JAPANISCHE BAUKUNST D ie Photographie kann dem Kunstsucher in vielen Fällen den Mangel eigener Anschauung wett machen. Nicht ersetzen aber kann sie zwei unentbehrliche W erte: die Beleuchtung und die Raumwirkung. W ie die Sonnen strahlen oder die Nebel das Kunstwerk umfluten, und wie es zu seiner Umgebung und zu dem Betrachter sich in Verhältnis setzt, das läßt sich nur an Ort und Stelle empfinden; alles Studium ist nur wie eine ferne Vor bereitung für dieses persönliche Erlebnis. Der Reisende sollte seine besten Stunden der Baukunst widmen. In Japan drängte sich auch hier vorweg die Frage auf: wie weit ist das üble Neue dem guten Alten im Wege? Die Antwort ist nicht eben erfreulich. Das schlimmste sind nicht einmal die einzelnen charakter losen Steinbauten schlechtesten europäischen Ge schmackes, die Putzfassaden in den Hafenstädten, die Ziegelfronten der Amtsgebäude in Tokio, der Jugendstil in den Geschäftsstraßen nahe den Bahnhöfen. Schmerz licher berührt es, daß die unwiederbringliche Anlage ganzer Stadtviertel vernichtet worden ist durch tiber- breite Prachtstraßen, daß man die edlen Ilolzhrücken durch ordinäre Stein- und Eisenzüge ersetzt hat, daß C* 7 bis in entlegene Dörfer hinein plumpe Telefonmasten die zierlichen Maßstäbe der Bauernhütten vernichten und eine Seuche allergemeinster Strecken- und Licht reklame Stadt und Land ärger verpestet als fast in Amerika. Und doch: der Kunstfreund gewöhnt sich, eine Art geistiger Schutzbrille vor die Augen zu setzen