratie zusammen, so muß daS Ende ein Kampf sein, bei dem» mag nun die Reaktion oder die Sozial demokratie siegen, der Liberalismus jedenfalls auf der Wabl- statt bleibt. Handelt es sich hier um eine Frage der Zu kunft, so ist der wirtschaftliche Kampf und Gegensatz unmittel bare Gegenwart. Die „Breslauer Ztg." weist mit Recht darauf hin, daß die erdrückende Mehrheit der Arbeitgeber, und zwar auch der kleineren, in der Sozialdemokratie ihren Todfeind erblickt, weil die Arbeitgeber von der Sozial demokratie drangsaliert und systematisch in ibr«r Stellung berabgedrückt werden. Dem sei noch hinzugefügt, daß die Sozialdemokratie dabei absolut keinen Unterschied darin macht, ob der Arbeitgeber politisch freisinnig oder nationalliberal oder konservativ oder klerikal ist. Unv von ibrem Standpunkte aus ganz mit Recht, denn sie ist vor allem eine Klassen partei, die bewußt einseitig die Interessen der Arbeitnehmer vertritt, und dabei muß ihr der politische Standpunkt der Arbeitgeber vollständig gleichgültig sein. Ebenso aber wie die Sozialdemokratie in den Arbeitgebern ohne Unlerschied den zu bekämpfenden Gegner erblickt, müssen diese unter schiedslos die Sozialdemokratie als Gegner anseben, und nicht als Verbündeten. Diese praktische Selbstverständlichkeit ist von freisinniger Seite nur allzu lange unter Erwägungen darüber, daß in vielen Fragen Freisinnige und Sozialdemo kraten Zusammengehen, außer Acht gelassen worden. Die Folge davon ist gewesen, daß die freisinnigen Parteien Tausende von Anbängern verloren haben. ES zeugt von politischem Weitblick, wenn die „Breslauer Zeitung" lieber einen augen blicklichen Verlust an Mandaten ertragen will, als eS dahin kommen zu lassen, daß die ganze fieisinnige Mannschaft desertiert und schließlich nur noch die Offiziere übrig bleiben. Dann würde auch der „Vorwärts" eia Bündnis nicht mehr befürworten. -r- Berlin, 28. August. (DaS Verhältnis der Zu nahme der Strafsachen und der Civilstreitig- keiteu.) Betrachtet mau die Veröffentlichung über die zur Aburteilung gelangenden Strafsälle nur vom Standpunkte der absoluten Zunahme aus, so ist allerdings eine starke Vermehrung auch der Strafsachen zu konstatieren. Die eigentliche Bedeutung der Ziffern tritt aber selbstverständ lich erst dann zu Tag«, wenn man die Strafsachen in ein Verhältnis bringt zur Einwohnerzahl. Es ergibt sich dann, daß die Zunahme des Jahre« l90l gegen den Durchschnitt deS vorangegangenen Jahrfünft» noch nrckl ganz 3 Pro,, beträgt. Ueberhaupt ist die relative Zunahme der Strafsachen im Vergleiche zur Bevölkerungsvermehrung erfreulicherweise keine sehr stark«. Bor zwei Jahrzehnten kamen auf zehntausend Seelen durchschnittlich 105 Straf sachen, im Jahre 1901 sind e» 118 gewesen. (Wir reden hier nur von den verbrechen und den Vergehen, da die Neber- tretungen zwar gewiß auch nominell Strafsachen sind, aber doch so harmlosen Charakter-, daß ihre Hin zufügung nur die Beurteilung der Zunahme de» kriminellen Elemente» in der Bevölkerung verwirrt.) Die relative Vermehrung der Strafsache» beträgt mithin nur etwa 12 Proz. Wie ganz anders verhält e» sich dem gegenüber mit der Vermehrung der Civilstreitigkcitenl Im Jahre 1881 entfielen auf je zehntausend Einwohner 2kl Civil- streitigkeitea und, wie oben erwähnt, 105 Strafsachen; die Civilsacheu überwogen also damals die Strafsälle um 150 Proz. Ze-« 3ahre später war die« Bild schon wesentlich ver ändert; die Strafsachen waren damals nur von 105 auf 112 ge- stiegen, die Civilstreitigkeitrn hingegen von 261 auf 338, mithin war nunmehr da« Verhältnis der Civilstreitigkeiten zu den Strafsachen wie drei zu ein-. Wiederum zehn