Wege zu Heinrich Schütz Walter Werbeck Z ahlreiche Wege gibt es, sich Heinrich Schütz zu nähern. Man kann Bücher über ihn le sen, um sich über sein Leben und seine Werke zu informieren, man kann seine Musik pflegen, sie singen oder spielen, oder man kann sie sich in Konzerten bzw. auf Tonträgern anhören. Der Musikhistoriker wird darüber hinaus die Faktur der Werke studieren und ihren Voraussetzungen und Entstehungsbedingungen nachgehen; hat er Zugang zu Archiven, wird er sich mit Quellen zu den Lebens- und Arbeitsverhältnissen des Komponisten befassen. Sänger und Instrumentalisten, die es genauer wissen wollen, werden versuchen, den richtigen W'eg zur Ausführung der Werke von Schütz zu finden. Dabei spielen Fragen der jeweiligen Besetzung und ihrer Stärke, der Verwendung und Ausführung des Generalbasses, des ange messenen Tempos und vieles mehr eine wichtige Rolle. Solche Wege zu Schütz sind vor allem Wege zum Komponisten Heinrich Schütz, oder anders: Wege zur Musik von Schütz. Auch schon früher hat man solche Wege gesucht und gefunden; und es lohnte sich (ich will das hier nur andeuten), dem einmal genauer nachzuge hen, weil der Blick zurück uns helfen könnte, die eigenen Wege deutlicher zu sehen und si cherer zu beschreiten. Zu erinnern wäre - wobei ich mich auf den deutschen Sprachraum und einen gerafften chronologischen Rückschritt ins 20. und 19. Jahrhundert beschränke - an Namen wie beispielsweise Wilhelm Ehmann und Rudolf Mauersberger oder Hans Joachim Moser und Otto Brodde. Einen besonderen Rang nehmen in diesem Zusammenhang Philipp Spitta und zuvor Carl von Winterfeld ein, die erstmals überhaupt wieder den Schutt des Ver- gessens frei geräumt und W'ege zu Schütz gewiesen haben, wie sie wirkungsmächtiger kaum sein konnten. Aber zurück in die Gegenwart. Mit diesem Vortrag wird ein Schütz-Fest an einer Hoch schule eröffnet, in der die praktische Beschäftigung mit der Musik einen Schwerpunkt bil det. Die musikalischen Wege zu Schütz stehen denn auch im Zentrum dieses Bremer Schütz-Festes. Um sie dreht sich alles; sie bestimmen die Themen der Symposien ebenso wie die Programme der Konzerte und die Inhalte der aufführungspraktischen Kurse. Niemand, der den musikalischen W'egen zu einem großen Komponisten, wie es Heinrich Schütz war, nachspürt, wird ernsthaft glauben, Schützens W'erk allein aus diesen W'egen erklä ren zu können. In seinen Kompositionen mit ihrer charakteristischen, individuellen und un verwechselbaren Sprache sind alle W'ege und Einflüsse aufgehoben: durch einen neuen, eige nen Ton abgelöst, aber doch zugleich auf höherer Stufe bewahrt. Das ändert freilich nichts an der Bedeutung einer genauen Untersuchung der W'ege zu Schütz. Ohne ihre Kenntnis fehlten uns alle Handhabe, mit seiner Musik angemessen umzugehen — und so schwer es ist, im Spannungsfeld von persönlichen Neigungen und historischen Fakten Angemessenheit im Umgang mit Kunstwerken herzustellen, so unerlässlich bleibt es für Wissenschafder wie Praktiker, sich immer wieder um sie zu bemühen. Um das Aufdecken der Wege, die zu einem Komponisten hinführen, kommen wir nicht herum. Das gilt zumal dann, wenn es sich, wie bei Heinrich Schütz, um einen Meister aus