Dresdner Journal : 08.11.1902
- Erscheinungsdatum
- 1902-11-08
- Sprache
- German
- Digitalisat
- SLUB Dresden
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- Public Domain Mark 1.0
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- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-190211083
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Inhaltsverzeichnis
- ZeitungDresdner Journal
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- Monat1902-11
- Tag1902-11-08
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Vezug-Pret«: Beim Bezüge durch die chelchtflrftrur t,«,r-ar» Iresdtt,» 2,»0 M (einichl- Zulwgung), durch die im Deutschen Reiche 3 M. (au-schließlich Bestellgeld) viertrljckhrlich Einzelne Nummern 10 Ps. Wird Zurücksendung der für die Schristleitung bestimmten, aber von dieser nicht ein- gesorderten Beiträge bean sprucht, so ist da- Postgeld beizusügen. Dresdner W Journal. Herausgegeben von der Königl. Expedition des Dresdner Journals, Dresden, Zwingerstraße 20. — Fernspr.-Anschluß Nr. 1295. Grschetue«: Werktag- uachm. ü Uhr- — OrigimUberichte und Mitteilungen dürfen nur mit voller Quellenangabe uachgedruckt werden. Anküntzisun,-gebühre»: Die Zeile kleiner Schrist der 7 mal gespaltenen Ankündi- guna--Srite oder deren Raum so Ps Bei Tabellen- und Zisfernsatz ü Ps «usschlag für die Zeile Unlcrm Re- daktionSstrich (Eingesandt) die Textzeile mittler Schrist oder deren Raum so Pf. Gebühren - Ermäßigung bei öfterer Wiederholung Annahme der Anzeigen bi mittags 12 Uhr für die nach mittags erscheinendeNummcr. M 260. Sonnabend, den 8. November nachmittags. 1902 Amtlicher Teil. Dresden, 8. November. Ihre Majestät die Königin-Witwe sind gestern Nachmittag von Sibyllcnort nach Dresden-Strehlen zurückgekehrt. Sc. Majestät der König haben AUergnädigst ge ruht, dem Bahnhofsinspcktor I. Kl. a. D. Salzmann in Altenburg das Ritterkreuz 2. Kl. vom Verdienst orden, dem Bahnmeister a. D. Göhler in Lommatzsch und dem Obcrschafsncr a. D. Sinkewitz in Kamenz dos Albrcchtskreuz zu verleihen. Ernennungen, Versetzungen re. im öffent lichen Dienste. Im Geschäftsbereiche des Ministeriums des Kultus u. Sffentl. Unterrichts. Zu besetzen: Die zweite ständ. Lehrerstelle inkkändler b. Limbach Koll.: Die oberste Schulbehörde 1200 M. Ansangsgehalt, 250 M. Wodnungsgcld, 110 M. f. Fortbildungsschulunterricht u ev. SV M. s. Bertr des Kirchschullehrers Bewerbung-gesucht nebst allen ersorderl. Beilagen, auch eines Zeugnisses über musikal. Befähigung, v. Hilfslehrern außerdem Militärdienst nachweis, sind bis 27. Nov. b. Bezirksschulinspektor Schulrat Richler, Chemnitz, einzureichen; — Ostern: 1. Die dritte ständ. Lehrerstelle zu Markersbach (Bez Schwarzenberg). Koll.: Die oberste Schulbehörde. Außer fr. Wohnung im Schulhause m Gartengenuß das gesetzt. Anfangsgehalt u. die bereits nach je tj. Zeiträumen zu gewährenden gesetzt. Alterszulagen, 110 M. s 2 stünd. Fortbildungsschulunterricht u. 4ö M. kirchen- dienstl. Einkommen f. Vertr. des Kirchschullehrers. Musikal. Befähigung erforderlich; 2. die Schulstelle zu Tellerhäuser. Koll.: Die oberste Schulbehörde. Außer fr. Wohnung u. Sartengenuß das gesetzt. Ansangsgehalt u. die gesetzt. Alters zulagen von je 100 M, 110 M. f. Fortbildungsschulunter- richl, 36 M s Sommertnrnen, 80 M. Holzgeld z. Heizung der Cchulstube, SO M s. Abhaltung v. Betstunden im Winter- halbj u. ev. S6 M der Frau s. NadelarbeitSunterricht Bor- schriftsmäßige Bewerbungen zu 1 u. 2 m. allen erfordert. Beilagen ev. einschl. des Militärdienstausweises bis 22. Nov. an BezirkSschulinspeklor l)r. Förster, Schwarzenberg. (Behördl. Bekanntmachungen erscheinen auch im Anzeigenteile.) Nichtamtlicher Teil. Die auswärtige Politik der Woche. Wenn diese Zeilen im Druck erscheinen, ist Sc. Majestät der Kaiser auf englischem Boden ein- getrosfen, um