Jahre später waren die Strafsache» von 112 auf 118 gestiegen, die Civilstreitigkeiten hingegen von 888 auf 418, mithin betrug im Jahre 190t da» Verhältnis der Civilstreitigkeiten zu den Strafsachen 3'/, zu 1. Man siebt also, daß die Progression der Civilstreirsachen eine außerordentlich viel stärkere ist, als die jenige der Straffälle, und man sieht ferner, daß eS sich dabei um eine konstante Erscheinung handelt. Nun sind aber in den letzten zehn Jahren di« StaatSanwaltSstellra sicherlich in demselben Verhältnisse vermehrt worden, wie die Richter stelle». Die Richter haben zwar auch mit den Strafsachen zu tu», die Staatsanwälte aber nicht mit den Civilstreitig- kriteu. So ist d«»a auch eine Uebrrlastung der Staats anwaltschaft nicht annähernd i» demselben Maße vorhanden wie bei den Richtern. Wir gönnen der Staatsanwalt schaft gern, daß sie durch regelmäßige, der Zunahme der Strafsachen entsprechend« Verwehrung ihrer Stellen nicht stärker belastet wird, und wir erkennen auch an, daß eS für di« Strafrechtspflege verhängnisvoll wäre, wenn di« Staatsanwaltschaft unter einer Uebrrlastung litte. Ist eS denn aber nicht ebenso verhängnisvoll, daß die Civil- rrchtSpflege »»ter einer verartigev Ueberlastao- schon längst leidet, und zwar von Jahr zu Jahr mehr? Eben jetzt wird einem Blatte ein charakteristischer Fall aus Köln mitgeteilt. Danach führt «in Berliner Fabrikant vor dem Kölner Oberlaude-gerichte einen Prozeß, der schon jetzt zwei Jahre dauert; vor einiger Zeit ist in dieser Sacke ein neuer Termin angesetzt worden, und zwar auf den 4. März 1904. ES ist ja dock auch ein ganz einfaches Reckenexempel, daß, wenn die Zahl der Civilprozesse derart anwächst, wie eS durch die Statistik unwiderleglich be wiesen ist, auch wenn die Vermehrung der Rrchter- ftellen und damit diejenige der Civilkammern bei de« Land gerichten und der Civilsenate bei de» OberlarrdeSgerickten nicht annähernd Schritt hält, die Zwischenräume zwischen den einzelnen Terminen in einem Civilprozesse immer länger werden müssen, weil da» Gericht die an einem Tage zur Verhandlung gelangenden Streitigkeiten nicht in» Endlose vermehren kann. Je länger aber ein Prozeß dauer», desto fragwürdiger ist eS, ob der Kläger von einer unter Um ständen erst nach Jahren erfolgenden endgültigen Entschei dung noch irgend welchen Vorteil hat. Wenn manche Richter die Verzögerung der Civilstreitigkeiten auf den Parteibetrieb, mit anderen Worten auf die Rechtsanwälte, abzuschieben suchen, so haben sie damit sicherlich nur zum Teil recht und jedenfalls laßt sich diese Tatsache keinesfalls so unzweifelhaft statistisch belegen, wie die notwendig eivtreteude Prozeß verschleppung durch eine ungenügende Vermehrung der Richterzahl. * Berlin, 28. August. Bezüglich der Mehrung der Selbstmorde im Heere hat der preußische Krieg-- Minister, wie die „VolkSztg." erfährt, folgeudeu Erlaß an die Militärbehörden ergehen lassen: „DaS Kriegsministerium sieht sich veranlaßt, die Aufmerksamkeit sämtlicher Militärbehörden auf die zahlreichen Selbstmorde in der Armee zu lenken. Allerdings wirken dieselben Ursacken, die in allen Gesellschaftsklassen «ine Steigerung der Selbstmorde be wirken, auch im Heere. Da aber hier dies, unglückliche Neigung zum Selbstmorde noch gesteigert werden kann durch die jähe Slenderung in der Lebensweise und der ganzen Umgebung, sowie durch die schmerz liche Trennung von der Familie, der Heimat nud den Freunde», so ist «S dringend notwendig, daß alle, Offiziere und Unteroffizier^ denen die Ausbildung der Soldaten aovertraut ist, mit ganz beson derer Sorgfalt darüber wachen, die Stimmung ihrer Schutz befohlenen