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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187003244
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18700324
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18700324
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
Inhaltsverzeichnis
- ZeitungLeipziger Tageblatt und Anzeiger
- Jahr1870
- Monat1870-03
- Tag1870-03-24
- Monat1870-03
- Jahr1870
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 24.03.1870
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2S92 stand endlich hatte sich durch freie Wahl zu seinem Berufe ge bildet und gelangte durch regste- geistige- Streben über alle Stände zur höchsten Macht. Im Laufe der Zeiten und namentlich diese- Jahrhundert- find diese alten Schranken immer mehr gefallen, so vast mit wenigen Ausnahmen ein Jeder seinen Beruf nach Neigung und freier Entschließung wählen kann, doch ohne daß er damit allen Zwange- enthoben wäre, indem unS nur möglich ist, ein gewisse- Ziel von Beruf-Vollkommenheit zn erlangen. Auf diesem System der Berufsstände aber beruhe unsere ganze Selbstständigkeit und Bildung. Der Amerikaner kenne keinen Geburt-- und keinen BerusSstaud wie wir, und die- veranlasse die unbedingteste Freiheit de- Individuum-. Auch wir Euro päer streben dahin und lenken vielleicht eher oder später einmal in dieselbe Bahn ein. Dabei sei nun aber wohl in Betracht zu ziehen, daß unS die Energie fehlt, mit welcher der Amerikaner feine Zwecke verfolgt, die Elasticität, mit der er sich in alle For men zu fügen weiß. Allerding- habe diese Sache auch ihre Schattenseiten, und eine der am häufigsten vorkommeuden sei die Oberflächlichkeit, wie die- auch die einsichtsvollen Amerikaner recht wohl wüßten, denn eS scheine, daß der Amerikaner, welcher etwa- Gründliches lernen wolle oder solle, vorzugsweise seine wissenschaftliche Ausbildung in Europa und besonder- in Deutsch land suche. Man dürfe also auf der Bahn nach dem amerika nischen BildungSfystem nicht zu stürmisch Vorgehen, um nicht der Gefahr de- Dilettantismus zu verfallen. WaS ist Dilettantismus? Er ist eine neben dem eigentlichen Berufsstande hergehende Beschäftigung, welche sehr häufig zu einer Eitelreit verleitet — die dem echten BerufSmanne abgeht — und von Oberflächlichkeit getragen wird. Wir finden diesen Dilettan tiSmuS auch in den öffentlichen Angelegenheiten, er zehrt überhaupt an allen unfern Zuständen. Landtag und Gemeindevertretung, sie geben die reichhaltigsten Bilder des Dilettantismus. Ueber Alle-, waS zur Verhandlung kommt, gleichviel ob man davon Berständniß habe oder nicht, wird mit Selbstgefühl und Gering schätzung der vorhandenen Autoritäten gesprochen, und man kann sich dann nicht wundern, wenn solche Expectoraiionen oft den Unwillen oder die Heiterkeit Sachverständiger Hervorrufen. Ja England werden bei Fachfragen stet- Sachverständige zugezogen. ES wurde ein Beispiel angeführt, wo in Bezug auf Einrichtung einer Blindenanstalt — die Blindenbehandlung ist erst seit etwa zehn Jahren in ein wissenschaftliches System gebracht worden — der Dilettantismus sich so klug dünkte, daß er da- Urtheil be rühmter Sachverständiger unbeachtet ließ, in.späteren Jahren aber, nach gemachten schlimmen Erfahrungen, zu den früheren sach verständigen Vorschlägen übergehen mußte. Andersixo hatten Sachverständige schlagend bewiesen, daß die beabsichtigte Vereinigung zweier Gymnasien schlechterdings schaden bringend sein müsse. Trotzdem versuchte man mit einer