mit Seinem Königlichen Oheim dessen Geburtstag auf dem Landsitz von Sandringham zu verleben und noch einige Tage im engeren Kreise dort zu verweilen. Am 15. November bricht der Monarch von Sandringham auf und macht den Earl of Lonsdale auf dessen schottischer Besitzung Lowther Castle einen Jagdbesuch. Der Tag der Rückkehr nach Deutschland ist noch nicht festgesetzt worden. Auch eine Begegnung mit dem am 17. November in England eintreffenden König von Portugal steht nicht auf dem Reiseprogramm; sie könnte sich indes zufällig ergeben, falls auf dem Rückwege von Lowther der Deutsche Kaiser in die Nähe des portugiesischen Monarchen käme. Politische Fragen, die ein solches Zusammentreffen nötig machen könnten, liegen nicht vor, so schwer auch Zeitungen, die ihre Leser gern init Märchen unterhalten, der Verzicht aus die beliebten Gcdankenspiclc über Angola und Tclagoa werden mag. Daß wegen der Bucht von Louren^o Marques keinerlei englisch-portugiesische Verhandlungen geführt werden, hat ain 3. November Lord Cranbornc im Untcrhause nochmals amtlich festgestellt. Auch der Besuch, den der britische Kolonialsekretär Chamberlain auf seiner südafrikani ¬ schen Reise den portugiesischen Behörden in Tclogoa- Bai abstatten wird, ändert nichts in den Besitz Verhältnissen der Kolonien Portugals in Afrika. Ein überwiegender wirtschaftlicher und gelegentlich auch politischer Einfluß Englands an jenen Küsten ist altüberliefert; und durch schließlichen Erfolg der Briten im Burcnkriege wird dieser Einfluß noch bc festigt. Doch giebt es auch hier gewisse Grenzen, die nur der übersehen kann, dessen Urteil zwischen der Annahme einer britischen Alleinherrschaft in ganz Südafrika und der Weissagung eines baldigen Zusammenbruchs dieser Herrschaft hin- uud her schwankt. Da in Sandringham britische Minister an wesend sind und der einfache Rahmen der dortigen Zusammenkünfte einer zwanglosen Aussprache günstig ist, so mögen sich die Unterhaltungen des Königs und seiner Gcburtstagsgäste auch politischen Dingen zuwenden. Vielleicht kommt beispielsweise dort zum Ausdruck, daß eine „österreichische Frage" in dem Sinne des von London und Paris aus mit seltsamer Rücksichtslosigkeit gegen den ehrwürdigen Kaiser Franz Joseph angekündigtcn „Zerfalls" der habsburgischen Monarchie für die deutsche Politik gar nicht vorhanden ist. In allen maßgebenden Kreisen hält man daran fest, daß die historische Aufgabe der Donaumona«bie noch lange nicht er füllt, daß die Frage, wa^dann vom Bodensee bis zur Bukowina an die Stelle des altangesehenen Kaiserstaates treten solle, noch heute so wenig zu lösen ist wie zur Zeit, da Fürst Bismarck sie für keiner befriedigenden Antwort fähig erklärte. Ohne das in der habsburgischen Dynastie verkörperte Fortwirken des österreichisch-ungarischen Rcichs- gedankens könnte diesseits wie jenseits der Leitha ein Chaos entstehen, in dem die einzelnen Nationali täten nicht annähernd die Zuversicht auf einen all mählichen gerechten Ausgleich ihrer schwer zu ver einenden Wünsche haben würden, wie als Bestand teile einer europäischen Großmacht. Deutschland, aber auch Rußland haben ein starkes eigenes Inter esse daran, daß diese Großmacht unangetastet erhalten bleibt; und mit größter Entschiedenheit müßten wir die Verdächtigung abschütteln, daß Deutschland eine Gebietserweiterung auf Kosten seines österreichischen Bundesgenossen erstrebe. In der Aufrechterhaltung der seit Jahrzehnten bestehenden europäischen Besitz Verhältnisse findet die Berliner wie die St. Peters kurzer Politik einen befriedigenden Ausdruck ihrer Interessen. Die Störung dieser Verhältnisse ist der nicht immer glücklich verhehlte Wunsch Frankreichs und Englands. Frankreich träumt davon, in dem Wirrwarr, den eine Auflösung des österreichischen Kaisertums zur Folge haben müßte, Elsaß