98 Michael Maul zusätzlich Einblick in die Genese seiner Sammlung gewähren, ist vielen, aus der Retrospektive betrachtet, „günstigen“ Umständen zu verdanken. Der plötzliche Tod Kochs machte den Verkauf der Sammlung zur Versorgung der Hinterbliebenen erforderlich. Eine Inventarisierung erwies sich daher als notwendig. Ein wirklicher Glücksfall war jedoch die anscheinend fast singuläre Ronneburger Praxis, dem Kantor die tatsächlich angefallenen Portokosten zu ersetzen. Bei einem - in der Regel üblichen - fixen Betrag, hätte sich eine genaue Aufstellung von Seiten Kochs erübrigt. Bedenkt man zusätzlich, daß dieser wichtige Ronneburger Aktenbestand anscheinend ohne Verluste die Zeiten überdauerte, und vor allem, daß ausgerechnet diese so einzigartig aussagekräftigen Dokumente bei einem mit Bach in enger Verbindung stehenden Kollegen angefallen sind, wird das Ausmaß an zufälliger Überlieferung deutlich. Im Umfeld Bachs gibt es eine Reihe „verdächtiger“ Namen, für die ebenfalls eine Bach-Pflege wie in Ronneburg denkbar wäre. Als vielversprechende Kandidaten kommen vor allem seine später als Kantoren tätigen Schüler in Be tracht. Doch den Möglichkeiten der Verifizierung dieser Vermutungen sind in der Regel durch eine spärliche dokumentarische Überlieferung enge Grenzen gesetzt. Die folgenden Beispiele sollen dies stellvertretend für viele andere Fälle kurz verdeutlichen. 1. Georg Gottfried Wagner Nach Ermittlungen von Hans-Joachim Schulze spielte Wagner während seiner Leipziger Studienzeit in Bachs Orchester als Geiger eine wichtige Rolle. 1 ’ In Anerkennung seiner Leistungen empfahl Bach ihn 1726 für das Kantorat in Plauen. Nur dessen Nachdrücklichkeit - der Thomaskantor verfaßte insgesamt vier Schreiben in dieser Sache 14 - hatte es Wagner zu verdanken, daß er schließlich in dieses Amt gelangte. Nach gerade einmal zwei Dienstjahren ver faßte er ein an den Stadtrat gerichtetes Erinnerungsschreiben, dessen Anlaß ein seit seinem Antritt nicht mehr gezahltes „Additament“ zur Kantoratsbesoldung war. So habe Wagners „Herr Antecessor Herr Victorinus Irmisch ein Additament von 10 fl. jährlichen aus dem SchulenKasten eine lange Zeit genoßen, durch Beyhulffe deßen neue und zu der Zeit gebräuchliche Musicalia zu Bestellung der Kirchen=Music anzuschaffen, Da nun von 13 Siehe H.-J. Schulze, Johann Sebastian Bach und Georg Gottfried Wagner - neue Dokumente, in: Bach-Studien 5, Leipzig 1975, S. 147-154 und das Vorwort zu Drei Sonaten und drei Partiten für Violine Solo BWV1001-1006, hrsg. von G. Haußwald, revidierte Ausgabe von P. Wollny (Urtext der Neuen Bach-Ausgabe). Kassel 2001, S. V-VI. 14 Siehe Dok I, Nr. 14-17 und Dok I, Nr. 56a (Nachtrag in Dok III, S. 627f.).