seltenen Ueberhebung diese Gutachten und alle feststehenden pädagogischen Grundsätze anzugreifen, ja wohl gar die Behauptungen der Sach verständigen, weil bei der Sache interessirt, zu verdächtigen. Aehnlich erging eS bei der Besprechung des ProjectS einer Schule für blödsinnige Kinder. Gleichzeitig sei auch auf eine im Leipziger Lehrervereine gefallene Erklärung hinzuweisen, nach welcher die in der Stadtverordneten-Sitzung ausgesprochene Ansicht, daß in zwei bestimmten Kellern 200 Kindern zum Turnen unterzubringen seien, als von völliger Unkenntniß der Verhältnisse zeugend, hingestellt wurde. Was würden solche Dilettanten wohl gesagt haben, hätte ein Gymnasiallehrer oder Arzt wagen wollen maßgebend in ihr persönliches Berufsleben hinein zu reden? — Gehe ein Collegium auf die Vorschläge der sachverständigen Autoritäten au- finanziellen oder anderen Gründen nicht ein. so könne die- nicht getadelt werden, wohl aber sei da- AlleS-Besser- Wiffen-Wollen nicht zu rechtfertigen. Die- war ungefähr die Einleitung, an welche sich die DiS- cusfion anschloß. In dieser sprach sich aus, wie die Universalität in unseren Zuständen begründet sei, und wurden die angezogene» Vergleiche zwischen Amerika und England und Deutschland in eingehenderer Weise in Betrachtung gezogen, wobei man nicht zweifelte, daß da- amerikanische Germanenthum in nicht ferner Zeit die Welt beherrschen und das alte Europa, den bisherigen Träger der Cultur. mehr und mehr von feinem System abhängig machen werde. Tin weit begrenzter Rückblick auf die ältesten Culturstaaten und deren Verfall gewährt ein interessante- Bild de- ewigen Wechsels im Erdenleben. Wie Roms und Griechenland- Cultur und Civilisation in Verfall gekommen ist, so werde Niemand behaupten, eS sei nicht möglich, auch andere Volksstämme könnten einst demselben Schick sal unterworfen sein. — Am Schluß wurde noch erwähnt, daß eine andere Krankheit unserer Zeit der Indifferentismus sei, welcher sich sehr oft zur Bekämpfung der Autoritäten dem Dilettantismus anschließe. Leipziger Adreßbuch für 187V. r. Leimig, 23. März. ES ist endlich erschienen, da- Noth-I und HUlfsbuch für den Handels und Gewerbeftand unserer Stadt, die Post, die Fremden und Alle, die in der werdenden Weltstadt! an der Pleiße eines Führers bedürfen, um die benöthigten Adressen zu finden. Da- „Leipziger Adreßbuch für 1870" ist ein stattlicher Band, der 70 -s- XVI -s- 500 -s- 266 -s- 7V Seiten zählt, d. h. 922 Seiten in 8., beinahe das Dreifache de- Um fange- de- Jahrganges 1830! Gegen daS Vorjahr ist der Jahr gang allein um 32 Seiten gewachsen, und diese Zunahme würde! noch etwa- bedeutender sein, wenn nicht zu den Abheilungen/ „Gesellschaften, Vereine" rc. mit 163 Unterabtheilungen und „Gewerbestand" kleinere Schrift als früher verwendet worden wäre, ohne daß diese Abschnitte dadurch etwas an Uebersichtlichkeit und Deutlichkeit verloren hätten. Besondere Veränderungen, resp. Verbesserungen sind zu regi- striren bei der Rubrik: II. v. Städtische Behörden. Derj P o st bericht und die Eisenbahnfahrpläne sind gleichfalls zweck mäßig revidirt worden. Erwünscht dürfte unter Anderm auch noch die Trennung der eigentlichen Handlungsagenten von den StellenvermittluuaS- Bureaux. Agenturen für GrundstückSkäufe und -Verkäufe und be sondere Rubricirung der letzteren sein. Zum Beweise, wie schwer eS ist, solche (die pfeilschnell ent eilende Gegenwart fixirende) statistische Hülfsmittel zum Abschluß zu bringen, diene, daß während deS Drucks so viele