Lothringen wieder zu erlangen; England kann eine festländische Verwickelung unter allen Umständen gebrauchen Diese Zusammenhänge muß inan sich vergegen wärtigen, um das eigentümliche Lob, das der frühere englische Botschafter in Wien, Sir Horace Rum bold, dem österreichischen Kaiser auf Kosten des Deutschen gespendet hat, richtig zn würdigen. Im übrigen ist dieser Ex Diplomat mit seinen Ausfüh rungen in der „National Review" von der deutschen Presse wohl überschätzt worden. Hr. Rumbold war schon während seiner Amtsführung in Wien keine sehr ernst zu nehmende Persönlichkeit. Die Privat Meinungen des aus dem Dienste geschiedenen Bot schafters sind nur insofern der Beachtung wert, als sie der in England herrschenden deutsch-feindlichen Strömung neuen Anlaß zu publizistischen Kund gebungen geboten und als sie gezeigt haben, wie tief bei unseren britischen Vettern das Bedürfnis nach einer innereuropäischen Krisis geht, bei deren Ueberwindung Deutschland uni Englands Freundschaft zu werben oder seine Gegnerschaft zu fürchten hätte. Die Anknüpfung solcher Umsturzgedanken an das Schicksal Oesterreichs wird vielleicht deshalb bevor zugt, weil der slawische und türkische Orient die gewünschte brennende Frage nicht mehr zur Ver fügung stellt. Hr. Anatole Leroy Beaulieu, der in der „Revue Europecnnc" Makedonien als eine zweite Herzegowina schildert und eine Konferenz der Signatarmächte des Berliner Vertrages fordert, ist ein reiner Thor, durch Mitleid unwissend. Er über sieht, daß die amtliche russische Politik im Gegensatz zu den von ihm treuherzig für bare Münze ge nommenen Artikeln der St. Petersburger Presse durch aus keine Sehnsucht nach einer neuen Auflage der Berliner Orient Verhandlungen hegt, daß, wie noch in den letzten Tagen die freundliche Aufnahme einer. türkischen Abordnung am Hofe des Zaren in Aalta bewies, Rußland aus der Stellung eines Bedrängers in die eines Beschützers der Türkei übergcgangen, daß der kürzlich von einem Wiener Organ wieder hcrvorgcsuchte fragwürdige Satz Sir Strat ford Cammigs „Ua Turguiö n'a PU8 Io ckroit ä'svoir raison" ebensowenig zeitgemäß ist wie etwa die Anwendung der einst gegen Preußen versuchten Methode „avilir, puis clömolir^. Die Pforte ist nicht die einzige Regierung, die sich mit der Er füllung von Verpflichtungen aus dem Berliner Ver trage im Rückstände befindet. Tie viclberufencn „Reformen" können ersprießlich erst wirken, wenn sic ganz durchgeführt und zum Normalzustand geworden wären. Tic Schwierigkeit liegt eben in der Ein führung selbst, die, auch wenn die Türkei den ehr lichsten Willen zeigte, nicht ohne Gewaltthätigkcit und Blutvergießen vor sich gehen und bis zur Ge wöhnung der Mohammedaner an die Neuerungen schlimmer sein würde, als die hergebrachten für den europäischen Frieden bei richtiger Behandlung un schädlichen Verhältnisse. Auf Kreta hat man die türkische Herrschaft beseitigt; die im Namen des Minzen Georg geführte griechische Verwaltung hat Ner nicht die erhofften Segnungen gebracht. Viel mehr müssen die vier Schutzmächtc Rußland, Eng land, Frankreich und Italien des Ausbruchs neuer Unruhen gewärtig sein, falls sie ihre Hand von der Minos Insel abzichen wollten. Dabei liegen dort, wo nur eine sehr zurückgcdrängtc türkische Minderheit der geschlossenen Masse hellenischer Einwohner gcgenübersteht, die Verhältnisse ungleich einfacher als in Makedonien und Altserbien, wo das für die Großmächte sicherste und billigste Mittel noch immer eine genügende militärische Macht cntfaltnng der Türken bleibt. Diese Kampfbereitschaft der Pforte erleichtert auch der bulgarischen Regierung die Durchführung eines angemessenen Verhaltens gegenüber der makedonischen Umsturzbcwegung. Fürst Ferdinand wird in dieser Haltung durch die persönliche Aussprache mit einem so erfahrenen Monarchen wie dem König