Friedrich Smend, Zeit und Persönlichkeit des Abschreibers genau festgelcgt l). Sie wurde von Johann Philipp Kirnberger im Jahre 1740 oder 1741 angefertigt und ist da- mit älter als OrP. Von den Varianten dieser Fassung (Kb) veröffentlicht Spitta nun wenigstens eine, den ursprünglichen Schlußchoral des 1. Teiles 2). Weiter hat auch er die Frage nach dem Werdegang des Werkes nicht unter sucht. Neben dieser Abschrift Kb, die jetzt als Band 6 und 7 der Amalien- bibliothek Eigentum des Joachimsthalschen Gymnasiums ist, sich jedoch als ständige Leihgabe in der Preußischen Staatsbibliothek befindet, bewahrt diese Sammlung unter ihren eigenen Beständen eine Abschrift unserer Passion, die zwar nicht vollständig ist, aber in den ausgeführtcn Teilen mit Kb überein- stimmt, und deren Beschaffenheit auch in den nicht abgeschriebcnen Partien erkennen läßt, daß sie alle wesentlichen Abweichungen von der Cndgestalr des Werkes mit Kb gemeinsam hat 2). Auf ihrem Titelblatt trägt diese Abschrift den Vermerk, daß sie von Agrieola gefertigt sei; eine Vergleichung mit auto- graphen Partituren aus dem Bestände der Staatsbibliothek hat die Richtig keit der Angabe, daß sie von der Hand Johann Friedrich Agricolas stammen, bestätigt. Wir nennen sie Agr. Eine genaue Kollation dieser Zeugen mit den Autographen einerseits und dem Erstdruck des Werkes (Berlin: Schlesinger 1830) andererseits ergibt nun, daß dieser Erstdruck in der Hauptsache die Fassung der OrSt wicdergibt, in einer Reihe von auffallenden Einzelheiten aber mit Kb^) geht. Hierfür ein Beispiel: Kb kennt die Lis-dur-Wiederholung des Chorals „Erkenne mich, mein Hüter" nicht und bietet in der fünften und siebenten Zeile des bi-dur- Satzes leichte Abweichungen von der Endgestalt. Der Erstdruck der Passion bietet den L-dur-Satz in der Kb-Gestalt, den bis-dur-Satz dagegen in der Ge stalt der OrSt. Dies mußte zu dem Schluß führen, daß dem Herausgeber des Druckes von 1830, Adolf Bernhard Marx, eine Abschrift des Werkes Vorgelegen hatte, die auf der älteren Fassung fußend, eine Überarbeitung im Sinne der OrSt erlebt hatte, wobei jedoch die älteren Lesarten in Einzelheiten stehen geblieben waren. Der Bestand der Bibliothek der Singakademie zu Berlin hat diese Vermutung sehr wahrscheinlich gemacht 5). Sie bewahrt zwei späte Abschriften des Werkes, die beide handschriftliche Eintragungen Zelters zeigen. Die eine ist ohne Frage die Vorlage für den Erstdruck ge wesen. Die andere, ältere, zeigt die Fassung der Passion im Wesentlichen nach Kb. Jedoch sind in ihr einige wenige Abweichungen enthalten, bei denen die Vermutung erlaubt ist, daß hier Spuren einer noch früheren Gestalt des -) Vgl. Spitta, Bach. Bd. 2, S. 8l5ff. 2) Mitgeteilt auf S. 14 der Notenbcigabe zu Bach, Bd. 2. ») Mus. Ms. Bach P 26. *) Da Kb und Agr übereinstimmen, ist im folgenden bei bloßer Angabe „Kb" stets Agr mitgcmeint. 5) Dem Direktor der Singakademie, Herrn Prof. Or. Georg Schumann, danke ich auch an dieser Stelle herzlich dafür, daß er mir die Benutzung der Bibliothek des Instituts in diesem Umfang ermöglichte.