Zur Chronologie der Leipziger Vokalwerke J. S. Bachs 9 von denjenigen Stimmen, von denen eine einzige Kopie zur Aufführung nicht ausreichte, Dubletten hergestellt, jedoch nicht nach der Partitur, son dern nach der Vorlage der Erstkopie, und zwar meist nicht vom Haupt schreiber, sondern von einem oder mehreren weiteren Kopisten. War das Werk, das aufgeführt werden sollte, keine Neukomposition, son dern die Ümarbeitung eines älteren Werkes, so konnten zuweilen Teile des früheren Notenmaterials verwendet werden. Dies geschah auf mancherlei Art. So konnten z. B. die Instrumentalstimmen eines ehemaligen weltlichen WerkesTür die Aufführung einer Kirchenkantate wiederverwendet werden, während die ..Singstimmen mit dem geistlichen Parodietext neu geschrieben wurden. Geringfügigere Abweichungen ließen sich durch Tekturen kenntlich machen. Die Partitur konnte oft völlig unverändert bleiben, da Bach als Leiter der Aufführung die von ihm angebrachten Änderungen auch auswendig wußte (bzw. Einzelheiten, etwa der Neutextierung, nicht gegen wärtig zu haben brauchte). War genügend Zeit vorhanden, so schrieb Bach zuweilen selbst eine neue Partitur, drängte die Zeit, so konnte auch ein Kopist mit der neuen Niederschrift der Partitur beauftragt werden; er er hielt dann mehr oder weniger genaue Anweisungen von Bach, wie er Vor gehen sollte — und manchmal mißglückte auch etwas dabei! Grundsätzlich kann jedenfalls als Regel gelten, daß auch bei Umarbeitungen (ebenso wie bei Neukompositionen) das vollständige Aufführungsmaterial, bestehend aus Partitur, einfachem Stimmensatz und Dubletten, gebraucht wurde, mit dem einzigen Unterschied, HälT auch älteres, bereits vorhandenes Material mitverwendet werden konnte. Die Zahl der insgesamt angefertigten Originalstimmen richtete sich selbst verständlich nach der jeweiligen Besetzungsstärkej doch lassen sich auch hier gewisse Regelfälle aufstellen. So wurden für die allsonntäglichen Kan- tatenaufführungen in den Leipziger Hauptkirchen gewöhnlich folgende Stimmen gebraucht (Blerh--undLIolzbläser sowie Singstimmen natürlich nur in dem Ausmaß, in dem sie für das jeweilige Werk vorgesehen waren): Blechbläser (Trompeten, Hörner), Pauken je i Stimme Holzbläser (Flöten, Oboen, falls obligat: Fagott) je i Stimme Violinen I, II je 2 Stimmen Viola (I, II) (je) 1 Stimme Sopran, Alt, Tenor, Baß je 1 Stimme Continuo (Violoncello, Violone, Fagott, Orgel) insgesamt 3 Stimmen, davon eine transponiert und beziffert. In Ausnahmefällen, wenn eine größere Besetzung des Singchores möglich war, traten zu den vier Vokalstimmen noch je eine Ripienstimme. Günstigere Besetzungsverhältnisse ergaben sich bei den Passionsauffüh rungen und beim Musizieren weltlicher Kantaten: doch wurden diese von Bach in der Regel durch Bereicherung der Instrumentation, zuweilen auch durch vokale Doppelchörigkeit, seltener aber durch stärkere Besetzung der einzelnen Stimmen ausgenutzt, so daß auch in diesen Fällen die oben-