Karol von Rumänien, der ihn in Rustschuk besuchen will, noch bestärkt werden. Daß die „Nowosti" die Begegnung der beiden Balkanfürstcn gleich wieder mit Träumereien von einem Bunde aller Balkanstaaten in Verbindung brachte, gehört zu der einbildungsreichen Ncbcnpolitik der russischen Presse. Das amtliche Rußland wird nicht viel Sehnsucht empfinden nach einer engeren Gruppierung der Balkanstaaten, in der sie mit ver einten Kräften Dinge erstreben würden, an die sie einzeln nicht denken können. Auch König Karol will durch seine freundnachbarliche Begrüßung des Bulgarcnfürsten alles eher als seinen und seines Landes Anschluß an die Pläne eines großbulgarischen oder gar panbalkanischcn Ehrgeizes kund thun. Für den Fürsten Ferdinand mag das Zusammentreffen in Rustschuk ein willkommener Anlaß sein zu be weisen, daß Bulgarien anf dem Balkan nicht ver einsamt und nicht ausschließlich auf seine russischen Beziehungen angewiesen ist. Der von Rußland überwachte Verlauf der Schipka-Feier hat für das bulgarische Selbstgefühl bei dem Maße von Füg samkcit, das der übermächtige Gönner in Anspruch nahm, keinen erhebenden Eindruck hinterlassen können, eher eine leise Verstimmung. Auch in Serbien blickt man mit Mißvergnügen auf die Hindernisse, auf die der Besuch des KönigspaareS am russischen Kaiserhofc stößt. In einer Zuschrift des französischen Blattes „La France" wurde sogar unter heftigen Vorwürfen gegen Rußland erklärt, Serbien werde sich nunmehr Oesterreich in die Arme werfen. Unbekümmert um diese 'Ucbellaunigkeit in Sofia und Belgrad macht Rußland gegenwärtig mehr als je zur Grundlage feiner Orientpolitik eine rück sichtsvolle Behandlung des Sultans und der Pforte. Die günstige Stimmung, die hierdurch in Kon stantinopel für den russischen Nachbarn als den Freund und Beschützer der Türkei entstanden ist, wird noch erhöht durch das scharfe Vorgehen, das dem Osmanischen Reiche gerade gegenwärtig von anderen Mächten widerfährt. Im Hinterlandc von Aden und Aeinen bleiben gewisse militärische Bewegungen der Engländer nach wie vor un durchsichtig. Die Somali-Expedition giebt zur Heranziehung starker indischer Truppen teile und zur Aussprcngung von Gerüchten über ein bewaffnetes Zusammenwirken Englands mit Italien Anlaß. Gleichzeitig entwickelt im Roten Meer infolge der letzten Seeräubereien Italien eine besondere Schneidigkeit. Das von der Pforte behauptete, von dem Römischen Kabinett an fangs in Abrede gestellte Bombardement von Midi hat sich nun doch als Thatsache herausgestellt. Auch sonst soll der Befehlshaber der italienischen See strcitkräftc im Roten Meere mit rücksichtsloser Energie vorgehen, während der Botschafter Italiens am Goldenen Hom sanftere Saiten aufzicht. Jnwie weit vor Midi und Hodeida etwa eine Ueberschrci tung der von der italienischen Regierung gegebenen Anweisungen vorlicgt, bleibt noch unaufgeklärt. Hr. Prinetti — daran ist nach seinen bestimmten Er klärungen kein Zweifel möglich — denkt jedenfalls nicht an politische Schachzüge und Gcbietser- werbungen und wird schon Vorsorge treffen, daß sein allseitig ohne Rückhalt gebilligtes Ziel, nämlich die Unterdrückung der Seeräuber im Roten Meer, die übrigens auch italienische Schutzgenossen aus Massauay betreiben sollen, nicht durch die Erregung internationaler Streitfragen verdunkelt werde In der französischen Presse hat schon mehr als ein provoeatour seine Stimme laut werden lassen, um die Italiener unter erheuchelter Bewun dcrung für ihr scharfes Vorgehen über den Rahmen der durch die Umstünde gerechtfertigten Abwehr hinauszudrängen Atan weiß aber in Rom, daß diese Ratschläge nicht uneigennütziger Natur sind, und daß ihre Befolgung nur dazu führen könnte, das kaum beseitigte Mißtrauen der Türkei in die Absichten Italiens aufs neue zu entfachen. Auch ist gerade an den Küsten