— 11 — Ungemein häufig sucht der Yolksgeist den Namen einer Stadt mit einer geschichtlichen Person oder einem geschichtlichen Ereignis in Zusammenhang zu bringen. Am bekanntesten von diesen Sagen ist ia die Grtinduugssage der Stadt Frankfurt a.AL Aon sächsischen Sagen seien nur einige erwähnt, die in diesen Kreis gehören. Meist sind es hier slavische < >rte, deren Namen dein Deutschen unverständ lich gewesen und die doch wegen des Gleichklanges mit deutschen AYörtern deutschen Ursprungs sein mussten. So soll (»schätz seinen Namen erhalten haben, weil Mutter Anna auf die Frage ihres Gemahls, wie die neu gegründete Stadt lieissen solle, ihre Antwort begonnen habe mit den AAorten: 0 Schatz. Zwickau soll nach den Zwickel- bärten, die Kaiser Heinrich 111. den Zwickauern ob ihrer gegen den Höhmenherzog geleisteten Hiilte zu tragen gestattete, genannt worden sein (Ziehnert, Sachsens Yolkssagen S. 47H). Auch die slavische Be völkerung unseres Landes hat sich auf diese AA eise Städtenamen zu recht gelegt. Als der böhmische Burggraf AA euzeslaus Bautzen (Budissini gegründet hatte, habe er nicht gewusst, ob es ein Dorf oder eine Stadt sein solle. Da habe er es von der Geburt eines Kindes abhängig gemacht, mit dem damals seine Gemahlin schwanger ging; seine Gattin habe nämlich gesagt, budissin „wird es ein Sohn sein", so soll der Ort eine Stadt werden, und nach diesen AA'orten soll der neue Ort den Namen erhalten haben (Zielinert a. a. O. S. ;)1'2 ft. In anderen Fällen wird eine bekannte Sage mit dem Ortsnamen in A T erbinduug gebracht. So erzählte mir einst ein älterer Bauer von der Bischofswiese — oder Bischwiese, wie sie der A olksmund uennt, jener grossen AA'iesentläclie. die sich zwischen Döbeln und Leisnig in der Aluldenaue hinzieht —, wie das Dorf \A estewitz zu seinem Namen gekommen sei. Dies heisst im AMlksmunde allgemein AA ists. Dem Dorfe gegenüber, auf dem linken Ufer der Freiberger Mulde, erhebt sich unmittelbar über dem Muldenufer ziemlich steil der Spitz stein. Auf diesem gelangte einst, so erzählte mein Gewährsmann, ein Beiter, der von seinen Feinden verfolgt wurde, an und sah plötzlich vor sich das Thal der Alulde. Da rief er seinem Pferde zu: „Schimmel, wie ist'sV und dann sprang er mit ihm vom Berg ins Thal. Nach diesen AA'orten des Reiters hat AAAsts seinen Namen. .ledermann wird sofort in dieser ätiologischen Sage die bekannte Harrassage wiederfinden. Auf meine weitere Erkundigung hin fand ich die Sage in und um AA'estewitz allgemein bekannt. Solche Sagen giebt es sicher noch sehr viele in unserem Lande: sie geben einen trefflichen Einblick in die Sagenbildung und in die AA r erkstatt der schaffenden A r olksphantasie. Dass sie natürlich von einer Person ausgehen müssen, liegt auf der Hand, denn einer AHelheit, d. h. dem A'olke, die Urheber schaft zuzuschreiben, ist m. E. ein Unding. Es fragt sich nur. wer der Urheber gewesen ist, ob ein Aiann mit Sagenkenntnis sie ins A T olk hineingetragen oder ob ein schlichter Alaun des AYtlkes die ihm von auswärts zngekommene Sage in seiner Phantasie auf die Heimat über tragen hat. Und in letzterem Falle lässt sich an der Echtheit der A’olkssage nicht rütteln. E. Af.