"Texte zur Music" in Sankt Petersburg : neue Quellen zur Leipziger Musikgeschichte sowie zur Kompositions- und Aufführungstätigkeit Johann Sebastian Bachs
64 Tatjana Schabalina aber auf den 4. Dezember 1727 datiert. In der Abteilung „Schertzhaffte und satyrische Gedichte“ trägt die Nummer II die Jahreszahl 1725, die Nummer II I aber das Datum 17. April 1727 und Nummer IV die Angabe 28. Mai 1725. Unter den „Vermischten Gedichten“ ist die Nummer XII auf den 20. August 1728, die Nummer XIII hingegen auf den 2. September 1727 datiert. Offen sichtlich stellt das Fehlen einer strengen chronologischen Anordnung der Texte im zweiten Band der Ernst-Schertzhafften und Satirischen Gedichte die Zuverlässigkeit der zeitlichen Einordnung der undatierten Texte allein anhand ihrer Position in Frage. Das neu aufgefundene Textheft bestätigt dies noch einmal in aller Deutlichkeit. Spätere Aufführungen von „Wünschet Jerusalem Glück" fanden am 27. Juni 1730 - das Werk erklang am dritten Tag der Feiern zum Jubiläum der Augs burger Konfession in der überarbeiteten Fassung BWV Anh. 4a 48 - und am 28. August 1741 (Ratswahl) 49 statt. Es ist bemerkenswert, daß diese Kantate im Jahr 1725 in der siebensätzigen Fassung (siehe oben) aufgeführt wurde. Im Sammelband Picanders aus dem Jahr 1729 wurde ein aus sechs Sätzen be stehender Text veröffentlicht; es fehlt das Rezitativ „Herr, weihe selbst das Regiment“. 50 Anscheinend hat Picander aus ungeklärten Gründen den Text der Kantate in seiner Ausgabe von 1729 gekürzt. Dem heutigen Kenntnisstand nach wurde diese Kantate 1741 ebenfalls in einer sechssätzigen Fassung auf geführt: das Rezitativ „Herr, weihe selbst das Regiment" wurde dieses Mal einbezogen, jedoch fehlt das Arioso „Der Höchste steh' uns ferner bei“. Im Jahr 1730 wurde die Parodie BWV Anh. 4a aufgeführt, in welcher die Sätze 1. 2 und 4 den Sätzen 1, 2 und 5 von BWV Anh. 4 entsprechen. 51 Diese be arbeitete Fassung aber enthielt auch sechs Sätze. Folglich war die erste Auf führung von „Wünschet Jerusalem Glück“ im Jahr 1725 die umfangreichste; sie zeigt folgende ausgewogene Satzfolge: Chor - Aria - Recit. - Arioso - Aria - Recit. - Choral. Das neuaufgefundene Textheft präzisiert unsere Vorstellungen von der Ent- stehungs- und Aufführungsgeschichte dieses Werkes und bereichert zugleich unser Bild von Bachs Kantatenschaffen im Jahr 1725. 48 Siehe BC [B 29] (Bd. 1/3, S. 932f.). 49 Siehe Dok II. Nr. 264 und 452. 50 Die Ineipits der sechssätzigen Kantate BWV Anh. 4 sind im BC (1/3. S. 835) unter B 4a mitgeteilt. Der Einzeltextdruck Ea 226 enthält gegenüber der Fassung im Sam melband von 1729 eine abweichende Lesart in der vorletzten Zeile des Rezitativs ,.GOtt Lob! Der HErr hat viel an uns gethan“ (1725: „Und Glück und Treu". 1729: „Und Güth und Treu“); zudem ist der Choral „Verleih uns Frieden“ im Einzeldruck vollständig enthalten, während 1729 nur ein Textincipit mitgeteilt wird. Siehe BC [B 29] (Bd. 1/3, S. 932). 51