des Roten Meeres der Islam noch immer eine Macht, die ohne dringende Veranlassung niemand gern aus ihrem Lunss und Wissenschaft. Konigl. Opernhaus. — Am 7. d. Mts.: „Carmen". Oper in vier Akten nach einer Novelle des Prosper Mrimo von Henry Meilhac und Ludwig Halövy. Musik von Georges Bizet. Daß die Titelrolle des Werkes des genialen, der Kunst zu früh entrißenen französischen Meisters sich gerade besonders als Debüt für eine zum ersten Male die Bühne betretende junge Sängerin eignete, wird man füglich nicht behaupten können. Die Carmen-Figur steht nicht in so festen Umrissen gezeichnet da, daß sie nicht mannigfacher Auffassung und Ausgestaltung zugänglich wäre, und ihre Verkörperung erheischt überdies, ganz ab gesehen von der Schwierigkeit des Gesangparts, ein ästhetisches Empfinden, das einer Anfängerin noch nicht gegeben sein kann. Es müßen demnach auch gewichtige Gründe vorgelegen haben, die Frl. Applegate be stimmten, sich gerade in dieser Rolle zu versuchen. Der vornehmste dürfte gewesen sein, daß sie sich selbst bewußt mr, einen starken Fond von Temperament, von heiß blütigem Empfinden zu besitzen. Und dieser ist unter allen Umständen eine wertvolle Mitgift für die Bühnen laufbahn, zumal er auch auf der Scene selber Stich hält, der jungen Sängerin vergeßen macht, daß sie auf heißem Boden steht. ES ist also schließlich eine offenbare Bühncnbegabung, der man in ihr gegenübersteht. Aber freilich vorerst noch eine der künstlerischen Schulung ent behrende. Frl. Applegate sucht ihre stark realistische Auf- faffung der Rolle durch eine Nonchalance in der Haltung und den Bewegungen zu markieren, die nicht selten die Grenze streifen, die dre Aesthctik der Welt des Scheines ziehen muß Sie läßt der Forderung, die schon aus der Rasse- Eigentümlichkeit der Carmen-Figur resultiert, der einer natürlichen Anmut und Grazie, zu wenig Berücksichtigung widerfahren. Mit anderen Worten, dem unleugbar vor handenen, sagen wir instinktiven Erfassen, tritt noch nicht die regulierende Thätigkeit des künstlerisch geschulten Geschmacks gegenüber, und so kommt es, daß selbst da, ivo die darstellerische Leistung wie im ersten Akte ihre besten Momente gewann, von einer mehr verblüffenden als eigentlich fesselnden Wirkung die Rede sein konnte. Jedenfalls aber, und das ist in letzter Instanz die Hauptsache, verriet die Debütantin bei aller Ungleich wertigkeit ihrer Durchführung der Rolle, daß in ihr eine darstellerische Begabung nach künstlerischem Sich Bethätigen ringt Minder günstig muß das Urteil über die Debütantin als Sängerin ausfallen. Bei aller Berücksichtigung der hohen Anforderungen, die die Partie der Carmen nach der gesangtechnischen Seite geltend macht, und in voller Anrechnung des Noviziatcntums, ließ die Leistung vor allem den effektiven Stimmmittel besitz zu nicht allzu hoher Bewertung kommen. Frl. Applegates Mezzosopran gebricht es bei noch nicht allenthalben kehlfreiem Ansatz an Klangrciz, auch entwickelt er im Medium wenig tragende Kraft und spricht in der Höhe etwas scharf, in der Tiefe aber etwas rauh an. Möglich auch, daß die darstellerische Seite der Rolle die Sängerin die gesangliche einiger maßen vernachlässigen ließ. Immerhin gewann man nicht den Eindruck, daß die Debütantin bereits für eine Gesangespartie im engeren Sinne reif genug sei, und es wäre jedenfalls ein Versuch nach dieser Seite hin im Interesse der Feststellung des Standes der Aus bildung wie der Beurteilung der Stimme selber nur zu befürworten. Die Besetzung der Oper, die unter Hrn. Hofkapcllmeister HagenS Leitung wie immer mit bestem Erfolg in Scene ging, war die übliche geblieben, und es mag nur Erwähnung finden, daß die Leistung des Hrn. Burrian als Don Jose an künstlerischer Abrundung in Gesang und Spiel beträchlich gewonnen hat und daß die Rolle des Escamillo bei