J. S. Bach - Orgelsachverständiger 139 Warum sollten „die Wellen Breter... in Rahmen gefaßet seyn“? Mißversteht er hier Werckmeister? Andererseits scheinen er oder Scheibe oder auch beide mit Werckmeister hinsichtlich der Fertigung einer Brustwerklade ohne Funda mentbrett übereinzustimmen: die alte Windlade, so statt der neuen hat kommen sollen, vors erste mit einem Fundament Brete, und also falsch und verwerflich . . . . . . ist zu mercken, daß man heutiges Tages keine fundament-Breter mehr machet. . . von den vornehmsten Or gelmachern [sind] die fundament-Bre ter verworffen (S. 19) Andere Einzelheiten zeigen ähnliche Parallelen der Wind ist „aequaler“ zu machen und das Windstößen zu beheben die Intonation sollte hier und da re guliert werden die Baß-Zungen sollten „nicht so graß und blatterend ansprechen ‘ wenn der Wind . .. sich stoßet. . . und dannenhero seine aequalität verlieret (S. 42) (S. 69-71) die Pfeifen der Rohrwerke sollen „nicht zu sehr schnarren, flattern oder grellen, die tieffen Claves nicht über schreyen“ noch „in der Tiffe sehr pra- len“ (S. 36-37) Während es nicht unbedingt auf Werckmeisters Einfluß zu beruhen braucht, daß Bach den Einfluß des Wetters erwähnt (vgl. Werckmeister, S. 31, 33), so schei nen seine Bemerkungen über Trakturgewicht, Tastenfall sowie den nur gerin gen Spielraum für Verbesserungen doch auf Werckmeisters Vorschläge zur Ver besserung der Wellenbretter zurückzugehen. Ebenso könnte die Zustimmung zu Scheibes Begründung für die Notwendigkeit einer neuen Brustwerklade Werckmeisters Vorschlag in Kapitel 24 entspringen, wonach Orgelprüfer kon trollieren sollen, welche Neuanfertigungen wirklich nötig sind. Daß Bach eine Nachzahlung an den Orgelbauer empfehlen konnte, bezeugt ein Bericht C. Ph. E. Bachs an Forkel: Hatte ein Orgelbauer rechtschaffen gearbeitet, und Schaden bey seinem Bau, so bewegte er die Patronen zum Nachschuß, 2 ‘ Vielleicht war diese Praxis ungewöhnlich, denn Werckmeister redet nur allge mein von einer angemessenen Bezahlung sowie einem Bonus („Discretion“, S. 71) für gute Arbeit, dazu von einem Bankett (wie es bei der Naumburger Prüfung von 1746 stattfand). C. Ph. E. Bach mag freilich später in Leipzig von solchen Sonderzahlungen gehört haben. Daß die Universitätsvertreter 1717 empfahlen, Scheibe solle „ein Jahr wenigsten die Gewähre leisten“ 28 , stimmt mit Werckmeisters Vorstellungen über eine solche Garantiezeit überein („Ge währ-Jahr“, S. 3 3 ; „ein Jahr-Gedinge . . . wenn die gewöhnliche Gewehrzeit ver flossen“, S. 75), in der alle kleineren Defekte behoben werden konnten (S. 71). 27 Dok in, S. 284. 28 Dok I, S. 165.