"Texte zur Music" in Sankt Petersburg : neue Quellen zur Leipziger Musikgeschichte sowie zur Kompositions- und Aufführungstätigkeit Johann Sebastian Bachs
62 Tatjana Schabalina Titelblatt befinden sieh zwei Stempel: „Toc. nyöJiHHHaa E-Ka b JleHHHrpajte" und ..1 tjmjmaji“ („Staatliche Öffentliche Bibliothek in Leningrad" und „1. Filiale“). Außerdem wurde hier mit violetter Tinte handschriftlich die Inventarnummer „hhb. 1022“ sowie mit Bleistift die Chiffre „646/147“ einge tragen. Auf der letzten Seite in der oberen rechten Ecke wurde ein Aufkleber angebracht: „Ea 226 I AHTHpejiHrno3Hoe orjeaeuue | Toc. [Iyojiuuuoü E-kh b JI-ae“ („Ea 226 I Antireligiöse Abteilung I Staatliche Öffentliche Bibliothek in Leningrad“). 40 Der Text der Kantate beginnt bereits auf der Rückseite des ersten Blatts und umfaßt drei Seiten (siehe Abb. 5-7). Die Incipits der Sätze lauten: Wünschet Jerusalem Glück (Ps. CXX11, 6.7) Aria: Rühm’ und lobe, sing' und preise [Recit.]: GOtt Lob! Der HErr hat viel an uns gethan! Arioso: Der Höchste steh" uns ferner bey Aria: Herrscher aller Seraphinen (Recit.]: HErr, weihe selbst das Regiment Choral: Verleih uns Frieden gnädiglich Der Text entspricht der Kantate BWV Anh. 4 (Musik verschollen) und stimmt völlig mit der in Picanders Sammlung Ernst-Schertzhaffie und Satyrische Ge dichte Anderer Theil, Leipzig 1729 (S. 50-52), enthaltenen Dichtung überein. In diesem Band der Sammlung erscheint der Text in der ersten Abteilung unter der Nummer XIV mit folgender Überschrift: „Text zur Kirchen-Music in Leipzig, I nach gehaltener Raths-Predigt.“ Leider fehlt hier das Datum der Entstehung. Da aber der vorangehende sowie der nachfolgende Text in diesem Band auf das Jahr 1727 datiert sind, wurde Bachs Kantate „Wünschet Jerusa lem Glück“ bisher ebenfalls diesem Jahr zugeordnet. 41 Die Ratswahl fand 1727 am 25. August statt, und dieses Datum wurde lange Zeit mit dem Tag der ersten Aufführung von BWV Anh. 4 gleichgesetzt. 42 Später stellte sich durch Untersuchungen an der Schriftentwicklung der drei wichtigsten Leipziger Hauptkopisten Bachs heraus, daß 1727 eine andere Ratswahlkantate erklungen sein muß, „Ihr Tore zu Zion“ BWV 193 (eine Par odie auf die Huldigungskantate BWV 193a „Ihr Häuser des Himmels, ihr scheinenden Lichter“, die zum Namenstag von Kurfürst Friedrich August I. von Sachsen am 3. August 1727 komponiert wurde). 41 Diese Neuerkenntnisse 40 Solche Aufkleber wurden von den Bibliothekaren in der Sowjetunion benutzt, um Ausgaben theologischen Inhalts zu retten. 41 Vgl. Spitta II, S. 299 (Datierung ohne Begründung). 42 A. Schering, Musikgeschichte Leipzigs, Bd. 3: Johann Sebastian Bach und das Musikleben Leipzigs im 18. Jahrhundert, Leipzig 1941. S. 92; Dürr Chr 2. S. 96; BWV. S. 612; BWV 2a , S. 450. 43 Siehe H.-J. Schulze, Ein „ Dresdner Menuett “ im zweiten Klavierbüchlein der Anna