Hrn Plaschke in den besten Händen ist. Wie pch der eherne Klang der Stimme des Sängers hier als vollständig am Platze erweist, so auch fein deklamatorisch klar gegliederter Vortrag. O. S. Konzert. Einen interessanten und durch die Mit wirkung des Leipziger Gewandhaus Quartetts (Herren Felix Berber, Erhard Heide, Alexander Sebald, Julius Klengel) hervorragend genußreichen Kammer musik-Abend bot Hr. Emil Kronke als zweite Auf führung seiner Neuigkeiten Konzerte. Mit entzückender, an das unvergessene „Böhmische Streichquartett" er innernder Tonschönheit, Vornehmheit des Ausdrucks und bewundernswerter Feinheit des Zusammenspiels trug die ausgezeichnete Künstlervereinigung ein (anscheinend noch ungedrucktcs) Quartett (L moll) von unserem Landsmann Konrad Heubner vor, der in Koblenz als Königl. Pro fessor und Direktor des Konservatoriums seit Jahren eine sehr geachtete Stellung cinnimmt Sein in allen vier Sätzen bei einheitlicher Stimmung, selbständiger Er findung und gesangreicher Mclodieführung im echten, polyphonen Quartcttstile durchgcführtes Werk verrät die Hand des gediegenen, geistvollen und feinfühligen Musikers. Das Quartett wird gewiß bald seinen Weg durch die Konzertsäle antrcten. Mit welcher Freude würde vr. Franz Wüllner von dieser prächtigen, kenntnisreichen Tonschöpfung seines einstigen Dresdner Lieblingsschülers Kenntnis genommen haben! Arenskys im seinen Salonstile fließend und sinnfällig geschriebenes, unlängst im Muscnhause zu Gehör gebrachtes I) moll- Trio (op. 32) für Klavier (Hr. Kronke), Violine und Violoncello wurde besonders nach dem brillanten, rhythmisch reizvollen Scherzo sehr beifällig aus genommen. Schade, daß sich der Schlußsatz, von dein man einen leidenschaftlichen Ausklang der Komposition er wartet, an unmittelbarer Wirkung nicht aus der Höhe der übrigen Sätze erhält Leipzigs berühmter Meister des Cellospicls, Hr. Prof. Klengel, führte den Konzert vesuchern in einer von edelstem Wohllaut erfüllten, tech nisch vollendeten Ausführung seine neueste, im Verlage von Breitkopf u. Härtel soeben im Truck erschienene Cellosonatc in II moll vor, die bei formvollendetem Aufbau der einzelnen Sätze wertvollsten musikalischen Inhalt darbictet. Neue Lieder von Wilhelm Berger („Bcrgnacht" von C. Stieler), R. Strauß und Arthur Schnabel (nicht sonderlich eigenartig) brachte Frl. Leon tinc de Ahna (Mezzosopran) aus Berlin mit. Die junge Dame zeigte sich bei etwas zurückhaltender Vor tragsweise als geschmackvolle, nicht unsympathische Sän gerin von guter musikalischer Bildung. U. S. Die Temperatur der freien Atmosphäre. Die gesamte Wärme unserer Atmosphäre stammt von der Sonne, aber sie wird nicht direkt aus dieser Quelle gespeist, denn die Sonnenstrahlen durchdringen die Luft, ohne sie in erheblichem Maße zu durchwärmen. Erst vom Erdboden werden sic verschluckt; dieser erwärmt dann durch Berührung die unmittelbar aus ihm lastende Luftschicht und von dieser geht die Wärme dann nach und nach auf immer höhere Schichten über. Im all gemeinen sollte also jede Lustschicht wärmer sein als die über ihr befindlichen; ebenso muß aber, wenn der Erd boden an einer Stelle sich abkühlt, auch dieser Vorgang zunächst die unterste Luftschicht in Mitleidenschaft ziehen Zwischen beiden Vorgängen besteht jedoch ein wesent licher Unterschied. Je weiter man sich vom Erdboden entfernt, um so dünner und leichter wird die Luft, weil nach oben hin der Druck abnimmt, der sie zusammen preßt. Die Luft wird aber nicht allein durch Vermin derung des Druckes, sondern auch durch Erwärmung dünner und leichter; durch Abkühlung wird sie dichter und schwerer Wenn sich also die unmittelbar auf dem Erdboden lastende Luftschicht erwärmt, so kann es ge schchen, daß sic emporzustcigen strebt; dagegen wird durch
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