Neue Erkenntnisse zu Bachs Kopist Anonymus Vn 155 Der Kopistenkatalog der NBA führt ein weiteres Werk auf, zu dem Anonymus Vn Stimmen erstellt haben soll: die Flötensonate BWV 1039. 41 Ein Vergleich zeigt auch hier, daß die Abschrift nicht von Anoynmus Vn stammen kann (siehe Abbildung 6). Bei der Textschrift einschließlich der Taktvorzeichnun- gen ist keinerlei Übereinstimmung festzustellen. Die Notenschrift weist ledig lich ähnliche Grundformen des G-Schlüssels und der Viertelpause auf, der allgemeine Schriftduktus ist aber doch ein anderer. 44 Abschließende Überlegungen zur Identität von Anonymus Vn Nachdem nun der Nachweis der Dresdner Kopistentätigkeit von Anonymus Vn erbracht ist. bleibt danach zu fragen, welche konkrete Person sich hinter diesem Schreiber verbirgt. Nimmt man das bisher Ausgeführte zusammen, so ist nach einem Flötisten zu suchen, der zwischen etwa 1710 und 1720/25 Notist am Dresdner Hof war und sich 1724 45 in Leipzig aufhielt, um dort bei Kantatenaufführungen Bachs als Musiker und Schreiber mitzuwirken. Die bisher diskutierten Flötisten Bachs, Christoph Gottlob Wecker (1706-1774) und Friedrich Gottlob Wild (1700-1762), können nun aufgrund der Datie rung der Dresdner Quellen ausgeschlossen werden, da beide zu spät geboren sind. Die in Frage kommenden Mitglieder der Dresdner Hofkapelle müssen noch systematisch überprüft werden. Anhand von Schriftvergleichen läßt sich bereits feststellen, daß der Dresdner Flötist Pierre-Gabriel Buffardin (1690-1768) als Kandidat ausscheidet. 46 Die Frage nach der wahren Identität von Anonymus Vn muß damit auch an dieser Stelle zunächst offenbleiben. Unabhängig davon stellt die unerwartete Tatsache, daß sich ein Dresdner Hof notist auch als Leipziger Kopist Bachs nachweisen läßt, einen kennenswerten Querbezug dar. Möglicherweise fördern künftige Forschungen noch ähnliche Fälle zu Tage. 45 NBA IX/3, Textband. S. 73. 44 Nicht völlig auszuschließen ist die Möglichkeit, daß der Schreiber der Flötenstim men zu BWV 1039 auch die dem Schriftstadium 2 zugewiesenen Teile in den Stim men von BWV 8 und 94 angefertigt hat. Wahrscheinlich ist aber eher von einem dritten Schreiber auszugehen. 45 Voraussetzung ist die Annahme, daß es sich um Stimmen für die Erstaufführung (1724) und nicht für eine Wiederaufführung handelt: vgl. Fußnote 38. 46 Darüber hinaus sprechen auch hier ähnlich wie bei Johann Wolfgang Schmidt bio graphische Gründe dagegen, da Buffardin in Dresden von 1713 bis 1749 als Flötist wirkte.