Der Rhythmus bei Johann Sebastian Bach 113 Trotz dieser «Beruhigung" gibt Bach eine gehäufte Folge von Schwer punkten und scheinbaren Taktwechseln, welche über die vorgezeichneten Taktstriche hinwegdrängen. Es entsteht der Eindruck von verschiedenen Taktarten, die gleichzeitig auftreten - eine Verschleierung des Grund zeitmaßes. Die rhythmische Komplizierung beginnt im fünftletzten Takt. Der vorgezeichnete 6 / 8 -Takt wird nur von der IV. Stimme markiert, alle ande ren vier Stimmen zeigen Verschiebungen. Die obersten beiden Stimmen gehen parallel zueinander, die III. und V. Stimme setzen ihre Schwer punkte noch wieder an andere Stellen. Es treten insgesamt vier ver schiedene Taktordnungen gleichzeitig auf, die dicht aufeinanderfolgen. Charakteristisch ist die regelmäßige Wiederkehr des 3 / g -Taktes in allen Stimmen, jedoch in einer dreifachen Verschiebung gegenüber dem Grund takt Selbst der Orgelpunkt - sonst eine ruhig ausgehaltene Note - ist hier in „Bewegung“ versetzt, nämlich in Oktavsprünge zerlegt und rhyth misch ebenfalls verschoben (das fis im Pedal). Wenn man hier von einer „stillen Schlußlösung" spricht 1 ), so darf man darüber die äußerste Be wegtheit des rhythmischen Lebens nicht übersehen - ein Kennzeichen auch des späten Bach. Ob das Prinzip der Wiederholung bestimmter *) Wie dies Langer, S. 78, tut. Bach-Jahrbuch 1940-1848 8