Oie politische Geschichte der Deutschen im frühen 19. Jahrhundert bietet im allgemeinen wenig Gelegenheit, den Anteil der schaffenden Künstler an der Gestaltung des Schicksals der Nation zu würdigen. Die Nation: Was war das? Wir betrachten die geschichtliche Land karte von 1815 und finden im Gebiet des neuen Bundes fast dieselbe Buntheit wie ehedem, nur daß sich zwei größere, verhältnismäßig ge schlossene Gebiete gegeneinander abheben: Preußen und der deutsche Teil der Monarchie, das Königreich im Norden und das Kaiserreich im Süden: dazwischen ein durch die Ereignisse der Napoleonischen Zeit sehr schmal gewordenes Sachsen. Die Hauptstädte dieser so ungleichen Gebietsteile waren als Kulturstätten unvergleichbar: sie versinnbild lichten politisch-historische Zustände, die einer vergangenen staatlichen Größenordnung angehörten, die jedenfalls durchaus nicht der neuen Wirklichkeit angepaßt schienen. Aber jede dieser drei Städte: Berlin, Wien, Dresden, zehrte in ihrer Weise von einer Vergangenheit und barg in ihren kulturellen Einrichtungen die Hoffnungen und wohl auch die Kräfte künftiger Erneuerung. Es will uns mehr als ein Zufall er scheinen, daß Berlin, Wien und Dresden mit den Schicksalen Webers und seiner siegreichen deutschen Oper so eng verbunden sind. Es sind die entscheidenden Stationen des Vormarsches- die gewichtigsten Punkte, von denen eine geistige Ausstrahlung auf das Kulturleben der politisch so mühsam zusammengefaßten Nation denkbar erschien. Nimmt man aber neben der sinnlich - theatralischen Erscheinung von Webers Oper, die, wie wir sahen, so groben und kindlichen Mißdeutungen aus- gesetzt war, eine geistige Auswirkung des neuen romantisch-musikalischen Phänomens als gegeben an, so bedeuteten die Ersölge des Freischütz in den Hauptstädten Preußens, Sachsens und der Donaumonarchie schon den vollen deutschen Sieg der Weberschcn Kunstidecn. Alles was