Verände rungen eintraten. um davon beinahe sechs Druckseiten mit Cor- recturen zu füllen. Leipzig hat gewiß Ursache, sich über den 49. Jahrgang seines Adreßbuches zu freuen: giebt doch dies Jahr- und Handbuch seine- gesummten localen Personalstandes redendes Zeugnlß zugleich vom Wachsthum, Blühen und Gedeihen der Vaterstadt. Nächster Jahr gang ist ein Jubel-Adreßkalender, er wird die erste Halbscheid eines Jahrhunderts abschließen. (Leipzig besaß übrigens schon in der Mitte de- vorigen Jahrhunderts Adreßbücher; nur waren die selben von anderer Einrichtung und enthielten- zugleich Kalender) Vortrag im Leipziger Ännstverein. Die Kunstforschung führt seit einigen Jahren einen Proceß, welcher die Aufmerksamkeit des Publicums in hohem Grade in Anspruch nimmt. DaS bewies die zahlreiche Zuhörerschaft, welche sich am vorigen Sonntag zu dem Vortrag des Herrn Professor F-chner im KunstvereinSlocal emgefundm hatte. Derselbe galt der Frage nach dem Verhältniß der beiden Exemplare von Hol- bein's Madonna und unternahm ein ehende Prüfung der Acten des urkundlichen und literarischen Materials. Bekanntlich existirt außer demjenigen in Dresden noch ein zweites Gemälde (früher in Berlin, jetzt in Darmstadt), welches die Familie deS Bürger meisters Meier von Basel m Anbetung vor der Mutier Maria darstellt. Letzteres, erst durch die Münchener Ausstellung de- vorigen JahreS allgemein bekannt, ist in der Composition fast übereinstimmend mit dem berühmten Bilde, welches zu de» Kleinodien der Dresdner Gallerie gehört, aber eS finden sich doch genug Abweichungen, welche dem kritischen Betrachter Anlaß zu Fragen und Zweifeln geben. Bei der Vergleichung zeigt sich, daß daS Darmstädler Bild enger gruppirt, in dcr Farbenwaht hier und da etwa- strenger, im TypuS der Madonna geringer, aber in der coloristischen Behandlung und in der Ausführung der Portrait- eher feiner als das Dresdner ist, wobei man jedoch nickt vergesse» darf, daß jenes noch den alten Firniß hat, der die Wärme und Fülle der Töne steigert. Alles zusammen genommen zwingt de» Augenschein zu der Annahme, daß daS Darmstädter Exemplar da- ältere von beiden ist. Damit scheint auch entschieden, daß eS von Holbein selber herrührt, und eS fragt sich nun: ist da- Dre-dner Bild eine Wiederholung von der Hand de- Meister oder etwa von einer andern Hand? Durch die Kunstschriftfteller, welche sich bisher mit der Sache beschäftigt haben (Wornum, Woltmann, v. Zahn, Kinkel, Fechuer selbst), ist ein reiche- Material von Nachrichten über die Herkunft der Bilder gesammelt. Merkwürdig bleibt dabei der Umstand, daß wir erst spät von der Existenz zweier Gemälde desselben In halt- erfahren, und dieser Umstand legte den Argwohn nahe, daß eine betrügerische Verdoppelung geschehen sei. Indeß die Lücken haftigkeit der Nachrichten gewährt noch keinen entscheidenden Schluß über da- Verhältniß beider Bilder, ja auS dem vorhandenen ur kundlichen Material allein ließe sich von keinem der beiden die Echtheit zwingend Nachweisen. Herr Professor Fechner (besten Vortrag in Folge der Indisposition de- Verfasser- von Herrn vr. Riegel vorgelesen wurde) gab nun eine höchst spannende, allerseits eingehende Darlegung de- Sach verhalte- und eine Prüfung sämmtlicher in der Angelegenheit er gangenen Acten und warf auf die DeutungSfrage interessante Streiflichter. So erhielt da- Publrcum ein vollkommen getreu« Bild von der Lage der Streitfrage. Wir können dev Ausführung«
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