KLEINE BEITRÄGE Zur Identifizierung des Magnificats BWV Anh. 30 aus Johann Sebastian Bachs Notenbibliothek Es ist seit längerem bekannt, daß Johann Sebastian Bach in seiner Notenbi bliothek mindestens zwei Magnificat-Vertonungen fremder Komponisten auf bewahrte, die er Anfang der 1740er Jahre für Aufführungszwecke kopiert und bearbeitet hat: das Magnificat in C-Dur von Antonio Caldara (D-B. Mus. ms. 2755)' - dessen ..Suscepit Israel" Bach um zwei unbezeichnete Instrumen talstimmen (wohl Violinen) bereicherte - und das anonyme doppelchörige Magnificat in C-Dur BWV Anh. 30 (P 195). : Während Bach bei seiner Ab schrift des erstgenannten Werks den Komponisten im Kopftitel nannte, ließ er - ob aus Unkenntnis oder Vorsatz, ist nicht bekannt - im zweiten Fall eine entsprechende Angabe weg. Dennoch herrschte in der Forschung schon ver hältnismäßig früh Einigkeit darüber, daß das Magnificat BWV Anh. 30 keine Originalkomposition Bachs sein kann, sondern daß auch hier offensichtlich die Abschrift eines fremden Werks vorliegt. 3 Bemühungen um die Identifi zierung des Komponisten sind in der Folge allerdings kaum jemals ernsthaft unternommen worden; lediglich Georg Poelchau vermerkte im handschrift lichen Katalog seiner Sammlung die Vermutung „vielleicht v. Caldara oder Lotti". 4 Nun konnte erstmals nachgewiesen werden, daß es sich bei BWV Anh. 30 um ein Werk des langjährigen Kapellmeisters der bayerischen Wittelsbacher Pietro Torri (ca. 1650-1737) handelt. Die Entdeckung In der umfangreichen Quellenkopiensammlung des Verfassers dieses Beitrags befindet sich die Partitur eines Magnificat ä 15 voci von Pietro Torri, das 1 Siehe Wolff Stile antico. S. 21-23. 204-209 und 223; Beißwenger. S. 277f.; eine eingehende Beschreibung der Quelle findet sich in NBA II/9 Krit. Bericht (K. Beiß wenger, 2000), S. 42f. Bachs Bearbeitung des „Suscepit Israel" wird in BWV 1 2 unter der Nummer 1082 geführt. 2 Siehe Beißwenger. S. 327f., und NBA II/9 Krit. Bericht. S. 66. 3 Vgl. BG XI. S. XV (W. Rust. 1862); Spitta II. S. 509; Wolff Stile antico. S. 21. 162. 179. 4 G. Poelchau. Die handschriftlichen praktischen Wercke, Berlin den 8“'" Mai 1832 (D-B. Mus. ms. theor. K. 41), S. 13 (Nr. 15).