gut und normal zu erhalten, indem sie sich ihrer annehmen, sich andauernd um sie bekümmern, ihre Bedürf- niss« kennen lernen und für ihre körperliche und geistige Ge- sundheit Sorge tragen. Der Vorgesetzte hat sich auf diese Art die Liebe seiner Untergebenen zu gewinnen und wird darum auch die Disziplinarstrafen verhüten können; denn die den ersten leichten DiSziplinarmaßregela folgenden Strafen sind be denklich, weil sie geeignet scheinen, oftmals ehrgeizige und leicht reizbare Charaktere aus dem Gleichgewicht zu werfen. Das Kriegsmiuistrrium wiederholt darum den Militärbehörden die in dieser Angelegenheit schon im vorigen Jahre ge gebenen Weisungen und befiehlt, eifrig darüber zu wachen, daß alle Vorgesetzten den Soldaten gegenüber mit auf richtigem Wohlwollen Vorgehen; ohne Schwäche, aber uoch mehr ohne übertriebene Streng« und ohne jemals jene väterlichen Gefühle der Fürsorge und die Umgangsformen des ge- bildeten Manne- zu verlieren, zu denen jeder Vorgesetzte im Verkehr mit dem Untergebenen verpflichtet ist. Bor allem ist da» Hauptaugenmerk auf das Naturell und den Charakter des Sol daten und auf seine Familienverhältnisse zu richten; die Kenntnis dieser Umstände ist notwendig, um gegebenfalls dem Untergebenen raten und helfen z« können uud stets jene Rücksicht walten zu lassen, die durch besondere Verhältnisse geboten sein kann. Bor allem sind eS ichwächliche, weichherzige und anormal» Individuen, die zum Selbstmord neigen; eS ist darum eine strenge Pslicht, sich solcher Personen beson. derS anzunehmen und ihren individuellen Anlagen uud Umständen aufs gewissenhafteste Rechnung zu tragen. An die Armeekommandos." Man kann nur hoffen und wünschen, daß diese beherzigens- werten Mahnungen überall im Heere die gebührende Beach tung finden. (-) Berlin, 28. August. (Telegramm.) Der „Staats anzeiger" veröffentlicht zahlreiche vom Kaiser anläßlich seiner Anwesenheit in Hessen-Nassau verliehene Aus- Zeichnungen. Anter anderen erhielten da« Großkreuz zum Roten Adler-Orden mit Eichenlaub und Schwertern am Ringe Oberpräsideut Graf van Zedlitz nnd Trützfchler; den Stern zum Roten Adler-Orden 2. Klaffe mit Eichenlaub und Schwertern am Ringe Generalleutnant z. D. Thapptu» in Frankfurt a. M.; den Roten Adler-Orden 2. Klaffe mit Eichenlaub Oberhofprediger Lahr in Kassel, der Kurator der Universität Marburg, Geheimer Ober- reaierungSrat Steinmetz, der Intendant deS königlichen Theaters v. Gilsa in Kassel; den Roten Adler-Orden dritter Klaffe mit Schleife der Regierungspräsident ». Hengsten- derg in Wiesbaden und der Abgeordnete «ade ». Pappen- hei« in Liebenau; den Roten Adler-Orden vierter Klasse ObergerichtSprokurator a. D. Wtlhelmh in Hatten- beim; den Kronenvrden erster Klaffe First zu Jseudurg un» Vüdimgen-Btrstetn, Graf Solms-Njidelhei» und der Vize- marschall der althessischeu Ritterschaft v. d. MalSdurg in Elcheberg; den Stern zum Kroneoorden 2. Klasse der LandeS- bauptmannTartariuSin Wiesbaden; den Kroneoorden 2.Klaffe Erbmarschall in Kurheffen Ntedefel Arhr. zu Etsendach, Ober staatsanwalt Hupertz in Frankfurt a. M., GeschichtSmaler Prof. Knacksuß in Kassel und Regierungspräsident v. Tratt Ust» 1» Salz in Kassel. Der Charakter als Wirklicher Geheimer Rat mit dem Prädikat Excellenz wurde verliehen an Professor Behring in Marburg, der Charakter als Geheimer Baurat dem Baurat Jacodh in Hamburg. (-) Berlin, 28. August. (Telegramm.) Der Brand des Goldbergerschen Warenhauses in Pest, bei dem eine große Anzahl von Menschen umgrkommr» oder verletzt worden ist, gibt der „Verl. Korrrsp." Veranlassung, darauf
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