Die Verwendung der Blechblasinstrumente bei J. S. Bach unter besonderer Berücksichtigung der Tromba da tirarsi : kritische Anmerkungen zum gleichnamigen Aufsatz von Thomas G. MacCracken
42 Don L. Smithers Dem widerspricht der Befund folgender Werke: BWV 20, 31,41, (43), 51, 70, 76, 77, 103, 126, 232, 214 beziehungsweise 248 und 215. Bei dem ebenda angeführten Zitat aus Johann Gottfried Walthers „Musicali- schem Lexicon“ 1732, „daß .große Practici. . . mit Mühe' die nichtharmonischen Töne dis“, gis“ und h' bilden könnten; andere erwähnt er nicht.“ wäre zu ergänzen, daß Walther im selben Artikel („Clarino“) bemerkt ,,das zweygestrichene fis spricht reiner als das f an.“ Johann Philipp Eiseis „Musicus Autodidactos“ (1738) erklärt, „auf dem Wald-Horn können weiter keine Semitorva gemachet werden, ausgenommen B und Fis, und das sind sie alle“ „womit er die Grenzen noch enger zieht“ (BJ 1984, S. 64). Hier sind jedoch nur Eiseis Bemerkungen „Von dem Wald-Horne“ (S. 74ff.) zitiert. In dem von MacCracken dagegen nicht berücksichtigten Abschnitt „Von der Trompeten“ (S. 87fr.) heißt es bei Eisei (S. 92): „Soll auch der Componist derer Semitonien, sie seyn hart oder weich, sich enthalten, damit die Zuhörer, sie seyn Music-Verständige oder nicht, von solchen heraus gemarterten Semi tonien den Ohren-Zwang nicht bekommen mögen: Denn es lassen sich ja wohl selbe noch zwingen, aber mit gröster Mühe, und das gehöret vor rechte Künstler.“ Wer einmal die Mühe auf sich genommen hat, die Kunst des Clarinblasens nach den originalen Prinzipien wiederzugewinnen, gelangt zu der Überzeugung, daß Bachs erster Trompeter Gottfried Reiche ein „rechter Künstler“ im Sinne Eiseis war. In Leipzig war man dieser Meinung, auch Johann Mattheson dachte so, und was Bach von Reiche hielt, läßt sich am besten an den in Leipzig zwi schen 1723 und 1734 (bis kurz nach Reiches Tod im Herbst 1734) entstandenen Trompetenpartien ablesen, unter denen sich - durchweg geschmackvoll ge arbeitet - die bemerkenswertesten Sätze finden, die die Zeit hervorgebracht hat. Näheres berichtet mein Aufsatz „Gottfried Reiches Ansehen und sein Einfluß auf die Musik Johann Sebastian Bachs“ (BJ 1987). Nach meiner Auffassung zeichnete Reiche sich als Trompeter und Hornist durch drei spezifische Fertigkeiten aus: 1. durchgehend druckschwacher An satz, 2. Fähigkeit zum Hervorbringen zahlreicher Töne außerhalb der Natur tonskala, 3. vorbildliche Kontrolle der Atmung. In neuerer Zeit ist es üblich, das Ansehen Reiches in Zweifel zu ziehen (New GroveD, Artikel Reiche), und auch MacCracken unterschätzt die Bedeutung des Virtuosen für die Geschichte des Komponierens wie hinsichtlich eines Ausgleichs zwischen Wissenschaft und Praxis auf einem so heiklen Gebiet wie dem der Bachschen Trompeten partien. Die Frage der Ausführung besonders problematischer Trompetenpartien bei Bach läßt sich auch ohne die Annahme eines mechanisch umstimmbaren In struments befriedigend beantworten, wenn die Fähigkeit zur Änderung der Tonhöhe durch Verändern des Ansatzes a priori eingeräumt wird. Daß einige Trompeter der Barockzeit über diese Fähigkeit verfügten, geht nicht nur aus musikalischen Befunden hervor, sondern auch aus einigen - wenngleich sehe- »